Würde Luther heute oder Moll zur Zeit der Reformation leben – die beiden wären ein gutes Team. Sicherlich mag Luther mit seinen Thesen viele getroffen haben, was Molls Thesen aber fast noch sympathischer macht: Auch ich verstehe sie – im Gegensatz zu den “Original-Thesen” des großen Reformators.

Molls “Seid doch einfach wieder Kirche” ist ein Weckruf in 95 Thesen. Mal scharf und pointiert, dann wieder ausgleichender und mit einem Schuss Selbstkritik aber immer: verständlich und nachvollziehbar und abgesehen von These 52 und einer anderen Tauftheologie, die ich wohl vertrete, kann ich Moll in so vielem zustimmen und bin dankbar für seine Thesen.

Was mich begeistert ist eine Gemeinsamkeit des Autors mit Martin Luther: Er scheut sich nicht, auch die heißen Eisen anzupacken und eine klare Stellung zu beziehen.

These 46: “Das Studienzentrum für Genderfragen ist eine Schande für unsere Kirche.” Hut ab. Da traut sich einer was.

Noch ein Beispiel gefällig? Anschnallen!

These 10: “Wer das Wort Gottes nach eigener Willkür verändert, setzt sich selbst auf den göttlichen Thron.

Ok. Soweit klingt das ja gar nicht so schlimm. Aber Moll postuliert nicht nur Thesen, sondern erklärt jede These mit wenigen Sätzen. Und das klingt bei These 10 so:

Zu allen Zeiten haben Menschen das Wort Gottes in ihrem eigenen Sinne verdreht und verfälscht. Doch einen Frevel wie die “Bibel in gerechter Sprache” hat es in 2000 Jahren Kirchengeschichte nicht gegeben. In früheren Zeiten wäre man für solche Blasphenie verurteilt worden, heute wird sie kirchlich gefördert. Eine Kirche, die solches tut, hat sich von ihrem Herrn losgesagt. Sie hat aufgehört, Kirche im eigentlichen Sinne zu sein.

Wer jetzt denkt, dass Moll lediglich deprimierende Töne anschlägt, sieht sich getäuscht. Die Thesen bleiben herausfordernd und provokant aber zielen darauf ab, die Kirche zu erneuern. Ich verstehe sie als Denkanstoß, als ein Wachrütteln, als eine Diskussionsgrundlage für eine ordentliche Diskussion über den Zustand unserer Kirche. So eignen sich diese Thesen wunderbar, um in verschiedenen Kontexten kirchlicher Arbeit ins Gespräch zu kommen.

Die Thesen sind nicht explizit aber doch erkenntlich gegliedert in unterschiedliche Themenbereiche wie Bibel, Offenbarung, Jesus Christus, Theologie, Mission, Tradition, Politik und viele andere.

Dr. Sebastian Moll, Dozent an der THS-Akademie (www.ths-akademie.de), legt in These 91 seine Beweggründe für seinen Weckruf offen:

Die hier aufgestellten Thesen sind nach bestem Wissen und Gewissen, im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und in treuem Hören auf sein Wort entstanden.

Der Autor ist in großer Sorge um die Zukunft der Kirche, die er bei aller Kritik noch immer als seine empfindet. Die hier vorliegende Stellungnahme hat er nicht leichtfertig formuliert, sondern nach reiflicher Überlegung und aus tiefster Überzeugung.

Insofern sollte jedem klar sein, der dieses Buch in die Hand nimmt, dass hier nicht in der Sprache eines Groschenromans geschrieben wird, sondern in der Sprache eines Menschen, dem etwas am Herzen liegt und der nur deswegen Kritik übt – und das mitunter sehr deutlich – weil er bei aller Enttäuschung über den status quo der Kirche doch Hoffnung hat, dass sich etwas bessert.

Das Buch liest sich einfach – im wahrsten Sinne. Jede These nimmt mit Erklärung eine großzügig gestaltete Seite ein, die Sprache ist klar und verständlich und irgendwie kommt man nicht davon los, die Thesen zu lesen, wenn man erst mal angefangen hat.

Und eines tun die Thesen sicherlich nicht: denjenigen kaltlassen, der sie gelesen hat. Sie fordern heraus, regen zum Nachdenken an und führen zurück zu den Basics des Glaubens, um “einfach wieder Kirche zu sein.”

Dr. Sebastian Moll
Seid doch einfach wieder Kirche!
Brendow-Verlag
ISBN: 978-3-86506-939-9
Preis: 12,00 EUR

Überblick der Rezensionen
Relevanz
8
Lesbarkeit
9
Erscheinungsbild
8
seid-doch-einfach-wieder-kircheSchnörkellos. Auf den Punkt. Provokant. Ehrlich. Aus tiefstem Herzen. 95 Wachrüttler für die Kirche der Reformation.

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