Lange Zeit habe ich mich vor diesem Artikel gedrückt. Ich habe aber den Eindruck, dass er jetzt doch raus muss, denn das Schweigen der Lämmer ermöglicht das Aufleben einer ganz schlechten Kultur. Ich schreibe diesen Artikel für alle, die unter dem “Schweigen der Lämmer” leiden. Und ich schreibe ihn für alle Lämmer, die bisher geschwiegen haben. Möge es sich ändern!
Wenn die Lämmer schweigen…
In der Kirche / Gemeinde / Kirchengemeinde werden die Christen ja manchmal mit Schafen vergleichen, die Gemeinde mit einer Herde und der Pastor mit einem Hirten – was nichts anderes ist als die deutsche Übersetzung des lateinischen Begriffs “Pastor”.
In meinen nun 16 Jahren im Gemeindedienst nehme ich ein ganz lautes “Schweigen der Lämmer” wahr. Was meine ich damit? Meistens sind es die trotzigen, bockigen und unzufriedenen Schafe, die ganz laut sind, die ihren Unmut kundtun (und das ist auch voll in Ordnung und ihr gutes Recht) – aber sie sind fast immer die Minderheit. Die Mehrheit der Herde? Sie schweigt. Die Lämmer? Sie schweigen. Manchmal ohrenbetäubend.
Also nimm einfach mal eine Veränderung XY, die gerade in der Gemeinde stattfindet. Nehmen wir ein fiktives Beispiel: Die Blumen (oh nein, Blumen, in vielen Gemeinden dann doch der Zankapfel schlechthin) auf dem Altar bzw. Blumen, die als Dekoration verwendet werden im Kirchenraum. Seit Jahren sind sie nun dort (also natürlich jede Woche andere) und hübschen das Setting im Kirchenraum auf. Eines Tages entschließt sich jedoch der Kirchendiener, Küster, Mesner oder nenn die Person, wie du möchtest, dazu, keine Blumen mehr in den Kirchenraum zu stellen.
Das aber passt nicht nur Blumenfanatikern nicht, sondern auch ein paar Gemeindegliedern nicht – aber: einer Minderheit. Diese protestiert jedoch vehement, während die zustimmende Mehrheit schweigt. Das Schweigen der Lämmer nimmt seinen Lauf.
…hört man nur die trotzigen Schafe
Welcher Eindruck entsteht? Die Herde sei unzufrieden – warum? Weil sich fast nur die Schafe zu Wort melden, denen das mit den Blumen so was von gar nicht passt. Dabei solltest du wissen: Nicht immer singt der lauteste Vogel das schönste Lied.
Aber frei nach dem Motto “Nicht gemotzt ist genug gelobt” schweigt die Mehrheit der Herde und bringt nicht zum Ausdruck, dass sie das Leben in der Herde eigentlich total cool findet und Blumen an sich etwas Wunderschönes sind, jedoch ihr geistlicher Gehalt überschaubar ist und es deswegen nicht so tragisch ist – viel wichtiger ist ein guter Lobpreis und eine gehaltvolle Predigt, die Gemeinschaft mit anderen Christen und Gästen, der Kaffee nach der Kirche, die wohl temperierte Kirche (oh, nein, das wird den nächsten Krawall geben) und die Möglichkeit, an verschiedenen Stellen des Gottesdienstes und Gemeindelebens mitwirken zu können.
Blumen? Ja, das wäre schon “nice to have” aber nun wirklich nicht heilsnotwendig.
Jedoch sagen diese Lämmer nichts – sie schweigen sich aus und in der Gemeindeversammlung melden sich nur die zu Wort, die eine Lanze für die Blumen brechen wollen. Die Folge? Es entsteht ein toxisches Ungleichgewicht, das überhaupt nicht die momentane Stimmungslage der Herde korrekt wiedergibt.
Eine toxische Atmosphäre
Das wiederum hat zur Folge, dass sich die Gemeindeleitung extrem Gedanken macht und sich betroffen fragt: “Was stimmt nur nicht in unserer Herde?” Des weiteren hat es zur Folge, dass toxisches Verhalten einfach so seinen Raum findet in Veranstaltungen der Gemeinde. Und zur Krönung sind nicht nur die Menschen in der Gemeindeleitung betroffen, sondern auch weitere Mitarbeiter in der Gemeinde, die mit Herzblut ihren Dienst tun – aber weil ihnen jetzt jemand etwas eben nicht durch die Blume gesagt hat, beginnt der Zweifel, ob das alles so gut ist, wie es ist.
Dazu muss man nicht einmal hochsensibel sein oder überall das Gras wachsen hören. Doch stell dir nur mal die Situation vor in einer Gemeindeversammlung oder Mitgliederversammlung, in denen nur die Schafe zu hören sind, denen etwas nicht passt, während die anderen Schafe mit geduckter Haltung weiter grasen. Das wird nicht gut. Danach werden die Schafe nach Hause gehen, sich entweder darüber unterhalten, was nur los ist oder leicht deprimiert bis resigniert ins Auto steigen oder in die S-Bahn.
Dabei übersehen sie aber die grüne Wiese, das saftige Gras und die sprudelnden Quellen ihrer Gemeinde – und ihr Herz wird von einer merkwürdigen Stimmung belegt.
Gewinner? Gibt’s am Ende keine. Verlierer? Jede Menge!
Schweigen ist Silber. Reden ist Gold.
Dabei wäre es doch so gut, wenn die Lämmer ihr Schweigen beenden und reden.
Wenn sie ihren Mund auftun und Positives aussprechen. Es geht nicht um Lobhudelei und um Schönrederei. Es geht darum, die Dinge, die gut sind, beim Namen zu nennen. Es geht darum, dass sie sagen, wenn sie eine Veränderung gut und richtig finden. Es geht darum, dass sie toxischen Tendenzen Gutes entgegenhalten.
Und jetzt kommt der Clou: Sie tun das auch noch freiwillig, ohne dazu aufgefordert zu werden.
Was würde geschehen?
Es würde sich eine gesunde Kultur entwickeln! Eine Kultur, in der Gutes wertgeschätzt wird, in der man sich gegenseitig “anfeuert” und dankbar zum Ausdruck bringt, was der persönliche Mehrwert ist, Teil dieser Gemeinde zu sein.
Also – und jetzt verlasse ich mal diese Schaf-Lamm-Sonstwas-Metapher:
Wenn du Teil einer Gemeinde bist – als Mitarbeiter, als Gottesdienstbesucher, als Leiter: Dann sprich Gutes aus, ohne dazu aufgefordert zu werden! Wertschätze die Menschen, die sich in deiner Gemeinde engagieren und sage, was Du gut findest, was sie gut machen und was dem Wohl der Gemeinde dient. Mach deinen Mund auf, wenn es in Meetings, Sitzungen und Versammlungen dazu kommt, dass “Nörgler” oder “Bedenkenträger” ihre Sicht der Dinge schildern. Aber Achtung: Es geht nicht darum, gegen diese zu sein. Jeder darf, soll und muss seine Bedenken, seine Kritik und seine andere Sichtweise zum Ausdruck bringen dürfen! Auch du, wenn du gerade gar nichts zu nörgeln oder auszusetzen hast, sondern jede Menge gute Dinge wahrnimmst. Sprich es aus!
Gestalte und kreiere eine Kultur, die deiner Gemeinde gut tut, die sie fördert und die andere ermutigt, weiter voranzugehen, neues Land einzunehmen und nach vorne zu stolpern, weil zwar der Weg nicht klar ist, aber die Gewissheit da ist, dass es große Rückendeckung gibt.
Denn weißt du was?
Du bist Gemeinde!
Du gestaltest Gemeinde!
Deine Gemeinde braucht dich!
Verlass dich nicht auf die anderen – gestalte und verändere selbst. Oder anders gesagt: Sei du die Veränderung, die du dir von anderen wünschst! Du hast so viel mehr in der Hand (und auf der Zunge, wenn du es aussprichst), als du glaubst.
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