Für eines kann das Buch und Autor John Mark Comer nichts: Ich habe das Buch zur genau richtigen Zeit gelesen – nämlich in (m)einer Auszeit. So konnte ich das Buch nicht nur “verschlingen” (was ich tat), sondern gleichzeitig auch auf seine Nachhaltigkeit und Tiefe im Alltag prüfen, weil ich mir ganz viele Gedanken machen konnte. Und ich nehme es vorweg: Dieses Buch hat das Potenzial, das Leben von vielen Menschen einer ganzen Generation zu verändern, auch wenn viele Gedanken nicht neu sind (worauf Comer auf humorvolle und selbstironische Weise immer wieder hinweist).
Die wahre Epidemie
Comer identifiziert eine Epidemie, in der wir leben – und nein, es ist nicht Corona. Er nennt es die “Epidemie der Hektik”. Sein ganzes Buch dreht sich darum, wie wir dieser Epidemie entfliehen und ein Leben führen können, in dem wir “einfach” von Jesus lernen – doch dazu später mehr.
Im ersten Teil seines Buches beschreibt Comer die “Epidemie der Hektik” einerseits als eine rein logische Weiterentwicklung von Technik und Geschwindigkeit in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten. Gleichzeitig deckt er aber auch die Lüge auf, dass dieser technische Fortschritt uns auch nur ansatzweise mehr Zeit “geschenkt” hätte.
Das ist das Problem, wie Comer an verschiedenen Stellen immer wieder zum Ausdruck bringt: Die Zeit, die wir gewinnen, nutzen wir nicht sinnvoll, sondern füllen sie wieder mit weiterem Kram wie Mails checken während wir telefonieren, in den sozialen Medien scrollen und scrollen und scrollen oder mehrere tausend mal am Tag auf unser Smartphone zu tippen.
Comer geht im Zuge der Auseinandersetzung mit dieser Epidemie auch auf “die Dinge dahinter” ein. Er lässt Silicon Valley-Insider ebenso zu Wort kommen wie Soziologen, Psychologen genauso wie Theologen. Überhaupt liest sich die Literaturliste wie das große “Who is Who”. Mich hat es beim Lesen immer wieder erstaunt und ich habe mich gefragt: “Wie viel Zeit muss Comer gehabt haben, um all diese Bücher zu lesen?”
Eingangs habe ich erwähnt, dass einige Gedanken nicht neu sind – darauf weist Comer immer wieder selbst hin. Wer Bücher von Thomas Sjödin, Pete Scazzero oder John Ortberg gelesen hat, wird immer wieder mal ähnliche Gedankengänge bei Comer finden mit zwei wichtigen Aspekten, die sich durch “Das Ende der Rastlosigkeit” ziehen: Zum einen verfolgt Comer einen konsequent christologischen Ansatz (weiter unten mehr dazu) – Jesus steht in der Mitte und keine Zeitmanagement- oder Work-Life-Balance-Mantras.
Zum anderen schreibt mit Comer ein junger Mensch, der nicht all zu weit entfernt von der “Generation Y” ist – und einen entsprechend lässig-humorvollen Schreibstil pflegt. Das macht es extrem “einfach”, das Gelesene zu verarbeiten, da sich Comer selbst immer wieder als “einer von uns” outet. Ich liebe Bücher, die einfach zu lesen aber nicht trivial in ihrer Message sind.
Der Weg aus der Epidemie
Wie aber schaffen wir nun den Weg aus dieser “Epidemie der Hektik”? Was schlägt Comer vor? Und vor allem: Warum ist das so wichtig? Comer beschreibt es folgendermaßen:
Comer wird ganz praktisch und benennt vier geistliche Übungen, vier geistliche Disziplinen, Gewohnheiten oder wie auch immer du sie nennen magst – und das ist der Punkt, an dem seine Gedanken nicht neu sind, aber warte: Schalte jetzt nicht ab! Es ist nicht einfach nur eine billige Kopie, sondern viel, viel mehr als das.
- Stille und Einsamkeit
- Sabbat
- Einfach leben
- Entschleunigen
“Wie innovativ” magst du jetzt vielleicht mit einem Anflug von Sarkasmus denken. Ehrlich: Als ich das Inhaltsverzeichnis las, ging es mir ganz ähnlich. Allerdings macht das alles sehr, sehr viel Sinn, wenn wir es im Gesamtkontext des Buches sehen und mit den Ausführungen, die Comer macht – deswegen werde ich am Ende dieser Buchvorstellung auf sein zentrales Anliegen “Von Jesus lernen” eingehen.
Keine Sorge: Comer ist weit davon entfernt, ein gesetzlicher Typ zu sein oder diese vier Praktiken/Gewohnheiten/geistlichen Übungen zu überhöhen.
Diese vier geistlichen Übungen sprechen für sich und doch schafft es Comer, jeder einzelnen ihren je eigenen Wert beizumessen und sie konkret werden zu lassen. Für den Bereich “Einfach leben” liefert er 12 und für “Entschleunigen” sogar 20 ganz konkrete Tipps, von denen er aber schreibt, dass sie vielleicht ein bisschen durchgeknallt sind – und ja, das sind sie, aber ich finde: witzig, hilfreich, nachahmenswert.
Von Jesus lernen
Für mich ist das der eigentliche Kern des gesamten Buches. Comer geht es (siehe oben) nicht darum, einige religiöse Übungen durchzuführen, die uns helfen sollen, eine bessere Work-Life-Balance zu haben. Darum geht es ihm nicht. Ihm geht es um etwas vollkommen anderes.
In der kirchlichen Tradition, in der ich aufgewachsen bin, wurde viel über Theologie und Ethik gesprochen, aber wenig bis gar nicht über den Lebensstil. Aber der Lebensstil ist das, worum es geht.Das Ende der Rastlosigkeit, S.100
Kommt dir das vielleicht bekannt vor? Ich glaube, dass wir in der “westlichen Welt”, zumal in der “frommen westlichen Welt”, genau das Problem haben, das Comer hatte, weswegen sein Buch sicherlich sehr vielen aus dem Herzen sprechen wird.
Es gibt also auch im Geistlichen eine Art “Jo-Jo-Effekt” – nicht nur bei Diäten. Aber was tun? Was hilft wirklich dagegen?
Geht das auch praktischer? Ja! Drei ganz einfache Anregungen, die Comer in seinem Buch gibt, um genau dieses Leben, das Jesus verheißt, zu empfangen und selbst zu leben.
1. Mit Jesus zusammen sein.
2. Werden wie Jesus.
3. Tun, was er tun würde, wenn er du wäre.Das Ende der Rastlosigkeit, S.92
Und für alle, die gerne Theologie & Ethik höherhalten als den Lebensstil: Comer betont mehrfach, wer Jesus für ihn ist als Messias und Erlöser, als Sohn Gottes, der für ihn gestorben ist. Hier unterscheidet er sich auch von manchen, die er zitiert, für die Jesus eher dieser Rabbi und Weisheitslehrer war. Aber vieles entfaltet sich einfach an der Aussage Jesu in Matthäus 11:
Fazit
Es macht Spaß, “Das Ende der Rastlosigkeit” zu lesen. Nicht nur wegen des kurzweiligen, humorvollen und selbstironischen Schreibstils Comers, sondern vor allem, weil der Leser schon beim Lesen die Lust verspürt, etwas an seinem Leben ändern zu wollen.
Ich habe schon einige Bücher in diese Richtung gelesen von Dallas Willard, John Ortberg, Thomas Sjödin oder Pete Scazzero, die auf ihre Weise jeweils brillant sind. Nicht, dass Comer nun alle miteinander vereint und sogar noch toppen würde, aber es geht manchmal in diese Richtung – zumindest was das “vereinen” betrifft. Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem aber auch die Fußnoten witzig sind, denn auch hier bringt Comer zum Ausdruck: Die (oben erwähnten) anderen schreiben ganz ähnlich wie er – nur besser. Ob das so ist, liegt im Auge des Betrachters.
“Das Ende der Rastlosigkeit” ist mehr als ein “schlauer Ratgeber”. Es ist ein Schatz, der so viel bereithält, um das Leben, das Jesus verheißt, wirklich zu leben. Und zwar als Lebensstil ganz praktisch mitten im Alltag des 21. Jahrhunderts – nicht nur in der Theorie und in dogmatischen oder ethischen Grundsätzen. Es ist genau das, was Menschen, die der “Epidemie der Hektik” verfallen sind, benötigen, um auf den Weg der Heilung zu kommen.