Ich predige für mein Leben gern und weiß, dass Gott mich an dieser Stelle begabt hat. Arrogant? Nein – ich weiß um meine Stärken und meine Schwächen. Von letzteren habe ich ‘ne Menge.
Ich verrate dir ein Geheimnis: An nichts anderem in meinem Beruf arbeite ich so hart wie am Predigen. Wahrscheinlich in kaum einem anderen Bereich investiere ich Woche für Woche so viele Stunden. Heute predige ich frei – inzwischen ohne Manuskript, das dennoch in stundenlanger Arbeit unterhalb der Woche entstand. Nur mit Bibel und Smartphone, auf dem ich die Präsentation zur Predigt sehe und bediene.
Das war nicht immer so. Es war ein langer, ein mühsamer, manchmal ein steiniger Weg dorthin. Als ich vor wenigen Jahren einen Artikel darüber las, dass auch ich es schaffen könne, frei zu predigen, habe ich innerlich den Kopf geschüttelt. Heute stehe ich selbst dort. Und ich will dir mit diesem Artikel 5 Dinge an die Hand geben, die sich aus zwei Erfahrungen speisen.
Zum einen ist es meine persönliche Erfahrung als Prediger.
Zum zweiten ist es meine persönliche Erfahrung als Mensch, der Gottesdienste besucht und andere predigen hört.
Die Gemeinde langweilen
Die Gemeinde hat ein Recht darauf, eine gute, eine unterhaltsame, eine herausfordernde, eine wachrüttelnde, eine humorvolle, eine seelsorgerliche, eine emotionale, eine apologetische, eine überzeugende, eine kurzweilige, eine liebevolle Predigt zu hören. Nur auf eines hat Gemeinde absolut kein Recht: auf eine langweilige Predigt!
Das beginnt dort, wo der Prediger mehr auf sein Manuskript als in die Augen seiner Zuhörer schaut. Wieso auch? Weiß er nicht, was er sagen will? Spricht er etwa nicht aus dem Herzen sondern aus dem Zettel? Ganz ehrlich: Wenn ich den Eindruck bekomme, da vorne steht einer, der erst mal ablesen muss, was er überhaupt verkündigen will, dann schalte ich ab. Es scheint nicht aus seinem Herzen zu kommen, sondern er liest etwas ab – und das braucht kein Mensch. Echt nicht. Wirklich nicht!
Wir benötigen Prediger, die vorne stehen, von ihrer Sache überzeugt sind und den Hörer an dem teilhaben lassen, was Gott in der Vorbereitung zu diesem Menschen gesprochen hat und was aus seinem Herzen und Glauben kommen.
Ich verrate dir kein Geheimnis: Wenn ich im Gottesdienst bin und der Typ da vorne langweilt mich, werde ich innerlich aggressiv. Denn das Evangelium hat eines ganz sicher nicht verdient: Langeweile!
Tipp:
Überlege dir, was dir wirklich leichtfällt: Ist es der Humor, die Story oder die Darstellung komplexer Inhalte? Dann nutze für deinen Predigtstil deine ganz persönlichen Stärken – damit wirst du garantiert nicht langweilen.
Eine schlechte Vorbereitung als Standard
“Boah, die Woche war so voll, ich bin einfach nicht früher dazu gekommen als Samstag Abend!” Das kann schon mal vorkommen. Keine Frage. Wenn es aber der Standard ist, hinterfrage ich schon deutlich: Wie willst du am Samstag Abend den biblischen Text lesen, auf dich wirken lassen, ihn sauber exegetisieren, Kommentare dazu lesen, Gott sprechen lassen, dir Bilder und “Moves” überlegen, die Präsentation erstellen, die Konzeption der Predigt entwerfen, überdenken, über den Haufen werfen, neu sortieren, neu ordnen?
Predigen ist nichts, was man einfach mal so aus dem Ärmel schüttelt. Die Gemeinde merkt das. Sehr gut sogar. Meine Erfahrung ist die, dass “die Gemeinde” (also die Summe der Gottesdienstbesucher am Sonntagmorgen) durchaus ein sehr sensibles Gespür dafür hat, wie viel Vorbereitung in einer Predigt steckt.
Die größte Challenge für mich ist, aus einem Bibeltext das “rauszuziehen”, was jetzt wirklich das ist, was Gott den Zuhörern mitteilen möchte. Denn nach einigen Jahren Predigen hat man so einen gewissen Fundus (auch wenn es meine Predigten nicht mehr in digitaler Schriftform gibt) an Beispielen, Wendungen und Bildern und die Gefahr besteht, von einem Beispiele, einem Bild, einem Vergleich her kommend die Predigt aufzuziehen.
Tipp
Mach dir eine gewisse Predigtvorbereitungs-Routine zu eigen, welche dir ausreichend (mindestens eine Woche) Zeit gibt, dich mit dem Predigttext, dem Thema und allem, was dazu gehört, auseinanderzusetzen. Ich habe in meinem Kalender mehrere fixe Termine, so dass meine Predigtvorbereitung kein Zufallsprodukt ist und auch nicht dann geschieht, wenn im Kalender eben grad mal Luft ist (was viel zu selten der Fall sein wird).
Lies die Bibel nur zur Predigtvorbereitung
Echt? Machen Pfarrer so was? Ja! Leider! Ich find’s unmöglich, dilettantisch und heuchlerisch. Entweder ist die Bibel Wort Gottes, das mich selbst inspiriert, herausfordert, tröstet und ermutigt – oder es ist es nicht. Aber eines kann’s nicht sein: Etwas anderes für die Gemeinde wie für mich persönlich.
Übrigens hat auch hier die Gemeinde ein sehr, sehr feines Gespür dafür, ob du als Prediger aus der Bibel schöpfst, weil sie Teil deines Lebens und deines Glaubens ist oder weil du halt mal grad über ein paar Verse was erzählen sollst.
Hier kommen wir zum Knackpunkt: Predigen ist doch mehr als einfach nur ‘ne Runde zu labern! Predigt ist auch mehr als wohlgeschliffene Rhetorik! Predigen ist Gottes Wort in eine Situation hinein zu verkündigen, um Glauben zu wecken und zu vertiefen. Das kann doch gar nicht funktionieren, wenn die Bibel (Grundlage jeder christlicher Verkündigung) nur dann eine Rolle spielt, wenn ich mich auf eine Predigt vorbereiten muss.
Ganz unabhängig davon hat die persönliche und kontinuierliche Beschäftigung mit Gottes Wort noch einen Nebeneffekt, der nicht Antrieb des persönlichen Bibelstudiums sein darf, aber dennoch ein großartiger Mehrwert ist: Es erschließen sich dir die Gesamtzusammenhänge der Bibel, welche für das Predigen wiederum ein großer Gewinn sind, weil es immer auch um “das große Ganze” geht, für das schlicht und einfach das Verständnis fehlt, wenn ich die Bibel nur punktuell zur Predigtvorbereitung heranziehe.
Tipp
Nimm dir jeden Tag Zeit, um in Gottes Wort zu lesen, für dich persönlich, ohne “Verzweckung” und nicht als Predigtvorbereitung.
Predige mit salbungsvollem Singsang in der Stimme
Kennst du ihn? Dieser besondere, scheinbar klerikale Singsang in der Stimme eines Pfarrers, beginnend mit: “Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht in….”
Es ist der erste Schritt, ganz sicher an Glaubwürdigkeit zu verlieren! Aber 100%! Denn es drückt eines aus: Du bist nicht authentisch! Und das ist das Schlimme “dahinter”. Es geht nicht primär darum, nicht “so und so zu klingen”, sondern vielmehr geht es darum, authentisch zu sein! Nichts ist schlimmer, als ein Prediger, bei dem man den Eindruck gewinnt (obwohl man ihn vielleicht gar nicht kennt): “Der ist gar nicht authentisch!”
Du kennst das aus anderen Bereichen deines Lebens: Menschen, die dir nicht authentisch scheinen, haben sofort an Glaubwürdigkeit verspielt. Und wie schlimm ist das bitteschön, wenn’s um das Predigen geht? Unbezahlbar und unüberwindbar schlimm!
Mach es dir bitte nicht zu eigen, “wie andere predigen” oder “wie es scheinbar klingen muss”, wenn du predigst. Da gibt’s kein “So muss das klingen” – und ganz ehrlich: Auf gar keinen Fall klerikal-verklärt salbungsvoll.
Tipp
Nimm deine Predigten auf, bevor du sie hältst – oder zumindest einen Teil. Und dann höre dir deinen Predigt-Podcast vom Sonntag an. Erkennst du Unterschiede? Bist du authentisch (geblieben)?
Vergleiche dich mit anderen Predigern
Der einfachste Weg, etwas Großartiges zu zerstören, ist: das Vergleichen! Gott hat dich so, wie du bist, einzigartig erschaffen. Du hast auf deine Art und Weise etwas zu geben, wie das sonst niemand anderes kann!
Und wenn Craig Groeschel, Joyce Meyer und Johannes Hartl so predigen, wie sie predigen, dann hast du nicht so zu predigen, sondern auf deine ganz eigene und persönliche Art. Es hat so ein bisschen was mit dem eben schon angesprochenen Punkt der “Authentizität” zu tun: Sei du selbst! Predige, wie dir der Schnabel gewachsen ist!
Ja, dazu gehört auch, dass du mal “Scheiße” sagen kannst – wenn du es sonst auch tust, warum nicht? Wenn es nicht OK wäre vor Gott, solltest du es auch in deinem Alltag unterlassen. Natürlich sollten sich in deiner Predigt die Momenten in Grenzen halten, in denen du dieses Wort verwendest.
In unserer heutigen Zeit zählt mehr denn je das “Ich auf der Kanzel”. In meiner Ausbildungszeit war das noch so ein wenig verpönt. Also die Frage: Wie sehr muss/soll/darf ich als Prediger als Person in der Predigt vorkommen oder muss ganz hinter mein Amt zurücktreten?
Mehr denn je leben wir in einer Zeit, in der wir Menschen “scannen”. Ganz schnell schauen wir, ob das, was sie sagen, auch ihrem Tun und Handeln entspricht – es geht also nicht mehr nur um Authentizität sondern auch um Integrität.
Sei du selbst! Predige auf die Art und mit der Wortwahl, die Gott dir gegeben hat – und gleichzeitig arbeite so sehr an dir, wie an niemand anderem, dass du besser wirst und du auf deine Art noch mehr Menschen für Jesus gewinnen kannst.
Aber auf deine Art – nicht auf die Art des anderen.
Tipp
Wo verstellst du dich? Warum? Rede mit jemandem darüber, weshalb du das tust! Du kennst Prediger, die “besser” predigen als du? Wunderbar – lerne von ihnen, aber kopiere sie nicht, indem du versuchst, so zu predigen wie sie.