“Prüft alles und behaltet das Gute!” (1. Thessalonicher 5,21)
Diese Jahreslosung hat das Potenzial, deinen Glauben auf ein ganz neues Level zu heben. Und zwar dann, wenn du nicht mehr alles einfach so glaubst, was dir vorgesetzt wird, sondern wenn du die Dinge prüfst, die dir im Glauben und in der Gemeinde begegnen.
Dieser eine Vers ist aus einem größeren Kontext, in dem das Wort Gottes uns zu verschiedenen Dingen auffordert: ohne Unterlass zu beten (sorry, wenn du “Unterlass” heißt), fröhlich in allen Dingen zu sein, geduldig zu sein mit anderen, die Schwachen mittragen, prophetische Rede nicht verachten – und so manches mehr.
Und dann eben auch: Prüft alles und behaltet das Gute!
Aber was ist denn “das Gute”?
Ich will’s mal ganz praktisch machen und die Jahreslosung unter folgender Fragestellung zu Rate ziehen:
Welche Einflüsse sind für meine geistliche Entwicklung und Wachstum im Glauben hilfreich und welche nicht?
Kann ich alles glauben, was ich lese und höre?
Du weißt, ich bin Pfarrer und viel vernetzt in der ganzen “christlichen Szene” in Deutschland. Ich nehme wahr, dass es jede Menge Strömungen, geistliche Entwicklungen und theologische Meinungen gibt, die in den letzten Jahren (Jahrzehnten) nicht nur zur Erbauung des Leibes Christi gedient haben, sondern hier und da auch zu Verunsicherung, Spaltung und Trennung führten.
Es gibt jede Menge Bücher, Podcasts, Blogartikel und YouTube-Videos in der “christlichen Bubble” – ja aber was davon ist jetzt gut? Welcher Podcast, welches Buch, welches Video ist für meinen Glauben gut, für die Entwicklung meines Glaubens? Und was davon kann ich getrost liegen lassen, weil es eben “nicht gut” ist? Wie finde ich das um alles in der Welt raus?
Alles, was wir prüfen, unterliegt bestimmten Prüfkriterien. Wenn du dein Auto zum TÜV bringst, wird er es überprüfen nach gewissen Standards der Verkehrstauglichkeit. Wenn du in der Schule oder im Studium eine Prüfung schreibst, wirst du nach Notenstandards bewertet. Wenn du das frische Obst und Gemüse im Supermarkt anschaust, prüfst du es, ob es noch gut ist. Kosmetikartikel werden dermatologisch geprüft.
Was aber sind die Prüf-Kriterien für die Predigten, Podcasts, Bücher, Blogs und Videos, die du dir reinziehst? Wie kannst du sichergehen, dass es gut ist, was du konsumierst und was nicht gut ist?
Ich gebe dir einfach mal ein paar Prüfkriterien alias Fragen an die Hand:
Entspricht es der biblischen Lehre oder steht es im Widerspruch zu dem, was die Bibel lehrt?
Ist es mit dem Wesen Gottes vereinbar?
Wurde das, was ich hier lese/höre/sehe, zu jeder Zeit von allen Christen an allen Orten gelehrt und geglaubt oder ist es eine Sonderlehre?
Was sind die Früchte der Person/Werk/Pastor/Leiter, dessen Buch ich lese, Podcast ich höre, Blog ich lese oder YouTube-Video ich anschaue? Gute Früchte wären beispielsweise:
- Stärkung der Einheit im Leib Jesu
- Verbundenheit in den Glaubensaussagen mit Christen der großen weiten Welt (in der unsere europäisch-westliche Sicht der Dinge einen inzwischen nicht mehr wirklich relevanten Ausdruck findet)
- Mehr Leidenschaft in der Jesus-Nachfolge derer, die diese Inhalte (auch) konsumieren
- Betonung der historischen Zuverlässigkeit der Glaubensinhalte, die gelehrt werden
- Dienst der (Nächsten-)Liebe
In der gesamten Kirchengeschichte gibt es schon so viele Irrlehren und Sondermeinungen, falsche Abzweigungen und Möchtegern-Ichweißaberwirklichallesbesser-Theologen, dass es nichts, aber auch wirklich rein gar nichts Neues unter der Sonne gibt. Oder wie es schon im ersten Teil der Bibel steht:
Nenne mir eine Lehre, die dir ein wenig komisch vorkommt oder die “neu und spannend” ist und ich sage dir, in welcher Epoche der Kirchengeschichte sie auch schon aufkam und als Irrlehre verurteilt wurde.
Eine wichtige Prüfregel
In der Liste oben habe ich eine Aussage von Vinzenz von Lérins verarbeitet. Er schrieb ca. im Jahr 435 ein Werk namens “Commonitorium”. Das zweite Kapitel leitet er mit folgender Überlegung ein (zitiert nach der “Bibliothek der Kirchenväter“:
Jetzt muss ich dir an dieser Stelle vielleicht das Wort “katholisch” erklären. Dieses kommt aus dem Griechischen (“katholikos”) und meint so viel wie allumfassend, ganz oder allgemein. Es ist also nicht die katholische Kirche gemeint, wie wir sie heute kennen. Denn diese gab es 435 nicht – da gab es eben nur “die eine allumfassende Kirche” – eben die “katholische” Kirche, die allumfassend, allgemeine Kirche.
Diese Unterscheidung ist deswegen so wichtig, weil Vinzenz von Lérins dann im Folgenden einen ganz, ganz wichtigen Grundsatz aufstellte, den wir uns zu Herzen nehmen sollten in unseren Prüfverfahren:
“Was überall, was immer und was von allen geglaubt wurde.”
Wenn du das als Prüfkriterium anlegst, befindest du dich auf einem guten Weg. Nur: Dazu braucht es Demut und Weitsicht.
Demut, durch die du deine eigene Meinung einmal hinten anstellen kannst und dafür offen bist, dich hinterfragen zu lassen, dich sozusagen selbst auf den Prüfstand zu begeben.
Und es braucht Weitsicht. Es bringt dir nämlich nichts, wenn du nur aus deiner “Bubble” Bestätigung erfährst. Es gibt eben nicht nur “deinen frommen Kontext”. Egal ob dieser landeskirchlich, liberal, freikirchlich, konservativ, progressiv oder post-evangelikal ist. Mit Weitsicht erkennst du, dass es da noch ganz anderen Christen gibt: südameriakanische Pfingstler, asiatische Charismatiker, die russisch-orthodoxe Kirche, die anglikanische Weltgemeinschaft, serbisch-orthodoxe Christen, griechisch-orthodoxe Christen, die Armenische Apostolische Kirche, syrisch-orthodoxe Christen und viele weitere. Und du siehst schon: Wir in Deutschland sind vieles – aber eines ganz sicher nicht: Der Nabel der christlichen Welt.
An dieser Stelle empfehle ich dir den hervorragenden Vortrag “Evangelikale im globalen Kontext – Eine neue Wirklichkeit” von Dr. Frank Hinkelmann. Auf beeindruckende Weise und mit Zahlen (und damit Fakten) belegt zeigt er auf, dass sich die Christenheit schon längst verschoben hat: Der “globale Süden” überholt uns “Westeuropäer” schon lange.
Wir machen’s konkret
Ich habe Chat GPT gefragt: “Welche theologischen Themen sind in den vergangenen Jahren in Deutschland im Bereich von Evangelikalismus und Post-Evangelikalismus besonders diskutiert worden?“
Folgende zehn Themenschwerpunkte wurden mir genannt – und ich kann im Großen und Ganzen zustimmen, dass das wohl sehr intensiv diskutierte Bereiche sind:
- Bibelverständnis
- Sexualethik und LGBTQIA+
- Rolle der Frau
- Hölle und Erlösung
- Spiritualität und Liturgie
- Verhältnis zur Gesellschaft
- Interreligiöser Dialog
- Klimakrise und Schöpfungsverantwortung
- Kritik an Machtstrukturen
- Mission und Globalisierung
Gehe diese zehn Themen mal der Reihe nach durch und wende die Regel von Vinzenz von Lérins an:
Klar: Du kannst nicht wissen (und ich auch nicht), zu welchem Thema welche Denomination/Kirche etwas sagt und was “immer” und “überall” von “allen” geglaubt wurde. Es geht aber auch vielmehr um eine gesunde Einordnung und Tendenz. Bei vielen der oben genannten Themen reicht schon ein gesunder “geistlicher Menschenverstand” vollkommen aus, um zu erkennen, was die weltweite, allumfassend-allgemeine Kirche glaubt und lehrt.
Das gilt auch für das, was du dir anschaust, liest und hörst. Wenn du dir unsicher bist, mach dich schlau. Wenn du mehr Weisheit brauchst, dann bete darum (Jakobus 1,5) und wenn es dir wirklich darum geht, die Dinge zu prüfen, Gutes zu behalten, du aber nicht weiterkommst: Dann frage jemanden, von dem du glaubst, dass er ein guter Prüf-Assistent ist.
Zwei Gedanken gebe ich dir zum Schluss noch mit an die Hand, die dir schnell einen Überblick geben können:
- Ist diese “Lehre” eine Sonderlehre oder ist sie mir generationen- und kirchenübergreifend schon anderswo begegnet? Damit meine ich, ob sie auf dem Boden des historischen Christentums erwachsen oder eine zeitgeistig-moderne Erscheinung ist. Sollte es eine Sonderlehre sein, ist zumindest die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie nicht “gut” ist und du sie auch nicht behalten solltest.
- Ist diese Lehre vor allem im Westen und dort in liberalen Kreisen und Kirchen fester Bestandteil? Wenn dem so ist, kannst du dir ziemlich sicher sein, dass sie nicht gut ist und du sie nicht behalten brauchst, denn: Der mit Abstand größte Teil der weltweiten Kirche trägt diese Lehre nicht mit.
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