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Die Kunst des Leitens I: Wenn du nicht leitest, leiten andere

Ab sofort werde ich in noch nicht festgelegter Regelmäßigkeit über “Die Kunst des Leitens” schreiben und die Beiträge mit dieser Überschrift versehen und nummerieren. Ich nenne es bewusst “Die Kunst des Leitens” – nicht weil ich mich als einen besonders begnadeten Künstler halte, sondern weil in Leitung mehr zu finden ist als pures Handwerk. Leiten ist Kunst.

Wie geschieht eigentlich Leitung in einer Gemeinde?

Zunächst: Es gibt hierfür ein gewähltes Gremium – die Gemeindeleitung, meist bestehend aus Ältesten und dem Pfarrer/Pastor.

So weit, so gut.

Ich habe den Eindruck, dass in vielen Gemeinden die Schiedsrichter-Mentalität herrscht. Denken wir an ein Fußballspiel. Ein guter Schiedsrichter ist der, den man gar nicht wahrnimmt. So soll es – landauf landab die Meinung vieler Menschen – auch mit Gemeindeleitung sein. Am besten nicht wahrnehmen. Dabei gibt es einen signifikanten Unterschied: Der Schiedsrichter soll ja gerade nicht leiten, sondern hat eher moderierende Funktion, was den Inhalt des Spiels betrifft. Äußerlich leitet er natürlich schon alleine durch seinen Anpfiff und Abpfiff.

Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen: Viele wünschen sich so etwas auch im Blick auf Gemeindeleitung. Nicht auffallen, moderieren, hier und da an- und abpfeifen.

Aber wehe, Leitung nimmt ihr Leitungsmandat wahr. Dann ist was los. Den einen passt es, den anderen nicht. Und meistens sind die, denen es nicht passt, die Lauten. Ich glaube, dass dies eine ganz natürliche Reaktion des Menschen ist: Die meisten Demos, die wir auf deutschen Straßen haben, richten sich “gegen” etwas – in den wenigsten Fällen sind es Demos “für” etwas bzw. machen sie den Dank gegenüber etwas deutlich. So auch in der Gemeinde: Wer sich von der Gemeindeleitung verstanden fühlt, nimmt dies meist schweigend zur Kenntnis. Diejenigen, die nicht einverstanden sind, tun dies auch lautstark kund. Persönlich sehe ich darin kein Problem, sondern eher ein normales Verhaltensmuster des Menschen. Das Ganze kann aber zu einer Herausforderung werden.

Denn: Das ist mit ein Grund, weshalb viele Personen in Leitungsposition verunsichert sind – zumal, wenn sie ihre Leitungstätigkeit auch noch von der Reaktion der Menschen, die sie leiten, abhängig machen.

Mose

Ein Leiter, der bei solch einem Verhalten verrückt geworden wäre, war Mose. Er führte das Volk Gottes aus Ägypten. Und in der Wüste hatten die Israeliten wohl Langeweile – in Anbetracht, dass es weit und breit nur Sand gibt, verständlich. Anders kann ich es mir nur schwer erklären, weshalb sie ständig motzten: gegen Gott, gegen Mose und gegen die GEZ – wenn es diese schon gegeben hätte.

Nehmen wir nun an, Mose hätte davon sein Leitungshandeln abhängig gemacht – er wäre zum Scheitern verurteilt gewesen.

Den einen schmeckt das Manna nicht, die Wanderer der ersten Reihe beklagen sich über den beißenden Rauch aus der Feuersäule und die in der letzten Reihe beklagen sich, dass sie nicht gesehen haben, wie sich das Meer teilte und quasi vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.

Schrecklich. Armer Mose.

Was wäre nur gewesen, wenn er zu jedem einzelnen hingegangen wäre und gesagt hätte: “Oh ja. Du hast recht. Bei der nächsten Meerteilung achte ich darauf, dass alle die gleiche Sicht haben, ich werde Gott sagen, die Feuersäule mal ein paar Grad runterzudrehen und ihn fragen, ob er zum Manna noch ein wenig Butter hat.”

Vor lauter “Ich will es jedem recht machen” wäre Mose nicht mehr dazugekommen, zu leiten.

In diesem Zusammenhang ein nettes Zitat:

Widerstehe der Versuchung der “Leitung vom Heck aus”.
Wahre Leiterschaft geschieht immer von oben nach unten, niemals umgekehrt.
Es war die “Leitung vom Heck”, die “Führung von unten”, welche Israel zurück in die Wüste führte.
Viele Gemeinden und Organisationen befinden sich in einer Schachsituation,
weil ihre Leiter sich “von unten erpressen lassen”.
Keinem Andersdenkenden oder Reaktionär sollte erlaubt werden, die Gruppe entgegengesetzt der übereinstimmenden Meinung ihrer geistlichen Leiter zu führen.
(J. Oswald Sanders, Geistliche Leiterschaft, 1967)

“Wahre Leiterschaft geschieht immer von oben nach unten, niemals umgekehrt.” Ob Sanders hierbei das gleiche “Oben” wie ich meine, weiß ich nicht. Ich sehe es aber so, dass wahre Leiterschaft immer damit beginnt, dass Gott (be)ruft und spricht – und nicht ich meine Vorstellungen ihm überstülpe.

Nicht: “Segne, was wir tun!” sondern: “Lass uns tun, was Du segnest!”

Natürlich geht es einem guten Leiter darum, zum Wohl der Menschen zu entscheiden. Das bedeutet aber nicht, dass er immer das tut, was manche fordern. Ich kann den anderen lieben, auch wenn ich nicht alles mache, was er gerne hätte. Ich spitze es zu: Meine Liebe zum anderen drücke ich auch darin aus, dass ich Entscheidungen treffe, von denen ich meine, dass sie zu seinem Wohl sind, selbst wenn er das im Moment nicht so sieht, weil er nicht das “big picture” vor Augen hat.

Denken wir an Mose. Was muss der sich angehört haben. Aber er hatte das “big picture” vor Augen – und ließ sich davon leiten und wurde dadurch ein guter Leiter.

Wenn du nicht leitest…

…leiten andere. Sei dir dessen im Klaren. Gemeinden, Unternehmen, Organisationen (selbst Netzwerke, auch wenn man hier geteilter Meinung sein kann) benötigen eine Leitung. Und wenn du als eingesetzte Leitung das nicht tust, tun das andere.

Das bedeutet ganz konkret: Zu leiten heißt hin und wieder auch, schwierige Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, von denen du weißt, dass sie manchen nicht passen werden. Nichts zu tun, ist aber auch schon eine Entscheidung – und zwar die falsche. Und so lange du nichts tust können sich konträre Meinungen festigen, ja im dümmsten Fall sogar zu Fronten verhärten.

Es ist also keineswegs so, dass du alle Zeit der Welt hast, wenn du leitest. Auf der anderen Seite sind es nicht immer die besten Entscheidungen, die unter Zeitdruck getätigt wurden. Nimm dir diese Freiheit übrigens heraus, wenn jemand auf dich zukommt und sagt: “Für Bereich XY in unserer Gemeinde benötigen wir bis übermorgen eine Entscheidung.” Sag gleich, dass du diese Entscheidung so nicht treffen wirst, aber setze alles daran, dir die Informationen zu holen, die du benötigst, um eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht nicht in zwei Tagen – aber in einer oder zwei Wochen.

Und denk immer daran: Wenn du nicht leitest, tun es andere. Und meistens tun sie es nicht so, wie du es für gut hältst. Also nimm deine Leitungsverantwortung wahr, leite und gestalte – geistlich.

“Geistlich leiten” ist für mich nicht in erster Linie die Frage nach dem “WIE” sondern nach dem “WARUM” und da ist für mich persönlich die Antwort so einfach wie universal gleichzeitig: “Macht zu Jüngern alle Völker, indem ihr tauft, indem ihr lehrt und indem ihr hingeht.” Oder um es mit der Übersetzung Martin Luthers zu sagen:

“Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.” (Matthäus 28,20)

Das ist der Auftrag Jesu an seine Gemeinde und sozusagen das “WARUM” des geistlichen Leitens. Alles – in Worten A L L E S – hat sich diesem “WARUM” unterzuordnen.

2 Kommentare

  1. […] Denn welchen Weg eine Gemeinde einschlägt, welche Dinge “jetzt gerade dran sind”, was sozusagen “on top” der Prioritätenliste steht und was nicht – das alles hängt nicht von einzelnen Menschen ab, sondern von der Vision und der Strategie, welche eine Gemeindeleitung von Gott empfangen hat und nun umsetzt. Einige weiterführende Gedanken findest du in meinem ersten Beitrag der kleinen Reihe “Die Kunst des Leitens”. […]

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