Manche Menschen arbeiten, um zu leben. Bei anderen wiederum hat man den Eindruck, sie leben nur, um zu arbeiten. Andere suchen auch nach vielen Berufsjahren immer noch den Sinn in ihrer Arbeit. Manche Menschen wissen sich von Gott an den (Arbeits-)Platz gestellt, an dem sie sind.
Welchen Wert hat Arbeit? Wieso arbeiten wir überhaupt? Wie viel Arbeit und welche Arbeit macht aus christlicher Perspektive überhaupt Sinn? Gibt es so etwas wie den Sinn, den Zweck, das Ziel für meine Arbeit? Liegen “Beruf” und “Berufung” nicht nur sprachlich eng beieinander?
Beruf und Berufung
Tim Keller geht in diesem Buch allen diesen Fragen (und vielen weiteren) auf den Grund. Seine Gedanken, die er gemeinsam mit der Wirtschaftsanalystin Katherine Leary Alsdorf geschrieben hat, sind revolutionär und man könnte dieses Buch durchaus auch als eine “Arbeitsethik aus christlicher Perspektive für das 21. Jahrhundert” nennen.
Dass Arbeit mehr als nur Beruf, sondern Berufung ist, macht Keller schon zu Beginn des Buches deutlich. Folgende Zeilen sind das Fundament seiner weiteren Ausführungen und spielen immer wieder eine Rolle und sollten verinnerlicht werden, um Kellers (und Alsdorfs) Gedanken in ihrer Tiefe zu erfassen.
Erhellend war für mich die simple und sicherlich nicht neue, aber in diesem Zusammenhang äußerst wichtige Erkenntnis: Gott selbst arbeitete sechs Tage im Paradies. Es ist nicht so, dass das Paradies das reinste Schlaraffenland gewesen wäre – zumindest nicht in der Form, wie wir es uns vielleicht vorstellen.
In einem ersten großen Teil des Buches widmet sich Keller dann auch vor allem theologischen Gesichtspunkten von Arbeit (ohne diese in den folgenden Kapiteln außen vor zu lassen) unter der Überschrift “Gottes Plan für unsere Arbeit“. Besonders bedenkenswert ist hier nicht nur der Gedanke der Berufung, der immer wieder hervorsticht, sondern auch eine biblisch-theologische Auseinandersetzung mit dem Wert und Sinn von Arbeit.
Probleme und das Evangelium
Der zweite Teil des Buches widmet sich den Problemen unserer Arbeit. Und hier wird es natürlich super praktisch – aber gleichzeitig auch sehr persönlich und direkt. Was, wenn die Arbeit fruchtlos wird? Oder sinnlos? Was passiert, wenn die Arbeit zum Egotrip wird oder unsere Götzen enthüllt?
Den großen Mehrwert bekommt diese Buch – und da ist es eben mehr als nur eine Arbeitsethik – dadurch, dass Keller und Alsdorf nicht beim Beschreiben und Benennen der Probleme und Erscheinungsweisen von Arbeit bleiben, sondern durch praktische Hinweise und Fragestellungen versuchen, Lösungswege bei diesen Problemen aufzuzeigen.
Sicherlich nicht nur für sein Land und seine Stadt vollkommen richtig konstatiert Keller:
Nicht als die große Lösung aber doch als Gegenentwurf oder Weiterführung des gesellschaftlich-postmodernen Verständnisses von Arbeit entwirft Keller dann im letzten Kapitel ein Konzept, wie das Evangelium unsere Beziehung zu Arbeit prägen und positiv beeinflussen kann. Er führt dies in vier Kapiteln einer neuen Story, eines neuen Modells für unsere Arbeit, eines neuen Kompass für unsere Arbeit und eine neue Kraft für unsere Arbeit aus und endet damit dieses einzigartige Buch sehr, sehr kraftvoll.
Fazit
Mir hat dieses Buch die Augen geöffnet – und zwar an vielen Stellen. Kellers Sichtweise auf die Arbeit, den Beruf, das Arbeitsleben, unsere Wertesysteme im Blick auf Arbeit sowie seine theologischen Interpretationen und Bewertungen dieser Felder sind von immenser Wichtigkeit und Tiefe.
Dieses Buch ist für alle ein absolutes “Muss”, die sich mit dem Wert, dem Sinn und dem Ertrag ihrer Arbeit auseinandersetzen wollen. Für alle, die nicht stupide einem Alltagstrott und einer immer gleichen Routine sich dahingeben wollen, sondern “Mehr” suchen und finden möchten – auch und gerade in ihrem beruflichen Umfeld. Keller besticht nicht nur einmal mehr damit, dass er es schafft, komplexe theologische und biblische Zusammenhänge alltagsrelevant und lebensnah zu vermitteln, sondern einmal mehr ist es auch sein äußerst analytischer und treffender Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen, der dieses Buch so lesenswert macht.
Ich bin mir sicher, dass jeder, der dieses Buch aufmerksam liest, einen immens großen Gewinn davon trägt: Für die Frage nach der eigenen Berufung genauso wie für die alltäglichen Fragen, ob die momentan verrichtete Arbeit Sinn macht, oder wie sie noch mehr Sinn machen könnte. Der Untertitel des Buches ist vollkommen korrekt gewählt: “Eine neue Sicht für unsere Arbeit”.
Ebenso bedenkenswert und gerade in unserer Zeit hochaktuell sind Kellers Gedanken zur “Ruhe” und “Sabbat”. Lesenswert. Einfach lesenswert!