StartGedankenBeter sind die Wirbelsäule der Gemeinde

Beter sind die Wirbelsäule der Gemeinde

Im Neuen Testament wird die Gemeinde immer wieder mit einem Körper verglichen. Das Bild von den Betern als Wirbelsäule findet sich nicht in der Bibel, keine Sorge. Du hast nichts verpasst. Aber es ist ein Bild, das mir meine Frau vor einiger Zeit sagte – und ich finde es mega inspirierend und treffend.

Die wohl wichtigste Aufgabe der Wirbelsäule ist es, dem Körper Stabilität zu verleihen. Stell dir vor, du hättest keine funktionierende Wirbelsäule. Manch einer kann sich das wahrscheinlich sogar ganz gut vorstellen, wenn er schon einmal einen Bandscheibenvorfall hatte (ich weiß leider sehr gut, wie sich das anfühlt). Da wird dir deine Wirbelsäule alles mögliche machen – aber keine Stabilität verleihen, sondern maximal(e) Schmerzen.

Stell dir also eine Gemeinde ohne Wirbelsäule vor. Sie hat weder einen festen Stand, noch hat sie die nötige Beweglichkeit – dafür aber ganz viele Schmerzen.

Gemeinde mit kaputter Wirbelsäule

Jetzt gehen wir mal weg vom Bild und schauen uns an, was das konkret bedeutet.

“Keinen festen Stand” hat die Gemeinde in den Irrungen und Wirrungen dieser Zeit. Mir ist es herzlich egal, ob das “die schlimmsten Zeiten” sind, in denen wir leben – oder nicht. Ich weiß eines: Ich lebe nur “in diesen Zeiten” und habe nicht schon vor hunderten von Jahren gelebt. Und ich weiß eines: Diese Zeiten haben es in sich.

Wir leben in einer Zeit, in der christliche Werte und Wertvorstellungen, der christliche Glaube sowie die Hingabe an Jesus immer mehr verschwindet und kaum mehr auffindbar ist. Das verunstaltet Gemeinden teilweise bis zur Unkenntlichkeit. Da wird von den Kanzeln alles Unmögliche gepredigt, nur nicht das Evangelium. Ohne intakte Wirbelsäule hat Gemeinde einfach keinen festen Stand.

Ihr fehlt aber auch die Beweglichkeit, um nicht in starren Formen und Traditionen zu verkrusten. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Krusten alte Lieder und Talare sind, die heutzutage komplett aus der Welt gefallen sind, oder ob es Gepflogenheiten und vermeintliche Dinge der Heiligung sind, die man in der jeweiligen Gemeinde eben auch schon seit Menschengedenken tradiert. Beides ist falsch, beides ist hart und verkrustet – weil die Beweglichkeit fehlt.

Die Folge? Gemeinde hat Schmerzen und verursacht Schmerzen. Man dreht sich nur noch um sich selbst, sieht nicht mehr die Not des Nächsten und schon gar nicht den prophetischen und evangelistischen Auftrag in die Gesellschaft hinein. Und fast noch schlimmer: Man wähnt sich in einer geistlichen Sicherheit, verkauft Dinge für prophetisch und “geistlich”, die aber nichts anderes als ein emotionales Geschwurbel sind.

Früher oder später wird solch eine Gemeinde in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Gemeinde mit intakter Wirbelsäule

Im Umkehrschluss bedeutet das: Was sorgt dafür, dass Gemeinde einen festen Stand hat, beweglich bleibt und heilsam und heilend in dieser Zeit wirkt?

Meine Erfahrung: Es ist das Gebet – oder besser gesagt die Beter, da diese wiederum Menschen sind, welche die Gemeinde ganz entscheidend prägen. Nicht nur durch ihre Gebet, sondern sehr wahrscheinlich auch durch ihre tätige Mitarbeit.

Ich habe selbst eine ganze Weile gebraucht und bin alles andere als stolz drauf, aber lass mich dir eines klar und deutlich sagen:

Ob eine Gemeinde geistlich gesund ist und wächst, hängt davon ab, ob sie regelmäßige Gebetstreffen hat.

Und damit meine ich nicht, dass man sich quartalsmäßig trifft, sondern eine Regelmäßigkeit ist mindestens wöchentlich. Das schreibe ich dir auch nicht, weil wir das in unserer Gemeinde so handhaben, sondern ich nehme etwas sehr Faszinierendes unter Leitern von christlichen Gemeinden in Deutschland wahr – und dabei spielt es keine Rolle, ob es Freikirchen oder Landeskirchen sind, sondern lediglich, ob es Gemeinden sind, die biblisch lehren und glauben oder ob sie dem Zeitgeist verfallen sind.

In den Gemeinden – landes- wie freikirchlich -, die biblisch gegründet sind, nehme ich an vielen Stellen einen Aufbruch zum Gebet wahr. Sei es durch Predigtreihen über das Gebet oder durch Gebetstreffen, die ganz neu und regelmäßig im Gemeindeleben verankert werden. Oder es sind die Leiter, die darüber berichten, wie wichtig ihnen das Gebet geworden ist.

Was ich nicht wahrnehme ist, dass Gemeinden wachsen und eine Rolle spielen, bei denen die geistlichen Leiter sagen “Es kommt nicht so sehr darauf an, wie viel wir beten.” oder ob sie Sätze sagen wie “Eigentlich beten wir schon genug” – oder noch schlimmer: Bei Gebetstreffen (wenn es sie denn gibt) gar nicht erscheinen.

Nein – ich nehme sehr intensiv seit Jahresbeginn – in Gemeinden unseres Landes eine neue Hingabe zum Gebet wahr – und das finde ich großartig.

Warum eigentlich?

Was ich dir oben bildlich mit der Wirbelsäule beschrieben habe, will ich dir nun praktisch und theologisch beschreiben. Ich verzichte dabei auf große theologische Ausflüge oder eine Fülle an Bibelzitaten. Ich will es kurz und knackig machen. Warum? Ich möchte dich begeistern, in deiner Gemeinde mit anderen zusammen mehr zu beten, als ihr es jetzt schon tut.

  • Das gemeinsame Gebet mit anderen zusammen ist etwas Wunderschönes. Bei uns in der Gemeinde halten wir es einfach: Wir treffen uns einfach in der Kirche. Nachdem wir kurz (wirklich nur ein paar Minuten) uns ausgetauscht haben, was Gebetsanliegen sind, teilen wir uns in kleine Gruppen (4-5 Personen) auf und fangen an. Da gibt’s kein Schnickschnack, keine Präsentation, keine Liturgie – nix. Einfach beten. Und das ist so schön, weil im Gebet merken wir eines: Wir sind Brüder und Schwestern, wir sind vor Gott alle gleich, “da ist kein Ansehen der Person” (Römer 2,11). Und das erzeugt ein geheimnisvolle Verbindung, die einzigartig ist.
  • Gemeinsames Gebet schweißt zusammen. Ich habe es letzt ein wenig salopp jemandem gesagt: “Wenn ich mit jemandem bete, kann ich ihm keine reinhauen.” Das ist so, wie wenn du versuchst, gleichzeitig wütend zu sein und einen Pinguin (dieses süüüüüße Tier) anzuschauen. Das geht einfach nicht. Wenn du mit jemandem betest, bildet ihr eine Einheit – und seid nicht getrennt oder uneins. Das stärkt die Gemeinschaft ungemein.
  • Im gemeinsamen Gebet tun wir das, wozu wir als Christen berufen sind: Gott anzubeten als sein heiliges Volk. Es geht nicht um das Erfüllen egozentrischer Bedürfnisse, sondern um das Reich Gottes, das sich natürlich in einzelnen Personen zeigt. Aber Christ zu sein kann niemals heißen, in der Isolation zu bleiben. Christ zu sein findet seine Erfüllung und seine Bestimmung dort, wo ich mit anderen gemeinsam unterwegs bin.
  • Gebet ist eine wohltuende Kapitulation vor Gott. Wie nirgendwo sonst zeigst du im Gebet, dass du es nicht selbst in der Hand hast. Was auch immer es ist: Gott kann unermesslich weit mehr tun, als wir meinen. Das Dumme ist nur: Manchmal meinen wir, dass wir es sind, die unermesslich viel tun können. Das stimmt aber nicht. Im Gebet erinnern wir uns gegenseitig daran, was Gott alles kann – und schon ist es eine geistliche Stärke und alles andere als ein Zeichen von Schwäche, dass wir selbst nicht alles können – oder wie es eben in 2. Korinther 12,9 heißt: “Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.”
  • Von einem Gebetstreffen nicht ermutigt nach Hause zu kommen, ist eigentlich nicht möglich. Mit anderen gemeinsam vor Gottes Thron zu treten, mit ihnen und für sie zu beten, sich vergegenwärtigen, mit welchem liebenden und heiligen Gott wir reden – das ist Ermutigung pur. Natürlich lösen sich nicht alle Dinge in Wohlgefallen auf. Gleichzeitig gehe ich erfüllt und inspiriert nach Hause – und das wohlgemerkt (bei uns) an einem Montag!

Zwei konkrete Tipps

Ich gebe dir zwei Tipps mit, wie du das Gebet in deiner Gemeinde stärker verankern kannst. Es sind zwei Dinge, die wir auch tun bei uns in der Gemeinde (wobei der zweite Tipp noch nicht regelmäßig ist bei uns).

1. Lege ein wöchentliches Gebetstreffen fest

Dieses findet statt an einem festen Tag zu einer festen Uhrzeit. Bei uns ist das der Montag um 18.30 Uhr (bis ca. 19.30 Uhr – oder ein bisschen länger). “Aber da können nicht alle!” Richtig! Das können sie bei keinem Termin und selbst wenn der Termin bei allen gehen würde, würden nicht alle kommen. Das erlebe ich auch. Die Teilnahme bei unseren Gebetstreffen schwankt momentan zwischen zehn und 20 Personen. Ich freue mich über jeden, der dabei ist. Überleg mal: zehn bis zwanzig! Wie cool ist das denn! Meine Vision, mein Traum, meine Hoffnung ist, dass unsere Kirche irgendwann voll ist mit Betern am Montagabend.

Nochmal, weil das der größte Faktor ist, der dich hindert, ins Praktische zu kommen: Lege einen Tag und eine Uhrzeit fest, auch wenn du weißt, dass nicht alle kommen, denn selbst wenn sie könnten, würden nicht alle kommen. Ich spreche aus Erfahrung.

Natürlich gibt es Tage und Uhrzeiten, die günstiger sind als andere – aber das hängt von vielen Faktoren ab, die von Gemeinde zu Gemeinde unteschiedlich sind.

2. Gebet vor dem Gottesdienst

Bei uns ist das folgendermaßen: Um 10 Uhr feiern wir Gottesdienst. Um 09.30 Uhr treffe ich mich nach dem Soundcheck und allen Vorbereitungen mit den Musikern und Technikern, um den Gottesdienstablauf durchzugehen und für den Gottesdienst zu beten. Aber dieses Gebet meine ich hier gar nicht! Was ich meine ist noch etwas ganz anderes:

Biete ein Gebetstreffen für alle am Sonntagmorgen vor dem Gottesdienst an! Wie oben schon geschrieben klappt das bei uns noch nicht regelmäßig, sondern nur sporadisch, aber wenn, dann haben wir es so gemacht, dass wir uns um 08.45 Uhr getroffen haben – da kommt nämlich mein Bus an der Kirche an, mit dem ich sonntagsmorgens in den Gottesdienst fahre. Das liegt daran, dass wir eine große Flächengemeinde sind, die viele Ortschaften umfasst und ich selbst wohne 10 Kilometer entfernt von der Kirche, in der wir Gottesdienst feiern. Also haben wir immer mal wieder ein Gebetstreffen von 08.45 Uhr bis 09.30 Uhr für alle, die können und wollen, und anschließend ist das Treffen für die, die im Gottesdienst mitarbeiten.

Und auch hier: Bisher war diese Gruppe sehr, sehr klein. Oft waren wir nur zu zweit, manchmal auch schon zu dritt, zu viert, zu fünft – so what?!

Das sind einfach nur zwei Tipps bzw. ein Einblick, wie wir das bei uns in der Gemeinde handhaben. Nimm es als Anregung – und wenn ihr es komplett anders macht, ist das super. Hauptsache ihr betet!

Und lass mich dir eine Sache zum Schluss sagen. Ich kenne viele Entschuldigungen von Christen, die nicht zu Gebetstreffen kommen – und ich kann sie nicht mehr hören, weil die allermeisten nur faule Ausreden sind. Tut mir leid, wenn ich das so hart schreibe, aber ich muss das über mich selbst so sagen, denn ich habe das gemeinsame Gemeindegebet über eine lange Zeit auch nicht ernst genommen und kann rückblickend nur sagen: Meine “Gründe” waren keine Gründe – es waren Ausreden. Insofern: Mach es besser als ich!

Im Frühjahr habe ich zwei Predigten über das Gebet gehalten. Vielleicht inspirieren sie dich:


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