Ruhe in einer unruhigen Welt zu leben, ist eine hohe Kunst. Dessen bin ich mir bewusst, nachdem ich das Buch von Thomas Sjödin gelesen habe. Gleichzeitig ist es aber noch nur eine hohe Kunst – sondern eine absolute Notwendigkeit. Oder wie Sjödin sagen würde:
Die Frage nach nach dem, was “Ruhe” wirklich ist, lässt Tomas Sjödin keine Ruhe. Er selbst bezeichnet sich als jemanden, der – wie wir heute gerne sagen – “viel um die Ohren hat” als Pastor, Schriftsteller, Autor und Sprecher. Er hat ein bewegtes und bewegendes Leben – konfrontiert mit dem Tod: Zwei seiner Söhne sterben auf Grund einer Hirnerkrankung, die nicht genau diagsnotiziert werden kann, aber im Laufe der Krankheit war nur eines sicher: sie wird mit dem Tod enden.
Sjödin schreibt es nicht explizit, aber solch eine Erfahrung lässt einen niemals los – oder wie er sagt: “Die Narbe bleibt.” Dennoch: In “Warum Ruhe unsere Rettung ist”, steht nicht der Tod, nicht das Leid und auch nicht die Frage nach dem “Warum” im Mittelpunkt. Es geht wirklich um das eine Thema: Ruhe.
Mehrwert Ruhe
Sjödin schreibt in so wunderschönen Bildern und einer so vereinnahmenden Sprache, dass man zwischenzeitlich den Eindruck hat, der gute Mann tut nichts anderes als zu ruhen. Darum geht es aber gar nicht. Sjödin ruft nicht auf zu einem Lebensstil der Langeweile und Faulheit – sondern er ruft dazu auf, in der Ruhe wirkliche Kraft zu finden oder mit seinen Worten:
Es würde den Rahmen sprengen, alle Facetten der Notwendigkeit von Ruhe wiederzugeben in diesem Artikel, aber alleine der Unteritel des Buches sagt schon alles: “Stell dir vor, du tust nichts und die Welt dreht sich weiter”. Für manche mag das ziemlich ernüchternd sein, halten wir uns doch zu sehr für unersetzlich. Dem ist aber nicht so. Wirkliche Kraft in den Dingen, die wir tun – und lassen – entsteht dort, wo wir sie aus einer Ruhe heraus tun. Einer Ruhe, die der Geschäftigkeit unserer heutigen Zeit im Zentrum gegenübersteht – und das macht sie auch so schwierig zu finden und zu leben. Daraus macht Sjödin keinen Hehl. Weder glorifiiziert noch romantisiert er die Ruhe:
Ruhe aus vielen Perspektiven
Das absolut Bereichernde und Inspirierende an diesem Buch sind die vielen PErspektiven, welche Sjödin zum Thema “Ruhe” zu Wort kommen lässt. Er reist, er experimentiert, er liest, er forscht – und das vorliegende Buch scheint so etwas wie die “Quintessenz” aus all seinen Erkenntnissen zu sein – ohne, dass sie wie ein Lehrbuch daherkommt. Phasenweise gleicht sie eher einem Tagebuch oder einem Reisebuch, in dem verschiedene Gespräche, Begegnungen oder Zitate aus der Literatzr gesammelt wurden.
Schnell wird deutlich: “Warum Ruhe unsere Rettung ist” liest sich nicht als Sachbuch oder schlauer Ratgeber. Dieses Buch ist mehr. Für mich ist es lebensnah und pholosophisch zugleich. Viele Gedanken und Erkenntnisse Sjödins sind so tief, dass man sie beim Lesen nicht sofort versteht. Sie müssen sich setzen. Langsam. Nach und nach. Und wenn sie es tun, dann wird die Lebensweisheit und -reife Sjödins so deutlich, dass man das Buch einfach nicht aus der Hand legen kann.
Sjödin versteht es, das Thema aber nicht nur abgefahren philosophisch oder als eine Zusammentsellung netter Lebensweisheiten und Zitaten zu verstehen. Vielmehr gibt er hier und da kleine Tipps, Hinweise, Anregungen oder beschreibt sein eigenes Experimentieren mit der Ruhe. Deutlich wird er, wenn es darum geht, Ruhe zu unterschätzen oder als unnötig abzutun:
Sabbat als Vorbild
Den größten Teil des Buches (und der Gedankenwelt Sjödins zum Thema Ruhe) nimmt der jüdische Sabbat ein und warum er uns so hilfreich sein kann im Blick auf das Finden und Einhalten von Ruhe. Ich finde gerade diese Gedanken äußerst faszinierend und inspirirend. Denn es geht um mehr als nur um ein paar Sabbatgebote und Sabbatvorschriften. Es geht um Ruhe, das Miteinander mit wertvollen Menschen und Freunden, gemeinesames Essen und Geschichtenerzählen sowie um das Feiern – des Lebens und der Gottesbeziehung und dem Finden von Ruhe mitte in diesen Dingen.
Es mag paradox klingen, aber je tiefer man in das Buch einsteigt und in die Gedankenwelt Sjödins, desto mehr kann man voll und ganz nachvollziehen, welchen Vergleich des Ruhens mit dem menschlichen Körper er bemüht:
Kein schlechtes Gewissen
Vielleich geht es dir manchmal auch so, wie Sjödin es als Einstieg in sein Buch beschreibt (alleine deswegen ist es schon lesenswert): Du wirst “ertappt” beim Ausruhen, Schlafen oder beim Mittagsschläfchen und es ist dir peinlich; du hast ein schlechtes Gewissen. Warum? Weil in unserer Gesellschaft scheinbar nur zählt, dass man arbeitet, leistet und die Zeit ausnutzt für “Produktives”.
“Warum Ruhe unsere Rettung ist” kann als Plädoyer für das Ruhen miten im Alltag verstanden werden; als Ratgeber für alle, die sich fragen, wie sie Ruhe finden können und als Entlastung für alle, die fälschlicherweise ein schlechtes Gewissen haben.
Oder um ein Zitat aufzunehmen, das Sjödin von einem Kollegen hat und immer wieder inmitten herausfordernder Situationen von ihm hörte – und schließlich selbst verinnerlichte: “Da müssen wir uns durchruhen.”
Es gäbe noch viel zu berichten über das, was Sjödin schreibt: Die notwendige Vollbremsung durch den Sabbat, das “Land der Ruhe”, die ewige Ruhe oder auch die theologische Bedeutung der Ruhe im Schöpfungsbericht und die Tatsache, dass Gott zu Adam und Eva sagte, nachdem sie noch nicht mal einen Finger krumm gemacht haben: “Morgen ist Feiertag!”
Aber ich mach’s einfach und empfehle dir schlicht und einfach, “Warum Ruhe unsere Rettung ist” zu lesen und das, was für dich passt, mitzunehmen und auszuprobieren. Das werde ich nämlich auch tun.