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5 Dinge, die Prediger unterlassen sollten

Ich predige für mein Leben gern und weiß, dass Gott mich an dieser Stelle begabt hat. Arrogant? Nein – ich weiß um meine Stärken und meine Schwächen. Von letzteren habe ich ’ne Menge.

Ich verrate dir ein Geheimnis: An nichts anderem in meinem Beruf arbeite ich so hart wie am Predigen. Wahrscheinlich in kaum einem anderen Bereich investiere ich Woche für Woche so viele Stunden. Heute predige ich frei – inzwischen ohne Manuskript, das dennoch in stundenlanger Arbeit unterhalb der Woche entstand. Nur mit Bibel und Smartphone, auf dem ich die Präsentation zur Predigt sehe und bediene.


Das war nicht immer so. Es war ein langer, ein mühsamer, manchmal ein steiniger Weg dorthin. Als ich vor wenigen Jahren einen Artikel darüber las, dass auch ich es schaffen könne, frei zu predigen, habe ich innerlich den Kopf geschüttelt. Heute stehe ich selbst dort. Und ich will dir mit diesem Artikel 5 Dinge an die Hand geben, die sich aus zwei Erfahrungen speisen.

Zum einen ist es meine persönliche Erfahrung als Prediger.

Zum zweiten ist es meine persönliche Erfahrung als Mensch, der Gottesdienste besucht und andere predigen hört.


1Die Gemeinde langweilen

Die Gemeinde hat ein Recht darauf, eine gute, eine unterhaltsame, eine herausfordernde, eine wachrüttelnde, eine humorvolle, eine seelsorgerliche, eine emotionale, eine apologetische, eine überzeugende, eine kurzweilige, eine liebevolle Predigt zu hören. Nur auf eines hat Gemeinde absolut kein Recht: auf eine langweilige Predigt!

Das beginnt dort, wo der Prediger mehr auf sein Manuskript als in die Augen seiner Zuhörer schaut. Wieso auch? Weiß er nicht, was er sagen will? Spricht er etwa nicht aus dem Herzen sondern aus dem Zettel? Ganz ehrlich: Wenn ich den Eindruck bekomme, da vorne steht einer, der erst mal ablesen muss, was er überhaupt verkündigen will, dann schalte ich ab. Es scheint nicht aus seinem Herzen zu kommen, sondern er liest etwas ab – und das braucht kein Mensch. Echt nicht. Wirklich nicht!

Wir benötigen Prediger, die vorne stehen, von ihrer Sache überzeugt sind und den Hörer an dem teilhaben lassen, was Gott in der Vorbereitung zu diesem Menschen gesprochen hat und was aus seinem Herzen und Glauben kommen.

Ich verrate dir kein Geheimnis: Wenn ich im Gottesdienst bin und der Typ da vorne langweilt mich, werde ich innerlich aggressiv. Denn das Evangelium hat eines ganz sicher nicht verdient: Langeweile!

Tipp:
Überlege dir, was dir wirklich leichtfällt: Ist es der Humor, die Story oder die Darstellung komplexer Inhalte? Dann nutze für deinen Predigtstil deine ganz persönlichen Stärken – damit wirst du garantiert nicht langweilen.

2Eine schlechte Vorbereitung als Standard

„Boah, die Woche war so voll, ich bin einfach nicht früher dazu gekommen als Samstag Abend!“ Das kann schon mal vorkommen. Keine Frage. Wenn es aber der Standard ist, hinterfrage ich schon deutlich: Wie willst du am Samstag Abend den biblischen Text lesen, auf dich wirken lassen, ihn sauber exegetisieren, Kommentare dazu lesen, Gott sprechen lassen, dir Bilder und „Moves“ überlegen, die Präsentation erstellen, die Konzeption der Predigt entwerfen, überdenken, über den Haufen werfen, neu sortieren, neu ordnen?

Predigen ist nichts, was man einfach mal so aus dem Ärmel schüttelt. Die Gemeinde merkt das. Sehr gut sogar. Meine Erfahrung ist die, dass „die Gemeinde“ (also die Summe der Gottesdienstbesucher am Sonntagmorgen) durchaus ein sehr sensibles Gespür dafür hat, wie viel Vorbereitung in einer Predigt steckt.

Die größte Challenge für mich ist, aus einem Bibeltext das „rauszuziehen“, was jetzt wirklich das ist, was Gott den Zuhörern mitteilen möchte. Denn nach einigen Jahren Predigen hat man so einen gewissen Fundus (auch wenn es meine Predigten nicht mehr in digitaler Schriftform gibt) an Beispielen, Wendungen und Bildern und die Gefahr besteht, von einem Beispiele, einem Bild, einem Vergleich her kommend die Predigt aufzuziehen.

Tipp
Mach dir eine gewisse Predigtvorbereitungs-Routine zu eigen, welche dir ausreichend (mindestens eine Woche) Zeit gibt, dich mit dem Predigttext, dem Thema und allem, was dazu gehört, auseinanderzusetzen. Ich habe in meinem Kalender mehrere fixe Termine, so dass meine Predigtvorbereitung kein Zufallsprodukt ist und auch nicht dann geschieht, wenn im Kalender eben grad mal Luft ist (was viel zu selten der Fall sein wird).

3Lies die Bibel nur zur Predigtvorbereitung

Echt? Machen Pfarrer so was? Ja! Leider! Ich find’s unmöglich, dilettantisch und heuchlerisch. Entweder ist die Bibel Wort Gottes, das mich selbst inspiriert, herausfordert, tröstet und ermutigt – oder es ist es nicht. Aber eines kann’s nicht sein: Etwas anderes für die Gemeinde wie für mich persönlich.

Übrigens hat auch hier die Gemeinde ein sehr, sehr feines Gespür dafür, ob du als Prediger aus der Bibel schöpfst, weil sie Teil deines Lebens und deines Glaubens ist oder weil du halt mal grad über ein paar Verse was erzählen sollst.

Hier kommen wir zum Knackpunkt: Predigen ist doch mehr als einfach nur ’ne Runde zu labern! Predigt ist auch mehr als wohlgeschliffene Rhetorik! Predigen ist Gottes Wort in eine Situation hinein zu verkündigen, um Glauben zu wecken und zu vertiefen. Das kann doch gar nicht funktionieren, wenn die Bibel (Grundlage jeder christlicher Verkündigung) nur dann eine Rolle spielt, wenn ich mich auf eine Predigt vorbereiten muss.

Ganz unabhängig davon hat die persönliche und kontinuierliche Beschäftigung mit Gottes Wort noch einen Nebeneffekt, der nicht Antrieb des persönlichen Bibelstudiums sein darf, aber dennoch ein großartiger Mehrwert ist: Es erschließen sich dir die Gesamtzusammenhänge der Bibel, welche für das Predigen wiederum ein großer Gewinn sind, weil es immer auch um „das große Ganze“ geht, für das schlicht und einfach das Verständnis fehlt, wenn ich die Bibel nur punktuell zur Predigtvorbereitung heranziehe.

Tipp
Nimm dir jeden Tag Zeit, um in Gottes Wort zu lesen, für dich persönlich, ohne „Verzweckung“ und nicht als Predigtvorbereitung.

4Predige mit salbungsvollem Singsang in der Stimme

Kennst du ihn? Dieser besondere, scheinbar klerikale Singsang in der Stimme eines Pfarrers, beginnend mit: „Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht in….“

Es ist der erste Schritt, ganz sicher an Glaubwürdigkeit zu verlieren! Aber 100%! Denn es drückt eines aus: Du bist nicht authentisch! Und das ist das Schlimme „dahinter“. Es geht nicht primär darum, nicht „so und so zu klingen“, sondern vielmehr geht es darum, authentisch zu sein! Nichts ist schlimmer, als ein Prediger, bei dem man den Eindruck gewinnt (obwohl man ihn vielleicht gar nicht kennt): „Der ist gar nicht authentisch!“

Du kennst das aus anderen Bereichen deines Lebens: Menschen, die dir nicht authentisch scheinen, haben sofort an Glaubwürdigkeit verspielt. Und wie schlimm ist das bitteschön, wenn’s um das Predigen geht? Unbezahlbar und unüberwindbar schlimm!

Mach es dir bitte nicht zu eigen, „wie andere predigen“ oder „wie es scheinbar klingen muss“, wenn du predigst. Da gibt’s kein „So muss das klingen“ – und ganz ehrlich: Auf gar keinen Fall klerikal-verklärt salbungsvoll.

Tipp
Nimm deine Predigten auf, bevor du sie hältst – oder zumindest einen Teil. Und dann höre dir deinen Predigt-Podcast vom Sonntag an. Erkennst du Unterschiede? Bist du authentisch (geblieben)?

5Vergleiche dich mit anderen Predigern

Der einfachste Weg, etwas Großartiges zu zerstören, ist: das Vergleichen! Gott hat dich so, wie du bist, einzigartig erschaffen. Du hast auf deine Art und Weise etwas zu geben, wie das sonst niemand anderes kann!

Und wenn Craig Groeschel, Joyce Meyer und Johannes Hartl so predigen, wie sie predigen, dann hast du nicht so zu predigen, sondern auf deine ganz eigene und persönliche Art. Es hat so ein bisschen was mit dem eben schon angesprochenen Punkt der „Authentizität“ zu tun: Sei du selbst! Predige, wie dir der Schnabel gewachsen ist!

Ja, dazu gehört auch, dass du mal „Scheiße“ sagen kannst – wenn du es sonst auch tust, warum nicht? Wenn es nicht OK wäre vor Gott, solltest du es auch in deinem Alltag unterlassen. Natürlich sollten sich in deiner Predigt die Momenten in Grenzen halten, in denen du dieses Wort verwendest.

In unserer heutigen Zeit zählt mehr denn je das „Ich auf der Kanzel“. In meiner Ausbildungszeit war das noch so ein wenig verpönt. Also die Frage: Wie sehr muss/soll/darf ich als Prediger als Person in der Predigt vorkommen oder muss ganz hinter mein Amt zurücktreten?

Mehr denn je leben wir in einer Zeit, in der wir Menschen „scannen“. Ganz schnell schauen wir, ob das, was sie sagen, auch ihrem Tun und Handeln entspricht – es geht also nicht mehr nur um Authentizität sondern auch um Integrität.

Sei du selbst! Predige auf die Art und mit der Wortwahl, die Gott dir gegeben hat – und gleichzeitig arbeite so sehr an dir, wie an niemand anderem, dass du besser wirst und du auf deine Art noch mehr Menschen für Jesus gewinnen kannst.

Aber auf deine Art – nicht auf die Art des anderen.

Tipp
Wo verstellst du dich? Warum? Rede mit jemandem darüber, weshalb du das tust! Du kennst Prediger, die „besser“ predigen als du? Wunderbar – lerne von ihnen, aber kopiere sie nicht, indem du versuchst, so zu predigen wie sie.


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Das Prinzip vom Respekt

Ein heißes Eisen und gleichzeitig ganz wichtiges Kapitel in Maxwells „Die 21 wichtigsten Führungsprinzipien“, wenn wir diese für Gemeindearbeit adaptieren wollen.

Es geht um nichts andere als um die simple Frage:

Wem folgen die Menschen eigentlich?

Stell es dir nur mal praktisch vor. Du hast ein Treffen für ein Gemeindeprojekt und es gibt einen – nominellen – Leiter. Ist dieser automatisch auch der, dem die Menschen folgen? Das muss nicht so sein. Denn Menschen – so Maxwell – folgen automatisch den Menschen, vor denen sie Respekt haben und die im „Leitungslevel“ ein oder mehrere Schritte weiter sind.

Denn machen wir uns (als Leiter) doch nichts vor: Wir haben in der Gemeinde mit vielen Ehrenamtlichen zu tun, diese aber wiederum können bspw. durch ihren Beruf oder im Verein so sehr in leitender Position sein, dass ihr „Leitungsniveau“ wesentlich höher ist als das der angestellen/hauptberuflichen Personen in der Gemeinde.

Ist das schlimm? Ja, wenn der Pfarrer, Pastor, Diakon, Jugendreferent oder wer auch immer die hauptamtliche Person ist, nicht in der Lage ist, sich demütig zu zeigen und diese ehrenamtliche Person auch in eine verantwortungsvollere Ebene (in diesem Projekt / in dem Team / für das Event) zu stellen. Denn eines ist doch klar: Die Menschen folgen so oder so der Person, vor der sie am meisten Respekt haben und die im Leitungsniveau weiter ist.

Menschen folgen anderen nicht aus Zufall. Sie folgen denen, deren Leitung sie respektieren. […] Im Allgemeinen fühlen sich Mitarbeiter aber schlicht zu Menschen hingezogen, die bessere Leiter sind als sie selbst.Maxwell, Die 21 Wichtigsten Führungsprinzipien, S. 80

Ist das schlimm? Nein – im Gegenteil. Es ist großartig, wenn der Pfarrer, Pastor, Diakon, Jugendreferent oder wer auch immer die hauptamtliche Person ist, für die Leitung dieses Teams / Projekts / Events jemanden an die Seite gestellt bekommt, der richtig gut leitet und dem die Menschen auch noch folgen.

Pfarrer als Schlüsselperson

Lass es mich ganz ehrlich sagen: Ich glaube, dass viele Pfarrer und Pastoren genau damit ein Problem haben. Sie können nicht anerkennen, dass andere Personen in ihrem Team besser leiten als sie. (Das begegnet dir übrigens in jedem Setting – nicht nur in der Kirche.) Dummerweise werden sie dadurch zu Schlüsselpersonen. Denn entweder, sie beharren auf ihre Autorität qua Amt (was aber meistens sich negativ auswirkt) oder sie anerkennen, dass das gar nicht sein muss und sie deswegen keine schlechteren Menschen sind.

Wieso sollen Pfarrerinnen und Pfarrer der Landeskirche auch gute Leiter und Führungspersönlichkeiten sein, wenn das in ihrer Ausbildung eine sehr untergeordnete bis marginale Rolle spielt? Studieren dann „zufällig“ Top-Leiter Theologie und werden Pfarrer? Oder studieren Menschen mit durchschnittlicher bis niedriger Leitungsbegabung Theologie und werden dann Pfarrer? Dreimal darfst du raten!

Wenn ich in einem Team „qua Amt“ der Leiter bin und erkenne, dass jemand anderes wesentlich besser begabt und fähiger ist als ich, frage ich ihn noch nicht sofort, ob er die Leitung übernehmen möchte – da schrecke ich manchmal ein wenig zurück, da ich der Ansicht bin, dass Ehrenamtliche heutzutage es noch schwieriger mit einem guten Ressourcenmanagement haben als vor vielen Jahren. Aber ich gehe mit der Person ins Gespräch und wenn ich den Eindruck habe, dass es passen könnte, frage ich sie, ob sie die Leitung übernehmen möchte. Falls ja, ist das super – falls nein, ist das schade, weil dann das Team nicht das Optimum bringen kann, weil es mit mir als Leiter leben muss.

Konkrete Tipps

Am Ende gebe ich dir ein paar Gedanken und Hinweise mit. Diese sind sowohl für dich als „Leitungsperson qua Amt“ (Pfarrer/Pastor) als auch für dich als ehrenamtlicher Mitarbeiter. Warum? Weil es meine Hoffnung ist, dass wir aus den Teams, in denen wir arbeiten, das Beste rausholen.

  • Halte nicht krampfhaft daran fest, dass du das Sagen haben musst, nur weil du „der Pfarrer“ bist.
    • Ermächtige Ehrenamtliche, in denen du sie zum Leiter eines Teams machst.
    • Lass Ehrenamtliche die Teamtreffen leiten.
    • Freue dich darüber, dass andere den ehrenamtlichen Leitern folgen.
    • Gib Ehrenamtlichen größtmöglichen Freiraum und „lass sie einfach mal machen“.
    • Kontrolliere nicht alles, sondern lass Ehrenamtliche ihre Vision und ihre Konzeption entwickeln.
    • Stell es in den Dienst der Gemeinde und mach es für die Gemeinde zum Nutzen, das Menschen anderen Mitarbeitern/Leitern folgen.
    • Frag dich mal: Wie sehr kratzt es an deinem Ego, dass andere in bestimmten Bereichen besser leiten als du?
  • Hab keine Angst, deine beruflich/privat erworbene Führungskompetenz auch in der Gemeinde einzubringen.
    • Lass dich nicht abwimmeln, wenn du denkst, dass du besser leitest.
    • Überzeuge das Leitungsteam der Gemeinde für deine Idee – und unternimm nichts „gegen die Gemeindeleitung“, denn das sorgt nur für Unruhe.
    • Sei mutig und ehrlich und sag deinem Pfarrer, wenn du den Eindruck hast, dass du oder eine andere Person in einem bestimmten Bereich der bessere Leiter bist.
    • Nimm andere mit ins Boot, die dir schon folgen, um das Gespräch mit Pfarrer und Leitung zu suchen. Das ist keine Meuterei, sondern gabenorientiertes und beziehungsorientiertes Leiten.

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Ich predige, also bin ich!

Zuweilen habe ich den Eindruck, dass dieser Satz auf nicht wenige Pfarrerinnen und Pfarrer zutrifft. Wer bin ich eigentlich? Was macht mich aus? Was gibt mir meine Identität? Dass ich predige!

Ursprünglich klingt der Satz anders. Er stammt aus der Feder des Philosophen und Mathematikers René Descartes und lautet:

Ich denke, also bin ich!René Descartes (1596-1650)

Descartes ging es darum, sich seiner eigenen Existenz und Erkenntnisfähigkeit sicher zu sein. Das letzte tragfähige Fundament und Anzeichen dafür ist seiner Meinung nach das Denken. Weil der Mensch denkt, ist er. Weil ich weiß, dass ich denke, bin ich. Das Denken stiftet sozusagen meine Identität und versichert mich meines Daseins und meiner Daseinsberechtigung.

Nun empfinde ich genau diese Frage als eine enorm wichtige: Wer bin ich? Was macht mich aus? Was versichert mich meiner Daseinsberechtigung? Ich habe darüber an anderer Stelle einen wichtigen Beitrag geschrieben: Erkenne deine wahre Identität in Jesus!

Deswegen gehe ich in diesem Beitrag nicht darauf ein, was meine wahre Identität ist und wie ich sie finde, sondern vielmehr werfe ich eine Problemanzeige in den Raum, die vielleicht dem ein oder anderen eine Hilfe zur Selbsterkenntnis ist – oder zur Erkenntnis über seinen Pastor – ob dieser will oder nicht.

Der Drang, sich äußern zu müssen

Pfarrer und Pastoren sind notorische Sprecher. Kurze Anmerkung: „Pastoren“ sind die „Pfarrer“ der Freikirchen sowie der Landeskirchen ab Mitteldeutschland bis in den Norden. Denn auch dort heißen die „Pfarrer der Landeskirche“ Pastoren (vor allen in Norddeutschland) – im Süden werden die „Pfarrer der Landeskirche“ auch Pfarrer genannt – und Pastoren sind die „Pfarrer der Freikirchen“. Verwirrung komplett? Wunderbar. Ich verwende den Begriff „Pastor“ und „Pfarrer“ nicht streng getrennt – mal so, mal so und damit will ich allesamt vereinen und meinen.

Pfarrer und Pastoren können nicht anders als notorisch zu sprechen. Dieser Beruf legt es auch nahe. Gottesdienste, vor allem eben die Predigten, Andachten, Grußworte, Religionsunterricht, Meetings, Sitzungen, Besprechungen aber auch gedruckte Worte wie Gemeindebrief-Artikel, Pressemeldungen, Liturgien und Gottesdienstabläufe, Dienstanweisungen, Geburtstagsgrüße, Emails und Jobbeschreibungen für Mitarbeiter. Das alles spielt sich landauf landab in jedem Pfarrbüro ständig ab. Ein Pfarrer produziert Unmengen an Worten Tag für Tag.

An sich ist das auch nicht das Problem. Zum Problem wird’s nur dann, wenn ich nicht mehr merke, wann ich eigentlich auch mal ruhig sein sollte, nichts sagen sollte, nicht predigen sollte. Der Kabarettist Dieter Nuhr hat es einfach schön auf den Punkt gebracht:

Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal die Fresse halten!Dieter Nuhr

Und genau das gelingt Pfarrern oft nicht. Leider. Ich sage nicht, dass ich es besser kann. In den letzten Jahren hab ich mir aber eine Haltung zu eigen gemacht, durch die ich auch mal „die Fresse halten“ kann. Ich sage dann: „Sorry, da habe ich keine Ahnung! Frag jemanden, der sich damit auskennt – oder wenn du möchtest, mache ich mich schlau und gebe dir dann eine Antwort.“

Was ich aber nicht mehr will: So zu tun, als hätte ich Ahnung und meinen Senf zu allen möglichen Würstchen dazu geben.

Ansonsten äußern sich Pfarrer und Pastoren mit einem großen Schuss Selbstüberzeugung zu Sachverhalten, von denen sie keine Ahnung haben, aber weil man so ein Wortgetriebener (und damit meine ich leider nicht das Wort Gottes) ist, muss man einfach etwas dazu sagen. Man kann nicht anders, es ist wie ein Zwang, der über einem hängt – Fresse halten? Geht nicht.

Ich bin doch darauf getrimmt zu predigen, zu verkündigen, andere (positiv) zu beeinflussen und zu inspirieren, ich muss, ich muss, ich muss einfach predigen, ob der andere es jetzt hören will oder nicht, ist ja sein Problem, nicht meins – also predige ich und predige ich und predige ich.

Es gibt ja so ein Sprichwort, das besagt:

Du kannst dem Deutschen alles nehmen – nur nicht seine Bedenken!Quelle unbekannt

Wir sind nun mal leider nicht nur eine Nation der Dichter und Denker, sondern auch der Nörgler und Motzer. Das scheint also auch zum identitätsstiftenden Merkmal des Deutschen zu gehören – frei nach Descartes:

Ich motze, also bin ich!

Und leider beschleicht mich immer wieder das Gefühl, dass es bei Pfarrerinnen und Pfarrern ganz ähnlich ist. Du darfst ihnen alles nehmen – nur nicht das Predigen! Denn darüber definieren sie sich. Hier äußern sie sich meist politisch, gesellschaftskritisch, geistlich und manchmal sogar theologisch. Viele Predigten aber sind gespickt von „Eisegese“, also Dingen, die dem biblischen Text in den Mund gelegt werden, aber dort gar nicht stehen.

Warum nur?

Ich frage mich das oft – und ehrlich: Ich bin ja nicht besser. Frag mal meine Frau! Ich rede auch viel und schreibe viel – immerhin hast du es bis hierhin geschafft. Aber ich finde es sehr bedenklich, wenn Pfarrerinnen und Pfarrer meinen, sich über das Predigen zu definieren. Nein, klar, logisch – das würde keiner so sagen. Nie im Leben! Genug „Geistliche“, die jetzt diese Zeilen lesen, werden innerlich kochen und denken: „Wie kann er nur? Wie kann er nur…..mich so ertappen?“

Ich glaube, es sind drei Gründe, die dem zugrunde liegen, dass Pfarrer so oft einfach nicht den Mund halten können, weil sie sich über das Predigen (in den unterschiedlichsten oben auch genannten Formen) definieren.

Prioritäten

Der erste Grund ist recht simpel: Wir lernen in unserer Ausbildung, dass die Predigt das Wichtigste ist. Klar – Liturgikdozenten würden das jetzt anders sehen, aber wenn ich sowohl auf Studium als auch Ausbildung (Vikariat) zurückblicke, dann gab es immer diesen Subtext: „Das Wichtigste an deinem Beruf ist das Predigen!“ Eigentlich nur in der Seelsorge lernen wir, auch mal zuzuhören. Ansonsten: predigen! Verkündigen! Mund aufmachen! Im Gottesdienst, im Reliunterricht, im Konfirmandenunterricht, Seniorenkreis, Ältestenkreis, Kindergottesdienst, Dienstbesprechungen, als Vorsitzender des Trägers eines Kindergartens und und und.

Alleine das Lernen der exegetischen Methoden (egal welche man nun präferiert) dient dazu, „später einmal“ einen biblischen Text sauber zu exegetisieren, also das „rauszuholen“ was drinsteckt und nicht reinzulegen, was nicht drinsteckt (das wäre die oben schon erwähnte Eisegese).

Das hat auch seine Berechtigung, denn durch das Predigen geschieht nicht nur Wortverkündigung, sondern dadurch leite ich als Pfarrer auch „meine Gemeinde“. Ich setze Akzente, ich kann mir sicher sein, dass wenigstens hier mir die Leute zuhören und dass ich ohne große Unterbrechungen zwischen 15 bis 45 Minuten reden kann – je nach Gemeinde.

Ich predige leidenschaftlich gerne, deswegen ist es mir vollkommen fremd, nun predigtkritische Töne anzuschlagen, aber ich glaube, dass ein guter Gottesdienst nur dann entsteht, wenn den anderen Elementen des Gottesdienstes ebenso eine hohe Aufmerksakmkeit in der Planung und Vorbereitung zukommt.

Einseitige Ausbildung

Der zweite Grund: Wir können nichts anderes! Das klingt süffisant bis lustig – aber ist so. Ein „normaler Pfarrer“ (in der Landeskirche) hat ein Studium der Theologie – das war’s. Was macht man mit dem Ding? Man wird Pfarrer – oder kann noch in den Religionsunterricht. Aber ansonsten ist es doch eher schwierig, auf Grund der Ausbildung irgendwo zu landen. Handwerksberufe, Dienstleistungssektor, IT-Branche oder Industrie – das alles bleibt einem auf Grund der Ausbildung verschlossen. Ich habe Theologie studiert – damit bewege ich mich in einem sehr, sehr engen Korridor der Berufslandschaft in Deutschland.

Wo andere Berufsausbildungen heutzutage durchlässiger sind für andere Formen des Berufs, da ist der Pfarrer mit seinem Theologiestudium irgendwie so das Männchen im Walde, das pfeift, um seine Angst zu vertreiben. Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Aber seien wir doch bitte mal ehrlich: Auf der einen Seite ist da ein klassisches Theologiestudium mit Fächern wie Kirchengeschichte, Dogmatik, Praktische Theologie und Ethik. Auf der anderen Seite sind da im Pfarrberuf Dinge wie Haushaltsplan, Mitarbeiterführung, Kindergartenträgerschaft und Leitungsposition.

Ich meine – dass das hinkt und stinkt, ist ja jetzt nicht weiter verwunderlich. Ebenso wenig, dass man sich als Pfarrer dann auf das vermeintlich sichere Terrain zurückzieht, ist doch auch klar. Und klar ist auch, dass das Predigen nicht alles ist – es gibt ja weitere Kernkompetenzen wie Seelsorge und Religionspädagogik (Reliunterricht in der Schule sowie Konfirmandenunterricht), die vermeintlich (!) größte Wirkung jedoch meint der Pfarrer im Gottesdienst und hier vor allem in der Predigt zu erzielen.

Hach, es ist einfach zum Davonlaufen. Wir gelangen immer wieder an den Punkt, dass der Gottesdienst – und hier die Predigt – das Nonplusultra zu sein scheinen.

Pfarrer allein zuhause

Der dritte Grund: Einsamkeit. What??? Ja genau. Ich glaube, es ist wie in jedem anderen Beruf auch: Wo du keine Freunde hast, die in dein Leben hineinsprechen, dir auf die Sprünge helfen, dich stärken und ermutigen, aber auch korrigieren und zurechtweisen, da versuchst du über den Beruf deine Identität und Bestätigung zu bekommen. Das ist nun also wirklich nichts Pfarrer-Spezifisches. Das kannst du genauso als Softwareentwickler, Gärtner, Modeschöpfer, Versicherungsfachangestellter, Arzt, Bäckereifachverkäufer oder Lehrer.

Was aber sicherlich so ziemlich spezifisch ist (und in nur wenigen weiteren Berufen vorkommt), ist die Tatsache, dass man als Pfarrer mit recht vielen Menschen Kontakt hat – und das auch noch auf einer eher sozialen und zwischenmenschlichen Ebene – weniger auf einer betriebswirtschaftlichen oder produzierenden Ebene, auf der mein Gegenüber einfach nur mein Arbeitskollege ist. Das führt unweigerlich dazu, dass Ebenen durcheinander geraten bzw. miteinander in Berührung kommen und dadurch Äußerungen von zwischenmenschlichen Beziehungen sich in einem beruflichen Umfeld abspielen. Das ist nicht einfach – und sicherlich ähnlich wie in anderen Berufen, bei denen zwischenmenschliche Beziehungen sich auf einem beruflichen Level abspielen wie bspw. bei Ärzten. Allerdings mit dem Unterschied, dass ich im Normalfall mit meinem Hausarzt nicht auf Grund seines Berufes als Arztes in Meetings, Vorbereitungstreffen und Planungen mich zusammenfinde, aber seine professionelle Arbeit durchaus auch eine sehr persönliche Ebene in meinem Leben anspricht.

Bei Pfarrern ist es durchaus eine Challenge, mit ganz vielen Menschen zu tun zu haben, deren Erwartungen an zwischenmenschliche Beziehung andere sind als die, die ein Pfarrer erfüllen kann oder soll. Soll er denn mit der ganzen Gemeinde befreundet sein? Jeden einzelnen „gleich mögen“? So ein Quatsch! Wer das ernsthaft behauptet, soll sich in seine Höhle zurückziehen und im Mammutfell-Rock um’s Feuer tanzen.

Ich kann ja nur für mich sprechen, aber in meiner Gemeinde gibt es Menschen, die ich mega sympathisch finde; viele andere wiederum finde ich „nur“ sympathisch. Und andere wiederum….lassen wir das. Ich denke, du weißt, was ich meine.

Gleiches gilt aber auch andersrum: Nicht jeder in der Gemeinde mag den Pfarrer, gleichzeitig aber – und jetzt switche ich mal in den freikirchlichen Kontext – ist es die Gemeinde, die den Pastor finanziert (wie gut, dass es in der Landeskirche anders ist – die muss ja auch mal einen Vorteil haben gegenüber den Freikirchen).

Ein Dilemma. Und ich glaube, damit umzugehen, fällt vielen Pfarrern nicht leicht. Du bist die eierlegende Wollmilchsau, aber wirklich befreundet, so richtig tief mit ehrlichen Gesprächen bis tief in die Nacht, bist du mit einer Handvoll – wenn überhaupt.

Für manch einen nagt das dann am Selbstwertgefühl. Und wie bekommt man das noch mal zurück? Ach ja, richtig. Durch’s Predigen! Ein Teufelskreis. Im wahrsten Sinne.

Du liebst mich, also bin ich!

Hans-Joachim Eckstein hat diese Wendung ins Spiel gebracht. Schon vor vielen Jahren hat er Descartes‘ Äußerung umgemünzt im Blick auf Jesus und sagt: „Du liebst mich, also bin ich!“

Ich finde das eine sehr geniale Umwandlung dieser Aussage, die gleichermaßen in die Freiheit und in die Tiefe führt. Kein Mensch muss sich durch irgendetwas definieren, das er tut. Weder ein Fußballprofi, noch eine Lehrerin, weder ein Bäcker noch eine Managerin – und erst recht kein Pfarrer. Denn es geht nicht um das, was ich leiste, sondern um das, was ich bin. Geliebt.

Und daraus nun sollte man diese Gründe angehen. An der Ausbildung arbeiten (gut, ich gebe zu, das ist ein sehr großes Feld), die eigenen Kompetenzen stärken (auch fachübergreifend – es hindert mich niemand daran) sowie echte Freundschaften einzugehen und zu pflegen. Es gibt keinen Grund, weshalb diese drei Gründe für alle Ewigkeit fest zementiert sein sollten. Überhaupt nicht. Packen wir sie doch einfach an!

Und ich glaube fest daran, dass eine geliebte Person bzw. eine Person, die weiß, wie sehr sie von Gott geliebt ist, genau aus diesem Grund einen Unterschied in dieser Welt macht – und nicht auf Grund dessen, was sie leistet. Und mag es noch so fromm sein – und mag es noch so sehr das Predigen sein.


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Die Kunst des Leitens XI: Die Frage nach dem „Warum“

Kennst du den „Goldenen Kreis“? Er ist so simpel wie bahnbrechend. Stell dir drei konzentrische Kreise vor. Der innere Kreis steht für das „Warum“, der nächste Kreis für das „Wie“ und der äußerste der drei Kreise für das „Was“. Das Ganze ist nicht von mir, sondern von Simon Sinek (www.simonsinek.com), seines Zeichens einer der einflussreichsten Denker und Vorreiter der heutigen Zeit – für Menschen, die nicht stehenbleiben wollen.

Organisationen – und damit auch Kirchen und Gemeinden – agieren oft auf dem äußeren (WAS) Kreis, ohne die beiden inneren Kreise (WARUM und WIE) geklärt zu haben. Gemeinden agieren schnell und manchmal schon reflexartig, eine Antwort auf das „Was“ zu finden anstatt sich um das „Wie“ und das „Warum“ zu kümmern.

Dabei ist es viel, viel wichtiger, sich der Frage zu stellen: Warum machen wir, was wir machen? Warum sind wir, wie wir sind? Das „Warum“ fragt nach der eigenen Motivation, dem Antrieb, dem „Dahinter“, dem Grund.

Und ich dachte mir so: Meine Güte, wie wichtig ist das für Kirche – und wie erschreckend, wenn man Simon Sinek ernst nimmt im Blick auf den „Status Quo“ vielerorts.

Sinek verdeutlicht in seinem Buch „Frag immer erst: Warum“ am Beispiel von Apple, was es bedeutet, sich auf das „Warum“ zu fokussieren – und dann erst das „Wie“ und „Was“ anzugehen. Er beschreibt die Frage nach dem „Warum“ als den entscheidenden Erfolgsfaktor – nicht nur bei Apple.

Als Pfarrer und Leiter lerne ich gerne von den Besten – und dazu gehört Sinek. Nein, er ist kein Theologe – und das ist gut so, sonst wären seine Ideen wahrscheinlich auch nicht so gut. Ist einfach so. Das Meiste, was Kirche lernen kann, sagt sie sich nicht systemimmanent, sondern tut gut daran, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die nicht „vom Fach“ sind.

Ich werde im Folgenden drei Zitate aus dem Buch „Frage immer erst: Warum“ verwenden, um aufzuzeigen, weshalb diese Frage auch für Gemeinde und Kirche so wichtig ist – und werde diese drei Zitate jeweils mit einer Frage einleiten. Denn wie oben schon gesagt: Ich glaube, dass Sinek „uns“ (also der Summe an Gemeinden, Kirchen, Leitungsebenen) jede Menge sagen kann – wer hören will, der höre!

Spiegelt das Äußere das Innere wider?

„Es ist nicht, was Apple tut, was das Unternehmen vor anderen hervorhebt. Es geht darum, warum es das tut. Seine Produkte sind der sichtbar gewordene Ausdruck des inneren Beweggrunds.“ aus 'Frag immer erst: Warum' von Simon Sinek

Ich liebe diese Formulierung: „Der sichtbar gewordene Ausdruck des inneren Beweggrunds

Drückt das, was in deiner Kirche und Gemeinde stattfindet das aus, was dich tief im Inneren bewegt? Spiegelt also das Äußere das Innere wider? Oder anders formuliert: Wenn Menschen deine Gemeinde „betreten“ – egal ob Gottesdienste, Kleingruppe oder Event – können sie daraus folgerichtig auf das schließen, was ich tief im Inneren bewegt?

Nehmen wir doch mal das Aushängeschild (oder zumindest sollte es dieses sein) einer Gemeinde: den Gottesdienst. Menschen kommen das erste Mal in den Gottesdienst, erleben die Musik, die Predigt, die Moderation genauso wie das Setting, den Raum sowie die Mitarbeitenden vor, während und nach dem Gottesdienst.

Stell dir vor, nun kommt ein Reporter. Dieser Reporter stell den Besuchern, die das erste Mal da sind, folgende Frage:

„Was glauben Sie, warum diese Gemeinde Gottesdienst feiert?“

Die Antworten des Gastes können vielfältig sein – er wird es aber hauptsächlich daran festmachen, was ihm in der vergangenen Stunde so begegnete. Was wäre die Antwort in deiner Gemeinde? Wäre doch mal spannend zu wissen! Auch für meine Gemeinde. Angenommen jemand hat wirklich keine Ahnung von Gottesdienst, „stolpert“ das erste Mal hinein – und bekommt diese Frage gestellt. Meine Vermutung ist, dass sehr oft Achselzucken als Antwort kommt.

Dabei sollte das, was wir tun und wie wir es tun, ein Spiegel dessen sein, warum wir es tun.

Meine Antwort auf die Frage „Warum feiert ihr Gottesdienste in eurer Gemeinde?“ ist schlicht: Damit Menschen Jesus kennenlernen! Also sollten wir auch alles daran setzen, dass das Wie und das Was dem Warum entspricht. Man könnte also anhand der folgenden Elemente erkennen, welches Warum hinter unseren Gottesdiensten steht:

  • Wie ist die Sprache der Lieder?
  • Welcher Musikstil wird gespielt?
  • Wie werden Menschen willkommen geheißen, wenn sie das Gebäude/Gelände betreten?
  • Sprechen wir mit den üblichen Kirchen-Floskeln, die ein normaler Mensch nicht versteht? (Opfer, Worship, Lobpreis, Segen empfangen, Vaterunser, liturgische Texte aller Art)
  • Wie werden „Neue“ nach dem Gottesdienst wahrgenommen und ggf. angesprochen?
  • Wie ist das Setting in der Kirche (Dekoration, kirchliche Gegenstände wie Altar, Kanzel und Taufstein, Bestuhlung, Beleuchtung, Sauberkeit) – fühlen sich „Neue“ wohl?

Natürlich kann man da noch eine Menge anderer Punkte anführen und es muss auch nicht der Gottesdienst sein. Dieser bietet sich einfach an, da er in so gut wie jeder christlichen Gemeinden die wohl regelmäßigste und öffentlichste Veranstaltung ist.

Stellst du Bestehendes infrage und bietest Lösungen an?

„Apple hat sich im Gegensatz zur Konkurrenz über die Frage definiert, warum die Firma etwas tut. Sie ist keine Computerfirma, sondern eine Firma, die das Bestehende infrage stellt und Individuen andere Lösungen anbietet.“aus 'Frag immer erst: Warum' von Simon Sinek

Ich finde diesen Gedanken so stark! „Semper reformanda“ war mal ein Schlagwort in der Kirchengeschichte, das soviel heißt wie: „Kirche muss immer reformiert werden“. So ist es!

Wer konsequent vom „Warum“ her denkt, stellt Bestehendes infrage. Warum? Weil er sich ständig fragt, ob er sich uns einem Auftrag noch treu ist. Aber er hinterfragt nicht nur, sondern bietet Lösungen an. Das ist so wichtig!

In der Realität gibt es nun ganz unterschiedliche Abstufungen, ob und wie Gemeindeleitung Bestehendes infrage stellt und Lösungen anbietet. Denn wohlgemerkt: Es ist kontinuierliche Aufgabe der Leitung einer Gemeinde, Bestehendes zu hinterfragen. Gemeindeglieder und Nicht-Gemeindeglieder tun dies sowieso. Das nehme ich wahr anhand von Gesprächen, Emails, WhatsApp-Nachrichten, Kirchenaustritten und dem, was so hintenrum erzählt wird.

Es ist also nicht ungewöhnlich, Bestehendes infrage zu stellen und nach Lösungen zu suchen. Die Frage ist nur: macht es die Gemeindeleitung oder nicht? Es ist nämlich ihr wesentlicher und eigentlicher Auftrag. Die Abstufungen, die ich in der Realität wahrnehme, sehen so aus:

  1. Du hinterfragst nichts und bietest keine Lösungen an. Die stumpfsinnige Variante „Das haben wir schon immer so gemacht.“
  2. Du hinterfragst nichts aber bietest Lösungen an. Die weltfremde Variante „Ich gebe Antworten auf Fragen, die keiner gestellt hat.“
  3. Du hinterfragst aber bietest keine Lösungen an. Die trotzige Variante „Ich finde alles doof, aber mehr kann ich auch nicht beitragen.“
  4. Du hinterfragst und bietest Lösungen an. Die innovative Variante „Ich sehe Potenzial und bin bereit, adäquate Lösungen zu finden.“

Wir leben in einer Zeit, deren einzige Konstante der kontinuierliche Wandel ist. Es kann nicht funktionieren, wenn Kirche ihr Tun nicht infrage stellt, sondern denkt, einfach weitermachen zu können wie bisher.

Die Frage nach dem „Warum“ wird unweigerlich dazu führen, dass wir Bestehendes infrage stellen. Es geht gar nicht anders. Die Frage nach dem „Warum“ ist die Frage nach der inneren Antriebskraft, nach unserer Motivation, nach dem, was der Motor einer Sache ist. Und wenn dieser ins Stottern kommt, weiß jeder: Hier muss repariert und eine andere Lösung präsentiert werden.

Nimm dir nur mal einen Moment Zeit und frage dich, warum du tust, was du tust. Das muss nicht im Blick auf Kirche und Gemeinde, nicht einmal im Blick auf deinen Beruf sein – das kann das betreffen, was dir momentan in den Sinn kommt. Unweigerlich ist die Frage damit verknüpft, infrage zu stellen, ob das, was du tust, auch wirklich das Richtige ist, ob es „dran ist“, wie man so schön sagt. Diese Frage wird dir auch aufzeigen, wo du nachbessern, justieren, verändern – oder eben: Lösungen anbieten solltest.

Denkst du konsequent anders?

Die Produkte an sich sind nicht der Grund, warum Apple überlegen ist; jedoch dienen die Produkte der Firma – also was Apple macht – als handgreiflicher Beweis dafür, was das Unternehmen glaubt. Es ist diese eindeutige Beziehung zwischen dem, was es tut, und der Antwort auf die Frage, warum es das tut, was Apple so anders macht. Das ist der Grund, warum Apple authentisch erscheint. Alles, was das Unternehmen tut, dient dazu das Warum zu veranschaulichen, das Bestehende infrage zu stellen. Unabhängig von den Produkten, die es herstellt, und der Branche, in der das Unternehmen operiert – es ist immer klar, dass Apple „anders denkt“. aus 'Frag immer erst: Warum' von Simon Sinek

…und ich befürchte, dass hier die meisten aussteigen werden. Aber schön, dass du wenigstens bis hierhin gelesen hast!

Was sagt Sinek da? Das iPhone, der iPod und der iMac an sich sind nicht der Grund dafür, dass Apple so erfolgreich ist, sondern weil diese Produkte zeigen: Appel denkt anders. Apple denkt innovativ. Apple stellt den „Status Quo“ in Frage. Apple ruht sich nicht aus. Apple will Antworten jetzt schon liefern, deren Fragen ich vermutlich erst übermorgen stelle.

Und genau so ist es. Ich bin begeisterter Apple-User. Und sicherlich nicht nur deswegen, wie Sinek es beschreibt – ich finde die Apple-Geräte an sich einfach richtig, richtig gut! Aber in der Tat ist es auch der „Spirit dahinter“, der mich diese Produkte verwenden lässt, weil ich einfach weiß: Apple wird nicht stehen bleiben, sondern sich hinterfragen, sich erneuern (innovieren), wird sich den Problemen stellen und Lösungen finden, die ich heute noch gar nicht sehe, weil ich das Problem noch nicht erkannt habe.

Und Kirche so? „Ach ne, lass mal so weitermachen wie bisher. Gleiche Lieder, gleiches Setting, gleicher Ablauf, gleiche Liturgie, gleicher Talar, gleiches Alles.“ …und sich dann wundern, dass Menschen der Kirche scharenweise den Rücken kehren.

Menschen haben ein Gespür für das „Warum“, für das „Dahinter“. Ich erlebe das immer dann, wenn Menschen bei uns in der Gemeinde neu sind, wenn sie den Gottesdienst besuchen und dann – meistens nach ein paar Besuchen – Sätze äußern wie.

„Man merkt, dass ihr das aus Leidenschaft macht, was ihr macht.“

„Hier fühle ich mich angenommen, hier kann ich sein, wie ich bin.“

„Es ist einfach so schön hier.“

„Ihr seid so wohltuend normal.“

Das alles hat mit dem, was im Gottesdienst geschehen ist, erst mal überhaupt nichts zu tun. Da kam keinerlei Äußerung über die Inhalte der Predigt oder die Liedtexte. Aber Menschen haben einen „Spirit“ gespürt, eine Atmosphäre. Und genau das dürfen wir nicht unterschätzen. Die Frage nach dem „Warum“ ist gleichzeitig auch die Frage nach dem „anders Denken“.

Dieses „anders Denken“ – oder wie ich es immer nenne: „out of the box denken“ – hat keinen Selbstzweck. Es geht nicht darum, sich selbst dafür zu loben, dass man „anders denkt“. Für mich bedeutet dieses „anders Denken“, dass ich mein Gegenüber wertschätze! Ich nehme wahr, dass mein Gegenüber viel mehr interessiert und viel mehr bewegt als das, was sich im Sichtbaren, auf der Oberfläche abspielt. Ich nehme wahr, dass mein Gegenüber Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse hat, denen ich sehr wahrscheinlich nicht adäquat begegnen kann, wenn ich lediglich den „Status Quo“ kultiviere.

Man mag es gut finden, man mag es schlecht finden: Wenn Kirche nicht mit der Zeit lernt, dass „anders Denken“ Wertschätzung des Gegenübers bedeutet, dann geht sie mit der Zeit.

Denn Menschen sind nicht doof. (Was für ein tiefer Satz.) Wer spürt, dass es einer Institution lediglich um den Selbsterhaltungstrieb geht, wird nicht lange dabeibleiben.

Was würde geschehen, wenn wir uns die Frage nach dem „Warum“ radikaler stellen würden?

Und was würde geschehen, wenn unsere Antworten darauf ganz ehrlich sind?


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Was macht Kirche zukunftsfähig?

Über dieses Thema mache ich mir immer wieder Gedanken – erst neulich, als es um den „Gottesdienst der Zukunft“ ging oder auch im Blick auf die Corona-Pandemie und was wir für die Zukunft daraus lernen können („Corona. Gemeinde. Pastor. Bestandsaufnahme und Ausblick.“ und „5 Dinge, die es auch nach der “Corona-Krise” braucht„). In diesem Artikel geht es aber um mehr – es geht um Kirche als solche.

Hier kommen also 7 laut ausgeschriebene Gedanken, was Kirche zukunftsfähig macht. Bedenke: Das hier ist ein Blog – keine wissenschaftliche Abhandlung.

1Zurück zum wirklichen Auftrag

Bevor wir uns über das WIE und WAS unterhalten, ist eines klar: Kein Mensch braucht eine Kirche, die lediglich die schlechte Kopie einer politischen Partei (egal welcher Art) ist. Der Auftrag von Kirche ist in erster Linie ein ganz simpler und einfacher:

Macht zu Jüngern alle Menschen, indem ihr hingeht, indem ihr tauft und indem ihr sie lehrt alles zu befolgen, was ich euch aufgetragen haben!Die Bibel - Matthäus 28,20

Das sind die letzten Worte Jesu und das ist der Auftrag von Kirche: Menschen, die Gott noch nicht kennen, sollen zu leidenschaftlichen Nachfolgern von Jesus werden. Dafür gibt es Kirche, dafür existiert sie in tausenden Gemeinden vor Ort: Damit Menschen Jesus Christus erleben, annehmen und ihm nachfolgen.

Keinen anderen Auftrag hinterließ Jesus seinen Jüngern.

Heute jedoch rutschen vielerorts in Kirche Randthemen ins Zentrum. Da geht es mehr um Klimaschutz, den interreligiösen Dialog und Positionierungen zu Genderthemen. Das kann man alles machen, das ist nicht die Frage – aber es nicht der ureigenste Auftrag von Kirche!

Kirche muss sich unbedingt darauf zurückbesinnen, was ihr „U.S.P.“ (unique selling point) ist! Wenn der nicht klar ist, bringen die folgenden Punkte auch nichts. Denn wir sollten uns im Klaren sein: Kirche ist ein „geistliches Geschehen“. Wir Menschen können es nicht „machen“. Dass Glaube entsteht, dass Beziehung zu Jesus gelebt wird, das kann ich (als Pfarrer) nicht „machen“. Ich kann aber eines: Den Weg ebnen, darüber reden, prüfen, ob das, was ich sage, dem Auftrag Jesu entspricht und ob es dem zuträglich ist, dass Menschen in Jesus allein die Wahrheit und die Rettung für ihr Leben erkennen.

Ich glaube, dass Gott nicht segnet, was er nicht gut findet. Ich glaube aber, dass Gott seinen Segen dort ausgießt, wo Menschen dem Missionsauftrag nachkommen und Kirche sich um diesen Missionsauftrag herum gestaltet. Kirche hat keine andere Wahl – dieser Auftrag ist ihr gegeben. Wo sie ihm nicht nachkommt, verlässt sie die Wege ihres „Chefs“ – und nun ja. Wer einen Chef hat, der weiß: Dessen Weg, dessen Vorgaben, dessen Vorstellungen nicht zu beachten oder links liegen zu lassen, ist keine gute Idee. Er ist ja nicht umsonst Chef und weiß, was am besten ist.

Deswegen: Wenn Kirche in Form der örtlichen Gemeinden nicht diesen Missionsauftrag ernst nimmt und ihr gesamtes Handeln dem unterstellt, dass Menschen zu Nachfolgern von Jesus werden und auf Zeit und Ewigkeit gerettet werden, dann braucht es die folgenden Punkte auch nicht.

Wo der Missionsauftrag aber im Zentrum ist, da könnte es durchaus Sinn machen, auch auf die folgenden Punkte zu achten, wenn man sich fragt: Was macht Kirche zukunftsfähig?

2Gleichberechtigung der Formen

Ich rede und schreibe als Pfarrer einer Landeskirche. Das als kleine Vorbemerkung, weil dieser Punkt wohl nicht auf alle Gemeinden zutreffen wird.

Kirche ist nur dann zukunftsfähig, wenn sie sich aus dem Korsett der Tradition befreit. Bevor du Schnappatmung bekommst: Ich sage damit nicht, dass jede Tradition ein Korsett ist. Aber einiges schon.

Pfarrerinnen und Pfarrer werden heute nach wie vor darin ausgebildet, eine Art von Gottesdienst zu halten, der seit Jahrzehnten immer weniger besucht wird. Das ist doch unlogisch, oder? Nein, das ist kirchliches Denken! Und das verstehe ich nicht. Wenn ich merke, dass etwas nicht funktioniert, dann ändere ich es. Punkt. Wenn ich es nicht ändere, nehme ich es blindlings und naiven Glaubens hin, dass es ja doch vielleicht eventuell am Sankt Nimmerleinstag besser werden könnte. Und dafür werden dann Millionen Kirchensteuergelder eingesetzt. Hmmm, da wird man doch mal fragen dürfen, ob das so sinnvoll ist?

Zu einer Gleichberechtigung der Formen gehört aber eine ganze Menge: Im Herbst wird in der Evangelischen Landeskirche in Baden ein neuer Landesbischof gewählt. Wie wäre es, wenn die Wahlkommission nur mal diese beiden Punkte berücksichtigt: Wir benötigen einen Bischof, der sich zurückbesinnt auf den Ur-Auftrag von Kirche und der dafür steht, dass Formen kirchlichen (vor allem gottesdienstlichen) Lebens gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Dann werden Pfarrerinnen und Pfarrer nicht nur darin ausgebildet, einen Talar zu tragen, liturgische Formeln zu sprechen (und deren Bedeutung und Ursprung zu kennen, was ich wirklich (!) mega spannend und interessant fand im Vikariat), Lieder zu kennen, die nicht mehr unsere Sprache sprechen, die von einem Instrument begleitet werden, das heutzutage nur noch sehr wenige Menschen hören.

Sondern Pfarrerinnen und Pfarrer lernen, wie gleichberechtigt und nicht stattdessen Gottesdienste im 21. Jahrhundert aussehen können, die Menschen ansprechen und der Gottesdienstbesuch wieder wächst, ebenso wie solche Gottesdienste ästhetisch, musikalisch und gestaltungsdynamisch (altdeutsch: liturgisch) ein wahres Fest für Menschen der heutigen Zeit sind.

Das aber wiederum würde bedeuten, dass das Ausbildungssystem unserer Landeskirche(n) sich radikal ändern müsste. Und nochmal: Es geht nicht darum, „das eine“ neben „dem anderen“ zu dulden – es geht um eine Gleichberechtigung der Formen.

3Digitalisierung fördern

Als ich vor Weihnachten mit einer Person aus dem Oberkirchenrat unserer Landeskirche telefonierte, fragte ich sie, was das nächste Projekt sei, das die Landeskirche im Bereich Digitalisierung voranbringen wolle. Antwort: Ein digitales Akten- und Archivierungssystem.

Ernsthaft?

Wo andere Gemeinden sich Gedanken darüber machen, wie sie im Zuge der Digitalisierung mehr Menschen erreichen können durch Streaming-Angebote, durch hybride Gottesdienstformate, durch digitale Arbeitssysteme (so genante Work OS [Work Operating System]) oder diverse Apps – überlegt „meine“ Landeskirche, wie Akten und Daten besser digital archiviert und verwaltet werden können.

ACHTUNG: Ich halte das für superwichtig und notwendig, denn die gleiche Landeskirche kam in der jüngsten Vergangenheit auf die Idee: „Komm, alle reden von Digitalisierung, wir blähen die Verwaltung etwas auf und entwerfen neue Formulare im Rechnungswesen, die die Arbeit erschweren.“ Deswegen ist ein digitales Akten- und Archivierungssystem super hilfreich – aber jetzt? Wirklich jetzt? Ist es jetzt die richtige Zeit, genau darüber zu reden und dieses Projekt zu priorisieren?

Ich erlebe in meiner Gemeinde Folgendes: Auch Menschen, die weder „digital natives“ noch „U60“ sind, widmen sich den digitalen Medien wie YouTube, Videokonferenzen, WhatsApp und unserer Smartphone-App für die Gemeinde und kommen bestens damit klar, sind informiert und vor allem: Sie bleiben dadurch Teil der Gemeinschaft, die gerade vieles (nicht alles!) in den digitalen Raum verschieben muss.

Nein, die Digitalisierung ist nicht der Weisheit letzter Schluss und schon gar kein Patentrezept für gelingende Gemeindearbeit. Sie ist aber eine Form, die Teilhabe an gemeindlichem Leben ermöglicht – und zwar gerade denen, die unter den momentanen Umständen leiden und die dadurch auch in Zukunft leicht(er) Teil haben können an Gemeinde.

Insofern ist ein guter Digitalisierung-Prozess kein „nice to have“, sondern Grundlage, wenn Kirche zukunftsfähig sein will.

4Nicht „für“ sondern „mit“ den Menschen

Wir sollten aufhören zu denken, dass wir als Kirche etwas „für“ Menschen „anbieten“. Das führt unweigerlich zu einer „Wir – Sie“-Konstellation und verstärkt ein „Drinnen – Draußen“-Denken, das nicht wirklich hilfreich ist.

Natürlich kann man das nicht in allen Bereichen von Kirche durchdenken und auf gleiche Weise praktizieren. Nur ein Beispiel: In unserer Gemeinde haben wir unser Kleingruppen-Konzept so ziemlich auf den Kopf gestellt, weil das bisherige nur sehr wenig Wachstum brachte. Das neue Kleingruppen-Konzept denkt wesentlich inklusiver und nicht abgrenzender. Es geht nicht darum, sich um Bibel, Tee und Salzbrezeln zu versammeln, sondern das zu tun, wofür mein Herz ohnehin schon schlägt (das kann auch die Kombination Bibel, Tee und Salzbrezeln sein) und dafür Menschen gewinnen und begeistert, dass sie es gemeinsam mit mir tun. Wo sie auf ihrer Glaubensreise stehen? Vollkommen egal. Sie müssen aber eines nicht sein: Helden im Glauben!

Genauso der Gottesdienst: Er ist keine abgehobene Versammlung ein paar durchgeknallter Religiösen, sondern ein Ort, an dem Menschen Gott kennenlernen. Das bedeutet, dass der Gottesdienst (wir sind noch mittendrin im Veränderungsprozess) konsequent von Gästen und Besuchern her gedacht und konzipiert wird. Und mit Verlaub: Da fallen mir schon so manche Gottesdienstformate ein, die einfach nicht flächendeckend einladend sind und das Klischee bedienen, dass Kirche „altbacken“ und „verstaubt“ sei. Das ist sie aber nicht – sie macht nur manchmal den Eindruck.

Und auch nicht jede liturgisch traditionelle Form ist per se schlecht, nur sollten wir die Augen offen halten und sehen, ob wir wirklich „mit“ den Menschen unterwegs sind.

5Experimentierfreudigkeit kultivieren

Experimentierfreudig sein – ist das eine. Diese Experimentierfreude zu fördern – das andere.

Ich erlebe Kirche oft so: A hat eine ziemlich coole Idee. Um diese umzusetzen, benötigt er aber B, C und D, die ihm mit Ressourcen wie Geld, KnowHow, Ermöglichung und Zeit zur Seite stehen. B würde gerne erst mal einen ausgefeilten 10 Punkte-Plan sehen. C möchte, dass diese coole Idee aber nicht nur der einen Zielgruppe, sondern der gesamten Gemeinde zugute kommt. D „weiß nicht so recht, was er davon halten soll und betet erst mal“.

Die Folge: A ist ziemlich frustriert, das Experiment findet nicht statt und die coole Idee nie den Weg in die Gemeinde. Dummerweise pausiert das Leben in dieser Zeit nicht, geht weiter und der „Kairos“, der entscheidende Moment, für diese Chance wurde verpasst.

Ganz ehrlich: Kirche ist manchmal so schrecklich behäbig und kompliziert. Ich wünschte mir, all den „A“-Typen dieser Welt zu sagen: „Kommt zu uns und….“ oh, warte. Wir haben auch einige B-, C- und D-Typen am Start. Das wird wahrscheinlich überall der Fall sein.

Ich glaube, ausgerechnet jetzt ist nicht die Zeit, um sich lange Gedanken zu machen. In einer Welt, die sich immer schneller wandelt, müssen wir auch mal losgehen, durchstarten und auf die Nase fallen, um dann wieder aufzustehen, aus den Fehlern lernen und neu durchstarten. Das müssen wir in Gemeinden kultivieren – und eben nicht nur „akzeptieren“, wenn Fehler entstehen.

6Ehrlich währt am längsten

Was ich jetzt schreibe, ist alles andere als wissenschaftlich fundiert. Aber ich könnte wetten, dass eine Menge Dinge, die in der Gemeinde geschehen, nur deswegen geschehen, weil verantwortliche Personen nicht ehrlich sind. Das zeigt sich vor allem daran, dass es zu manchen Dingen in der Gemeinde einfach keine Erklärung gibt.

Das unausgesprochene Pendant zu „Das haben wir schon immer so gemacht!“ ist „Ich find’s auch doof – aber wenn wir das Thema angehen, steigt uns eine bestimmte Gruppe aus der Gemeinde auf’s Dach!“ Also reiten wir das tote Pferd weiter.

Ich glaube, dass in vielen, vielen Gemeinden unter diesem Deckmantel der Angst Dinge weitergeführt werden, weil man sich nicht traut, sie offen und ehrlich auszusprechen. Ja – manches davon findet seinen Ursprung in schlechter Leiterschaft. Aber nicht alles. Und ich wünsche mir und glaube, dass Kirche nur dann zukunftsfähig ist, wenn sie ehrlich wird – zu sich selbst.

Das kann ja auch durchaus einen befreienden Charakter haben, wenn man nämlich die Dinge ausspricht und feststellt: Eigentlich geht es anderen ganz genauso wie mir. Ich habe das schon erlebt – und am Ende steht meistens, das die ganze Gruppe herzlich lacht. Kein Scherz! Und Lachen tut gut. Lachen ist die beste Medizin. Das wissen wir. Also nur Mut zu mehr Ehrlichkeit!

7Ehrenamtliche nicht nur den Drecksjob machen lassen

Ok, das ist provokant. Aber wir sind jetzt schon vorangeschritten im Artikel und ich wollte einfach deine Aufmerksamkeit ein wenig pushen.

Gleichzeitig meine ich damit: Kirche lebt davon, dass jeder etwas dazu beiträgt, weil Gott unabhängig von Ämtern begabt. Es gibt in meiner Gemeinde Dinge und Arbeitsbereiche, die würde man klassischerweise sehr wahrscheinlich unbedingt dem Pfarrer zuschreiben. Der (konkret: ich) kann das aber nicht. Also machen es Menschen, die es können, die eine Leidenschaft dafür haben und die Gott dafür begabt hat. Und ich kann mich mehr Dingen widmen, die ich wirklich kann und in denen ich von Gott begabt bin.

Natürlich ist mir klar, dass ich als Pfarrer und damit Leiter der Gemeinde auch eine Verantwortung trage – keine Frage. Nur sind mir Ämter und Titel schnuppe. Sobald ich merke, dass Gott eine Person richtig stark gesalbt und befähigt hat in einem Bereich, der eigentlich bei mir angedockt ist, muss ich loslassen und diese Person diesen Bereich übernehmen lassen.

Wie heißt der zwar abgedroschene aber zutiefst wahre Satz: Gott beruft nicht die Begabten, sondern begabt die Berufenen.

Und ich würde hinzufügen:

Gott beruft nicht die Amt- und Würdenträger, sondern gibt den Berufenen Amt und Würde.

Das sind 7 Gedanken. Alles andere als auf Vollständigkeit und der Weisheit letzter Schluss überprüft. Einfach Gedanken, die ich persönlich für wichtig halte.

…und wenn du Lust und Zeit hast, am 18. März dabei zu sein, klick dich hier rein:

https://joinclubhouse.com/event/m74wl203


Noch mehr inspirierenden Content bekommst du in meinem Podcast „Einfach glauben“. In einer immer komplexer werdenden Welt, helfe ich dir genau dabei: einfach glauben!

In diesem Podcast bekommst du Anregungen und Inspiration wie „einfach glauben“ mitten im 21. Jahrhundert, mitten im Alltag, mitten in deinem Leben geht.

Meinen Podcast „Einfach glauben“ findest du auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Anklicken, anhören, abonnieren.

Apple Podcasts | Deezer | Spotify | www.david-brunner.de/podcast/


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Von Gott beschützt

Ein Kinderbuch auf meinem Blog? Ja! Und was für eins! Ein wunderschönes! Und darüber hinaus das erste Buch mit voller Punktzahl auf meinem Blog. 

Als Papa und Pastor liegen mir Kinder besonders am Herzen und ich ärgere mich regelmäßig, welch geringen Stellenwert Kinder in Gemeinden haben. Da muss der Kindergottesdienste in irgendwelchen abgehalfterten Räumen stattfinden, Mitarbeiter für den Erwachsenenbereich gibt’s jede Menge, aber im Kinderbereich sieht’s mau aus. Geld wird ohne Ende investiert in Orgel, den Erhalt alter Gebäude und andere nicht zukunftsträchtige Bereiche – aber wenn der Kindergottesdienste neues Spielmaterial benötigt, muss er beim Ältestenkreis erst mal einen Antrag stellen, der deutscher Bürokratie gerecht wird.

Umso mehr freue ich mich, wenn es Medien gibt, die nicht nur kindgerecht sind in der Sprache, sondern auch in ihrer Gestaltung, du das Buch in die Hand nimmst und sagst: „Wow! Warum gibt’s das jetzt erst?!“

Genau solch ein Buch ist „Von Gott beschützt. Inspiriert von Psalm 91“.

Ein echtes Meisterstück

M. Florian Walz ist ein echtes Meisterstück gelungen mit wunderschönen, selbst gezeichneten Illustrationen und Übertragungen von Psalm 91 in die Sprache von Kindern. Auf der Rückseite des Buches steht die Frage: „Wie würde Psalm 91 klingen, wäre er für Kinder geschrieben worden?“ Meine Antwort: So! Genau so, wie M. Florian Walz ihn geschrieben hat. Als dreifacher Familienpapa weiß er natürlich, was Kinder hören müssen und wie Kinder sprechen.

Das Buch ist im quadratischen Format und enthält pro Doppelseite eine große Illustration sowie einen Satz (einen Vers) aus Psalm 91.

Durch meine Hände sind viele Kinderbücher gewandert mit biblischem Inhalt. Und ich habe – bis auf wirklich wenige Ausnahmen – entweder gedacht: „Tolle Texte, aber keine schönen Illustrationen“ oder „Tolle Bilder, aber den Text versteht doch kein Kind“. Dabei ist es doch das Beste, das Kindern passieren kann, wenn sie schon in jungen Jahren mit biblischen Texten und geistlichen Wahrheiten vertraut werden.

Und nicht wenige Eltern, denen der christliche Glaube wichtig ist, fragen sich: Wie kann ich meine Kinder an die Bibel „heranführen“? Wie schaffe ich es, dass meine Kinder Freude an der Bibel und am Lesen in der Bibel entwickeln?

Natürlich will ich „Von Gott beschützt“ nicht verzwecken. Das Buch wirkt an sich auf großartige Weise, da bin ich mir sicher. Ein schöner „Nebeneffekt“ ist, dass Kinder einen ganz natürlichen Zugang zu Gottes Wort bekommen – Kinder im Alter von ca. 4-8 Jahren.

Das Gesamtpaket passt einfach

Ein kleines Beispiel. Es gibt so diesen „One and only“-Taufvers, den sich Eltern als Bibelvers zur Taufe wünschen, wenn sie ihr Baby taufen lassen (hey, bitte, keine Grundsatzdiskussion zur Taufe – ich habe dazu einen Artikel geschrieben: 10 Gründe für die Gläubigentaufe). Und dieser Am-meisten-gewünschter-Taufvers steht eben in Psalm 91. Machen wir den Vergleich.

Psalm 91,11+12

Luther-Übersetzung:
Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

Walz-Übertragung:
Denn Gott hat sogar seinen Engeln gesagt, dass sie auf dich aufpassen sollen. Du bist für Gott so wertvoll, dass es auch ihm wehtut, wenn du auf einen Legostein trittst und dir daran wehtust.

Was mich an „Von Gott beschützt“ begeistert, ist eben genau dieses „Tolle Texte, tolle Bilder“. Das Gesamtpaket passt, ich habe mich sofort in das Buch „verliebt“, es in der Hand gehalten und gedacht „Wow!“ Das ist das Ergebnis, wenn ein freiberuflicher Designer mit Leidenschaft und Überzeugung „am Werk ist“.

Als Gemeindepfarrer, Relilehrer, Kinderclubleiter und Interims-Kinderpastor (by the way: Wir suchen einen Kinderpastor / eine Kinderpastorin in unserer Gemeinde www.wutachblick.de – also meld dich gerne) ist dieses Buch ein Geschenk. Im wahrsten Sinne. Ich werde nämlich einige Exemplare beim Verlag bestellen, denn dieses Buch hat das Potenzial in das Herz von Kindern (und deren Eltern, die es vorlesen) zu sprechen, geistliche Wahrheiten ganz liebevoll hineinzulegen und so schon in jungen Jahren das Herz eines Kindes mit Gottes Liebe füllen und formen. Was gibt es Schöneres?

Und zum Schluss noch eine wunderbare Nachricht: Im Sommer erscheint das nächste Buch von M. Florian Walz in der Bilderbuchreihe „Inspiriert von…“ über einen sehr bekannten Text (oder besser gesagt längeren Abschnitt) im Neuen Testament. Ich freue mich jetzt schon drauf!

M. Florian Walz: Von Gott beschützt
40 Seiten
ISBN: 978-3-417-28913-8
Verlag: SCM-Verlag
Preis: 12,99 EUR

Wenn du einen Blick in’s Buch werfen möchtest, kannst du das in diesem Trailer des Verlages tun:


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Wie sieht der Gottesdienst der Zukunft aus?

Dieser Frage habe ich mich gestellt. Chris Cuhls (www.ablaufregisseur.de) von Sonntagmorgens.de wollte das wissen. In 60 Sekunden sollte ich mein Statement geben. Leute. Echt mal. 60 Sekunden. Ihr wisst schon – das fällt mir schwer. Aber ich habe die Challenge angenommen und ihr könnt das Video am Ende des Beitrages sehen.

Ein paar Gedanken will ich hier ein bisschen weiter ausbreiten als ich das im Video kann.

Alles beginnt mit dem „Warum“

Schnell sind wir auf Grund der momentanen Corona-Pandemie und der voranschreitenden Digitalisierung in der Gefahr, zu sagen: Der Gottesdienst muss digitaler werden. Es muss mehr gestreamt werden. Die Gottesdienstbesucher müssen online eingebunden werden. Wenn die Präsenzgottesdienste wieder öfters stattfinden und die Normalität werden, bitte unbedingt hybrid feiern, also: offline und online zugleich.

Das ist alles gut und schön – aber nicht die wichtigste Frage.

Die wichtigste und für mich alles entscheidende Frage ist: Warum feiern wir Gottesdienste?

Meine Antwort darauf ist:

Wir feiern Gottesdienste, damit Menschen, die Gott noch nicht kennen, in eine Beziehung zu Jesus hineinwachsen können.David Brunner

Ganz ehrlich: Was bringt der technisch ausgereifteste, multimedial und digital perfekt inszenierte Gottesdienst, wenn’s doch nur um Friede, Freude, Eierkuchen geht (oder die kirchliche Variante: Friede, Bewahrung der Schöpfung und soziale Gerechtigkeit) aber nicht darum, wie Menschen gerettet werden können und in eine Beziehung zu Jesus hineinfinden und hineinwachsen können?

Oder anders ausgedrückt: Was bringt solch ein Schnickischnacki-Gottesdienst, wenn Gottes Herzenswunsch, den er in der Bibel formuliert, nicht nachgekommen wird?

Gott will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden.Die Bibel - 1. Timnotheus 2,4

Also. „Everything starts with why“ würde Simon Sinek sagen. Es geht um das große „Warum“. Warum feiern wir Gottesdienste? Mögliche Antworten gibt’s ja viele:

  • Weil wir grad nichts Besseres zu tun haben.
  • Weil wir das schon immer so gemacht haben.
  • Weil Du Kirche alles nehmen kannst – aber nicht den Gottesdienst.
  • Weil Sonntagmorgens die Leute einfach Zeit haben.
  • Weil’s so schön ist.
  • Weil ich gerne in der Kirche gesehen werde.
  • Weil kein Gottesdienst auch keine Option ist.
  • Weil ich nichts anderes kann.
  • Weil die Kirche sonst ja gar nichts mehr machen würde.

Es gäbe so viele mögliche Antworten (die zugegebenermaßen auch ernsthafter sein können als die, die ich gerade aufgelistet habe). Aber allen voran müssen wir Klarheit über das „Warum“ haben.

Nochmal: Antworten gibt es viele – aber in meinen Augen nur eine sinnvolle. Und das ist die oben schon erwähnte: „…damit Menschen, die Gott noch nicht kennen, in eine Beziehung zu Jesus hineinwachsen können.“

Ich glaube mehr denn je, dass das, was Menschen, was unsere Gesellschaft, was diese Welt benötigt, ist die lebendige Beziehung zu Jesus. Aus ihr allein oder besser gesagt aus Jesus allein gibt es wirkliche Hoffnung, wirklichen Trost, wirkliche Freude und vor allem: beständiges und ewiges Leben, das schon dort beginnt, wo ich mein Leben Jesus anvertraue.

Ich möchte keine Zeit vergeuden mit Randthemen. Ich möchte die Chance nutzen und Menschen im Gottesdienst zum Glauben an Jesus Christus einladen. Sonntag für Sonntag. Der Gottesdienst ist die „Veranstaltung“, die über alle Gemeindegrenzen, Konfessionsschranken und Denominationshürden hinweg die Veranstaltung ist, die es quasi immer und überall gibt, die einer Gemeinde niemals genommen wird und welche die öffentlichkeitswirksamste Veranstaltung vermutlich mit der niedrigsten Hemmschwelle (da öffentlich) ist.

…und hat sehr konkrete Folgen!

Das hat natürlich zur Folge, dass Gottesdienste sich verändern müssen. Der Alltag, die Alltagsthemen, die Alltagssorgen, die Alltagswünsche eines Menschen im 21. Jahrhundert müssen ihren Widerhall im Gottesdienst finden – denn nur dann kann der Gottesdienst (besser gesagt: Jesus selbst und das im Gottesdienst Gehörte und Erlebte) seinen Widerhall im Alltag der Menschen finden.

Was in der Theorie nett klingt, hat in der Praxis ganz konkrete Folgen:

  • Sprechen unsere Lieder eine Sprache, die ein Mensch, der heute (!) lebt, versteht?
  • Sprechen wir in der Moderation und Predigt eine Sprache, die ein Mensch, der heute (!) lebt, versteht?
  • Finden Menschen schnell, wo sie online unseren Gottesdienst mitverfolgen können?
  • Ist unser Kirchengebäude einladend?
  • Funktioniert die Heizung und gibt’s warmes Wasser auf den Toiletten zum Händewaschen?
  • Läuft der Livestream des Gottesdienstes reibungslos und ruckelfrei?
  • Werden Gottesdienstbesucher am Eingang freundlich begrüßt, oder aufgezwungen fromm oder gar nicht?
  • Gibt es ein „Welcome Team“, das Menschen vor Ort auch nach dem Gottesdienst noch anspricht, sie willkommen heißt und für Rückfragen da ist?
  • Werden Gottesdienstbesucher, die online mitfeiern, im Chat begrüßt und begleitet?
  • Drehen sich die Gemeindeglieder und Mitarbeiter nur um sich selbst oder gibt es so etwas wie die „Zwei Minuten-Regel?“
  • Was bekommen Erstbesucher als kleines Willkommensgeschenk?
  • Wird der Gottesdienst wirklich „gefeiert“ oder ist es eher eine tröge Veranstaltung zum Abgewöhnen?
  • Spielt die Musik, die für Menschen, die Gott noch nicht kennen, relevante Musik ist oder spielt die Musik, die „halt schon immer in der Kirche gespielt wurde“?
  • Welche Themen werden im Gottesdienst / in den Predigten angesprochen? Sind sie lebensrelevant oder churchy?
  • Wissen Online-Gottesdienstbesucher, wie sie ihren nächsten Schritt (oder Klick) machen können?
  • Ist das Setting des Gottesdienstraumes ansprechend oder eher abschreckend?

Puh. Kein Bock mehr? Bitte nicht! Es macht so viel Freude, an diesen Fragen zu arbeiten. Und es gibt so viele, unglaublich gute Hilfsmittel dafür. In unserer Kirchengemeinde (www.wutachblick.de) sind wir noch lange nicht so weit, dass alle dieser Fragen zufriedenstellend beantwortet werde könnten. Also nicht, dass du denkst, ich schreib hier nur Dinge auf, bei denen ich bzw. wir in der Gemeinde „auf der sicheren Seite“ sind. Oh nein. Beim besten Willen nicht.

Aber weißt du was? Wir arbeiten dran! Wir geben unser Bestes!

Analog, hybrid, digital? Unbedingt!

Kommen wir wohl zu der Frage, die man sofort hinter der eigentlichen Fragestellung nach Gottesdiensten der Zukunft vermutet: Sollen Gottesdienste digital stattfinden und wenn ja: Wie? Oder doch nur analog? Oder hybrid – also analog und digital zugleich?

Meine Antwort kannst du dir denken, wenn du den „Fragenkatalog“ oben aufmerksam durchgelesen hast. Diese Fragen zielen nämlich auf eine hybride Form von Gottesdienst ab.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unbedingt alles daran setzen sollten, wenn das „Warum“ klar ist, unsere Gottesdienste auch der „digitalen Welt“ zur Verfügung zu stellen.

Wir haben das in unserer Gemeinde getan und es hat sich schon fast so etwas wie eine „Online-Gemeinde“ entwickelt. Durch die weitere Digitalisierung und das Durchstarten mit Online-Video-Konferenzen ergibt sich eine unglaublich große und wunderbare Möglichkeit, diese Menschen auch nicht nur passiv am Gottesdienste teilnehmen zu lassen, sondern sie auch aktiv mit einzubinden in das weitere Gemeindegeschehen.

Ich finde das total faszinierend und bin sehr gespannt, was sich hier in Zukunft noch tun wird.

Eines aber ist klar: Wir dürfen als Gemeinde nicht verpassen, auf den digitalen Zug aufzuspringen. Das kann von Gemeine zu Gemeinde ganz unterschiedlich aussehen – das ist vollkommen klar.

Eines aber ist auch klar: Das „Wie“ ist niemals die entscheidende Frage im Blick auf „Gottesdienstzukunft“ sondern das „Warum“.

…und übrigens: Wenn du Inspiration suchst, wirst du am 6. März von 14-16 Uhr fündig. Denn dann gibt’s eine tolle Online-Schulung von tollen Leuten. Einfach hier klicken: www.sonntagmorgens.de.


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Gemeinde, Veränderung und die kleine Raupe Nimmersatt

Letzte Woche war ich eingeladen als Speaker in einem Clubhouse-Talk über „Change in Gemeinde, Kirche und christlichen Organisationen“. Dabei wurde ich gefragt, welches Bild mir in den Sinn kommt, wenn ich über Veränderungsprozesse in einer Kirchengemeinde nachdenke. Ich musste nicht lange überlegen – und das Bild war da: Die kleine Raupe Nimmersatt.

Falls du die Geschichte nicht kennst, bist du ein bedauernswerter Mensch, aber zum Glück gibt es ja das große, weite Internet, in dem du fündig wirst. Entweder du kaufst dir das wunderschöne Bilderbuch oder schaust dir die Geschichte auf YouTube an.

Die Story

Eric Carle beschreibt in diesem Klassiker der Kinderliteratur, wie die kleine Raupe Nimmersatt sich so durch die Woche frisst. Am Montag gab’s noch einen gesunden Apfel, dienstags gab’s zwei Birnen und so geht es die ganze Woche weiter – und es kommen auch ’ne Menge ungesunde Dinge dazu.

„Aber satt war sie noch immer nicht“ ist die Aussage, die am Ende eines jeden Tages zu lesen ist.

Am Ende der Woche aber hatte sie Bauchschmerzen – nun ja, das Menü war auch echt mal übel. Da würde es mir auch schlecht werden.

Im weiteren Verlauf des Buches wird beschrieben, wie aus der Raupe ein wunderschöner Schmetterling wurde.

Kleine Kirche Nimmersatt?

Irgendwie kommt mir Kirche oft so vor. Sie frisst ’ne Menge in sich rein über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte – vergisst dann aber, sich zu verändern. Was bei der Raupe von Natur aus angelegt ist, ist für den Menschen und für eine Organisation unnatürlich – und dadurch schmerzhaft und kein Automatismus. Veränderung muss schon gewollt sein, sonst wird das nix.

Ist für die Raupe der Moment der Verpuppung sowie der Verwandlung in einen Schmetterling ein ganz normaler weiterer Entwicklungsschritt, gegen den sie sich gar nicht wehren kann, sondern in ihrem Wesen angelegt ist – so ist das bei Kirche – scheinbar – gerade nicht der Fall. Zumindest kann man den Eindruck gewinnen, wenn heute noch Kirche in einem Gewand auftritt, das sich größtenteils in den letzten Jahrzehnten bis Jahrhunderten kaum verändert hat:

  • Es werden Lieder gesungen, die mehrere hundert Jahre alt sind.
  • Die Dienstkleidung von Pfarrerinnen und Pfarrern geht in die Zeit zurück, als Deutschland einen Kaiser hatte.
  • Das Instrument der Wahl, das in den mit Abstand meisten Kirchen gespielt wird, findet sich in den heutigen Charts nicht einmal unter „ferner liefen“.
  • Die liturgische Sprache ist eine Sprache, die heute kaum Alltagssprache ist.
  • Die Gebäude sind weder zweckdienlich noch nachhaltig im Blick auf Ökonomie und Ökologie, aber dafür oft mehrere Jahrhunderte alt.

So negativ das klingt: Ich mein’s noch gar nicht mal so negativ. Die Dinge können ihre Berechtigung haben – aber müssen immer hinterfragt werden, ob sie dem Auftrag dienen. Und der Auftrag ist simpel: Sich einklinken in die Mission Jesu und die bestand darin, was er selbst von sich sagte:

Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.Die Bibel - Lukas 19,10

Kirche und Gemeinde muss sich immer wieder die Frage stellen: Tun wir das uns Bestmögliche, um diesem Auftrag und dieser Sendung Jesu nachzukommen?

Und als zweite Frage:Sind wir als Kirche bereit, Veränderungen einzugehen und nicht einfach nur – wie die Raupe – alles in uns „reinzufressen“?

Und übrigens: Das gilt für JEDE Kirchengemeinde. Die Liste oben ist natürlich speziell aus meinem beruflichen Kontext, der Landeskirche, entnommen. Die Liste kann aber gefüllt werden von jeder Gemeinde, die ihre eigenen „reingefressenen Dinge“ hat. Wir als Kirchengemeinde (www.wutachblick.de) beispielsweise haben – obwohl wir eine Gemeinde der Landeskirche sind – vieles der oben genanten Dinge abgelegt und einen Veränderungsprozess schon seit vielen Jahren (und Jahrzehnten) durchlaufen.

Veränderung tut weh

Das ist so. Das streite ich nicht ab. Das wissen wir schon bei der ganz natürlichen Veränderung, die ein Mensch durchläuft vom Kleinkind über Kind, vom Teenager zum Jugendlichen und jungen Erwachsenen, vom Erwachsenen bis hinein ins Seniorenalter. Veränderung ist nie einfach – Veränderung tut weh.

Veränderungsprozesse in einer Kirchengemeinde schmerzen genauso.

  • Wenn der Gottesdienst ausgerichtet wird an Menschen, die Gott noch nicht kennen, spielen „liebgewonnene Traditionen“ von langjährigen Kirchenmitgliedern eine untergeordnete Rolle, denn sie sind nicht Fokus der Veränderung.
  • Wenn der Gottesdienst nicht mehr morgens sondern am Sonntagabend stattfindet, dann wirft das gewohnte Tagesabläufe und Strukturen erst einmal gehörig durcheinander.
  • Wenn im Zuge der Digitalisierung man nicht mehr irgendwelche handgeschriebenen Post-Its als Gottesdienstablauf verkauft, sondern bspw. über ChurchTools sich organisiert, dann muss man sich da erst mal richtig reindenken.
  • Wenn im Gottesdienst nicht mehr (nur) die altehrwürdigen Choräle gesungen werden, sondern modere Lobpreislieder – dann werden viele Menschen einiges vermissen.
  • Wenn die musikalische Begleitung der Lieder durch zeitgemäße Instrumente erfolgt und nicht mehr durch die Orgel – dann ist das eine Challenge für viele, die sie bis an Grenzen führt, die sie nicht dachten zu haben.
  • Wenn den Pfarrer auf Grund von Veränderungen Emails erreichen, die in ellenlangen Ausführungen deutlich machen, weshalb diese ganzen Veränderungen umbiblisch und unmenschlich seien, dann braucht es Mut, dazu zu stehen.
  • Wenn aus „lebenslangen Hauskreisen“ zeitlich terminierte Kleingruppen werden, stellt das manch einen vor die Frage, ob er Teil dieser neuen Kleingruppenkonzeption sein möchte.

Der Mensch ist ein paradoxes Wesen. Sein Leben lang unterliegt er (siehe die Entwicklungsstadien oben) Veränderung – aber wenn er es wählen kann, würde er Veränderung am liebsten aus dem Weg gehen. Denn Veränderung bedeutet: das Gewohnte zurücklassen, sich auf Neues einlassen, die Komfortzone verlassen und Veränderungsschmerzen zulassen.

Schönheit durch Veränderung

Kommen wir zurück zur kleinen Raupe Nimmersatt. Die meisten Raupen entlocken uns selten ein „Wow! Ist das ein wunderschönes Wesen!“ Auf wenn ich zugebe: Viele Raupen sehen total faszinierend aus – aber für manche sind Raupen sogar eklig. Was uns aber einen Ausdruck des Staunens entlockt, ist ein wunderschöner Schmetterling – nach dem erfolgreichen Veränderungsprozess.

Und so glaube ich, dass eine Gemeinde, die durch Veränderungsprozesse geht, automatisch „schöner“ wird und damit anziehender für Menschen, die Jesus noch nicht kennen. Nochmal: der Auftrag von Gemeinde ist der gleiche Auftrag bzw. die gleiche Mission, die Jesus hatte:

Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.Die Bibel - Lukas 19,10

Wenn wir uns in Gemeinde fragen, wie wir Menschen für Jesus erreichen können, dann werden Veränderungsprozesse am Ende aus der Gemeinde etwas Schönes entstehen lassen. Schönheit ist für Menschen immer attraktiv – und so wird es auch mit Gemeinde sein. Wir können viele Programme und Strukturen, Konzepte und Strategien entwerfen – das ist alles sinnvoll und nützlich, um die Dinge konkret werden zu lassen und nicht einfach nur als nette Gedankenspielerei dann doch irgendwo sang- und klanglos untergehen zu lassen.

Doch in erster Linie sollte uns bewusst sein: Wo Gemeine sich auf den Weg macht, ihre bisherigen Strukturen, Aktionen, Planungen, Traditionen und Äußerungsformen zu hinterfragen, um noch mehr Menschen für Jesus zu gewinnen, wird dieser Veränderungsprozess mit Schönheit und Erfolg gesegnet sein. Denn Veränderung ist in der DNA von Kirche angelegt, seit es Kirche gibt. Wirkliche Kirche, wirkliche Gemeinde Jesu ist immer sich verändernde Gemeinde, sich verändernde Kirche, weil Kirche nicht anders kann und nie anders konnte.

Deswegen ist dieses Bild der „kleinen Raupe Nimmersatt“ ein für mich sehr starkes und inspirierendes Bild, wenn es um Kirche und Veränderung geht.

Vertraue darauf: Wo die auftragsorientiert (Lukas 19,10) Veränderungsprozesse in deiner Gemeinde anstößt, begleitest und leitest, wird es am Ende „schöner“ sein als zuvor – auch wenn der Weg, die Verpuppung, bis dahin mitunter nicht so schön ist. Es lohnt sich! Bleib dran!


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