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5 Dinge, die es auch nach der “Corona-Krise” braucht

“Meine Güte, wieso haben wir das nicht schon früher so gemacht?” Ich habe mir diese Frage selbst öfters gestellt – oder habe sie gestellt bekommen. Es scheint in der Tat so, dass Krisen nicht nur negativ sind. Sie fordern unsere Kreativität heraus und ein “Um-die-Ecke-Denken”, wie wir es sonst wenig tun.

Für mich ist es unglaublich faszinierend, was an Gutem in den letzten Wochen entstanden ist. Ja, diese “Corona-Krise” ist verbunden mit viel Schrecklichem, mit Leid, mit Todesfällen, mit Krankheit, mit Isolation, mit wirtschaftlichen Einbußen und existenzbedrohenden Situationen. Das ist mir bewusst. Und das kann ich und will ich überhaupt nicht kleinreden.

Nur ist das nicht die ganze Wahrheit. Zum Gesamtbild gehören für mich mindestens fünf weitere Aspekte, von denen ich hoffe, dass sie unser Leben nachhaltig prägen werden. In der Überschrift schreibe ich von “…nach der Corona-Krise”. Mir ist klar, dass das noch niemand absehen kann, wann das ist, wie das ist und unter welchen Umständen. Vielleicht wird es nie ein richtiges “nach Corona” geben, da manche Veränderungen, die jetzt eingeleitet wurden, auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beibehalten werden – ähnlich wie nach dem 11. September 2001.

Gleichzeitig aber wird der Zeitpunkt sein (wobei es wohl ein sehr langer Prozess sein wird), an dem in den Medien mehrheitlich auch wieder über anderes berichtet wird und wir sagen werden: “Weißt du noch, damals, in der “Corona-Krise”, da….”

Und genau darüber mache ich mir Gedanken und hoffe, dass folgende fünf Haltungen unser Leben und vor allem auch unser Gemeindeleben prägen werden.

Dankbarkeit

Der größte Feind deiner Sorgen ist die Dankbarkeit. Man sagt ja, dass es unmöglich ist, gleichzeitig einen Pinguin anzuschauen und dabei wütend zu sein. Das geht nicht. Stimmt. Genauso wenig ist es möglich, gleichzeitig dankbar und voller Sorgen zu sein.

Es mag schwierig sein – mitunter unmöglich – wirkliche “Sorgenfresser”, wie sie kleine Kinder kennen, zu entwickeln. Schon gar nicht haben wir ein Medikament gegen Sorgen. Das wäre zu schön, um wahr zu sein.

Was aber immer möglich ist: Dankbar zu sein. Dankbar zu sein für die ganz alltäglichen Dinge bis hin zu den außergewöhnlichen Dingen.

Jeder Mensch kommt nackt auf diese Welt und sein letztes Hemd hat keine Taschen. Alles, was wir dazwischen “haben”, ist Geschenk. Sollte uns das nicht zu mehr Dankbarkeit anreizen? Das beginnt mit der Tatsache, dass du lebst; dass du lesen kannst, dass du Menschen hast, die dich lieben und die du liebst.

Es geht weiter über die Schulbildung, Berfusausbildung, deinen Job, deine Mitmenschen, Vereine, Kirchengemeinde.

Es gibt vieles, das du richtig gut kannst, wofür andere Menschen wiederum dankbar sind.

Jeden Tag begegnest du in der Natur so vielem, wofür du dankbar sein kannst: Die wärmenden Sonnenstrahlen, der faszinierende Sonnenuntergang, das Zwitschern der Vögel und die wohltuende Abkühlung durch den Regen.

Das Lachen von Kindern, das vertrauensvolle In-die-Arme-Werfen deiner Kinder, die Umarmung deines Partners und das Wissen um viele Menschen, die für dich da sind.

Die Möglichkeiten moderner Kommunikationsmittel, durch die du rund um den Globus kommunizieren kannst.

Und nicht zu vergessen: der Grill. Im Garten. Auf dem Balkon. Der Duft von Gegrilltem.

Ich glaube, du hast den Punkt verstanden.

Ich selbst erlebe es bei mir. Ich bin dankbarer für viele Kleinigkeiten als ich es noch vor einigen Wochen war, als diese Welt so “normal” (war sie das?) war.

Mut

Nach wie vor ist es nicht möglich, in “physischer Gemeinschaft” Gottesdienst zu feiern. Wir bieten als Evangelische Kirchengemeinde Wutachtal deswegen über unseren YouTube-Kanal Gottesdienste via Livestream an.

Mich faszinieren zwei Dinge: Zum einen die Offenheit von vielen, vielen Menschen, die vorher gar nicht in den Gottesdienst gegangen sind, in diesen herausfordernden Zeiten aber genau spüren: Da muss es mehr geben als das, was ich sehe. Da muss es doch etwas (oder besser: jemanden) geben, der mich trägt und hält. Sie klicken sich rein und besuchen unseren Gottesdienst – ist ja auch cool: Vollkommen unbeobachtet kann man mal “in die Kirche reinschauen”, ohne dass es jemand merkt.

Das korreliert aber mit dem Mut, den ich meine. Denn so viele aus unserer Gemeinde entdecken nun die Möglichkeit, Menschen in unseren Gottesdienst einzuladen, wie sie es vorher nicht getan haben.

Das geht jetzt natürlich auch ganz einfach: die Grafik und den Link in den WhatsApp-Status gepackt, den Link zum Livestream via Nachricht verschickt, auf Facebook geteilt – aber: Auch in persönlichen Gesprächen bis hin zu: Ich richte meinem Nachbarn auf dem iPad alles ein, dass er am Sonntag zuschauen kann.

Oder. Ostern. “Der Herr ist auferstanden” tönt es normalerweise in den vollen Kirchen an Ostern. Die Kirchen hatten dieses Jahr an Ostern etwas gemeinsam mit dem Grab von Jesus am Ostermorgen: Leere. Keiner da.

Also wurde dieser knapp 2000 Jahre alte Ostergruß mit bunten Kreiden auf die Straße gemalt: “JESUS IST AUFERSTANDEN!” Wie cool ist das denn bitteschön? Noch Tage und Wochen später ist das auf den Wegen und Straßen in den Orten zu lesen. Menschen, die spazieren gehen, einkaufen gehen oder joggen lesen auch jetzt noch, dass Jesus auferstanden ist.

Wieso? Weil Menschen den Mut hatten, das auf die Straßen zu schreiben – und ich weiß, was es manche gekostet hat, das zu tun.

Oder der wiederentdeckte Mut zur (Mit-)Menschlickeit. Ich bin sehr, sehr positiv überrascht, wie viel Schönes, Liebevolles und Helfendes in den letzten Wochen entstanden ist. Da werden Masken genäht, füreinander eingekauft, zum Arzt begleitet und und und. So schön, wozu der Mensch im Positiven in der Lage ist. Sicherlich erfordert das ein oder andere Mut – zumindest, um über seinen eigenen Schatten zu springen.

Es wäre so genial, wenn diese “neu entdeckte Menschlichkeit” auch weiterhin Bestand hat.

So viel Mut an vielen Ecken und Enden und ich wünsche mir, dass dieser Mut bleibt!

Weitsicht

Mich lehrt diese momentane Krise eines: Weitsicht!

Ja, Kirche ist kreativ und geht neue Wege. Gleichzeitig aber ist nicht mehr alles möglich und erlaubt. Nicht nur Gottesdienste finden nicht in physischer Gemeinschaft statt – auch andere Treffen gibt es nicht oder werden auf Grund mangelnder Notwendigkeit abgesagt. Und ich denke mir: Ist das nicht auch gut? Zeigt uns diese Herausforderung nicht auch, worauf es wirklich ankommt?

Nicht jedes Treffen muss sein! Nicht jedes Meeting muss physisch sein!

Gemeindearbeit ist ein Marathon – kein 100 Meter-Lauf. Deswegen sollten wir uns auch über diese Zeit hinaus fragen, was wirklich notwendig ist.

Als Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter, als Führungskraft ist es unser Job, mit den uns anvertrauten Ressourcen verantwortungsbewusst umzugehen. Eine der wichtigsten Ressourcen ist die Zeit. Auch in Zukunft schaue ich genauer hin, was notwendig ist und was nicht. Denn die Zeit, die andere in einem von mir anberaumten Meeting sind, sind sie nicht dort, wo sie auch gebraucht werden: in ihrer Familie, im Verein, für sich alleine im Sessel beim Atemholen für die Seele.

Es wird eine große Herausforderung sein, dem Druck der “Jetzt müssen wir alles nachholen”-Mentalität standzuhalten, wenn wieder mehr möglich ist als jetzt.

Aber auch und erst recht dann gilt:

Nicht alles, was wieder erlaubt ist, ist gut.

Nicht alles, was wieder möglich ist, ist auch notwendig.

Raum für Kreativität

Kreativität als solche ist immer vorhanden – die Frage ist: Ist Raum für sie?

In diesen Wochen ist in unserer Kirchengemeinde etwas Wunderbares geschehen. Auf die Herausforderung, dass wir nicht mehr “normal” Gottesdienst feiern können traf die Kreativität und Leidenschaft von einer Handvoll Mitarbeitern im Bereich von Videotechnik.

Wir hatten keine große Ahnung wie man streamt, aber wir hatten begeisterte Mitarbeiter, die auf gut deutsch einfach Bock drauf hatten, ihre Kreativität und Leidenschaft im Bereich der Videotechnik einzubringen.

Diese beiden Jungs haben ihre Leidenschaft und Kreativität so sehr eingebracht (und tun es immer noch), dass sie nicht nur am Sonntag mehrere Stunden im Einsatz sind, sondern auch unter der Woche noch ein Vielfaches an Stunden aufbringen, um Videos aufzunehmen, Kameras und Software einzurichten, weitere Hardware anschließen, Videos schneiden, meine Wünsche & Ideen, die manchmal auch etwas extravagant (bspw. ein Live-Greenscreen während einer Predigt) sind, umzusetzen – und und und.

Natürlich war hier eine Not (keine normalen Gottesdienste) vorhanden, aber als Gemeindeleitung haben wir uns entschieden, das Projekt Live-Stream anzugehen und haben so der Kreativität der beiden Jungs Raum gegeben.

Du findest sie übrigens hier: www.brunner-wardin-studio.de (weder verwandt noch verschwägert 😉 )

Ich wünsche mir für Kirche und Gemeinde, dass auch nach diesen Wochen ganz, ganz viel Raum für Kreativität da sein wird.

Ich hoffe, dass wir den Satz “Das haben wir schon immer so gemacht” endlich aus dem Kontext von Kirche und Gemeinde streichen, denn eines ist klar: Gemeinden, die nach diesem Paradigma leben, werden in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Ich erwarte, dass wir auch weiterhin “out of the box” denken, dass wir kreativ und innovativ sind, dass wir neue Wege gehen als Kirchengemeinde und dass Gemeindeleitungen Ermöglicher von solchen neuen Wegen sind und keine Spaßbremsen!

Spätestens jetzt sollte doch allen klar sein, dass Kirche nicht Kirche bleiben kann, wie sie “schon immer war”. Wir müssen weiterhin dieser großartigen Kreativität Raum geben, die sich in den letzten wenigen Wochen gezeigt hat. Das erfordert Mut – aber darüber habe ich oben ja schon geschrieben. Es erfordert aber noch ein zweites – und das ist mein letzter Punkt für heute.

Fokus

Neben “Das haben wir schon immer so gemacht” gibt es ja noch so einen Kirchenkiller: “Wir müssen alle mitnehmen und es ihnen recht machen.” Äh – nein! Musst du nicht. Wieso sollst du etwas schaffen, das nicht einmal Jesus vergönnt war? Und woran misst du, ob du “alle mitgenommen” hast? Manche Vorstellungen bei Kirche sind so hartnäckig wie utopisch.

Was diese herausfordernden Zeiten mich lehrt, ist: Fokus! Wir brauchen Gemeinden, die einen Fokus haben!

Ein geistlicher Fokus ist uns als Gemeinde schon immer gegeben: Menschen zu Nachfolgern von Jesus zu machen. Das ist Zentrum, das ist Fokus. Den haben viele Gemeinden schon vor der “Corona-Krise” nicht gehabt – hoffentlich haben sie ihn jetzt, weil nur Jesus den Menschen helfen kann.

Wenn wir nach der “Corona-Krise” als Gemeinden nicht den klaren Fokus haben, Menschen zu Nachfolgern von Jesus zu machen, wozu Jesus uns in Matthäus 28,18-20 auffordert, dann haben wir als Gemeinden nichts aus der Krise gelernt.

Allerdings bedeutet selbst diesen Fokus zu haben noch lange nicht, dass man auch das Richtige macht. “Wir wollen, dass Menschen zum Glauben an Jesus kommen” ist ein toller Satz – aber für die Gemeindeentwicklung in der Hinsicht unbrauchbar, weil er komplett beliebig gefüllt werden kann. Das wiederum führt zur allseits gehassten “Verzettelung”.

Mir zeigt diese Krise, dass es unbedingt einen Fokus benötigt um nicht alles zu tun, aber das, was man tut, exzellent zu tun.

Warum zeigt mir diese Krise das? Die Antwort ist irgendwie ernüchternd-einfach: Vieles, das “vor Corona” ganz normal zum Alltag der Kirchengemeinde gehörte, findet nun nicht statt – und der Knackpunkt ist: Lange nicht alles wird von den Menschen vermisst. Ist das nicht verrückt? Merken wir, dass wir Dinge tun und getan haben, die eigentlich gar nicht notwendig waren? Braucht es diese krasse Krise, um zu erkennen, was wirklich mit Sinn erfüllt ist – und was wir getrost bleiben lassen können?

Das mag ernüchternd sein, aber gleichzeitig auch ein sehr, sehr wertvoller und reinigender Prozess sein, durch den wir als Kirchengemeinde und vor allem als Leitungsgremium gehen können – und sollten.

Diese Krise bietet eine vielleicht einmalige Chance, das Gemeindeleben auf den Prüfstein zu stellen. Natürlich muss man nicht das Kind mit dem Bad ausschütten – logisch. Aber wer in diesen Zeiten sich nicht die Frage stellt, was bleiben soll und was bleiben gelassen werden soll – der verpasst womöglich eine große Chance! Und manchmal muss man sich gar nicht hinsetzen und sich diese Frage stellen. Es reicht einfach, einen Blick in das Gemeindeleben zu werfen und zu erkennen, was den Menschen fehlt – und was nicht.

…und nicht zu vergessen:

Ein “weiter so wie vorher” wird schon alleine auf Grund der Finanzen nicht gehen. Ich erwarte einen drastischen Rückgang der Finanzen, die Gemeinden mindestens dieses und nächstes Jahr zur Verfügung stehen werden.

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