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Sinn und Ziel der Predigt

Wieso predige ich eigentlich (fast) Woche für Woche? Es ist doch schon alles gesagt! Das Evangelium ist annähernd 2000 Jahre alt und hat sich nicht geändert. Was soll der ganze Zirkus?

Ich wette, dass ich nicht der einzige Pastor bin, der solche oder ähnliche Gedanken schon hatte. Dumm nur, dass ich an dieser Stelle von meinem defizitär menschlichen Denken ausgehe anstatt von Gottes unendlichen Möglichkeiten durch eine stinknormale Predigt Woche für Woche.

Was ich im Folgenden schreibe, bezieht sich sehr stark auf das siebte Kapitel in Magnus Malms “In Freiheit dienen”. Dieses Buch habe ich im Urlaub mit großem Gewinn gelesen – hier findest du die Rezension dazu. Er überschreibt dieses Kapitel mit “Klare Worte finden. Die Predigt als deutliche Form von christlicher Führung”.

Und ich kann so gut nachempfinden, was er schreibt und in welchem Konkurrenzkampf gegen TV & Film, Schule, Wortmüdigkeit, Hochmut, andere Predigten, Informationsflut durch das WWW und bessere Gemeinden als die eigene sich eine Predigt heutzutage befindet.

Dennoch: Ich halte daran neu fest, welche Kraft und Autorität in einer Predigt zu finden sind, wenn sie ein paar Spielregeln einhält.

Wahrscheinlich liegt ein Grund für eine gewisse Predigtmüdigkeit oder Predigtlethargie in der irrigen Annahme, die Predigt richte ja ohnehin nichts aus. Klar, dass wir in unserer Zeit nur Dinge tun wollen, die uns irgendwie den Eindruck von “sinnvoll” vermitteln. Beim Predigen ist das nicht anders.

Malm führt in seinem Buch aus: “Überprüfung und Umkehr sind Ziel der Predigt” (In Freiheit dienen, S. 198) um dann noch einen weiteren, gehaltvollen Abschnitt über “Umkehr, Befreiung und Heilung” anzufügen. Deswegen nehme ich mir einmal das Recht heraus, diese Begriffe ein wenig umzustellen bzw. genauer zu deklarieren und zu sagen:

Der Sinn einer Predigt liegt in Überprüfung und Umkehr.

Das Ziel einer Predigt ist Umkehr, Befreiung und Heilung.

Sinn der Predigt

Es ist Pfingsten. Kurz nach Auferstehung und Himmelfahrt. Der Heilige Geist kommt auf die Jünger Jesu herab, sie sprechen in göttlichen Sprachen, verkündigen das Evangelium und Petrus hält eine wahrlich feurige Predigt, in der es um Jesus geht (nachzulesen in der Bibel in Apostelgeschichte 2). Die Reaktion der Menschen sah so aus:

Dieses Wort traf die Zuhörer mitten ins Herz und sie fragten Petrus und die anderen Apostel: “Brüder, was sollen wir tun?”Die Bibel - Apostelgeschichte 2,37

Hammer, oder? Wie genial wäre das, wenn sich das die Zuhörerinnen und Zuhörer meiner Predigten das auch fragen würden (und wenn sie es nicht tun, liegt es mehr an mir als an ihnen).

Zwei grundsätzliche Ebenen des Menschen sind hier angesprochen: Einmal das Herz als Zentrum seines Seins, seines Willens, seiner Überzeugungen, seiner Werte. Zum anderen sein Tun, sein Handeln, sein “ins Rollen kommen” sein: “Jetzt muss es sich im Leben aber auch bewahrheiten und umgesetzt werden.”

Kurzum: Die Menschen fragen sich nach dem Sinn des Ganzen, was sie da gehört haben – und zwar nicht auf einer philosophischen Meta-Ebene, sondern auf einer existenziell-persönlichen Ebene, was das mit ihnen zu tun haben könnte.

Das ist etwas komplett Unterschiedliches! Es geht ihnen nicht darum, welche philosophischen Erkenntnisse ein Eremit im Hinterland von Nirgendwo aus diesen Worten des Petrus, also aus seiner Predigt, ziehen könnte, sondern: Was hat das mit mir zu tun? Welchen Einfluss hat das auf mein Leben? Wie verändert das mein Leben? Wie gibt das meinem Leben mehr Inhalt und Sinn?

Der Sinn einer Predigt besteht also genau darin, dass sich Hörerinnen und Hörer einer kritischen Selbstprüfung unterziehen und Konsequenzen daraus ziehen, indem sie umkehren und ihr Denken und Handeln verändern.

Und by the way: Ob das nun TED Talks oder kurze YouTube-Videos sind – wir stellen uns diese existenziellen Fragen bei allem, was wir hören. Umso mehr sollte das auch bei der Predigt der Fall sein.

So wie die Menschen damals an Pfingsten spürten: “Junge, das hat was mit mir zu tun, was der Kerl da vom Stapel lässt” – so sollten auch heute Hörerinnen und Hörer einer Predigt diese Gedanken haben. Wo das nicht geschieht – ist eine Predigt im Umkehrschluss sinnlos? Ich würde sagen: Ja! Aber eben nicht Predigt im Allgemeinen sondern diese eine Predigt, deren Sinn für die Zuhörerinnen und Zuhörer verschlossen bleibt. Ich habe solche Predigten schon gehört – und vielleicht sogar gehalten, aber das müssen andere entscheiden.

Wie kommen wir nun vom Sinn einer Predigt zum Ziel der Predigt? Sprich: Von ihrer Existenzberechtigung zu ihrer Wirkweise? Malm schreibt einen kurzen aber prägnanten Satz:

Die Predigt handelt nicht vom Interessanten, sondern vom Notwendigen.Magnus Malm: In Freiheit dienen, S. 199

Oh, wie viele Predigten gibt es, bei denen ich denke: “Ist ja wirklich interessant – tangiert mich aber nicht; verändert mich nicht; hat keine Relevanz für mein Leben.” Leider. Verlorene Zeit? Vielleicht.

Notwendig ist das, was im wahrsten Sinne Not wendet. Hin zu Gutem – zu Befreiung und Heilung, wie Magnus Malm es nennt.

Ziel der Predigt

Umkehr, Befreiung und Heilung – das ist das Ziel oder besser gesagt: sind die Ziele von Predigt.

Wie unterscheide ich nun Sinn und Ziel? Ich würde es mal vorsichtig und ohne Anspruch auf Vollständigkeit so ausdrücken: Der Sinn einer Predigt ist der Predigt gegeben – das Ziel kann der Hörer und die Hörerin selbst beeinflussen.

Kurzum: Dort, wo ich als Hörer einer Predigt, mich auf den Weg mache, umkehre und Heilung und Befreiung erlebe, kommt eine Predigt zum Ziel. Und jetzt Achtung: Vorher nicht! Krass gesagt: Wo Umkehr, Heilung und Befreiung nicht einsetzen, ist eine Predigt auch nicht zu ihrem Ziel gekommen.

Nochmals: Das beeinflusse ich als Hörerin und Hörer einer Predigt maßgeblich mit – diese Last und Bürde trägt auf keinen Fall der Prediger alleine.

Die oben erwähnte Pfingstpredigt aus Apostelgeschichte 2 macht das sehr deutlich – oder besser gesagt: die Reaktion der Menschen, die diese Predigt gehört haben.

“Kehrt euch ab von euren Sünden und wendet euch Gott zu. [Umkehr] Lasst euch alle taufen im Namen von Jesus Christus zur Vergebung eurer Sünden. [Befreiung]
Dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. [Heilung]”Die Bibel - Apostelgeschichte 2,38

Können wir mal kurz einen Moment innehalten und uns vorstellen, was das bedeutet? Im Anschluss an jede Predigt kehren Menschen von den Wegen um, die sie nur von Gott entfremden, aber nicht näher zu ihm führen. Sie erleben Befreiung, weil Sünde vergeben und die drückende Last von Schuld von ihren Schultern genommen wird. Menschen werden (be)frei(t) von Gedanken, Mächten und Bindungen, die widergöttlicher Natur sind.

….und jetzt lasst uns nicht darüber streiten, wie utopisch, komisch und abgefahren das wäre sondern vielmehr eintauchen in die Faszination dieser Zielbeschreibung – oder auch “Wirkweise” – von Predigt: Umkehr, Befreiung, Heilung.

Das muss nicht unmittelbar im Gottesdienstraum, auf dem Parkplatz vor der Kirche oder beim Sonntagsbraten geschehen. Das kann seine Zeit in Anspruch nehmen und im Nachhall zur Predigt auch erst in den nächsten Tagen und Wochen geschehen.

Aber stell dir nur mal vor, dass viele Menschen sagen: “Diese eine Predigt ließ mich umkehren, ich erfuhr Befreiung von wirklich schlechten Dingen und Heilung breitete sich aus über Wunden, die ich schon längst für unheilbar erklärt hatte.”

“Wie soll das alles geschehen?” wendest du ein!? Sorry – not my business. Das ist Gottes Sache. Ich glaube und vertraue aber darauf, dass er heute noch genauso wie damals beim ersten Pfingstfest durch Predigt(en) wirkt und Menschen verändert.

Ich glaube, dass jeder Mensch diese drei “Meilensteine” in seinem Leben benötigt: Umkehr, Befreiung, Heilung. Und ich glaub noch viel mehr: Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir so ein Häkchen-Christentum leben.

Umkehr? Abgehakt.

Befreiung? Abgehakt.

Heilung? Abgehakt.

Warum? Weil wir alles je einmal erlebt haben und meinen, damit hätten wir alles erreicht, was es auf der Heiligungsleiter zu erklimmen gibt. Aber das ist Quatsch. Wir brauchen das täglich. Wöchentlich. Monatlich. Jährlich. Immer wiederkehrend.

Wir wenden uns von Gott ab, gehen eigene Wege, vernachlässigen das Lesen in seinem Wort, die Beziehung durch den Heiligen Geist, das Gebet, den Gottesdiesntbesuch, die Mitarbeit in der Gemeinde, den Dienst in der Gesellschaft, das Salzen und Erhellen unserer Umwelt, wozu Jesus uns in Matthäus 5 auffordert.

Wir sind gebunden von der Macht der Sünde, wie es der Apostel Paulus immer und immer weider schreibt und es uns ins Herz tief einpflanzen möchte, dass Sünde keine Tat ist, sondern eine Macht – und wir verlieren den Kampf immer wieder, sind gebunden, sind geknechtet, sind nicht frei.

Und ich glaube, dass mir jeder, der das hier liest, zustimmt, wenn ich sage: Wir erleben ständig Verletzungen. Mal größere, mal kleinere. Aber jede einzelne hinterlässt eine kleine Wunde in unserem Herzen und einen Riss in unserer Seele.

Umkehr. Befreiung. Heilung. Immer wieder neu zu erlangen. Nie versiegend. Immer da. Gottes Güte ist jeden Morgen neu, wie die Bibel es beschreibt (Klagelieder 3). Und wir? Können zugreifen. Annehmen. Eintauchen. Glauben. Vertrauen.

Alter Schwede (was ein Wortspiel in diesem Zusammenhang – tschuldigung, Herr Malm) – wie würde das Menschen, Gemeinde, Orte und ganze Nationen verändern.

Neu hoffen, neu glauben, neu vertrauen

Lasst uns doch ganz neu hoffen, glauben und vertrauen, dass durch das gepredigte Wort diese Prozesse in unserem Herzen und Leben abgestoßen werden.

Umkehr ist möglich – “Metanoia”, wie es im Griechischen heißt. Das Denken erneuern, umdrehen, verändern – eine andere Sicht annehmen. STOP-Schilder wahrnehmen und umdrehen. U-Turn, wo es nicht anders geht. Sackgassenschilder nicht ignorieren, sondern den Heiligen Geist bitten, mein Denken zu erneuern und zu verändern.

Dann kann ich ehrlich zu mir sein und erkennen: Ja, Sünde hat Macht über mein Leben. Das fühlt sich elendig an, aber ist kein Grund, Sand in den Kopf oder den Kopf in den Sand zu stecken. Vielmehr gibt es doch eine Lösung dafür. Dass Jesus am Kreuz für mich starb war kein Ereignis, das halt mal so stattfand, sondern ist der Grund, dass jede Macht der Sünde gebrochen werden kann durch das Blut und den Namen Jesu. Stellvertretend. Sühnend. Für mich – ist er gestorben.

Und das führt dazu, dass Heilung geschehen kann; dass das, was am Kreuz geschieht, nicht nur eine Neuschöpfung in mir bewirkt, sondern eine langsame (manchmal) Heilung von Wunden, die ich mir und anderen zugefügt habe.

Und wie war das noch mal? Keine Lust zu predigen? Zweifel, ob es überhaupt Sinn macht? Kein Bock, Predigten zu hören? Tausendmal gehört, tausendmal ist nix passiert – wieso jetzt? Solche Gedanken schon mal gehabt?

Oh man. Lasst uns all diese Gedanken in die ewigen Jagdgründe schicken und neu darauf vertrauen, hoffen und glauben, dass in der Predigt eine Kraft liegt, die ihresgleichen sucht.

Und am besten beginnst du damit sofort. Hier und Jetzt. Als Prediger im Blick auf deine nächste Predigt genauso wie als Hörer im Blick auf den nächsten Gottesdienst.


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