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Warum ich eine Auszeit nehme

Ja, richtig gelesen. Ich werde eine zweimonatige berufliche Auszeit nehmen – los geht’s am 11. Juli. Ich freue mich darauf und merke, dass es nötig ist – aber wie kam es überhaupt dazu?

Alles fing an mit einem weiteren Gespräch, das ich gemeinsam mit meiner Frau Damaris und unserem Coaching-Ehepaar hatte. Ich bin leidenschaftlich gerne Pfarrer und Leiter, mein Herz brennt dafür, dass Gemeinde wächst und aufblüht. Ich liebe es, andere Menschen zu inspirieren und sie in der Nachfolge Jesu zu begleiten – oder überhaupt erst einmal dazu einzuladen.

Nur wer brennt…

….kann auch mal verbrennen. Burnout? Nein, davon rede ich nicht. Wir (Damaris und ich) verspürten aber viele Fragen in uns aufkommen, unsere berufliche Situation betreffend. Wir fühlten Unzufriedenheit und Frust – gepaart mit dem Wissen, Teil einer Kirche (damit meine ich die Institution, nicht meine Gemeinde) zu sein, die nun nicht wirklich vor Elan und Innovation sprüht.

Nimmt man meine erste Pfarrstelle noch mit hinzu, sind es 13 Jahre Vollgas, Leiten an vorderster Front, die Last der Leitung auf den Schultern spürend den alltäglichen Kampf des Glaubens und Leitens kämpfen – das ist nicht einfach. Zumal in dieser Zeit unsere Kinder geboren wurden und einige familiäre Umwälzungen stattfanden.

Ich erinnere mich noch gut, wie unser Coaching-Ehepaar in einem anderen Gespräch sinngemäß sagte: “Alleine die Hauptverantwortung zu tragen und darum zu wissen, macht 60% der (Arbeits-)Belastung aus!” Und je länger ich das aktiv in meinem Alltag als Pfarrer reflektierte, sehe ich, wie recht die beiden haben. Wen wundert’s! Wir sind so dankbar, mit unseren Coaches so wunderbare Begleiter an unserer Seite zu haben. Wenn ihr das lest: Ihr seid ein Segen für uns, wie es mit Worten nicht auszudrücken ist. (Und an dieser Stelle die Empfehlung: Sich einen Coach/Coachin-Ehepaar zu suchen ist mit das Beste, was du dir selbst tun kannst.)

Wenn du die Hauptverantwortung trägst, lehnst du dich in Sitzungen nicht zurück, sondern bereitest sie vor, hast Ziele und musst mental immer am Start sein. Du bist “der letzte Depp”, der dann für vieles verantwortlich zu sein scheint. Du redest mit vielen Personen, aber nur wenige reden mit dir wirklich das, was sie auf dem Herzen haben – der Rest geschieht hintenrum. Du repräsentierst nach außen, wechselst munter die Rollen vom Relilehrer, Seelsorger, Manager, Vorgesetzten, Kollegen, Prediger, Verwaltungsfreak, Kinderbespaßer, Konfliktmanager oder Konfliktaushalter, du weinst mit den Trauernden, lachst mit den Heiratenden und staunst mit denen, die ihre Kinder taufen oder segnen lassen, musst die Gemeindefinanzen und Liegenschaften im Blick haben, bist stets auf dem Präsentierteller (und mit dir deine Familie), bist gleichzeitig immer ansprechbar, wirst beim Einkaufen in Glaubensfragen “verwickelt” und zwischen Tür und Angel redest du über Gott und die Welt – ach es gäbe noch so viel und das ist ja auch das Wunderschöne an meinem Beruf.

Ein Sabbatical! Wie das?

Also bekamen wir den Tipp: “Macht doch mal eine Auszeit, ein Sabbatical!” Das war vor ca. einem Jahr. Die Idee reifte immer mehr in uns und so begann ich, erst einmal die rechtliche Seite abzuklären und auszuloten und wie ich das als Pfarrer der Landeskirche hinbekommen könnte. Teilweise Urlaub, teilweise unbezahlter Urlaub, einige Rechtsverordnungen später war dann klar, dass es zwei Monate werden könnten. Also offiziell den Antrag gestellt, Dekanin, Schuldekanin, Co-Pastor und Jugendpastor unserer Gemeinde informiert, die Ältesten und Mitarbeiter, dann die Gemeinde.

Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dass mir meine Landeskirche eine solche Auszeit genehmigt. Noch dankbarer bin ich für meinen Kollegen Marc Hönes, der als Co-Pastor in dieser Zeit einiges “auffangen” wird, gleichzeitig auch für “meine” Ältesten, die diese Auszeit mittragen. Das alles ist ein großes Geschenk, das ich sehr zu schätzen weiß!

Meine Erwartungen haben sich verändert

Und siehe da: Jetzt mach ich das und es fühlt sich extrem gut an, bald in diese Auszeit zu starten. Anfangs, nachdem der Entschluss reifte, wollte ich diese Auszeit nutzen, um Klarheit über meine Zukunft und die berufliche Perspektive zu bekommen. Dem ist immer noch so, denn uns treiben viele Fragen um – nicht zuletzt auch die so entscheidende Frage, ob ich mit dem, was ich mache und wo ich bin, meine von Gott geschenkte Berufung wirklich lebe(n kann).

Wieder einmal aber war es ein Coaching-Gespräch, in dem wir mit der Frage konfrontiert wurden “Und was, wenn Gott das gar nicht zeigt und ihr einfach diese Auszeit genießt, um aufzutanken?” Stimmt eigentlich. Wer bin ich denn, dass ich Gott vorschreiben könnte, dass er jetzt in dieser Auszeit so klar redet wie vielleicht selten zuvor? Das hat mir und uns so ziemlich den Druck genommen.

So werde ich diese Auszeit einfach genießen. Zunächst einige Tage alleine auf einem Campingplatz in Gottes wunderbarer Schöpfung. Thorsten, ein treuer Freund und Wegbegleiter (auch wenn wir uns viiiiiiel zu selten sehen), mit dem ich seit Jugendjahren verbunden bin, stellt mir einfach so seinen Wohnwagen zur Verfügung. Okay, seine Begründung, als ich ihn fragte, ob er mir einen schönen Campingplatz empfehlen könne, wo ich mein Zelt aufschlage, klang so: “Dave, wir sind zu alt für so was. Ich stell dir meinen Wohnwagen hin.” So wird es sein und ich freue mich – nicht nur darauf, für diese gute Woche komfortabler zu schlafen, sondern Thorsten nach langer Zeit endlich wieder mal zu sehen, uns auszutauschen und für ein paar Stunden Zeit verbringen.

Familie – das “erste Reich Gottes”

Und dann genieße ich es, ganz viel Zeit für und mit der Familie zu haben und wahrscheinlich so erholt wie noch nie in unseren Sommerurlaub nach Dänemark zu fahren, der innerhalb dieser Auszeit sein wird. Das ist auch so etwas, was Damaris und ich im Coaching gelernt haben, oder besser gesagt: Wir haben die Tiefe begriffen, die sich darin verbirgt: Das “erste Reich Gottes” ist nicht die Gemeinde, sondern die eigene Familie. Die ersten Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu sind nicht “meine Gemeindeglieder”, sondern meine Familienmitglieder, für die ich verantwortlich bin und die ich im Glauben wachsen sehen möchte. Würde ich heute auf dem Sterbebett liegen, befürchte ich, dass folgender Satz mir über die Lippen käme: “Hätte ich doch nur mehr Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern verbracht!” Ich möchte aber meine Zukunft so gestalten, dass dieser Satz mehr und mehr Utopie wird.

Wird Gott reden in dieser Zeit? Mit Sicherheit! Aber ich schreibe ihm nichts (mehr) vor.


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