Es ist höchste Zeit für Experimente. Richtig gehört. Experimente. No risk, no fun!
Not macht erfinderisch, sagt man. Und in gewisser Weise bewahrheitet sich das gerade an allen Ecken und Enden unserer Gesellschaft. Wir basteln Nase-Mund-Masken aus allen möglichen Materialien, wir werden kreativ und erfinderisch wenn es darum geht, anderen Menschen etwas Gutes zu tun und es werden Mittel und Wege gefunden, um sich mit Freunden nach wie vor zu “treffen” – und wenn es zunächst virtuell und digital geschieht.
Auch für die Kirch bietet diese Zeit der “Corona-Krise” eine wahnsinnig geniale Gelegenheit, zu experimentieren, Risiken einzugehen, Neues zu wagen.
Hier und jetzt und heute wird absolut konkret, was der us-amerikanische Pastor Craig Groeschel als die “Vier Notwendigkeiten für Innovation” benennt. In diesem Artikel kannst du ein bisschen mehr darüber lesen – ich zähle sie hier nur mal schnell auf
- Ein zu lösendes Problem
- Begrenzte Ressourcen
- Die Bereitschaft, Fehler zu machen
- Eine verrückte Idee
Erstaunlich, aber nicht überraschend, wie diese vier Notwendigkeiten für Innovation nun auf einen Nährboden treffen, der seinesgleichen sucht: Die “Corona-Krise”.
Alle in einem Boot
Wir sitzen alle im gleichen Boot, die wir als Leiterinnen und Leiter nun herausgefordert sind, Gemeinde und Kirche relevant zu halten. Unser zu lösendes Problem besteht darin, wie wir nun in diesen herausfordernden Zeiten Gemeinde bleiben und leben. Vieles geht nicht mehr so, wie noch vor vielen Wochen. Gemeinden stehen vor der Herausforderung und der Frage: Was macht uns als Gemeinde aus? Wie leben wir den Glauben an Jesus konkret?
Die begrenzten Ressourcen nehmen wir jetzt noch mehr gemeinsam wahr als “vor der Corona-Krise”. Da gab es natürlich auch die “armen” und “reichen” Gemeinden im Blick auf die Kern-Ressourcen Personal, Finanzen und Gebäude. Nun aber sind unsere Ressourcen dahingehend begrenzt, dass bspw. das größte und schönste Gebäude nichts bringt, da es momentan nicht mit Leben “gefüllt werden darf”. Wir sehen uns also alle doch irgendwie im gleichen Boot sitzen.
Was die verrückte Idee und die Bereitschaft, Fehler zu machen betrifft, sieht es nun individuell komplett anders aus. Da sind Gemeinden ganz unterschiedlich betroffen und haben natürlich unterschiedliche Erfahrungen mit “Mut zum Fehler” und “Out of the box denken” gemacht.
Viele Strukturen, viele Veranstaltungsformate, viele “Normalitäten” greifen momentan einfach überhaupt nicht und so führen uns das “zu lösende Problem” und “die begrenzten Ressourcen” zu einer ganz entscheidenden Frage:
Fehler? Ja, bitte!
Knackpunkt! Für uns Deutsche! Wir hätten gerne immer alles fertig. Fertige Konzepte. Fertige Prozessformulierungen. Fertige Follow Ups. Fertige Programme. Fertige Nerven.
Große Angst haben wir offensichtlich davor, Fehler zu machen. Das ist nicht nur schade und traurig – das ist elementar problematisch, wenn wir innovativ sein wollen und auf Probleme adäquat reagieren möchten.
Nein, liebe Leserin und lieber Leser, es muss noch lange nicht alles fertig sein, bevor du mit etwas startest. Lass doch den Dingen Spielraum. Lass Kreativität freien Raum.
Nehmen wir als Beispiel die momentane Gottesdienst-Situation – eignet sich ja hervorragend, wenn ich betrachte, wie dieser Artikel hier in den letzten Tagen viral gegangen ist. Du überlegst dir als Leiter gemeinsam mit deinem Leitungsteam, wie ihr Gottesdienste streamen könnt im Internet. (Am Ende des Artikels findest du ein paar sehr hilfreiche Links zu dem Thema.)
Gottesdienst streamen. Da gibt es viel zu bedenken:
Haben wir die Technik?
Was braucht es an Kamera und Beleuchtung?
Wie sieht es mit der Mikrofonierung aus?
Passt die bisherige Dekoration oder muss eine andere her?
Übernehmen wir den bisherigen Gottesdienstablauf oder erstellen wir etwas Neues?
Wie können wir die Personen vom Zuschauer zum Mitfeiernden werden lassen? Wie also ist Interaktion möglich?
Wie kommt Musik im Gottesdienst vor?
Und. Und. Und. Und. Und.
So viele Fragen.
Wenn du auf alles eine Antwort möchtest, ehe du loslegst, wirst du nie loslegen.
Entscheide dich für die wichtigsten Fragen – lege los. Und den Rest? Den bearbeitest du im laufenden Prozess und deine Gottesdienste werden von Mal zu Mal besser.
Entstehen dabei Fehler? Jede Menge! Ist das schlimm? Nein!
Natürlich gibt es einen Grundpegel an Qualität, der erreicht werden sollte, aber das gebietet dir der gesunde Menschenverstand und das ästhetische Empfinden aber nicht dein Innovationsempfinden oder Mut zum Wagnis.
Wir haben in unserer Gemeinde zum Beispiel erst nach einigen Gottesdiensten etwas Neues gewagt und so die Grund-Dekoration komplett verändert: Wir haben den Altar entfernt und stattdessen eine wunderschöne Deko zur Predigtreihe passend angebracht.
Nun musst du als Nicht-Landeskirchler wissen: Der Altar ist so etwas wie eine heilige Kuh. Aufstand? Empörung? Kirchenaustritte? Nichts dergleichen. Stattdessen Rückmeldungen wie “Die Deko ist super!” oder “Es sieht alles viel schöner und aufgeräumter aus!”
Experimentieren. Wagen. Jetzt!
Wir machen einen kleinen Zeitsprung. Es ist die Zeit, in der die Dinge zwar nicht so sind wie zuvor – aber doch recht normal. Es finden Gottesdienste statt, Veranstaltungen in den Gemeinden sind wieder relativ “normal”, Hauskreise treffen sich, selbst Gemeindefeste sind wieder erlaubt und der Mindestabstand von 1,5 Metern gilt schon lange nicht mehr.
Pastor Toni Annovi sitzt abends bei einem Glas Wein resümierend auf dem Balkon, lässt seinen Blick über die Landschaft schweifen. Sein Herz ist erfüllt mit Dankbarkeit über das, was in dieser Krise an neuen Dingen entstand und was sich von den “gewohnten Dingen” als gut und sinnvoll bewahrheitet hat. Ja, einiges wurde wieder verworfen, weil es für die Krise gut war – aber nicht darüber hinaus.
Anderes aber ist auf so nachhaltige Beine gestellt worden, dass seine Gemeinde mehr denn je wächst, mehr Menschen als zuvor zum Glauben an Jesus kommen, die Gemeinde mehr und mehr relevant für ihre Umgebung und Kultur geworden ist und manche Dinge, die eigentlich “schon lange nicht mehr liefen”, nicht mehr existieren, was aber niemanden stört, da die neu gewonnene Kreativität ganz viel Freude und Leidenschaft freisetzt. Nach wie vor und immer noch.
Pastor Arno Ditit lässt seinen Blick ebenfalls schweifen – aber eher wehmütig. Er erkennt die verpassten Chancen. Er bedauert, nicht noch mehr Risiko eingegangen zu sein und Neues gewagt zu haben. Die Angst vor Fehlern raubte ihm so oft die Energie, Dinge anzupacken. Er wollte einfach nicht scheitern. Das Aufrechterhalten manch bestehender Dinge hat so viel Zeit und Kraft gebündelt, dass an Neues auch gar nicht groß zu denken war.
Im Großen und Ganzen hat sich nicht viel verändert – weil die meisten (er auch) bemüht waren, den Laden irgendwie mit dem bisher Bewährtem “am Laufen” zu halten.
Eine kleine Form dieses “Wagens” sind die “F.A.Q.-Abende” in unserer Kirchengemeinde, die wir jetzt angehen. Drei Abende. Drei Fragen. Drei Themen. Für Neulinge, Quereinsteiger, Fragende und Suchende.
Das Ganze: Als Videokonferenz.
Wie es wird? Keine Ahnung. Aber: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Ich mache dir Mut: Wage etwas! Lass etwas anderes dafür! Probier etwas aus.
Weder muss es “fertig” sein, noch muss du jetzt schon wissen, wie es wird. Ich weiß, das kostet Überwindung und erfordert jede Menge Vertrauen in Gott.
Aber: Wenn nicht jetzt – wann dann?
Wenn du zum Thema “Gottesdienst streamen” viele gute und wichtige Informationen gebündelt haben möchtest, empfehle ich dir den “Leiterblog” (www.der-leiterblog.de) von Lothar Krauss. Den empfehle ich dir generell sehr, weil er mega ermutigend und inspirierend ist – im konkreten Fall meine ich aber diese Artikel:
Technische Tipps – Gottesdienste digital
Überzeugend vor der Kamera: Wie geht das?
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