Neulich fragte mich meine Tochter:
“Papa, was heißt eigentlich loben?”
Zugegeben dachte ich erst einmal, dass mir jetzt sicherlich nichts einfällt, wie ich ihr verständlich erklären könnte, was “loben” heißt. Aber im nächsten Moment antwortete ich ihr einfach spontan: “Dem anderen sagen, wie toll er ist.”
Ein Lobpreis-Experiment
Meine Tochter war zufrieden und mir kam der Gedanke: Ist das eigentlich auch Lobpreis? Und falls ja: Wieso drehen sich dann so viele Lieder im “Lobpreis” um denjenigen, der singt und nicht um den, der besungen wird?
Es wäre doch in der Tat mal ein Versuch wert, zumindest für eine Zeit, für einen Gottesdienst, für einen Monat…die Lieder im Gottesdienst so auszuwählen, dass während der Lobpreis- und Anbetungszeit nur Lieder gesungen werden, in denen es nicht um den Menschen geht. Selbst eine Aussage wie “Gott du bist so toll, weil du mir hilfst” würde schon durch’s Raster fallen, weil es ja wieder um “mich” geht.
Und ist genau das nicht das Problem der Lobpreis- und Anbetungskultur in unseren Gemeinden (oh nein, ich pauschalisiere nicht), dass es dann doch irgendwie und letzten Endes um den geht, der singt und nicht alleine um die Größe und die Anbetung Gottes?
Kleiner Einschub an alle, die sich jetzt schon die Hände reiben, weil sie ohnehin der Ansicht sind, dass christliches Liedgut durch die moderne Lobpreiskultur verkommen würde und ohnehin nur die Lieder Inhalt haben, die älter als 200 Jahre sind (was in meinen Augen übrigens nicht stimmt): Auch in vielen “alten” Chorälen (die ich teilweise sehr mag) ist sehr, sehr oft vom “Ich” und nicht vom “du” die Rede oder besser gesagt: Auch das “Du” kommt nur in Relation zum “Ich” vor. Ok, ich will hier nicht abdriften, denn streng genommen kann es ein “Du” auch nur geben, wenn es in Beziehung zum “ich” steht – aber du weißt hoffentlich noch, was ich eigentlich schreiben wollte.
Ich, mich, meiner, mir – oder um was geht’s?
Natürlich bin ich Gott von Herzen dankbar, dass ich ihn nicht einfach nur “Gott”, sondern “Papa” nennen darf – und dass das wohl die Gottesbezeichnung ist, welche für mich persönlich am stärksten und kräftigsten ausdrückt, dass der Gott der Bibel ein beziehungsorientierter Gott ist.
Und doch: Schaffen wir es eigentlich, ihn noch anzubeten, ohne dass seine Größe, seine Majestät, seine Hilfe, seine Kraft, seine Stärke sofort und unabdingbar mit uns selbst in Beziehung gebracht wird?
Bibelkenner unter uns werden jetzt mit der Stirn runzeln und sagen “Hä? Was will der Kerl hier? Wenn wir in die Psalmen (Gebete im ersten Teil der Bibel) schauen, ist da ständig vom “Du” und “Ich” die Rede.”
Korrekt. Ich habe nämlich auch nicht geschrieben, dass ich diese beziehungsorientierte Sprache komplett mal gerne beiseite schieben würde. Überhaupt nicht.
konsumorientiertes Selfie-Christentum
Aber – um mal zum Knackpunkt zu kommen: Ich glaube, dass unsere westliche Christenheit in großen Teilen (ich bin kein Wissenschaftler, weswegen ich jetzt leider ein wenig pauschalisieren muss und darf) ein sehr egozentrisches und konsumorientiertes Selfie-Christentum lebt. Denn um was geht es eigentlich im Glauben? Dass ich ein gutes Leben hier auf der Erde führe? Dass Jesus mein Lebensverbesserer und Diesseitsschönermacher ist?
Ehrlich: Das glaube ich nicht. Zumindest kann ich das nicht aus der Bibel heraus lesen. Schaue ich mir große Persönlichkeiten der Bibel an wie Paulus, Petrus, Maria, Miriam, Mose oder – last but not least – Jesus, dann kann ich nicht guten Gewissens sagen, dass der letzte Sinn des Lebens darin besteht, dass ich ein “gutes Leben” führe – zumindest nicht nach menschlichen Gesichtspunkten und Deutehorizonten.
Happy End?!
Ach, ich schweife ab. Sei’s drum. Was ich eigentlich sagen wollte: Lasst uns in unseren Gemeinden Gott anbeten, ihm die Ehre geben, ihn preisen – oder eben: Ihm sagen, wie toll er ist! …und der Rest wird sich mit Sicherheit geben. Man nennt das “Vertrauen”. Vertrauen, dass dieser Gott, den ich anbete, gleichzeitig der Gott ist, den ich “Papa” nennen darf und der alles im Blick und in seiner Hand hält.
Insofern könnte Lobpreis und Anbetung doch eigentlich auch wie ein kleiner Test oder Wasserstandsmeldung zu sehen sein, wie es um mein Vertrauen bestellt ist.
Aber nein. Ich will nicht das eine gegen das andere ausspielen. Überhaupt nicht. Es braucht Zeiten, in denen wir Gott danken, ihn bitten, ihn anbeten, ihm klagen, ihn anklagen, uns freuen, mit ihm weinen – weil und trotzdem wir in der Beziehung mit ihm leben. Keine Frage. Und dann braucht es eben diese Zeiten, in denen wir es schaffen, von uns weg zu schauen und einzig und allein auf den zu schauen, dem alle Ehre, alle Anbetung und aller Lobpreis wirklich gebührt.