Die Jahreslosung 2016. Ein unscheinbarer Satz, der aber so viel in sich trägt:
“Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.” (Jesaja 66,13)
Senf 1: Nur die halbe Wahrheit
Es wäre politisch äußerst interessant gewesen, wenn die Damen und Herren der Kommission für die Jahreslosung doch den ganzen Vers aus Jesaja 66,13 genommen hätten und nicht nur den Teil, der runter geht wie Öl.
Denn: Der Satz geht weiter. Vollständig lautet dieser Vers: “Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.”
Wow. “Ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.”
Darf man das heute so sagen?
Wäre das “politisch korrekt”, wo erst unlängst in der Bremer City selbsternannte Gruppen umhergingen, und Produkte aus Israel als “bitte nicht kaufen” kennzeichneten und 40% der Deutschen meinen, dass Israel einen “Vernichtungskrieg” gegen Palästina führe? (Quelle)
Nein, nein. Das wäre doch mal höchst ungeschickt, wenn so etwas auf den Jahreslosungskugelschreibern, Jahreslosungshosentaschenkalender und Jahreslosungsgutenmorgengutelaune-Kaffeetassen stehen würde. Geht gar nicht.
Also. Vers kürzen, nur die halbe Wahrheit. Aber dafür verkauft er sich besser.
…oder was war der Grund, dass der Vers so unglücklich gekürzt wurde?
Senf 2: Die weibliche Seite Gottes
Feministinnen und Feministen sind begeistert über die Jahreslosung. Man liest es allenthalben: “Endlich, ja endlich, können wir sagen: Gott ist nicht nur Vater, er ist auch Mutter. Er ist nicht nur Mann, er ist auch Frau.” Ich will an dieser Stelle keine Ausführungen darüber machen, ob Gott nun Mann oder Frau oder nichts dergleichen ist. Vielmehr will ich nur darauf hinweisen, dass die Jahreslosung überhaupt nicht taugt, um für diese Fragestellung herangezogen zu werden.
Warum? Weil in der Jahreslosung eine Parallele gezogen wird, die sich nicht auf einer ontologischen Ebene befindet: “….wie einen seine Mutter tröstet.”
Gott macht keine Selbstaussage über sich, nach dem Motto: “Ich BIN wie eine Mutter,….” sondern “Ich tröste wie eine Mutter.”
Diese Selbstaussage bezieht sich nicht auf sein Wesen, sondern auf sein Tun.
Gleichermaßen müsste man dann umso mehr davon sprechen, dass wir zu einer Tür oder einem Laib Brot beten – als Christen.
Jesus sagt von sich: “Ich bin die Tür…” (Johannes 10,9) und “Ich bin das Brot des Lebens” (Johannes 6,35).
Er sagt nicht: “Ich bin wie eine Tür..”…oder “Ich bin wie ein Brot…”. Hier findet sich ein kategorischer Unterschied zur Jahreslosung, denn Jesus sagt: “Ich bin!”
Nun habe ich aber noch keinen Christen getroffen, der ernsthaft behauptet, Jesus ist eine Tür oder Jesus ist ein Laib Brot.
Deswegen finde ich es einfach schade, wenn Bibelstellen für eigene Vorstellungen herangezogen werden und so umgedeutet werden, dass sie passen. Eigentlich sollte es ja andersrum sein, nämlich dass Bibelstellen unsere Vorstellungen und unsere Gedankenkonstrukte hinterfragen.
Nochmal: Dies soll keine Ausführung darüber sein, wie wir uns Gottes Wesen vorstellen sollen, sondern lediglich ein Hinweis darauf, dass sich die Jahreslosung 2016 denkbar schlecht eignet, um als Argumentationsgegenstand in solch eine Debatte eingespielt zu werden.
Senf 3: Gott tröstet
Kommen wir aber dann doch noch zu dem, was da wirklich steht und was Gott über unserem Leben verheißt: “Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.”
Ein überaus berührendes und ermutigendes Wort. Wer schon einmal beobachtet hat, wie eine Mutter ihr Kind tröstet oder das gar selbst erlebt hat, der weiß: Darin steckt eine ungeheuer große Kraft.
Tränen werden getrocknet.
Wunden werden geheilt.
Zerbrochenes wird zusammengefügt.
Schmerzen werden gelindert.
Wow. So ist Gott. Und ich staune. Und ich bin dankbar.
Ich glaube, dass Gott so real ist, dass er es auch tut. Selbst. Direkt. Übernatürlich.
Durch mich. Durch dich. Durch Christen.
Durch seine Gemeinde. Durch sein Wort, die Bibel.
Durch seine wunderbare Schöpfung. Durch seine Verheißungen.
Durch Bilder. Durch Träume. Durch Visionen.
Da staune ich noch mehr, wie viele Weisen es gibt, dass Gott wirkt. Dass er tröstet.
Schaue ich auf das Jahr 2015 zurück und erahne so manches, was 2016 kommen wird, so glaube ich, dass wir Trost nötig haben (werden).
Und schaue ich einfach mal hinein, wie Menschen sich trösten, dann geschieht dies meist auf einer sehr persönlichen Ebene.
Trost ist Beziehung.
Trost spenden. Trost empfangen. Das ist ein ganz tiefer Ausdruck von Beziehung, die ich zu meinem Gegenüber habe – oder eben auch nicht.
Das merken wir dann, wenn wir erkennen: Eigentlich sollte ich meinem Gegenüber Trost spenden. Durch ein nettes Wort, eine Geste, eine Aufmerksamkeit; indem ich ihn in den Arm nehme; zum Essen einlade; auf ein Bier – oder was auch immer.
…und ich mache es nicht.
Weil die Beziehungsebene fehlt. Stattdessen: Ein schnelles Wort. Ein „Tut mir leid“ oder „mein Beileid“. Das war’s auch schon.
Und das ist nicht schlimm. Nicht zu jedem Menschen können wir eine wunderbare Beziehung haben. Das geht einfach nicht.
Aber andersrum können wir Trost auch nicht spenden, ohne eine Beziehung zu unserem Gegenüber zu haben.
Trost ist Beziehung.
Und so ist Gott ein äußerst lebendiger und beziehungsorientierter Gott. Und das finde ich schlicht und einfach: genial!
Ein Gott, der etwas mit mir zu tun haben will und der eben nicht mal schnell sagt: “Oh. Mein Beileid.”
Vielmehr ist er ein Gott, der sich Zeit nimmt für mich, der mir zuhört, der mich annimmt, wie ich bin.
Senf 4: Halbe Wahrheit Teil 2
Und das Ganze findet seinen Höhepunkt darin, wenn wir die halbe Wahrheit mal ganz werden lassen und den zweiten Halbsatz mit dazu nehmen: “Ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.”
Bedenkt man den historischen Kontext, in dem diese Worte gesprochen werden, bekommt die Jahreslosung, der erste Teil des Verses also, noch eine weit größere und tiefere Dimension und noch einen größeren “Wow”-Effekt.
Das Volk Israel und auch Jerusalem sind zerstört. Am Boden. Vernichtet. Aus die Maus.
Babylonisches Exil. Zerstörte Stadt Jerusalem. Zerstörte Stadtmauern. Zerstörter Tempel.
Es war der Super-GAU. Mehr ging nicht. Exitus.
Und dann: “Ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.”
Entweder ist das ein schlechter Witz oder eine unfassbar großartige Verheißung.
Entweder ist das Größenwahn oder Liebe Gottes “in spe”.
Entweder ist das Quatsch – oder es sprengt unsere Vorstellungskraft bei weitem.
Was mich an Gott so fasziniert ist, dass er ein “Gott der Geschichte” ist.
Jerusalem wurde wieder aufgebaut.
Das Volk Israel kehrte nach Hause.
Der Tempel(kult) wurde neu aufgerichtet.
Aus der Asche entsteht neues Leben. Hoffnung. Zukunft. Kraft. Liebe.
Ganz real. Nicht erdacht. Nicht fromm gedeutet.
Geschichtlich nachprüfbar.
Und es gibt unzählige biblische Verheißungen, die darauf hinweisen, dass Israel und Jerusalem noch eine sehr entscheidende Rolle im Laufe der Weltgeschichte spielen und spielen werden.
Senf 5: WOW!
Einmal mehr bleibt mir nur das Staunen über einen so wunderbaren, ewigen, heilsamen und heilenden Gott. Der damals in die Geschichte eingriff ist der, der heute noch genauso eingreift. In die Geschichte. In mein Leben. In dein Leben.
Er ist der “Gott allen Trostes”, wie es von ihm dann im Neuen Testament der Bibel heißt:
Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater voller Barmherzigkeit, der Gott, der uns in jeder Not tröstet! In allen Schwierigkeiten ermutigt er uns und steht uns bei, so dass wir auch andere trösten können, die wegen ihres Glaubens leiden müssen. Wir trösten sie, wie Gott auch uns getröstet hat. (Die Bibel, 2. Korinther 1, 3+4)
Und die Geschichte geht weiter: Wer von Gott getröstet wird, tröstet als Getrösteter andere – mit Gottes Trost, der diese Weltgeschichte umspannt, der kein frommes Wunschdenken ist, sondern übernatürlich natürliche Realität.
So ist Gott – “der Vater unseres Herrn Jesus Christus”, wie Paulus es in diesem 2. Korintherbrief schreibt. Und wieder denke ich: Man, ist das genial, dass Gott ein “Gott der Geschichte” ist. Paulus schriebt hier davon, dass Gott der “Vater von Jesus Christus ist”.
Dieser Jesus Christus, der am Kreuz für uns Menschen starb, damit wir Menschen wieder Gott begegnen können, wozu wir geschaffen wurden. Dieser Jesus, der das vollbrachte, was kein Mensch vollbringen kann – und wovon so viel in den Geschichtsbüchern der Antike steht, dass es keinen Zweifel daran gibt: Dieser Gott ist real! Sein Sohn, Jesus Christus, ist real! Der Heilige Geist ist real!
Natürlich: Es ist eine Frage des Glaubens. Wer mag es schon zu beweisen können? Ich nicht. Ich kann es nur glauben. Aber das will ich.
In diesem Sinne: Ein getrostes neues Jahr!