StartLeitungDie Kunst des LeitensDie Kunst des Leitens XIV: Transparenz als Schlüssel

Die Kunst des Leitens XIV: Transparenz als Schlüssel

Ich habe viele Fehler gemacht als Leiter. Einer davon war, in Veränderungsprozessen nicht transparent zu kommunizieren und damit auch nicht transparent zu leiten.

Kleines (eigentlich ist es ein ziemlich großes) Beispiel: In einem großen Prozess, den wir “Vision 2020” nannten, gabt es für unsere Gemeinde (www.wutachblick.de) in den Jahren 2017 bis 2020 drei große Veränderungsschritte:

  1. Die zwei Gottesdienste, die bis dato in zwei Orten stattfanden, wurden auf einen Ort konzentriert, was natürlich zur Folge hatte, dass in dem einen Ort am Sonntagmorgen kein Gottesdienst mehr stattfand.
  2. Die Kirche dieses Ortes wurde zu unserer Jugendkirche und einem Anbetungszentrum.
  3. Die Leitungs- und allgemeine Gemeindekultur wird durch sechs Werte bestimmt. (Diese Werte kannst du hier nachlesen: www.wutachblick.de/werte).

Um eines deutlich zu sagen: Alle drei Ziele waren und sind richtig und ich würde sie heute genau so wieder definieren – einzig den Weg würde ich an manchen Stellen ändern unter dem großen Stichwort Transparenz. Transparenz heißt so viel wie “(Licht)durchlässig sein”. Ich finde das einen großartigen Vergleich, denn genau das benötigen wir in großen, in komplizierten, in schwerwiegenden Leitungsprozessen: Lichtdurchlässigkeit. Später im Artikel mehr dazu. Zurück zu meinen Fehlern.

In den damaligen Veränderungsprozessen haben wir seitens der Gemeindeleitung manche Teilschritte und Teilvorhaben erst dann kommuniziert, als sie schon ziemlich lange diskutiert und schlussendlich beschlossen waren – nicht immer war das so, aber manchmal. Das führt dazu, dass Gemeindeglieder, die ohnehin unterschiedlich mit Veränderungsprozessen umgehen, auf unterschiedliche Weise auf solche Prozesse reagieren.

Diejenigen, die ohnehin “on track” sind, sind es auch dann.

Diejenigen, die ohnehin “dagegen” sind, sind es auch dann.

Aber was ist mit denen, die man mit guten Argumenten begeistern könnte? Genau. Für diese ist Transparenz ein ganz hohes Gut – natürlich auch für alle anderen, aber für die Unentschlossenen, die Skeptiker, die Hinterfrager (und das meine ich alles nicht wertend) auf besondere Weise.

Die Vision mittragen – nicht “die Gemeinde mitnehmen”

Momentan stehen wir als Gemeinde vor einer neuen, immens großen und ich würde sagen in diesem Ausmaß noch nie da gewesenen Herausforderung: Wir müssen mit unseren Gebäuden (zwei Kirchen, zwei Gemeindehäuser, ein Pfarramt) neue Wege gehen – und momentan ist die Richtung klar: Wir veräußern alles und bauen ein neues Gemeindezentrum.

Dieser Veränderungsprozess erfordert eine Menge, das kannst du dir sicher vorstellen.

Auf einen einzigen Gedanken im Blick auf Transparenz aber möchte ich an dieser Stelle nur eingehen.

Anfang März hatten wir Klausur unseres Ältestenkreises – es war eine mega gesegnete Zeit). Auf dieser Klausur habe ich Folgendes gesagt:

Lasst uns nicht davon sprechen, “die Gemeinde mitzunehmen”. Das suggeriert, dass wir sie ziehen und zerren müssen. Lasst uns vielmehr davon reden, dass möglichst viele Menschen die Vision eines neuen Gemeindezentrums mittragen. Denn Visionsträger sind mit dem Herzen dabei, sie sind voller Überzeugung und sind wiederum Multiplikatoren für das Anliegen und können andere zu Visionsträgern machen.

Und genau dafür benötigt man Transparenz.

Menschen lassen sich nur für etwas begeistern und werden selbst zu Trägern einer Vision, wenn die Vision für sie überzeugender und stärker ist, als den Status Quo aufrechtzuerhalten. Bei manch einem geht das recht schnell – andere wiederum benötigen Zeit und Zugang zu Informationen, die ihnen helfen, überzeugt zu werden – oder auch nicht.

Keine Information und keine Transparenz jedoch führen auch zu keinem Erkenntnisgewinn und damit auch viel eher zu einem Festhalten an Bestehendem als der Bereitschaft, Neues zu wagen. Oder um im oben erwähnten Bild der Lichtdurchlässigkeit zu bleiben: Veränderungsprozesse fühlen sich manchmal wie das Tappen im Dunkeln an, weil man (noch) nicht weiß, wohin die Reise geht. Und übrigens: Für Gemeindemitglieder noch mal viel mehr als für die Leitungspersonen, denn Letztere sind viel mehr mit der Materie betraut und mindestens einen Schritt voraus. Also benötigt es Lichtdurchlässigkeit, damit die, die noch ein wenig im Dunkeln tappen, den Weg finden.

Oben habe ich schon geschrieben, dass ich rückblickend einige Fehler in meinem Leitungshandeln gemacht habe. Einer davon war der, Dinge zu spät zu kommunizieren. Dabei ging es gar nicht darum, die Gemeinde nicht informieren zu wollen, sondern vielmehr war der Gedanke der, dass es angeblich weniger überzeugend ist, wenn man erst “halb fertig” mit den Gedanken ist, als dass man ein “fertiges Konzept” vorstellt.

Inzwischen sehe ich das anders und bemühe einmal mehr den Vergleich mit den Apps auf deinem Smartphone. Du nutzt gewisse Apps vermutlich mehrmals am Tag, andere täglich, wiederum andere nach Bedarf. Eines aber haben diese Apps alle gemein: Sie werden ständig aktualisiert. Du hast niemals die “perfekte Version” auf deinem Smartphone sondern immer nur die “momentan beste” Version.

So sehe ich inzwischen auch Leitungshandeln. Wenn du wartest, bis das Konzept perfekt ausgearbeitet ist, wirst du jede Menge Zeit ins Land gehen lassen und am Ende viel weniger Menschen überzeugen können, da sie vor einem geschlossenen System zu stehen scheinen.

Viel besser ist es, transparent zu kommunizieren, wo du mit deinem Leitungsteam gerade stehst, welches die nächsten Schritte sind und welches die Schritte waren, die bisher gegangen worden sind.

Lass es konkret werden

Das will ich jetzt nämlich tun. Als Gemeindeleitung sind wir von unserem Klausurwochenende zurückgekommen und haben drei affirmative Sätze formuliert, mit denen wir in die Zukunft gehen wollen und das Projekt “Neubau” angehen werden. Diesen drei Sätzen haben wir jeweils 4-5 erklärende Sätze beigefügt, das Ganze auf eine A4-Seite gepackt, also einen so genannten Onepager draus gemacht. Am Donnerstag nach dem Klausurwochenende haben wir in unserer Team Night alle Mitarbeiter und Leiter über den Status Quo informiert und drei Tage später nach dem Gottesdienst die Gemeinde. Jedes Mal sollten die Leute, die da waren, den Onepager mitnehmen, um ihn sich zuhause zu Gemüte zu führen.

Denn: Wenn man das erste Mal von solch einem gewaltigen Schritt (Neubau) hört, ist man leicht überfordert und weiß erst einmal gar nicht, was man darauf antworten oder wie man darauf reagieren soll. Dafür dient der Onepager als ein Medium der Transparenz, denn wiederum drei Wochen später (also kommende Woche) haben wir Gemeindeversammlung.

In dieser Gemeindeversammlung soll dann in kleinen Gruppen darüber gesprochen werden und alle sich beteiligen können. Erleichtert wird ihnen das Mitreden durch den Onepager, in dem wir als Gemeindeleitung ganz offen und transparent formulieren, was unsere Absicht für die Zukunft ist.

Natürlich gibt es sensible und heikle Themen, mit denen man als Gemeindeleitung nicht so schnell so offen und transparent umgehen kann wie mit der Frage nach einem Neubau – vor allem, wenn es sich um Personalien handelt.

Generell aber glaube ich, dass wir (in Deutschland) zu sehr in der Gefahr stehen, das fertige Gericht servieren zu wollen und nicht ins Rezept uns schauen lassen wollen. Letzteres ist aber unabdingbar, denn gemeinsam kochen macht viel mehr Spaß als nur alleine – und nicht immer verderben viele Köche den Brei.

Deswegen: Transparent zu leiten und zu kommunizieren erzielt den höchsten Impact auf die Visionsvermittlung und das Mittagen der Vision durch Gemeindeglieder. Oder um endlich auch mal die Headline dieses Artikels aufzugreifen: Transparenz ist ein großartiger und wichtiger Schlüssel, um die Vision nicht nur zu vermitteln, sondern Menschen darin zu begleiten, die Vision zu ihrem eigenen Anliegen, zu ihrer eigenen Vision zu machen.

Gleichzeitig ist es etwas ganz anderes als ein “die Gemeinde mitnehmen”. By the way: Ein Schlagwort, das ich neben “Das war schon immer so” am zweithäufigsten höre und genauso wenig mag wie “Das war schon immer so”.

Ich wünsche dir Mut zu Transparenz. Denn das bedeutet auch, immer einmal wieder sagen zu müssen: “Das weiß ich (noch) nicht.” Ein Satz, der vielen Leitern schwerfällt – der aber sehr transparent ist.


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