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Paulus und der menschengemachte Klimawandel

Mich verwundert die momentane Klima-Debatte sehr – vor allem, wenn sie aus und in kirchlichen Kreisen geführt wird. Warum? Weil sie am eigentlichen Problem ziemlich vorbei schrammt. In einer zu großen Teilen gottlosen Gesellschaft wird die Klimarettung zur neuen Religion. In einer Kirche, in der Moralismus und Relativismus Einzug gehalten haben, wird Klimarettung zu einer willkommenen Gestalt, an Stelle eines geistlichen Vakuums zu treten. Mit Moralismus und Relativismus meine ich die Erscheinungsform von Kirche, in der sehr viel Wert gelegt wird auf äußerlich gute Taten (Moralismus) bei einer geistlichen Unschärfe, durch welche nicht mehr deutlich ist, was der Kern der biblischen Botschaft ist (Relativismus).

Achtung. Spoiler! Der Umkehrschluss ist nicht erlaubt. Nicht jeder, der sich für das Klima und die Umwelt einsetzt, tut dies aus neoreligiösen Überzeugungen. Und ich würde noch einen draufsetzen und behaupten: Wenn nicht Christen – ja wer denn dann bitteschön soll sich für die Schöpfung einsetzen? Wo aber liegt dann das Problem?

In meinen Augen liegt es dort, wo Christen (und damit meine ich auch “die Kirchen”) vergessen haben, auf das eigentliche Problem hinzuweisen und es an der Wurzel (“radix” = lateinisch = Wurzel) zupacken und nicht an den Symptomen.

Es ist so wichtig, dass Christen sich wirklich und nachhaltig für Gottes gesamte, gute Schöpfung einsetzen. Ohne Wenn und Aber. Paulus thematisiert das im Römerbrief aus einer anderen Perspektive, durch die er aufzeigt, wie Gottes gesamte Schöpfung und der geistliche Fall des Menschen zusammenhängen – und wir somit an der Radix, der Wurzel, des Dilemmas landen:

Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.Die Bibel - Römer 8, 18-22

Das eigentliche Problem

Das eigentliche Problem besteht darin, dass wir meinen, “Die Schöpfung” aka “Die Umwelt” aka “Das Klima” aka “Der Klimawandel” aka “Die Natur” sind eigenständige Größen, sozusagen Subjekte im großen Weltgeschehen. Naturvölker, die animistischen Überzeugungen anhängen, glauben das auch und sind der Überzeugung, dass die Natur als solche beseelt ist. Dadurch wird die Natur zu einem handelnden Subjekt und für den Menschen zu einem Gegenüber auf Augenhöhe. Biblisch ist dieses Verständnis jedoch nicht und wird auch von den meisten postmodernen Menschen abgelehnt, zumal wenn es sich um agnostische oder atheistische Zeitgenossen handelt.

Die Natur [aka s.o.] ist jedoch keine eigene Größe, sondern existiert in Abhängigkeit vom Menschen. Denn an diesen ist der Bewahrungs- und Schöpfungsauftrag ergangen:

Und Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: “Seid fruchtbar und vermehrt euch! Füllt die ganze Erde und nehmt sie in Besitz! Ich setze euch über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und alle Tiere, die auf der Erde leben, und vertraue sie eurer Fürsorge an.”Die Bibel - 1. Mose 1, 27+28

Dies wird auch an anderen Stellen in der Bibel wiederholt: Der Mensch ist sozusagen “die Krone der Schöpfung” – und mag das in den Ohren des postmodernen Menschen auch arrogant klingen: Es ist kein selbst zugeschriebener Titel, sondern Gott selbst hat sich das gedacht, wie in Psalm 8 zu lesen ist und was dem Menschen nicht nur eine große Ehre, sondern gleichzeitig auch eine große Verantwortung zuteil werden lässt.

Du hast ihn [den Menschen] zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getanDie Bibel - Psalm 8,7

Nun aber nahm die Geschichte ihren verhängnisvollen Verlauf (nachzulesen in 1. Mose 3) und der Mensch sorgte dafür, dass er ab sofort in einer “gefallenen Welt” lebt: Eine Welt, in der die Sünde nicht mehr wegzudenken ist und jeden Augenblick ihr Unwesen treibt – strukturell verankert und omnipräsent.

Das bedeutet nun aber auch, dass die gesamte Schöpfung unter dieser Sünde leidet. Paulus drückt es im Römerbrief eben so aus:

Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.Die Bibel - Römer 8, 18-22

Geistlich gesprochen können wir gar nicht anders, als nicht nur anzunehmen, sondern deutlich zu machen: Ja, wir reden von einem “menschengemachter Klimawandel”. Der Mensch ist schuld am Klimawandel, an der Zerstörung der Natur und an allen unschönen und katastrophalen Konsequenzen, die das alles hat. Der Grund aber liegt nicht zuerst darin, dass der Mensch spätestens seit der Industrialisierung raffgierig und auf Profit aus ist und damit verbunden ihm die Auswirkungen seines Tuns auf die Natur scheinbar egal sind. Der Grund, dass wir von einem menschengemachten Klimawandel sprechen müssen (!) liegt seit dem Sündenfall in der grundsätzlich gestörten Beziehung zwischen Mensch und Gott – und damit auch zwischen Mensch und Natur.

Weder lässt sich das gut verkaufen, noch ist das so gut greifbar wie eine CO2-Emission, Verschmutzung der Weltmeere oder das Abbrennen des Regenwaldes. Diese Dinge sind katastrophal, entsetzlich und verheerend weil der Mensch ist, wie er ist und nicht weil er tut, was er tut.

Was der Mensch tut entspringt seinem gottlosen Sein. Das ist nicht anders wie mit jeder anderen Sünde auch: Entscheidend ist nicht die Tat, sondern die ontologische Dimension der Sünde: Sie ist da, sie ist existent, sie ist von der menschlichen Existenz und Natur nicht zu trennen – leider.

Analog verhält es sich mit dem menschengemachten Klimawandel: Dieser ist in der strukturellen Sünde, welche die Menschheit durchdringt, schon angelegt und äußert sich in den oben beschriebenen verheerenden Phänomenen.

Das eigentliche Problem ist also geistlicher und nicht menschlicher Natur.

Die Lösung

Tja, die gibt’s nicht. Zumindest nicht, solange nicht eingetreten ist, was im letzten Buch der Bibel beschrieben ist:

Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der vorige Himmel und die vorige Erde waren vergangen, und auch das Meer war nicht mehr da.Die Bibel - Offenbarung 21,1

Gott wird einen neuen Himmel und eine neue Erde erschaffen – und nicht der Mensch. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten. Gerade weil der Klimawandel ein geistliches Problem ist, macht es keinen Sinn zu suggerieren, wir könnten ihn aufhalten oder gar die Erde selbst erneuern. Das wird nicht gehen.

Also – die Hände in den Schoß legen? Von wegen! Aufstehen! Den Mund aufmachen! Taten folgen lassen! Das eigene Leben ändern! Das Ganze sehen, nicht nur einen kleinen Teil!

Aber auf keinen Fall in irgendeiner Weise eine Weltflucht oder auch nur den ansatzweisen Versuch an den Tag legen. Auch wenn es sich manchmal wie ein großes Dilemma oder gar Missverständnis anfühlt, in dieser Welt zu leben, die strukturell von Sünde durchzogen ist – das wusste auch schon Paulus, als er an die Gemeinde in Korinth schrieb:

Das wissen wir: Unser irdischer Leib ist vergänglich; er gleicht einem Zelt, das eines Tages abgebrochen wird. Dann erhalten wir einen neuen Leib, eine Behausung, die nicht von Menschen errichtet ist. Gott hält sie im Himmel für uns bereit, und sie wird ewig bleiben. Voll Verlangen sehnen wir uns danach, den neuen Leib schon jetzt überzuziehen wie ein Gewand, damit wir nicht nackt, sondern bekleidet sind, wenn wir unseren irdischen Körper ablegen müssen. Solange wir in diesem Körper leben, liegt eine schwere Last auf uns. Am liebsten wäre es uns, wenn wir nicht erst sterben müssten, um unseren neuen Körper anziehen zu können. Wir möchten den neuen Körper einfach über den alten ziehen, damit alles Vergängliche vom Leben überwunden wird. Auf dieses neue Leben hat uns Gott vorbereitet, indem er uns als sicheres Pfand dafür schon jetzt seinen Geist gegeben hat. Deshalb sind wir jederzeit zuversichtlich, auch wenn wir in unserem irdischen Leib noch nicht bei Gott zu Hause sind. Unser Leben auf dieser Erde ist dadurch bestimmt, dass wir an ihn glauben, und nicht, dass wir ihn sehen.Die Bibel - 2. Korinther 5, 1-7

Für alle fatalistisch veranlagten, die jetzt sagen: “Siehste, selbst Paulus hatte kein Bock mehr, hier Probleme zu lösen!” Es kam ganz anders. Die nächsten beiden Verse sind die entscheidenden, da sie zum Ausdruck bringen, wie eine wirklich von Gott geschenkte Haltung und Einstellung aussieht – zu den Problemen dieser Welt generell, aber im speziellen auch in der ganzen Debatte und Diskussion rund um den Klimawandel.

Unser Leben auf dieser Erde ist dadurch bestimmt, dass wir an ihn glauben, und nicht, dass wir ihn sehen. Aber wir rechnen fest damit und würden am liebsten diesen Leib verlassen, um endlich zu Hause beim Herrn zu sein. Ganz gleich ob wir nun daheim bei ihm sind oder noch auf dieser Erde leben, wir möchten in jedem Fall tun, was Gott gefällt.Die Bibel - 2. Korinther 5, 8-9

Auch wenn die Sehnsucht nach der Ewigkeit und unserem Zuhause bei Gott groß ist, führt sie (zumindest bei Paulus) nicht zu einer Weltflucht, sondern motiviert im Hier und Jetzt alles für Jesus zu geben und zu tun, was Gott gefällt. Und das heißt nichts weniger als ein verantwortlicher und nachhaltiger Umgang mit seiner guten und wunderbaren Schöpfung – die Mensch, Tier und Natur beinhaltet.

Mein Wunsch

Ich bin Pfarrer und Theologe, kein Biologe oder Klimaforscher. Also kann ich auch nicht als Biologe oder Klimaforscher sprechen, sondern nur als Pfarrer und Theologe. Und hier ist mein großer Wunsch, dass wir endlich aufhören, dieser postmodernen Ersatzreligion weiterhin zu huldigen und so tun, als könnte der Mensch alleine (!) dieses Problem lösen. Gerade als protestantische Kirche ist uns doch klar, dass der Mensch nicht aus Werken gerecht wird. Allerdings habe ich manchmal den Eindruck (und ja, das ist sehr subjektiv), dass es fast schon unverzeihlich ist, nicht bei “Fridays for future” mitzulaufen oder die Kirchenglocken zu läuten.

Mein Wunsch ist es, dass die Kirche das eigentliche Problem des “menschengemachten Klimawandels” benennt und nicht auseinander dividiert, was von je her zusammengehört: Der Fall des Menschen und der Fall der ganzen Schöpfung.

Oder warum sonst kommt Paulus auf die Idee zu schreiben:

Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.Die Bibel - Römer 8, 18-22

Die Schöpfung leidet genauso unter dem “Sündenfall” (1. Mose 3) wie es der Mensch tut. Das dürfen wir nicht vergessen und das heißt auch: Wir dürfen nicht so tun, “als sei das alles nicht so schlimm”. Das höre ich in kirchlichen Kreisen leider auch immer wieder. Fatal – denn der Schöpfungs- und Bewahrungsauftrag sieht anders aus. Und ganz sicherlich erschöpft sich dieser nicht in einer “Mir doch egal”-Haltung gegenüber der Natur und dem Klima.

Die ganze Schöpfung leidet und seufzt unter dieser Last. In der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus hat die Kirche einen großartigen Schatz, den sie aber leider zu einer billigen Kopie von Werkgerechtigkeit und Moralismus durchdrungenen Gedanken hat verkommen lassen. Es ist Zeit, das zu ändern und das Evangelium vom stellvertretenden Leiden des Sohnes Gottes für die gesamte Schöpfung wieder neu zur Sprache kommen lassen.

Ich wünsche mir, dass in kirchlichen Äußerungen im Blick auf den Klimawandel und die Bewahrung der Schöpfung der geistliche Zusammenhang nicht nur negativ, sondern positiv zum Ausdruck gebracht wird.

Negativ wird der geistliche Zusammenhang insofern zum Ausdruck gebracht, als dass die Gottlosigkeit des Menschen meist als Egoismus und Rücksichtslosigkeit dargestellt wird, aus der das verheerende und abscheuliche Verhalten gegenüber der Natur angeprangert wird – aber keine geistliche Lösungsoption aufgezeigt wird.

Positiv zum Ausdruck gebracht wird der geistliche Zusammenhang dort, wo dem Menschen ein Ausweg aus diesem Dilemma aufgezeigt wird und auf Jesu stellvertretendes Leiden und Sterben am Kreuz hingewiesen wird, das dem Menschen ermöglicht, “eine neue Kreatur” (2. Korinther 5,17) zu werden, was sich wiederum auf den Umgang des Menschen mit der Natur widerspiegeln wird, wo diese Neuschöpfung eines Menschen gelebt und nicht nur als Lippenbekenntnis vor sich hergetragen wird.

Oder kurz gesagt: Das eine tun – das andere nicht lassen!

Denn die Lösungansätze für einen menschengemachten Klimawandel können niemals beim Menschen, sondern nur bei Jesus und seiner dem Menschen und der gesamten Schöpfung zugewandten Art zu finden sein.

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