Der Mensch ist unheilbar sehnsuchtsvoll. Und das ist gut so! Sehnsucht treibt unsere Seele an, sich nicht mit dem Status Quo abzufinden. Sie lässt uns “mehr” erwarten, hoffen und ist der Motor dafür, mutig und kühn in die Zukunft zu schauen und nicht zu resignieren.
Sehnsucht nach dem Ewigen
In letzter Zeit ist mir das durch viele Begegnungen, Gespräche und Situationen deutlich geworden. Dabei kommt mir immer eine Bibelstelle in den Sinn, die im Kontext eines recht bekannten Abschnitts der Bibel steht. In diesem Abschnitt geht es darum, dass alles auf dieser Erde seine jeweils eigene Zeit hat: Geboren werden und sterben; lachen und weinen; streiten und versöhnen – und noch vieles andere. Nachzulesen in den ersten Versen im ersten Teil der Bibel in Prediger 3.
Am Ende dieser Aufzählung steht ein auf den ersten Blick etwas unscheinbarer Satz, der leider kaum zitiert wird, aber mein Nachdenken über Gott und den Menschen regelrecht in eine neue Dimension katapultiert hat:
Ich finde das faszinierend. Gott hat uns als Menschen damit ausgestattet, in unserem Herzen eine Sehnsucht nach der Ewigkeit zu haben. Das im Hebräischen zugrunde liegende Wort meint dabei die Ewigkeit nicht nur als einen zeitlich unbegrenzten Abschnitt, sondern vielmehr als ein “Leben, das im Kontext der Unendlichkeit und Ewigkeit Gottes” stattfindet.
Diese Ewigkeit und genauer gesagt diese Sehnsucht danach, trägt jeder Mensch in seinem Herzen – mal schütten wir es mit alltäglichen und irdischen Dingen ganz gut zu – manchmal blitzt diese Sehnsucht in uns aber auch durch. Vor allem dann, wenn wir Situationen, Beziehungen oder Erlebnisse als unheilvoll, unvollständig, fragmentarisch oder einfach nicht zufriedenstellend wahrnehmen. Und Hand auf’s Herz: davon gibt es jede Menge!
Heilung und Heilsein als Inbegriff von Ewigkeit
Wie aber sieht diese Ewigkeit, dieses “Leben im Kontext der Unendlichkeit und Ewigkeit Gottes” aus? Darüber gibt uns die Bibel eine sehr klare Auskunft – in ihrem letzten Buch, der Offenbarung:
Danach sehnt sich unser Herz. Nach einem Leben ohne Tränen, ohne Tod, ohne Trauer, ohne Weinen und ohne Schmerz. Die Sehnsucht nach der Ewigkeit, nach dem Ewigen, nach der ungetrübten Gegenwart Gottes auf unendliche Zeit hat einen ganz konkreten Inhalt: nichts Unheilvolles, nur noch Heilvolles.
Deswegen ist es nicht nur legitim oder “erlaubt”, nach Heilung zu fragen und Gott um Heilung zu bitten – es ist vielmehr eine ganz logische Folge dessen, was Gott selbst in unser Herz gelegt hat.
Dabei geht es sowohl um körperliche Heilung als auch um Heilung von Beziehungen und allem Unheilvollem, dem wir in unserem Leben immer wieder finden und das wie in unserem Leben und in unserer Biografie immer wieder aufspüren.
Oder um es noch deutlicher zu sagen: Gott freut sich, wenn wir uns nach Heilung sehnen und ihm das auch sagen!
Leben in einer “gefallenen Welt”
Nun erleben wir es aber nicht, dass alles Unheilvolle und Fragmentarische in unserem Leben wieder heil und ganz wird. Im Gegenteil. In manchen Situationen stehen wir kurz davor, regelrecht zu verzweifeln, weil Heilung (noch) nicht eintritt und wir vieles als immer noch und nach wie vor unheilvoll erleben.
Das hat auch einen Grund. Wir leben in einer “gefallenen Welt”, das heißt: Wir leben nach dem Sündenfall, von dem die Bibel in 1. Mose 3 berichtet. Der Mensch entfernte sich von Gott und tut dies auch heute immer und immer wieder. Je größer diese Lücke zwischen Gott und Mensch wird, desto mehr Platz ist für Unheilvolles und Zerstörerisches.
Aus diesem Grund kann hier auf Erden gar nicht alles heil werden – so sehr wir uns danach sehnen – da uns dieser Zustand erst für die Ewigkeit verheißen ist, also für die Zeit, die anbricht, wenn Jesus auf diese Erde zurückkehrt.
Bis dahin gilt es, die “eschatologische Spannung” zwischen “schon jetzt” und “noch nicht” auszuhalten.
“Schon jetzt” zeichnet das Leben eines Christen aus, dass er “Gottes wunderbare Wort und die Kräfte der kommenden Welt kennen gelernt hat” (Hebräer 6,5) aber “noch nicht” in dieser lebt, “denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf jenen Tag, an dem Gott offenbar machen wird, wer wirklich zu seinen Kindern gehört.” (Römer 8,19)
Die eschatologische Spannung aushalten
Und deswegen gilt, dass wir uns dieser Spannung immer wieder bewusst sein müssen. So sehr sich unser Herz danach sehnt, dass Dinge in ihre ursprüngliche und von Gott wunderbar erdachte und erschaffene Ordnung kommen, so sehr gilt es aber auch anzuerkennen, dass wir nicht mehr und noch nicht “im Paradies leben”.
Und das ist absolut nicht einfach und dennoch mache ich dir Mut, um Heilung zu beten und die Sehnsucht nach Heilung nicht aufzugeben. Wann, wie und auf welche Weise Gott Heilung schenkt, ist seine Sache – und manchmal gilt, Gottes Souveränität anzuerkennen, was natürlich wesentlich leichter fällt, wenn ich glaube, dass Gott es gut mit mir meint, weil sein eigentliches Wesen das eines vollkommenen Vaters ist.
Diese eschatologische Spannung veranlasst uns nicht, unsere Hände in den Schoß zu legen, nichts zu tun und das Pendel auf die Seite “noch nicht” ausschlagen zu lassen. Vielmehr sollte sie uns immer und immer wieder ins Gebet treiben und das Vertrauen lehren, dass es ein “schon jetzt” gibt. Jeden Tag auf’s Neue oder wie Paulus sagt:
Wenn du also das nächste Mal diese Sehnsucht nach Heilung und Heilsein in dir verspürst und Situationen, Erlebnisse oder Beziehungen als unheilvoll und fragmentarisch erlebst – dann bitte Gott genauso um Heilung wie bei Krankheit. Sei nicht enttäuscht, wenn (zunächst) nichts geschieht, aber wird dein Vertrauen nicht weg, denn es birgt in sich eine große Belohnung (Hebräer 10,35).
Ich möchte nicht einem fatalistisch ertragenen Unheil das Wort reden. Genauso wenig will ich unverantwortlich behaupten, dass Gott für alles Heilung schenken wird. Ich glaube und hoffe aber fest darauf, dass nicht nur das “noch nicht” gilt – sondern auch und erst recht das “schon jetzt”.
Schon jetzt heilt Gott, lässt uns Anteil haben an seinem ewigen Heil, gewährt uns einen Blick in seine Ewigkeit und weder schaut er weg noch hört er weg, wenn seine Kinder zu ihm beten.
Und ich muss an ein Wort von Dietrich Bonhoeffer denken, der einmal sagte:
“Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen.“