“Facts are your friends” – ein simpler Satz, der eine große Wirkung zeigt. Bill Hybels (Gründer und ehemaliger Pastor der Willow Creek Community Church) hat ihn wie kaum ein anderer Leiter, von dem ich viel gelernt habe, geprägt.
Fakten sind deine Freunde – nicht deine Feinde! Aber leider behandeln wir sie im Kontext von Gemeindeleitung oft als solche.
Ich gebe dir ein Beispiel aus dem alltäglichen Leben, ehe ich auf die (Gemeinde-)Leitungsebene gehe.
Stell dir vor, du möchtest abnehmen – autsch! Nicht dieses Thema?! Doch! Keine Sorge. Es tut nicht weh.
Also. Du möchtest abnehmen. Was ist der beste Weg?
- Du stellst dich auf die Waage und machst den “Status Quo”-Check und hoffst, dass auf dem Display nicht erscheint: “Bitte nicht in Gruppen auf die Waage stehen!”
- Du überlegst dir ein gutes Konzept, was für dich stimmig ist, wie du X Kilo bis zu Tag X verlieren kannst.
- Du setzt dieses Konzept um.
- Du kontrollierst dein Vorhaben immer wieder durch den Gang auf (ganz wichtig: auf, nicht neben) die Waage.
- Du bist gnädig mit dir selbst, wenn der Weg doch steiniger wird als erwartet und du feierst Erfolge, wenn sie sich einstellen.
Fakten sind keine Feinde
Nun ist es so, dass viele schon Schritt 1 nicht gehen, weil sie Angst vor der Zahl auf der Waage haben. Dabei ist das aus zwei Gründen falsch: Zum einen wirst du schon ein (Körper-)Gefühl haben, das dir sagt, ob du mal ein paar Kilo abnehmen sollst oder nicht. Zum zweiten ist nicht die Zahl auf der Waage das Problem, sondern Dinge wie schlechte Ernährung, falsche Gewohnheiten oder mangelnde Bewegung. Die Zahl dokumentiert lediglich, was ohnehin schon gut oder schlecht läuft.
Fakten (im Sinne von Zahlen) sind also keine Feinde, sondern Freunde.
Nicht anders ist es in der Gemeinde. Ich mach es dir an einem ganz konkreten Beispiel deutlich.
In unserer Gemeinde feiern wir sonntags zwei Gottesdienste – um 09.30 Uhr und um 11.00 Uhr. Diese waren immer so gut besucht, dass wir uns gar keine Gedanken darüber machen mussten, ob das nun zu viel oder zu wenig Gottesdienste sind.
Nach zwei Jahren Pandemie oder besser gesagt schon im Verlauf der Pandemie stellten wir nach und nach fest: Wir benötigen keine zwei Gottesdienste am Sonntagmorgen, es ist ausreichend, wenn wir einen Gottesdienst feiern, denn die Anzahl der Besucher ist in der Pandemie zurückgegangen.
Fakten verursachen Schmerzen
Also was tun? Richtig: Wir reduzieren auf einen Gottesdienst.
Wir schauen der Realität und den Fakten ins Auge und erkennen, dass ein Gottesdienst ausreichend ist. Diese Entscheidung im Leitungsteam zu treffen, war nicht einfach, auch wenn sie ganz offensichtlich aussehen mag. Denn mit dieser Entscheidung ist ein Schmerz verbunden: Der Schmerz darüber, dass wir in der Pandemie kleiner geworden sind, was den Gottesdienstbesuch betrifft, obwohl wir doch unbedingt wachsen wollen.
Die Challenge an sich ist analog zur Frage nach dem Abnehmen nicht die tatsächliche Anzahl von Gottesdienstbesuchern, sondern die Umstände, die dazu führten. Und diese sind vielfältiger Natur, die von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich aussehen. Einige Gründe können sein:
- die Pandemie mit ihren Herausforderungen
- Gemeindeglieder laden andere nicht zum Gottesdienst ein
- die Form des Gottesdienstes und die Art, wie er gefeiert wird
- die Uhrzeit
- das Setting (Kirchengebäude, Willkommenskultur, Ästhetik)
- und logisch: ein generelles Desinteresse am Glauben
Auf unterschiedliche Art nun kann auf diese verschiedenen Faktoren reagiert werden. Und du merkst schon: Das ist nicht trivial. Nimm alleine nur mal das Stichwort “Willkommenskultur”. Dahinter verbirgt sich so viel. Ich will also nicht sagen, dass die ganze Angelegenheit einfach wäre.
Fakten bewahren dich vor größerem Unheil
Schau auf die Waage: Wenn die Zahl viel zu hoch ist, dann solltest du etwas unternehmen und dir nicht in die eigene Tasche lügen.
Wir haben als Gemeindeleitung auch auf die Fakten geschaut und ich meine, dass wir uns und unsere Gemeinde vor größerem Unheil bewahren. Denn man könnte ja einfach stur weitermachen und so tun als ob nichts ist. Das wird dazu führen, dass die Dinge nach und nach “den Bach runtergehen”. Oder du änderst etwas, auch wenn’s weh tut. Aber ich bin mir sicher: Es ist besser, als nichts zu tun!
Wir haben eine Exit-Strategie, weil wir wachsen möchten. Das heißt, wir schauen die Entwicklung der Zahlen ganz genau an und ab einem gewissen Punkt werden wir wieder zwei Gottesdienste anbieten – mindestens!
Ich ermutige dich: Schau die Fakten an und verschließe nicht die Augen vor ihnen. Ja, es kann schmerzhaft sein. Ja, es kann bedeuten, dass du zunächst einen Weg gehen musst, der nicht schön ist, den du dir anders ausgemalt hast und der sich nicht nach “Gewinnen” anfühlt. Aber manchmal müssen wir diese (Um-)Wege gehen, damit Gott mit uns ans Ziel kommt.
Auf einen Missstand (wenn wir ihn als solchen wahrnehmen), können wir nur reagieren, wenn wir aktiv werden und eben nicht “die Dinge laufen lassen”. Das geschieht in Gemeinde leider viel zu oft – weil’s halt “schon immer so war” und niemand den Mut hat, die Dinge anzusprechen. Wenn du in einer Leitungsposition bist, ist das aber dein Job! Du kannst nicht einfach drüber hinweg schauen und sagen “Ok, das wird schon…irgendwie…keine Ahnung wie, aber das wird schon.”
Also – mach’s konkret! Was läuft in deiner Gemeinde gerade nicht wie gewünscht und wo denkst du schon eine Weile: “Man müsste mal…” Ändere es jetzt! Nicht “man”, sondern “ich”, nicht “müsste”, sondern “werde”, nicht “mal, sondern “jetzt”: Ich werde jetzt…!
Schau dir die Fakten an – sie sind deine Verbündeten auf dem Weg in eine bessere Zukunft!
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