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Was haben wir aus dem Evangelium gemacht?

Was das Evangelium nicht ist

Vor kurzem ist mir auf Facebook ein Zitat von John MacArthur über den Weg gelaufen:

I think again, the church has not only stopped talking about sin, it stopped talking about eternal life. Everything is about fix me here. The gospel doesn’t promise to fix you here. You may have a bad marriage till you die, you may have bad kids till you die. You may have cancer and die before you thought you’d die. You may lose all your money in the stock market. Your house might burn down. Jesus doesn’t promise to fix that. Contrary to what you hear from health, wealth and prosperity teachers, the only people who seem to get wealthy off that are the people who take your money. The gospel does not promise that. But it does promise eternal life. (Quelle)

Darin verstecken sich so einige Gedanken, die mich schon seit langer Zeit beschäftigen. Dabei will ich mich aber nicht auf sein Urteil über Prediger des so genannten “Wohlstandsevangeliums” stürzen – das ist nicht meine Sache.

Mich interessiert vielmehr, was er inhaltlich an der Darstellung des Evangeliums kritisiert und dachte mir: Das betrifft beim besten Willen nicht nur Wohlstandsevangeliumsprediger.

Für alle wissenschaftlich angehauchten unter der werten Leserschaft braucht’s jetzt am Anfang erst mal eine Definition von “Evangelium”. Ok. Will ich geben:

Evangelium ist die gute Botschaft, dass es einen Gott gibt, der dich liebt und der seinen Sohn für dich auf dieser Erde gesandt hat, um stellvertretend für deine Schuld zu sterben, so dass du mit diesem ewigen und liebenden Gott eine Beziehung auf Ewigkeit hin hast, die auch nach diesem irdischen Tod nicht endet, aber vor diesem irdischen Tod beginnt, was Auswirkungen auf dich, deine Mitmenschen und dein Umfeld haben wird.

Ich hoffe, das war jetzt lang genug für eine Definition.

Ein diesseitiges Evangelium ist defizitär

Was mich an der Aussage von MacArthur so fasziniert und gleichzeitig irritiert, ist in der Tat die Tatsache, dass sich gerade die Kirche in ihrer Verkündigung und Wesensäußerung fast nur auf das Diesseits ausrichtet. Dabei beinhaltet das Evangelium an sich doch gerade die Ewigkeitsperspektive – oder haben wir die jetzt vollends historisch-kritisch wegrationalisiert? Ist Jesus wirklich nur der Besserwisser, Revoluzzer, über-15-Minuten-Prediger, Frauenversteher (was zu seiner Zeit wesentlich radikaler war, als es heute ist), Weltverbesserer und Heiler?

Ist er wirklich nur der Prototyp aller 68er, Vorläufer aller Umweltaktivisten (warum auch immer; sein Umgang mit der Natur war recht diktatorisch, wenn ich da so an die Sturmstillung denke) und Archetyp aller Sozis?

In diesen Tagen habe ich wieder einmal angefangen, mein Lieblingsbuch der Bibel zu lesen: die Apostelgeschichte. Ich habe angefangen, alle Stellen, in denen es um das Gebet geht, grün zu markieren. Alle Stellen, in denen vom Heiligen Geist die Rede ist, habe ich mit orange markiert. Und an allen Stellen, an denen von “Zeichen und Wundern” die Rede ist, habe ich an den Rand “Z&W” geschrieben und gelb markiert. Und weißt du was? Meine Bibel ist bunter als die Malbücher meiner Kinder.

Würde ich das gleiche Schema anwenden, um manche Programmschriften, theologische Bücher und “so muss Kirche aussehen, wenn sie überleben will”-Ratgeber zu markieren, dann befürchte ich, würden die Seiten weit weniger bunt werden.

Verrückt, wie jenseitsorientiert die Bibel doch selbst ist. Verrückt, wie sehr das Ewige dort immer wieder ins Irdische einbricht, aber nicht versucht wird, das Irdische als das Ewige auszugeben. Ich bin erst im 8. Kapitel angelangt, aber habe immer wieder gedacht: “Das will ich heute auch noch erleben! In meiner Gemeinde, im Wutachtal, in Deutschland – oder wo auch immer.”

Ich will mich nicht damit zufrieden geben, dass Kirche lediglich dafür da ist, den Menschen in ihren irdischen Bedürfnissen wahrzunehmen, sondern vor allem in ihren geistlichen Bedürfnissen zu sehen und ihnen zu sagen: “Es gibt eine Ewigkeit. Und eine Schlüsselentscheidung, die du hier auf Erden triffst ist die, wo du diese Ewigkeit verbringst!”

Ja, ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass wir das Evangelium entkräften und schwächer machen, als es ist, wenn wir es lediglich auf das Diesseits beziehen und aus ihm unsere To-Do-Liste für unsere Agenda “Bewahrung der Schöpfung, soziale Gerechtigkeit und Friede auf der ganzen Erde” machen. Nein, ich habe keine Lust, jetzt zu schreiben, dass ich das auch alles OK finde. Ich habe einfach Lust zu schreiben: Das ist nicht das ganze Evangelium. Das ist ein entmachtetes, vermenschlichtes und verweichlichtes Evangelium, wenn überhaupt. Vielleicht ist es auch eher ein Grundsatzprogramm einer umweltorientierten oder sozialorientierten politischen Partei – aber es ist nicht das, wofür Jesus auf diese Erde kam; wozu das Ewige das Zeitige trifft; wozu Gott Mensch wird.

Oder um es anders zu sagen:

Gebet und Heiliger Geist

Evangelium ist nur dann Evangelium, wenn es mir den Horizont über das Diesseits öffnet in ein Jenseits, das noch kommt und hier schon erfahrbar ist, das mir durch Jesus verfügbar wird – aber ohne ihn unverfügbar bleibt.

Und dann höre ich schon wieder die Kritiker: “Aber das Reich Gottes und sein Wirken ist doch nicht verfügbar.” Korrekt. Aber gerade deswegen sich reflexartig auf alles Irdische zurückzuziehen und das als Evangelium auszugeben, ist jetzt auch nicht das Gelbe vom Kirchen-Ei.

Um mal auf meine Buntstifte zurück zu kommen: Ich habe sie ja nicht einfach so gewählt. Ich hätte ja auch anstreichen können, wenn von Fußball, Grillen oder Pilgern die Rede ist.

Ich glaube aber, dass es diese beiden Dinge sind, die Kirche heute wieder braucht:

Das Gebet und das Wirken des Heiligen Geistes.

Ein Schlüsselvers ist für mich hier Apostelgeschichte 4,31:

Und als sie gebetet hatten, erbebte die Stätte, wo sie versammelt waren; und sie wurden alle vom Heiligen Geist erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimut.

Junge, Junge, Junge. Wie krass ist das denn? Ok, ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es so geschehen ist, wie es da steht. Zumindest hat mich noch niemand vom Gegenteil überzeugen können.

Ich wünsche mir, dass Kirche back to the roots wieder eine Gebets- und Heiliger Geist-Bewegung wird.

Ich wünsche mir, dass wir genau so viel Zeit in’s Gebet stecken, wie in Bücherschreiben, Programmentwürfe, Konferenzen und Blogbeiträgeverfassen.

Und ich wünsche mir so sehr, dass wir als Kirche zurückkehren zu einem kindlichen Glauben, der den Heiligen Geist einfach mal machen lässt. Und nicht irdische Wunschvorstellungen an ihn dranheftet und danach behauptet, das wäre geistgewirkt gewesen. In der Bibel – vor allem eben in diesem bunten Buch Apostelgeschichte – lesen wir sehr viele Arten, wie der Heilige Geist wirkt. Und ehe wir ihm neue Wirkungsweisen zuschreiben (ist er nicht unverfügbar?) wären wir gut damit beraten, ihn das machen zu lassen, was von ihm in der Apostelgeschichte geschrieben steht.

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