Wie gehst du mit Drucksituationen um? Ich meine dabei die Momente, in denen du innerlich unruhig wirst, zu schwitzen beginnst, das Herz schneller schlägt, dir die Luft zum Atmen fehlt – und und und. Das können Anfeindungen sein, böse Emails, böse WhatsApp-Nachrichten, ein fürchterliches Gespräch, eine unzutreffende Anschuldigung, Beleidigung, das Vorhalten von “Versagen” oder ein böser Vorwurf. Das können aber auch Situationen sein, in denen du eine weitreichende Entscheidung treffen musst – aber nicht weißt (trotz tausendmaligem Abwägen), was die richtige Entscheidung ist.
In meiner Gemeinde (www.wutachblick.de) predige ich zusammen mit meinem Kollegen gerade über Daniel. Vielen ist er vor allem bekannt aus der Löwengrube. Und damit hat dieser Artikel im weitesten Sinn auch zu tun.
Schauen wir uns Daniel 6 (Daniel in der Löwengrube) genauer an, dann ist für mich das Faszinierende nicht, dass Gott Daniel vor den Löwen bewahrt. Das ist schon crazy, absolut! Aber überleg mal: Für einen Gott, der nur durch sein Wort die gesamte Schöpfung entstehen lässt, ist es ein Klacks, den Löwen das Maul zuzuhalten.
Interessanter war für mich etwas, das ich eine “geistliche Routine” nenne.
Geistliche Routine – in der Stille
Ich konkretisiere: Es geht mir um tägliche Zeiten, die du mit Gott in der Stille hast. Damit meine ich nicht, dass du ins Kloster oder in die Wüste musst, aber schau mal, was über Daniel geschrieben steht. Der König hat durch eine perfide List seiner Beamten ein Gesetz erlassen, nachdem jeder, der nicht ihn (den König) sondern jemand anderes um etwas bittet, den Löwen zum Fraß vorgeworfen wird. Und dann steht das hier in der Bibel:
Daniel scheint so etwas wie eine “geistliche Routine” gehabt zu haben, das heißt: Er hat es gelernt und für sich als wichtig empfunden, täglich (!) Zeiten mit Gott zu haben. Das heißt: Zeiten, in denen nur er und Gott wichtig waren – sonst niemand und nichts. Warum ist das so wichtig? Bin ich dadurch ein frommer Mensch, ein guter Christ, ein besserer Jesus-Nachfolger? Nein! Es geht vielmehr darum, dass genau in diesen Zeiten dein “Innerstes” gestärkt wird. Paulus schreibt im Neuen Testament an die Gemeinde in Ephesus einmal Folgendes:
Für Daniel war es mega wichtig, diese Zeiten zu haben, um eben an seinem “inwendigen Menschen” (Luther übersetzt es so) oder eben “innerlich” stark zu werden. Für ihn gehörte es wie das Zähneputzen zum Tag dazu, sich Zeit mit Gott zu nehmen.
Und genau das versuche ich, von Daniel zu lernen: Mir Zeit zu nehmen, wo nur Gott und ich eine Rolle spielen. Nichts anderes darf stören. Kein Smartphone, kein Telefon, kein sonstwas. Nur Gott und ich – und genießen, hören, korrigiert werden, danken, loben, anbeten, klagen und bitten. Diese Zeiten sind es, die uns in Drucksituationen die nötige “dicke Haut” geben. Wieso?
Weil wir in diesen Zeiten an dem arbeiten (oder besser: an uns arbeiten lassen) wer wir sind und nicht, was wir tun und leisten. Mir gefällt, dass man das auf Englisch ganz gut unterscheiden kann. Der Mensch ist ein human being und kein human doing. An diesem “being”, also an meinem Sein und Wesen zu arbeiten, ist eine hohe Kunst. Geduld, Mut, Zuversicht und Hoffnung sich nicht rauben zu lassen, sondern darin stärker zu werden, ist nicht leicht – aber wichtig! Genau so: Gelassenheit, Ruhe, Empathie und die Entwicklung einer Frustrationstoleranz sind weitere Faktoren, die unseren “inwendigen”/innerlichen Menschen stark machen.
In der Stille wachsen
Es ist zu spät, wenn wir erst in Drucksituation beginnen, eine geistliche Routine zu entwickeln. Die Zeit mit Gott alleine, die Stille, die Einsamkeit mit ihm, das Gebet, das Lesen in seinem Wort, die Anbetung – nichts ist so wertvoll und nichts lässt unseren Glauben so stark werden wie diese Zeiten.
Es gibt viele Aussagen in den Psalmen der Bibel, was die Stille, die “Einsamkeit mit Gott” für den Psalmbeter bedeutet. Hier nur eine kleine Auswahl:
Vielleicht erwartest du längst schon eine kleine Checkliste zum guten Umgang mit Drucksituationen – die kommt auch noch, keine Sorge! Aber ich glaube, wir müssen lernen, in der Tiefe an uns zu arbeiten und nicht an der Oberfläche. Ich kann viele gute Dinge befolgen – wenn mein Herz nicht mitkommt, wird es mich nicht nachhaltig prägen und verändern.
Gerade in der Stille ist es möglich, dass wir “an uns arbeiten lassen”. In der Stille, in der Einsamkeit mit Gott, fokussieren wir uns ganz auf ihn und empfangen von ihm Ratschläge und Weisung. Wir hören, wer wir wirklich in seinen Augen sind und wie groß, wie mächtig, wie barmherzig und ohnegleichen Gott ist. Das verändert uns. Das verändert mich. Das verändert mein Herz.
Denn eines ist doch klar: Wir werden immer und immer wieder mit Drucksituationen zu kämpfen haben – als Leiter sowieso. Da ist es wie mit einem gesunden Lebensstil, der viel besser ist, als mal “für den Moment” auf Süßigkeiten zu verzichten. Wirkliche Erfolge und Durchbrüche – vor allem im geistlichen Bereich – werden nicht im Sprint, sondern im Marathon erlangt. Deswegen ist es mir so wichtig zu betonen, dass wir an uns selbst, an unserem “inwendigen Menschen”, an unserem Herzen arbeiten müssen, um Drucksituationen gut bewältigen zu können.
Diese “Einsamkeit mit Gott” hat keine festen Regeln. Tu das, was dir hilft, um Gott besser kennenzulernen und zu hören, was er sagt: Gebet, Lesen in seinem Wort, Anbetung – alles hat seinen Platz. Natürlich wachsen wir im Glauben und an unserem inneren Menschen auch dann, wenn wir gute Predigten oder Podcasts hören, gute Bücher lesen oder Menschen uns in Gesprächen inspirieren. Nichts davon aber ersetzt die direkte Kommunikation mit Gott.
Wenn wir es lernen, in der Stille zu wachsen, indem wir Gott an uns arbeiten lassen, ist das schon “die halbe Miete” – ich würde sogar sagen: mehr als die Hälfte!
Die andere Hälfte sind ganz einfache, konkrete Dinge, die Du tun – oder lassen kannst.
Konkrete Tipps
Hier kommt also die oben erwähnte “Checkliste”. Ein paar stichwortartige Gedanken dazu, wie wir gut mit Drucksituationen umgehen können.
- Reagiere nicht sofort, wenn es die Situation nicht erfordert! Nimm den Druck wahr und frage dich, was genau es ist, das diesen Druck erzeugt. Wenn es in einem direkten Gespräch ist, nimm dir die Freiheit zu sagen: “Wir kommen hier nicht weiter. Ich möchte darüber nachdenken und werde mich bei dir melden.”
- Wäge ab, ob du in einigen Stunden reagierst oder erst am nächsten Tag.
- Wenn möglich: Schlafe einmal über die Angelegenheit.
- Überlege dir, was dein Anteil daran ist, dass dein Gegenüber dir so etwas sagt/schreibt/vorwirft. Hast du einen Fehler gemacht? Dann entschuldige dich dafür.
- Sei weder feige noch tollkühn. Suche die Mitte, die heißt: sei mutig! Vertritt deinen Standpunkt – allerdings sachlich.
- Wenn du schriftlich reagierst, lies die Nachricht vor dem Absenden mehrmals durch und überprüfe, ob du nur Sachliches geschrieben hast. Alles andere hat in Mails, WhatsApp-Nachrichten und dergleichen keine Berechtigung in einer Drucksituation.
- Teile deinem Gegenüber ganz deutlich (und sachlich!) mit, wo er oder sie Grenzen überschritten hat.
- Bei allem: Ziehe eine Person deines Vertrauens an deine Seite und bitte ihn/sie, dir zu helfen. Lass es nur eine Person sein, die dich auch kritisieren wird – “Ja-Sager” werden dir an dieser Stelle nicht weiterhelfen.
- Bitte Gott immer und immer wieder um Weisheit, Liebe und Barmherzigkeit. Mach das nicht nur einmal – sondern kontinuierlich und bitte ihn, dir die Augen zu öffnen für die “blinden Flecken”.
Vor über einem Jahr habe ich einen ähnlichen, aber wesentlich kürzeren Artikel geschrieben – falls du ihn nachlesen willst: Kompromissloser Glaube wächst aus der Stille.