Was du in diesem Artikel liest, kannst du durchaus als den Kern, das Herz, die Seele meines christlichen Leitungsverständnisses sehen. Was wir als christliche Leiter am Nötigsten brauchen, ist eine enge und gelebte Beziehung mit Jesus. Alles – in Worten: ALLES – andere ordnet sich dem unter.
Was helfen die besten Tools, die coolsten Predigten, die ausgefeiltesten Methoden und sogar diverse (öffentliche) christliche Tätigkeiten wie Lobpreis, Prophetie oder Lehre, wenn die persönliche Beziehung nicht stimmt?
Für mich geschieht das zu allererst in der „Stillen Zeit“.
Lass mich dir zunächst sagen, was ich unter „Stille Zeit“ verstehe und warum ich es unerlässlich finde, dass Leiter diese geistliche Übung täglich ausüben.
Stille Zeit – back to the roots
Eigentlich ist es easy: Ich bin still, Gott redet. Okay, um’s konkreter und verständlicher zu machen: Stille Zeit bedeutet, dass ich mir eine Zeit am Tag nehme, in der ich in der Bibel (=Gottes Wort) lese und Zeit im Gebet verbringe. Für mich ist das immer am Morgen bevor mein Tag startet und dann noch einmal mitten am Tag eine knappe Stunde in der Natur. Für dich ist vielleicht der Abend gut – auch das ist möglich, wobei ich den Morgen auch deswegen vorziehe, weil ich ganz anders in den Tag starte und durch den Tag gehe, wenn ich zunächst Zeit mit meinem himmlischen Vater verbracht habe.
Ich vergleich’s mal mit Autofahren: In der Regel tanke ich bevor der Tank leer ist und ich mich auf den Weg mache – und mein Auto womöglich stehenbleibt. Genauso ist es mit der „Stillen Zeit“: Ich starte in den Tag, weil das Lesen in der Bibel und die Zeit im Gebet mich erfüllt und stärkt für den Tag.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bibel nicht einfach nur ein schönes Dokument ist, das von Menschen geschrieben wurde und in dem sich Geschichten und Erfahrungen von Menschen mit Gott finden. Die Bibel ist viel, viel mehr: Sie ist und bleibt Gottes unfehlbares und ewig gültiges Wort. Er selbst redet durch die Bibel zu dem, der sie liest und mit Hilfe des Heiligen Geistes verstehen will. Jetzt mal ehrlich: Wie kann man das nicht wollen – als Christ, als Leiter?
Ausreden gibt es viele – aber keine Entschuldigungen. Du magst nicht der Leser sein, du magst nicht die richtige Übersetzung haben, du magst noch nie ein Fan von „Stiller Zeit“ gewesen sein – alles schön und gut. Der einzige Haken: Das sind Ausreden, keine Entschuldigungen. Aus der Nummer kommst du einfach nicht raus.
Neulich las ich dieses treffende Zitat:
Gleiches gilt für das Gebet. Wir verstehen es oftmals als eine Einbahnstraße, dass ich Gott meinen Dank und meine Bitte bringe. Das ist nach Philipper 4 auch vollkommen richtig und dazu fordert uns Gottes Wort auf. Aber ich glaube, dass Gebet viel, viel mehr ist. Gott selbst redet mit uns, wenn wir die Zeit zum Gebet uns nehmen.

Und klar kennen wir alle die Bibelstelle, dass wir „ohne Unterlass beten sollen“ (1. Thessalonicher 5,17) woraus dann manche eine Theologie stricken, die ungefähr so geht: Ob ich wache oder schlafe, ob ich arbeite oder ruhe, ob ich Kartoffeln schäle, Excel-Tabellen durch die Gegend schubse oder die Windeln meiner Kinder wechsle: Alles ist Gebet.
Einziger Haken:
Wenn ich immer nur nebenher bete oder denke, dass alle meine Aktivitäten auch ein Akt des Gebets sind, nehme ich mir nicht mehr die Zeit, bewusst und abgeschieden von allem anderen in der Gegenwart Gottes zu sein.
Zudem gerät die Fürbitte für die weltweite Kirche Jesu und die verfolgten Geschwister auf der Welt vollkommen aus dem Blick, wenn ich meine Tätigkeiten als Gebet umdefiniere (was sie nicht sind) und eben nicht diese bewusste Abgeschiedenheit und Stille als mit dem Vater geteilte Gegenwart suche. Übrigens: Jesus hat das täglich gemacht. Das können wir an vielen Stellen im Neuen Testament nachlesen.
Das aber wiederum ist es doch, was wir so dringend brauchen um unserer selbst willen. Es geht gar nicht darum, Gott zu gefallen. Ich staune immer wieder, wenn ich gegenüber der geistlichen Übung der „Stillen Zeit“ höre, diese sei gesetzlich. Theologisch gesehen besteht Gesetzlichkeit darin, mit meinem (religiösen) Tun Gott gefallen zu wollen.
Das will ich aber gar nicht. Das kann ich ja nicht einmal – insofern ist dieses Argument ein Scheinargument.
Und deswegen meine ich, dass wir die Stille Zeit um unserer selbst willen benötigen. Denn nur hier, abgeschieden von dem Trubel, Social Media, den Handybenachrichtigungen und den tausend To Dos empfange ich, wer ich bin und wer Gott ist. Ich bete und lese in seinem Wort – und das ist pures Gold. Nichts anderes. Keine Gesetzlichkeit, kein frommes „Du musst“, sondern Begegnung mit dem lebendigen und ewigen Gott.
Glaubst du, lieber Leiter, liebe Leiterin, wirklich, dass du darauf verzichten und es als „gesetzlich“ abtun kannst?
Für einen Leiter kann es und darf es nichts Wichtigeres und Besseres geben.
Leiter, die ein falsches Produkt verkaufen
Vor einiger Zeit habe ich das Buch „Freude am Beten“ gelesen. Hier findest du meine Rezension dazu. Ich habe mir viele großartige Sätze und Abschnitte markiert, aber einer hat mich – im Blick auf christliche Leiterschaft – heftig getroffen:
Das sitzt. Das trifft. Und das stimmt.
Denn zu was sonst rufe ich die Menschen auf, wenn ich sie ermutige, in der Gegenwart Gottes zu sein? Christliches Häkeln mit Jesus oder Sportschau glotzen mit dem Heiligen Geist? Ok, Letzteres wäre nicht doof, angesichts dessen, dass mein Lieblingsverein so richtig mies unterwegs ist und ich meine Worte mit bedacht auswählen muss, wenn ich sie spielen sehe.
Um mal wieder ernst zu werden: Ähnlich formulierte es Andy Wood (leitender Pastor der Saddleback Church) auf dem letztjährigen Willow Creek-Leitungskongress in Karlsruhe:
Liebe Leiter,
ich ermutige euch aber ich fordere euch auch heraus, „Stille Zeit“ nicht wie ein gesetzliches Stiefkind des Glaubens zu behandeln, sondern als notwendige Kraftquelle, die gerade wir als Leiter so dringend benötigen.
Als Leiter sind wir es gewohnt, über den Glauben zu reden, zu predigen, zu verkündigen. Und wir sagen sicherlich oft auch viele gute Dinge. Doch die Menschen merken es, wenn wir selbst nicht erfüllt sind. Unsere Predigten und unsere Verkündigung verkommt zu einer Rede von Richtigkeiten (im besten Fall) oder zu einem von uns selbst zurechtgelegten Glaubenskonstrukt, das sich nicht biblisch begründen lässt – und das ist gefährlich.
Wenn wir dann noch ein paar Menschen finden bzw. diese uns finden und das ganz großartig finden, was wir da so sagen – dann ist das Chaos perfekt, weil wir mehr auf diese Stimmen hören als auf Gott selbst. Ich kenne das. Ich weiß, wie gut das klingt, wenn mich nach dem Gottesdienst jemand für die Predigt „lobt“. Aber ich predige nicht, um Menschen zu gefallen oder ihr Lob zu bekommen. Ich predige, weil ich biblische Wahrheit in die heutige Zeit hineinspreche – ob das die Menschen gut oder schlecht finden, darf dabei keine Rolle spielen.

Als Leiter ist es unsere Aufgabe, Menschen zur Quelle zu führen – was wir aber nur können, wenn wir selbst immer und immer und immer wieder mit dieser Quelle verbunden sind in der „Stillen Zeit“, weil wir sonst gar nicht wissen, wohin wir die Menschen führen sollen, wenn wir die Quelle nicht kennen, sondern nur meinen zu kennen.
John Wesley sagte einemal:
Wir können nicht brennen, wenn der Heilige Geist dieses Feuer nicht in uns entzündet. Natürlich hat Gott viele Wege, um mit uns zu kommunizieren. Das können genauso gut auch Visionen, Träume, Bilder oder Alltägliches sein – das ist überhaupt nicht die Frage.
Der Punkt ist nur: Woher weiß ich denn, wenn ich meine, dass Gott zu mir redet, dass er es auch war, wenn es durch ein Medium war, das nicht die Bibel oder das Gebet war? Damit meine ich die eben schon genannten Träume, Visionen, prophetische Eindrücke, Bilder und dergleichen?
Wenn wir das vergessen, haben wir ein Problem: Wir bauen unser „Gott redet mit mir“-Konstrukt auf einem ziemlich wackligen Fundament auf – genauer gesagt: auf gar keinem Fundament.
Alle (wirklich ausnahmslos alle) großen Leiter, Verkündiger und Prediger der Kirchengeschichte haben diese besondere Bedeutung dessen, was wir „Stille Zeit“ nennen, hervorgehoben. Und ich vertraue niemandem, der das versucht, auszuhebeln, denn ich vertraue lieber denjenigen, die nachweisen können, dass sie nicht nur für den Moment und den Hype aus Versehen an der richtigen Stelle waren, sondern die nachhaltig und lang anhaltend Reich Gottes gebaut haben.
Ob es die großen Namen der Kirchengeschichte sind oder die vermeintlichen „No Names“, also Pastoren und Leiter, die man vielleicht gar nicht mal so kennt, die aber großartige Reich Gottes-Arbeit leisten – sie alle haben eines gemeinsam: Die Zeit für das bewusste Gebet in der Gegenwart Gottes und das regelmäßige Lesen in seinem Wort waren für sie die Grundvoraussetzung ihres Dienstes.
Ihnen will ich nacheifern und nicht jenen, die meinen, das sei alles nicht nötig.
Von Jesus lernen
Und ich will vor allem vom Meister selbst lernen. Von Jesus. Wie oben schon erwähnt, hat Jesus regelmäßig diese – wie ich sie auf Grund des griechischen Wortes – die „Eremos-Zeit“ gesucht, also: Zeit alleine mit seinem himmlischen Vater. Exemplarisch sei dazu nur eine Bibelstelle (es gibt aber viele, das wirst du selbst herausfinden können oder weißt es schon längst) nennen:
Darüber hinaus hat sich Jesus in „seiner Bibel“ (der erste Teil der Bibel) bestens ausgekannt, was daran lag, dass er regelmäßig darin las. Woher ich das weiß? Als Jesus sein öffentliches Wirken begann, steht bei Lukas im Evangelium Folgendes:
Was hier mit „Buch“ benannt wird, ist höchstwahrscheinlich eine große Schriftrolle. Nun ist Jesaja auch noch eines der umfangreichsten Bücher im Alten Testament – und: Zwischenüberschriften, Kapiteleinteilungen sowie Verszählung gab es nicht in der „Bibel von Jesus“. Da war alles am Stück geschrieben. Jesus wusste aber, was er lesen will, da das prophetische Wort sich in ihm erfüllte. Das schaffst du aber nur, wenn du dich in der Bibel auskennst bzw. in der Jesaja-Schriftrolle im konkreten Fall.
Beides können wir von Jesus lernen – und dürfen nicht den Fehler begehen, uns über Jesus zu erheben.
Liebe Leiter,
lasst uns von Jesus lernen und unser Denken und Handeln von ihm hinterfragen lassen – und nicht andersrum!
Und ganz unabhängig von unserer Leiterschaft: Die Schätze in Gottes Wort zu heben und durch das Gebet in der bewussten Gegenwart mit ihm zu sein, sind durch nichts in dieser Welt zu ersetzen.

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