So oder so ähnlich äußern sich Kirchenvertreter, Theologen und Pfarrer – und benennen dann eine Partei. Warum ich das nicht mache und was mein viel größeres Anliegen dahinter ist, will ich dir mit diesem Artikel verdeutlichen. Ich habe vor einigen Tagen auf Facebook und Instagram ein Statement veröffentlicht, welches ich um ein paar Gedanken erweitert habe und du im Folgenden nun lesen wirst.
Am 23. Februar ist Bundestagswahl und die Frage ist: Welche Partei darf ich als Christ denn wählen? Welche Partei darf ich nicht wählen? Und bin ich noch ein guter Christ, wenn ich Partei XY wähle? (OK, das war jetzt eher mit einem Augenzwinkern gemeint).
Vor einigen Tagen gab es heftige Auseinandersetzungen im Bundestag auf Grund der Migrationspolitik und des so genannten Zustrombegrenzungsgesetzes. Im Anschluss darin sind die sozialen Medien explodiert und es ist schon längst, aber durch diese Debatte nochmals verstärkt zu spüren, dass durch unser Land eine tiefe Wunde geht. Und zwar eine Wunde, welche verursacht wird durch gegenseitiges Canceln, Verurteilen und Beleidigen.
Ich sehe immer nur einen Ausschnitt
Gefühlt jeder zweite (mindestens) in den sozialen Medien weiß ganz genau, was richtig und falsch ist. Ich weiß es nicht immer, weil ich nicht die großen Zusammenhänge sehe. Ich bilde mir meine Meinung – natürlich. Es gibt auch für mich Parteien, die ich niemals wählen würde – aber ich muss das nicht öffentlich raushauen! Warum auch? Es würde nur diejenigen befriedigen, die sagen: “Als Christ, der Einfluss hat, musst du dich von Partei XY distanzieren. Wenn du das nicht tust, heißt du gut, was diese Partei macht oder verurteilst es nicht!”
Welch schräge Logik! Ich käme ja nicht mehr raus aus dem Hamsterrad der Abgrenzungen. In unserem Land und auf dieser Welt geschehen so viele furchtbare Dinge, von denen ich mich nicht öffentlich abgrenze, die ich im Herzen aber verurteile.
Meine Landeskirche stellt sich gegen eine bestimmte Partei und seit neustem sogar gegen den Vorschlag des Zustrombegrenzungsgesetzes. Ich finde das höchst problematisch, weil sich die Landeskirche dadurch gegen mindestens drei Parteien äußert: Die AfD, welche generell abgelehnt wird, sowie die CDU und FDP, welche diesen Gesetzesvorschlag auf den Weg gebracht haben. Gleichzeitig höre ich seitens der EKD reine Unterstützung im Blick auf die Liberalisierung der geltenden Abtreibungsregelung. Ist das nicht irgendwie auch Heuchelei oder zumindest “mit zweierlei Maß messen”?
Irgendwann habe ich mal gelernt und es ist auch meine Überzeugung, dass Kanzeln kein Ort der politischen Debatte sein sollen – schließlich sind wir ja nicht in der Bütt, sondern verkündigen Gottes Wort. Und daran halte ich mich. Das bedeutet natürlich, dass ich mich auch politisch äußere – aber weder gegen noch für eine Partei. Wenn ich mich parteipolitisch äußern möchte, kann ich in die Politik gehen – und das machen ja auch viele Christen, was ich übrigens total gut finde.
Aber als Pfarrer ist meine Aufgabe nicht, bestimmte Parteien in aller Öffentlichkeit zu hofieren oder abzulehnen.
Deswegen werde ich dir in diesem Artikel auch keine Empfehlung geben nach dem Motto “Wähle unbedingt diese oder jene Partei!” Oder: “Wähle diese oder jene Partei auf keinen Fall.” Wenn du bis hierher gelesen hast, ist dein Verstand soweit intakt und in Ordnung, dass du dir selbst dein Urteil bilden kannst, wen du wählst und wen nicht. Du benötigst keine Bevormundung. Gleichwohl werde ich später im Artikel schreiben, welche Werte und Themen mir wichtig sind.
Viel mehr möchte ich dich mit diesem Beitrag aber auch aufmerksam machen auf die geistliche Dimension der Politik und vor allem einer Bundestagswahl. Denn als Christen haben wir nicht nur – wie jeder andere Bürger auch – das Recht und die Pflicht, wählen zu gehen. Vielmehr können wir als Christen für Politiker und die Wahl beten und hoffen, dass Gott eingreift und sein guter Wille sich durchsetzt. Und genau das ist mir ein besonders großes Herzensanliegen, so dass wir Christsein und Politik nicht trennen, sondern erkennen, dass wir als Christen eine besondere Verantwortung im Blick auf die Politik haben, die sich aber nicht in politischen Äußerungen erschöpft, sondern im Gebet.
Nicht verurteilen, sondern beten!
Was mich enttäuscht bei allen hitzigen Diskussionen und Social Media-Beiträgen: Viele Christen machen aber genau dieses Spiel mit: Andere verurteilen, abgrenzen, beleidigen.
Dabei sollten wir doch vor allem eines: Für unsere Politiker beten! Dazu lese ich leider wenig Aufrufe. Stattdessen: Parolen, die man schon x mal gelesen hat. Aufrufe, diese oder jene Partei auf keinen Fall zu wählen sowie Aufrufe, diese oder jene Partei auf jeden Fall zu wählen.
Ich lese von Partei XY, dass sie antisemitisch sei, höre aber eine Parlamentsrede, in der sich der Abgeordnete so klar gegen Antisemitismus äußert, wie ich es gerne von anderen Parteien gehört hätte.
Ich lese, dass Partei XY auf jeden Fall den kommenden Kanzler stellen müsse, höre dann aber Reden von Abgeordneten dieser Partei, die mich zweifeln lassen, ob hier genug Anstand und Respekt vor Andersdenkenden geschweige denn Toleranz gelebt wird.
Es ist zum Verzweifeln – wenn wir auf Menschen schauen.
Meine Hoffnung liegt nicht in der Politik.
Meine Hoffnung liegt auf keinem einzigen Politiker.
Meine Hoffnung liegt in Jesus und ich glaube, dass nur er allein die Macht und den Willen hat, dieses Land zu heilen und zu versöhnen.
Politiker haben nicht die Macht dazu – und manche auch nicht den Willen.
Deswegen, liebe Christen: Ruft doch einfach zu mehr Gebet auf, zu mehr Vertrauen in den, der wirklich “im Regimente sitzt”: Jesus Christus.
Und vor allem: Betet! Betet für unser Land, für die Politiker und konkret die Bundestagsabgeordneten eures Wahlkreises.
Und dann engagiert euch, demonstriert (friedlich!), äußert euch und geht vor allem wählen. Aber vergesst nicht, dass nur einer unsere Hoffnung ist: der Gott der Bibel. Niemand und nichts sonst.
Ist das nicht zu naiv?
Nein, ist es nicht! Ich glaube wirklich und bin felsenfest davon überzeugt, dass Gebet weit mehr bringt als sich parteipolitisch zu äußern.
Vor ca. einem Jahr habe ich in meinem Podcast “Einfach glauben” eine Folge mit dem Thema “Welche Partei darf ich als Christ wählen?” veröffentlicht. Hier bekommst du sicherlich auch noch die ein oder andere Anregung.
Zurück zum Thema: Ich weiß, dass es viele reizt, vor bestimmten Parteien zu warnen bzw. eine bestimmte Partei zu featuren. Ich mache das nicht, weil ich wirklich (!) glaube, dass Gebet viel mehr bringt als ein ständiges Warnen vor bestimmten Parteien. Überlege nur mal, was geschehen würde, wenn Christen anstelle von warnenden Worten an die Menschheit zu richten, stattdessen zu Gott beten würden.
Ich weiß schon, was der Gedanke dahinter ist und ich gehe später auch nochmal ein bisschen auf Argumente und das Demokratieverständnis ein. Aber solange eine Partei in Gänze nicht verboten wurde, ist sie eine demokratisch gewählte Partei. Auch wenn ich sie niemals wählen würde, darf das doch nicht der Gradmesser sein.
Ich halte es auf jeden Fall für ein Zeichen der Schwäche und latenter Verantwortungslosigkeit, wenn sich Aussagen von “Kirchenvertretern” im politischen Sprachgebrauch darin erschöpfen, der ohnehin schon auf allen Kanälen die Menschen erreicht, aber gleichzeitig die große göttliche Gnade und Güte nicht betont wird – geschweige denn zum Gebet aufgerufen wird.
Natürlich gibt es Themen, die ich überhaupt nicht dulde bzw. wenn ich weiß, dass eine Partei hier anders tickt als ich, ich sie auch nicht wählen werde. Das sind beispielsweise Themen wie Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, der Schutz (bzw. Auflösen des Schutzes) ungeborenen Lebens oder ein vertuschender Umgang mit Pädophilie. Ganz schön starker Tobak. Aber das sind Themen, bei denen ich ganz klare Wertvorstellungen habe und mit Sicherheit keine Partei wählen werde, bei der ich nicht klar sagen kann, dass sie meinen Wertvorstellungen entspricht.
Zudem bin ich der Ansicht, dass ein beständiges Warnen vor einer bestimmten Partei diese nur stärkt, da sie sich in einer Opferrolle wähnt und diese auch nicht scheut immer und immer wieder zu betonen, was letzten Endes deren Anhänger dankend annehmen und manch Unentschlossene zu dieser Partei tendieren werden.
Zu guter letzt: Ist es demokratisch, vor demokratisch wählbaren Parteien zu warnen? Wäre es nicht sinnvoller, dem Souverän (= das Volk bzw. die wahlberechtigten Personen) die Entscheidung zu überlassen, wen es wählen möchte und wen nicht? Und wem hilft es, Millionen von Wählerinnen und Wählern zu verunglimpfen und alle in einen Sack zu stecken? Die sonst so vehement geforderte Differenzierung fehlt mir hier.
Nochmal: Menschenverachtende Ideologien müssen beim Namen genannt werden und ich bin der festen Überzeugung, dass Menschen, die offen sind für Argumente und nicht ideologisch unterwegs sind, durch eine sachliche Debatte zu überzeugen sind. Das ist der Grund, warum wir Menschen einen Verstand haben. Diejenigen, die ideologisch festgefahren sind, überzeugen auch die besten Argumente – leider – nicht, aber schon gar nicht überzeugt sie, wenn man vor “ihrer” Partei warnt. Das triggert sie nur noch mehr und lässt sie nur noch mehr sich tief in ihrer Ideologie vergraben – bei Corona haben wir das doch alles schon erlebt.
Und wer ist jetzt wählbar?
Deswegen wünsche ich mir, dass Christen viel mehr bekannt dafür sind, wofür sie sind und nicht (nur) wogegen sie sind und auch nicht, vor welcher Partei sie warnen. Um es einmal bei den gerade schon erwähnten Themen konkret zu machen, würde das für mich folgendermaßen aussehen.
Für mich ist wichtig, dass eine Partei…
- sich glasklar von Antisemitismus abgrenzt und alle nur denkbaren Mittel und Wege des Gesetzes nutzt, um Antisemitismus zu bestrafen und bisher geduldete antisemitische Aussagen unter Strafe stelt.
- Menschen mit Migrationshintergund willkommen heißt und keinen Generalverdacht gegenüber Ausländern rüberbringt und gleichzeitig sich dafür einsetzt, dass Kriminelle unabhängig ihrer Herkunft nach allen Möglichkeiten des Rechtsstaates verurteilt werden und entsprechende Konsequenzen folgen.
- sich für den Schutz ungeborenen Lebens einsetzt und die momentan geltende Kompromisslösung im Blick auf so genannten “Schwangerschaftsabbruch” nicht noch weiter aufweicht und das Töten ungeborenen Lebens vereinfacht oder entkriminalisiert.
- mit Pädophilie in ihren eigenen Reihen einen schonungslos klaren Umgang hat und alles aufdeckt, was dazu gehört und keinerlei Dinge unter der Oberfläche schwelen lässt und ebenso auch den Schutz von Kindern kompromisslos sich auf die Fahne schreibt – über ihr Parteileben hinaus.
- die Familie als Wert an sich sieht und nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Familienleben bewertet mit bspw. möglichst schnellem Wiedereinstieg in den Beruf, sondern es möglich macht, dass Kinder möglichst lange zuhause bleiben können und nicht schnellstmöglich in die Kindertagesstätte “müssen”.
- mit der Frage nach “Gender” bzw. der Gendertheorie, die mancherorts zu einer Ideologie wird, auf vernünftige Weise umgeht, was für mich bedeutet, dass Biologie eine große Rolle spielt, wenn es um die Frage nach der Anzahl der Geschlechter geht und ich als Christ mich daran halte, was die Bibel uns darüber lehrt und nicht, was manche gerne daraus machen würden.
Ein Gedanke zum Schluss: Wer unsere heutige Situation mit dem Nationalsozialismus oder dessen Anfängen vergleicht, betreibt Geschichtsrevisionismus und Populismus aber handelt ganz sicher nicht verantwortungsvoll.
Unter den Nationalsozialisten sind sechs Millionen Juden ermordet worden. Ich halte es für eine Verharmlosung des Holocausts, wenn man unsere politische Diskussion in diese Nähe rückt. Ja, wir müssen mit Vehemenz dagegen stellen und uns äußern, wenn Minderheiten bedroht werden, wenn lebens- und menschenfeindliche Ideologien ihren Platz in der Politik finden wie bspw. Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und die Aushöhlung des Schutz ungeborenen Lebens.
Der Holocaust jedoch war ein bestialisch geplantes Verbrechen am jüdischen Volk. Und wer den Holocaust missbraucht, um heutige politische Verhältnisse damit vergleichen zu wollen, macht sich schuldig am jüdischen Volk.
Mein Aufruf zum Schluss
Lasst uns beten und in der Sache streiten!
Lasst uns glasklar “Inhalte” (manchmal kann man sie nicht mal als solche benennen, weil sie so menschenverachtend sind) verurteilen und beim Namen nennen – aber nicht Menschen, denn das bringt schlicht und einfach nichts und gießt nur noch mehr Öl ins Feuer.
Lasst uns eintreten für christliche Werte und für das, was biblisch ist.
Lasst uns eintreten für gottgewollte Ideen und Politik.
Lasst uns die Sache verneinen und deutlich beim Namen nennen, was nicht im Sinne Jesu ist.
Lasst uns vertrauen, dass Gott “im Regimente” sitzt und nicht Menschen.
Im Neuen Testament gibt es eine interessante Stelle zu dem Thema:
“Don’t stop praying” heißt ein Lied, das ich in letzter Zeit sehr oft höre. Und ich nehme mir das zu Herzen im Blick auf die Bundestagswahl: Ich höre nicht auf zu beten für Politiker und die Wahl sowie für unser Land. Gebet hat eine so große Macht und Kraft, dass es fahrlässig wäre, nicht zu beten. Gleichzeitig ist es für mich der Ort, an dem ich mir bewusst werde und vergewissere, dass Gott wirklich im Thron sitzt und das nicht nur so ein frommes Gerede ist. Kein Politiker dieser Welt hat mehr Macht als Jesus. Keiner! Auch nicht einer!
Das Problem nur ist, dass die Politiker oftmals viel lauter schreien als Jesus. Zudem sehen wir sie – was bei Jesus auch nicht der Fall ist. Logisch, dass uns dann manchmal aus den Händen gleitet, für das politische Geschehen zu beten.
Aber es ist nicht wahr, dass Gott irgendetwas aus der Hand gleiten könnte. Im Gegenteil:

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Danke für den tollen Artikel, ich fühle genauso… Sehe jedes Wort genauso…. Auch die Werte, die mir bei einer Partei wichtig sind, das sie diese vertreten… Allerdings ist mein großes Problem: ich kenne keine Partei, die diese Werte so vertritt, ich habe das Gefühl ich kann entweder nur das eine oder das andere haben… Kannst du mir da weiterhelfen? Gern auch persönlich per Mail, wenn das möglich ist….
Vielen Dank, Chari, für dein Feedback!
Das Dilemma der Parteien kenne ich gut. Ich handhabe es für mich in der Form, dass ich schaue a) welche Partei am meisten meiner wichtigsten Werte vertritt und b) welchen Preis ich bezahlen muss, wenn ich eine bestimmte Partei wählen – sprich: Was vertritt diese Partei ansonsten für Werte, die meinen Werten nicht entsprechen und sind diese Werte für mich im Rahmen einer Demokratie und wissend, dass es nicht die eine Partei gibt, der ich 100% zustimme, hinzunehmen oder nicht.
Vielen, vielen Dank für diesen Artikel!! Alles, was du darin sagst, ist so wichtig und ich wünschte, das würden mehr Menschen verstehen. Ich kann auch nicht begreifen, was hier momentan alles geschieht in diesem Land. Vor allem auch in Bezug auf den Schutz von (ungeborenen) Kindern… Auch wenn ich weiß, dass Gott alles in der Hand hat, tut es weh, das zu sehen. Und du hast recht, wir beten zu wenig!
Es ist wichtig, dass wir uns nicht reinziehen lassen in diesen sinnlosen Diskussionen auf Social Media und öfter auch die Nachrichten ausschalten…und die Bibel aufschlagen.
Viele Grüße aus NRW 🙂
Vielen Dank, Lina, für dein Feedback! Den Schmerz, von dem du schreibst, spüre ich auch. Und deswegen glaube ich, dass wirklich nur Jesus unser Land (und damit auch uns Menschen) heilen kann UND will. Liebe Grüße nach NRW!