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Auslöschung

Zugegeben: Die Lektüre des Romans “Auslöschung” hat mich leicht aufgewühlt und verwirrt zurückgelassen. Auch wenn es nur knappe 120 Seiten sind, entfalten diese eine Wucht und Tiefe sondergleichen.

Irgendwas zwischen “Was war das denn?” und “Alter Schwede, war das krass!” beschreibt wohl am ehesten, was ich so direkt nach dem Beenden der Lektüre dachte.

Aber wieso schreibe ich hier über einen Roman? Weil “Auslöschung” schlicht und einfach alles andere als ein ganz normaler Roman ist.

Um was geht’s?

Da fängt’s schon an. Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Äußerlich betrachtet – und damit wird der Roman auch allenthalben beworben – geht es um einen islamistischen Terrorakt in Berlin. “Auslöschung” ist nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 erschienen und hat Anklänge daran, wobei das erste Manuskript dieses Romans schon im Jahr 2016 entstand.

Ein nicht näher benannter und bekannter Journalist erzählt aus der Ich-Perspektive, wie er in Berlin bei einem Festakt im “Haus der Kulturen” auf Einladung des Theater-Regisseurs Lichtenberger teilnimmt. Bei diesem Anlass ereignet sich ein Terrorakt, dessen Beschreibung ich hier nicht vorwegnehme, um ein bisschen die Spannung zu halten. Sagen wir mal so: Es wird deutlich, es wird explizit, es wird unmissverständlich. Islamistische Terroristen verüben einen Anschlag, welcher der – aus ihrer Sicht – verkommenen und demoralisierten westlichen Gesellschaft gilt.

Mitten in dieses Geschehen tritt die verstorbene Frau des Protagonisten – als Einbildung? Real? Ohne an dieser Stelle spoilern zu wollen, nimmt “Auslöschung” spätestens jetzt so richtig an Fahrt auf, da sich nun verschiedene Erzählstränge und Zeitebenen miteinander verbinden.

Das ist auch der Grund, weshalb man nach der Lektüre von “Auslöschung” erst einmal einen Moment braucht, um “im Hier und Jetzt wieder anzukommen” – für mich ein Zeichen dafür, dass es dem Autoren gelungen ist, mich “in eine andere Welt zu entführen”, was jeder gute Roman tun sollte.

So weit, so gut. Ich weiß, dass das keine zutreffende Inhaltsangabe ist, aber das ist auch nicht meine Absicht, da die Gefahr bestehen würde, viel zu sehr vorwegzugreifen und den ein oder anderen Überraschungsmoment zu zerstören.

Explosive Zwischentöne und kaum zufällige Parallelen

Verlassen wir mal den eigentlichen Inhalt, nehmen eine Meta-Ebene ein und schauen uns den Protagonisten und seinen besten Freund namens “Lichtenberger” genauer an. Letzter ist wie schon erwähnt Regisseur am Theater und mit jedem Wasser gewaschen. Im Laufe eines Dialoges zwischen den beiden entpuppt sich der Gedanke, dass die wohl provokanteste Inszenierung in unserer heutigen Zeit die Story einer “Vollzeitmutter” wäre – alles andere (sei es noch so krude und pervers) schockt im Theater niemanden mehr, so Lichtenberger:

Doch womit will ein Theatermensch das postmoderne Publikum heutzutage noch irritieren? Mit der alten Gleichstellung von Faschismus und Bürgertum? Mit Schwulen- und Transgenderpornos? Auch in diesem Punkt ist Lichtenbergers Diagnose scharf: Das postmoderne Publikum praktiziert frühere Bühnen-Skandale heute längst im eigenen Leben und veranstaltet wirkliche Perversionen und schlachtet wirkliche Kinder im Mutterbauch, weil die Frauen ihren Körper nur noch als Besitz betrachten, als Modelliermasse fürs Fitnesscenter, wie auch die Männer nur noch von ihrem Spiegelbild besessen sind und sich kreuz und queer durch die Lebensabschnittpartner blättern.Auslöschung, S.66

Starker Tobak. Durchaus. Und nicht jeder mag diese Ansicht teilen. Aber an dieser Stelle kommt noch eine kleine “Verwirrung” ins Spiel. Wobei – lass es uns eher eine “Verstehensdimension” des Romans nennen. Ich kenne den Autor, Giuseppe Gracia, viel zu wenig und habe bisher lediglich sein – absolut empfehlenswertes – Buch “Die Utopia-Methode: Der neue Kulturkampf gegen Freiheit und Christentum” gelesen, das ebenfalls im Fontis-Verlag erschienen ist.

Im Zuge dessen habe ich ein wenig über Gracia recherchiert und muss zugeben: Was ich gelesen habe, hat mich sehr angesprochen. Dass er in “Auslöschung” genauso wie (wohl) in seinen anderen Romanen gesellschaftskritische Töne anschlägt, scheint nicht von ungefähr zu kommen, wobei ich beim Lesen von “Auslöschung” mich an manchen Stellen gefragt habe, ob der Roman auch autobiografische Züge enthält.

Aber wie gesagt: Dazu kenne ich Gracia zu wenig, aber die Parallelen zwischen ihm und dem Protagonisten, dessen Namen wir übrigens nie erfahren, sind hinsichtlich mancher Deutungsmöglichkeiten nicht von der Hand zu weisen, wie eben jene gesellschaftskritische Haltung, ein kritisches Hinterfragen manch gängiger Narrative sowie die Kenntnis über diverse journalistische Praktiken, die Garcia nicht fremd sein können hinsichtlich seiner Tätigkeiten u.a. für die “Neuer Zürcher Zeitung“, “Fous online” oder “Die Achse des Guten“. Nun sind das allesamt Medien, die sich ganz sicher nicht dadurch auszeichnen, durch woke Zeitgeistmeinungen aufzufallen.

Oder lassen wir noch einmal den Protagonisten des Romans, seines Zeichens Journalist, zu Wort kommen:

Ich bekomme Brechreiz, wenn ich beobachte, wie sich meine Kollegen dem Zeitgeist anbiedern, wie sie vor den herrschenden Denkmoden kriechen. Es ist zum Kotzen, wie sie sich dabei auch noch mutig vorkommen, wie sie ihren vollkommenen Mangel an Charakter und Haltung als Haltungsjournalismus empfinden, ihren Opportunismus als Moral der Stunde.Auslöschung, S.71

Fazit: Es geht um Wahrheit

Wie oben schon erwähnt, nimmt die Handlung des Romans eine gewisse Wendung, als die (verstorbene) Ehefrau des Protagonisten in Erscheinung tritt. Ihr Name? Veronika.

Generell glaube ich nicht an Zufälle, also auch nicht hier. “Veronika” war die Frau, welche Jesus auf dem Weg nach Golgatha ein Tuch reichte, dass Jesus damit seinen Schweiß und seine Tränen abwischen könne. Auf wundersame Weise (so zumindest sagt es die Legende) war danach Jesu Angesicht im “Schweißtuch der Veronika” zu sehen. Schon im Mittelalter wurde der Name “Veronika” als Anagramm des lateinischen Ausdruckes “vera icon” verstanden – zu deutsch: “wahres Bild”. Dieses “wahre Bild” jedoch bezieht sich nicht auf Veronika – sondern auf das Abbild Jesu auf ihrem Tuch.

Warum also heißt die Ehefrau ausgerechnet “Veronika”? Nun – dazu gäbe es das ein oder andere Deutungsmuster, das ich dir aber selbst überlasse, nachdem du den Roman gelesen hast.

“Auslöschung” kann ich dir sehr empfehlen. Der Roman liest sich zwar einfach, aber ist alles andere als trivial. Die Bilder und Ausdrücke, die sich darin finden, sind gewaltig und tief, bergen Sprengstoff und gleichzeitig eine Mehrdimensionalität, welche sie noch interessanter macht. Vielleicht interpretiere ich auch zu viel in den Roman hinein, aber als einzigen Schwachpunkt erscheint mir, dass die gesellschaftskritischen Töne manchmal zu plakativ daherkommen, auch wenn ich sie teile. Aber vielleicht liegt das auch an der teilweise derben Sprache Lichtenbergers – seines Zeichens ja am Theater tätig, das nicht immer nur für feine Sprache bekannt ist.

Wenn du dich also gerne einem Roman widmest, der wesentlich mehr zu bieten hat, als es auf den ersten Blick scheint, der sich nicht scheut, auch heiße Eisen anzupacken und der dich gleichzeitig mitnimmt in eine vielschichtige und nicht immer zwischen Traum und Wirklichkeit zu trennende Symphonie aus Erzählebenen, bist du bei “Auslöschung” genau richtig.

Giuseppe Gracia: Auslöschung

ISBN: 9783038482789 | Preis: 15,90 Euro

Verlag: Fontis Verlag (www.fontis-shop.de/products/ausloeschung)


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