Welch ein leidenschaftliches Buch!

Man spürt Parzany die Liebe ab, welche er für “seine Kirche” empfindet. Und Liebe ist im besten Fall nicht blind, sondern ehrlich. Und das ist dieses Buch eben auch.

Natürlich suggeriert der Untertitel “Ein großes Schiff in Gefahr” jede Menge. Aber deswegen empfehle ich: lesen! Dann urteilen!

Parzany selbst schreibt:

Ich möchte Mut in schwierigen Zeiten machen. Ich will Fehlentwicklungen und Konflikte beschreiben. Ich will nicht um den heißen Brei reden. Ich kann verstehen, dass engagierte Christen die evangelischen Kirchen verlassen. Ich will begründen, warum ich es nicht getan habe. Ich will zeigen, wie in den Landeskirchen die Gemeinde des Jesus Christus gebaut und gesammelt wird und werden kann. Ich schreibe gegen Resignation. Auch gegen meine eigene. Ich weiß: Wer schweigt, fördert, was im Gange ist.

Parzany schweigt nicht. In einem ersten Kapitel entfaltet er fast schon eine Ekklesiologie, eine Lehre der Kirche. Wie konstituiert sich Kirche? Was sind Merkmale und Wesensäußerungen von Kirche? Die Lehre der Apostel, Bekehrung und Taufe, die Gemeinschaft mit Gott und miteinander sowie andere zentrale Themen christlicher Kirche spielen eine Rolle und werden von Parzany auf erfrischende und aktuelle Weise präsentiert.

Woran die evangelischen Kirchen kranken

In einem großen zweiten Kapitel, dem Hauptteil des Buches, erläutert Parzany “woran die evangelischen Kirchen kranken”. Und er tut, was er verspricht: Er redet nicht um den heißen Brei.

Auf den ersten Blick mögen die Kritikpunkte nicht neu sein. Es geht um das richtige Bibelverständnis, die Frage nach dem Kreuzestod Jesu, interreligiösen Dialog, Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die Taufpraxis und andere große Themen. Das Besondere ist in meinen Augen, dass Parzany die gegenwärtige Diskussion aufnimmt. Sei es durch Zitate aus Emails, aus Veröffentlichungen von Theologen/Kirchenvertretern oder theologischer Entwicklungen jüngster Zeit.

Darüber hinaus setzt sich Parzany immer wieder auch theologisch mit den Fragen auseinander, beantwortet diese also nicht nur “zeitgenössisch”, sondern führt den Leser in einen kleinen theologischen Diskurs, indem er auch große Theologen der letzten Jahrhunderte durch Quellen zu Wort kommen lässt. Und so ganz nebenbei entfaltet Parzany große theologische Gedanken wie beispielsweise um den Sühnetod Jesu oder die Frage nach einer biblisch verantworteten Taufpraxis.

Beeindruckend und wichtig finde ich, dass Parzany aber nicht auf der für Theologen üblichen Ebene des Welcher-Theologe-hats-gesagt-Gesprächs bleibt, sondern die Bibel selbst immer und immer wieder zu Wort kommen lässt.

Natürlich hat Parzany eine klare Position – und das ist auch gut und wünschenswert, wenn man den Zustand der evangelischen Kirchen in Deutschland betrachten möchte. Ehrlich und dadurch auch äußerst substantiell finde ich die theologischen Argumente, die er für seine Sichtweise ins Feld führt – auch und gerade dadurch, dass er sich im Buch mit Theologen und theologischen Meinungen auseinander setzt, die seiner Meinung gegenläufig sind.

Das macht dieses Buch übrigens so alltagsrelevant, da Parzany die Finger in die Wunden legt und Fragen stellt, die in der Tat seitens der Kirchenleitungen teilweise unbeantwortet sind, Gemeinden vor Ort aber Mühe bereiten.

Sicherlich mag der ein oder andere zu anderen Bewertungen der Landeskirchen kommen – das mag sein. Von der Hand zu weisen ist aber so manches nicht, zumal sich Parzany in der Landschaft christlicher Kirchen in Deutschland (und darüber hinaus) äußerst gut auskennt.

Und das ist es, was dieses Buch so leidenschaftlich macht. Da schreibt keiner aus dem Elfenbeinturm der Theologie, sondern einer, der über Jahrzehnte hinweg leidenschaftlich und aufopferungsvoll Teil der Gemeinde Jesu ist und sich von ihm selbst in dessen Dienst berufen weiß.

Zukunft und Hoffnung für die Kirche(n)

Die letzten beiden (kürzeren) Kapitel widmen sich dann noch einmal ganz praktisch der Zukunft der Kirche und wie diese Zukunft aussehen kann. Parzany sieht diese vor allen Dingen darin, dass Jesus selbst seine Kirche baut – bei aller Kritik sollte das nicht vergessen werden. Aber er wird auch konkret und sieht in Personalgemeinden, Gottesdiensten, Hausbibelkreisen und weiteren Faktoren eine Chance der Landeskirche. Besonders aber auch in einer guten geistlichen Leitung der Kirchen(gemeinden), die er nicht nur bei den Hauptamtlichen, sondern auch den Ältestenkreisen der Gemeinde sieht. Herausfordernd, alltagsnah, zukunftsweisend.

Es gäbe noch viel zu schreiben zu diesem Buch, aber ich wünschte mir vor allem, dass es gelesen wird. Gerade auch von denen, die vielleicht mit Vorbehalt oder Vorurteilen an dieses Buch gehen würden – denn sie werden überrascht. Positiv!

Was nun, Kirche?
Ulrich Parzany: Was nun, Kirche?

Verlag: SCM Hänssler

208 Seiten / 16,95 EUR

Überblick der Rezensionen
Relevanz
10
Lesbarkeit
8
Erscheinungsbild
8
was-nun-kircheEin Buch voller Leidenschaft und Hoffnung bei einer zugleich realistischen Einschätzung des Zustandes unserer westlichen Kirche, speziell in Deutschland. Starker Tobak, starke Thesen. Aber es braucht sie, weil sie ehrlich und korrekt sind. Gut, dass Parzany aber auch Hoffnung aufzeigt und Modelle der Zukunft. Ein Buch, das die richtige Diagnose stellt, die Symptome erkennt und einige gute Gedanken für eine nachhaltige Therapie entwickelt, dass der Zustand unserer Kirche sich bessern kann.

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