Christen haben das Feiern verlernt und viele Feste lediglich institutionalisiert. Steile These, ich weiß – aber so kommt’s mir zumindest vor. Dabei ist meine Überzeugung: Wenn irgendjemand Grund hat, zu feiern, ohne einen äußeren Grund dafür finden zu müssen, dann sind es Christen.
Sie glauben an einen Gott, der sie ein für allemal von Schuld befreit und ihnen als “Vorauszahlung” den heiligen Geist geschenkt hat, bis nach diesem irdischen Zeitalter alles in Gottes Ewigkeit endet, die frei sein wird von Leid, Schmerz, Tod, Krankheit, Not und Tränen (Offenbarung 21).
Feiern ist die Vollendung der Anbetung
Jede menschliche Existenz hat ein Ziel: die Anbetung Gottes. Dies geschieht auf ganz unterschiedliche Weise – und gleichzeitig ist Sinn und Ziel eines jeden menschlichen Lebens, seinem Schöpfer dafür zu danken und ihn (durch das Leben) anzubeten. Ich glaube, dessen müssen wir uns immer wieder neu bewusst werden. Suchen wir das Ziel, den Sinn unseres Lebens in uns selbst oder in dieser Welt, dann werden wir weder fündig noch glücklich. Unsere Sehnsucht ist nicht auf rein Sichtbares und Irdisches beschränkt – Gott hat uns mit einer Sehnsucht nach der Ewigkeit und einer anderen Welt geschaffen (vgl. Prediger 3,11).
In seinem Buch “Das Geheimnis geistlichen Wachstums” schreibt Dallas Willard einige bemerkenswerte Zeilen über den Zusammenhang von Anbetung und Feiern.
Feiern ist die Vollendung der Anbetung. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Anders ausgedrückt: Die Vollendung unserer menschlichen Existenz als Anbetung ist das Feiern unseres Schöpfers. Dass es dafür Grund genug gibt, schreibt Willard ebenfalls. Christen glauben an einen Gott voller Schönheit, Liebe, Gnade, Größe und Güte. Sie erfahren diese Fülle göttlicher Kraft immer und immer wieder – und die einzig angemessene Form, darauf zu reagieren, ist das Feiern und Genießen.
Dem entspricht das biblische Bild vom Hochzeitsmahl als Ewigkeit bei Gott.
Auch wenn es verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt, so ist eine Möglichkeit die, dass Jesus hier von der Ewigkeit spricht, die auf Christen wartet – also die Realität, die auf Christen wartet, nachdem sie im irdischen leben gestorben sind. Und wovon redet Jesus hier? Vom Feiern. Das Feiern ist also die Vollendung der Anbetung, die wiederum Sinn und Ziel jeder (irdischen) menschlichen Existenz ist.
Feiern – schon heute
Ich glaube aber, dass Willard Recht hat, wenn er in seinem Buch auch weiter ausführt, dass Christen mehr schon im Hier und Heute feiern sollten. Eine in dieser Hinsicht faszinierende Bibelstelle findet sich (ausgerechnet) im Alten Testament, im ersten Teil der Bibel.
Das Volk Israel soll jedes Jahr den zehnten Teil seines Ertrages beiseite legen: von den Feldern genauso wie von der Viehwirtschaft. Nur mal so am Rande: Das muss eine ganze Menge gewesen sein.
Diese ganzen Erträge sollen sie zusammen tun und ein Fest feiern. Natürlich gibt es auch eine Anweisung für die, deren Weg bis zur Versammlungsstätte sehr weit wäre:
Alles verkaufen und davon dann jede Menge “Rinder, Schafe, Ziegen, Wein oder ein anderes berauschendes Getränk” kaufen. Jetzt mal Hand auf’s Herz: Gott ordnet seinem Volk an, nicht nur mit Wasser und Milch zu feiern, sondern mit alkoholisierter Flüssigkeit…. Oha. Das sollte man mal in manchen Gemeinden lesen.
Ohne jetzt ins Detail zu gehen und auf jedes Wort im hebräischen Urtext einzugehen: Die Israeliten sollen (mindestens) einmal im Jahr zusammen kommen und so richtig einen drauf machen “in der Gegenwart des HERRN”. Diesen Zusatz finde ich witzig: Der ist sozusagen die “moralische Instanz” wie weit das “Draufmachen” geht, frei nach dem Motto: “Feiert, lasst die Sau raus – aber denkt dran: Ihr seid in der Gegenwart des HERRN!” Eigentlich ein ziemlich cooles Motto zum Feiern. Und sorry, wenn es dir ein wenig zu heftig klingt – aber es wäre doch mal spannend durchzudenken, was es heißt “in der Gegenwart Gottes die Sau rauslassen” (für alle nichtdeutschen Leserinnern und Leser: “Die Sau rauslassen” ist ein Sprichwort dafür, mal so richtig ordentlich zu feiern und Party zu machen.)
Ich glaube nicht, dass damit ein zügelloses und hemmungsloses Partymachen gemeint ist, bei dem ich mich sinnlos zulaufen lasse, am nächsten Morgen mit Kater und Filmriss aufwache und alles bereue, was ich in der Zeit getan habe, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.
Ich denke, dass damit vielmehr etwas anderes gemeint ist, auf das ich weiter unten noch eingehe.
Und ich glaube, auch heute gilt: Christen – feiert mehr! Ja klar haben wir Ostern, Weihnachten und Erntedank. Kirchliche Feste, in denen wir die Freude über das Leben schön in liturgische und ritualisierte Formen gepackt haben und das dann als Feier verkaufen. Ich glaube aber, dass “Feiern” biblisch gesehen mehr ist, als nur eine rituelle Feier – auch wenn gerade das Judentum eine Reihe an großen Festen und Feiern kennt, die ritualisiert sind.
Feiern – geht ganz unterschiedlich
Vielleicht graut’s dir ein wenig davor, das zu lesen, weil du nicht der Typ bist für große Feiern – herzlichen Glückwunsch! Das ist gut so! Wir Menschen ticken einfach so unterschiedlich – und das ist wunderbar, denn dadurch haben wir auch ganz vielfältige Zugänge zum Feiern. Andere mögen die großen Feiern – wunderbar.
Es muss nicht die große Sause sein, um zu feiern. Es muss nicht das rauschende Fest und die große Party sein, es kann auch sehr einfach, schlicht – ja sogar alleine geschehen.
Auf der anderen Seite kann es aber auch genau das sein: In Gemeinschaft mit anderen Menschen feiern und dankbar annehmen, was Gott schenkt. Freude kann (und soll) durchaus auch ansteckend sein und wirken, weshalb Gemeinschaft beim Feiern alles andere als unnatürlich ist.
Auch wenn es in christlichen Kreisen viele Spaß- und Feierbremen gibt: Wir sollten uns immer wieder daran erinnern, dass Jesu erstes Wunder das war, dass er aus Wasser hervorragenden Wein machte, damit eine Hochzeitsfeier nicht aufhörte, sondern so richtig schön weiterging. (Die Bibel, Johannes-Evangelium, Kapitel 2)
Überall dort, wo du das Leben und das Gute, das Gott dir schenkt, genießt, bist Du schon mitten im Feiern. Du feierst, bist dankbar, leidenschaftlich und berührt von Gottes Gnade und dem, was er an Segen über deinem Leben und in deinem Leben schon ausgegossen hat.
Natürlich können institutionalisierte (kirchliche) Feste dabei unterstützen, aber es ist doch wie beim Beten: Nur mit vorformulierten Gebeten zu beten ist nicht das, was die Bibel unter “Gebet” versteht. Gleichzeitig können wir sie aber auch nicht über Bord werfen und sollten das auch tunlichst unterlassen.
Genauso wenig sind nur institutionalisierte Feste wie Ostern und Weihnachten “Ende der Feier-Fahnenstange” – auch wenn es zugegeben die wichtigsten christlichen Feste sind. Es muss mehr gefeiert werden und nicht nur dann, wenn es der (liturgische) Kalender vorschreibt.
In diesem Sinne wünsche ich mir: Christen – feiert mehr! Genießt mehr! Freut euch mehr! Seid mehr dankbar! Ihr habt allen Grund dafür, denn ihr glaubt an einen Gott, der es durch und durch gut meint und nicht aufhört, euch zu segnen!
Was Esra dem Volk Israel vor vielen hundert Jahren sagte, gilt auch heute noch: