Tag 19
Wo ist dein Bruder?
1. Mose 4,9
Gottes Frage an Kain – und an uns. Denn diese Frage lässt uns erkennen, dass wir nicht in eine individualisierte Welt gestellt sind, sondern in eine Welt mit anderen Menschen. Klingt trivial, ich weiß, aber unser Problem ist, dass wir einen “expressiven Individualismus” leben, wie es Carl Trueman in seinem Buch “Fremde neue Welt” bezeichnet – unter “Medien” findest du auf meinem Blog die Rezension zu diesem grandiosen Buch. Zurück zu Kain und Abel. Kain erschlägt also seinen Bruder Abel und Gott fragt Kain: “Wo ist dein Bruder?” Dem fällt nichts anderes ein, als Gott anzulügen und ihn anzublaffen, ob er denn der Babysitter seines Bruders sein solle. Heute möchte ich gar nicht auf viele Facetten dieses Ereignisses eingehen (es gäbe so viel zu schreiben bis hinein in einzelne Worte und deren hebräischen Bedeutung) – sondern nur auf eine.
“Wo ist dein Bruder?” ist eine Frage, die ja darauf abzielt: “Du bist nicht allein, Kain!” (Oh, großartiger Reim!) Wie oben erwähnt, leben wir es aber oft so. Es geht um mich, meine Bedürfnisse, meine Vorlieben, ich muss bestimmen und es muss nach meinem Gutdünken gehen. Frei nach dem Motto: “Ich, mich, meiner, mir. Ach, Herr Jesus, segne uns vier!” Es ist schrecklich! Wirklich! Der Individualismus grassiert so stark, dass ich glaube, dass wir etwas ganz Entscheidendes des christlichen Glaubens und der Geschichte der Christenheit vergessen haben: Den Wert von Gemeinschaft! Du bist sowohl als Christ als auch als Nichtchrist dazu bestimmt, NICHT alleine zu leben. Das hat Gott schon ganz zu Beginn der Menschheitsgeschichte gesagt: “Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei!” (1. Mose 2,18) Gleichzeitig gilt das aber auch in jeder christlichen Gemeinde, in der du bist: Du bist Teil einer Glaubensgemeinschaft, die es nun annähernd 2.000 Jahre lang gibt. Vor dir haben Menschen geglaubt und auch nach dir werden Menschen glauben.
Deswegen will ich dich nicht gleich herausfordern, dieses oder jenes zu tun, sondern lass dir heute ein paar Fragen da, über die du dir Gedanken machen kannst. Wie kann ich in meiner Gemeinde Teil einer Gemeinschaft sein, in der ich den anderen höher achte als mich selbst? Wieso fällt es mir so schwer, (bestimmte) Menschen zu lieben? Wie kann ich mich in Gemeinschaft eingliedern, ohne meine Identität aufzugeben? Wem in der Gemeinde fällt es schwer, sich zu integrieren – und wäre ich vielleicht die Person, die ihm dabei hilft?