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Wein. Geschenk Gottes

„Was ist eigentlich ein guter Wein?“ Dieser Frage geht Oliver Kircher in seinem Buch „Wein – Geschenk Gottes“ nach. Und es ist eine faszinierende Reise, die der Leser antritt. Das Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite voller Leidenschaft und Eleganz, voller Liebe und Wissen rund um das Thema „Wein“.

Ich kenne Oliver Kircher nicht persönlich, aber ich würde gerne bei ihm „in die Schule gehen“. Auf bestechende Art und Weise schreibt er nicht nur ein paar Kriterien auf in Form eines Rundumsorglos-Pakets, was denn ein guter Wein sei.

Er geht das Thema viel, viel umfassender, tiefschürfender und nachhaltiger an. Als ich die letzten Seiten gelesen und das Buch zugeklappt hatte, dachte ich: „Wow! Ich will das alles nach und nach umsetzen.“

Tipps und Know-How vom Experten

Oliver Kircher (Jahrgang 1966) ist Pastor und Sommelier. Nachdem er in Süddeutschland zunächst als Pastor tätig war, ist er nun als Weinfachmann und Sommelier unterwegs und bietet unter anderem Seminare zum Thema „Wein und Bibel“ an.

Beim Lesen merkt man sofort: Hier schreibt ein Fachmann, der sich nicht nur Wissen angeeignet, sondern seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er kommt nicht belehrend, sondern begeisternd daher. Und die Vielfalt dessen, die es in diesem Buch zu entdecken gibt, ist unglaublich groß.

Das beginnt bei den ganz kleinen Dingen wie den richtigen Gläsern oder was einen guten Korkenzieher ausmacht. Dann aber geht es natürlich um die „großen Themen“. Wie muss ein guter Boden beschaffen sein, damit er reiche Frucht bringt? Kircher schreibt über die unterschiedlichen Rebsorten und den Weinberg, die einzelnen Pflanzenbestandteile sowie die wichtigen Dinge, die es benötigt, um den Wein nicht nur richtig anzupflanzen, sondern auch zu pflegen.

Es geht um Aromen, die Farbe des Weins und was einen Tropfen zu einem „edlen Tropfen“ macht. Im Prinzip könnte man sagen: Kircher lässt nichts aus, was zum Thema „Wein“ zu schreiben wäre.

Was mich beim Lesen immer wieder begeistert hat, sind vor allem drei Dinge: Kircher schreibt voller Leidenschaft. Wie oben schon erwähnt, vermittelt er nicht nur Wissen, sondern schreibt und schöpft aus einem breiten Erfahrungsschatz als Sommelier und Weinexperte. Er lebt, was er schreibt.

Zum zweiten besticht dieses Buch durch eine gewisse Eleganz. Die Wortwahl, die Vergleiche bis hin zum Satzbau ist es keine triviale Sprache. Die Schönheit des Weins spiegelt sich in diesem Buch in der Schönheit der Sprache wider. Es macht schlicht und einfach große Freude, an diesem Buch dran zu bleiben und die Wein-Entdeckungsreise nicht zu oft zu unterbrechen.

Und zuletzt schreibt Kircher sehr authentisch. Gespickt ist dieses Buch mit persönlichen Erlebnissen des Autors – aber auch mit persönlichen Fehlern und falschen Annahmen, die er vor allem zu Beginn seiner Wein-Leidenschaft lebte und machte. Das macht es für mich als Laien natürlich noch attraktiver, ihm „zuzuhören“, weil hier niemand „von oben herab“ schreibt, sondern sich wirklich nicht zu schade ist, eigene Fehler zuzugeben, aus denen er selbst gelernt hat.

Wein, Gott und die Bibel

Und dann kommt etwas dazu, was mich wirklich beeindruckt. „Wein – Geschenk Gottes“ ist der Titel des Buches. Wie wird nun das Ganze miteinander verbunden? Irgendwie platt und mit der frommen Keule? Mitnichten!

„Wie aus dem Nichts“ würde man im Fußball sagen, tauchen plötzlich biblische Vergleiche, Bibelstellen oder biblische Personen auf, die sich in das von Kircher Erzählte einfügen. Aber nicht, dass sie stören würden – ganz im Gegenteil: Wie ein organisches Geschehen, wie zwei Dinge, die einfach zueinander gehören und gar nicht künstlich nebeneinander gestellt werden müssen schreibt Kircher über Wein – und über seinen Glauben. Er schreibt über die Schönheit des Weins und dass er des Menschen Herz erfreue (Psalm 104), er schreibt über den Fleiß, die harte Arbeit, die der Weinbau mit sich bringt – und findet einige biblische Beispiele.

Was mich theologisch besonders fasziniert, sind seine Darlegungen zum Genuss. Kirche bzw. der christliche Glaube steht scheinbar oft in der Gefahr, von zwei Seiten des Pferdes herunterzufallen: Entweder sind Christen die größten Spaßbremsen oder sie übertreiben es gewaltig und schwelgen in Luxus (vgl. manch Skandale in der katholischen Kirche oder bei Verkündigern des sogenannten Wohlstandsevangeliums).

Kircher wählt und beschreitet den Mittelweg – und das auf herausragende Weise. Er schafft es, immer wieder (und vor allem in der zweiten Hälfte des Buches) den Genuss des Weines, was mit Sicherheit auch Luxus ist, auf verantwortungsvolle Weise geistlich zu verorten.

Denn wenn Menschen die kreative Fähigkeit besitzen, mehr aus der Nahrungsaufnahme zu gestalten, als sich schlicht überlebensnotwendige Nährstoffe zuzuführen, dann hatte wohl doch der schöpferische Gott seine Finger im Spiel. Ihm geht es darum, dass wir Essen und Trinken mit allen Sinnen wahrnehmen können. Wir dürfen dabei Freude und Lebensglück empfinden.Oliver Kircher: Wein, S. 128

Freude und Lebensglück. Das passt zu Wein – das passt aber auch zu diesem Buch.

Praktische Tipps und hohe Ästhetik

Zwei Dinge runden dieses Buch so richtig schön ab. Zum einen ist es die Ästhetik. Neben der sprachlichen Ästhetik ist es auch die grafische Gestaltung des Buches, die sehr ansprechend ist. Viele Fotos von Wein, Weinreben, Weinbergen, von üppig gedeckten Tischen mit leckeren Gerichten und Weingläsern belegen: „Das Auge liest mit.“ Man bekommt richtig Lust, das Gelesene anzuwenden.

Zum zweiten sind es jede Menge „Wissensboxen“ im Buch, in denen der Autor ganz praktisches Wissen – also „Tipps & Tricks“ weitergibt. Als eines von vielen Beispielen seien nur die Wissensboxen genannt zur Kombination von „Wein und Mahlzeit“ – sprich: Welcher Wein passt zu welcher Mahlzeit?

Und zu guter Letzt für alle, die sich theologisch noch mehr in das Thema hinein vertiefen möchten, bietet Kircher am Ende eine Übersicht ausgewählter Bibelstellen zum Thema Wein mit einigen Gedanken und Erklärungen.

Mehr Infos über den Autor: www.weinpfarrer.de

ZUSAMMENFASSUNG
„Wein – ein Geschenk Gottes“ bietet kompakt in einem Buch nicht nur Wissen über Wein sondern auch über biblische Zusammenhänge zu diesem Thema.

Ästhetisch und sprachlich sehr ansprechend gestaltet ist es eine wahre Fundgrube für jeden, der sich eingehender mit dem Thema beschäftigen möchte. Der Leser findet nicht nur nachahmenswertes Know-How sondern auch viele geistlich-theologische Gedanken, die weit über das Thema „Wein“ an sich hinaus reichen und Antworten auf theologische Fragen nach dem Genuss, der Großzügigkeit und kreativen Schöpferliebe Gottes und einem verantworteten Umgang mit Wohlstand.

Ich empfehle dieses Buch gerne, weil ich der Überzeugung bin, dass jeder, der gerne Wein trinkt, nach dem Lesen dieses Buches dem Weingenuss noch intensiver, noch verantworteter und noch leidenschaftlicher nachgehen wird.

[su_icon_text icon=“icon: book“ icon_color=“#3b5998″]208 Seiten[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: book“ icon_color=“#3b5998″]ISBN: 978-3-7751-5970-8[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: map-marker“ icon_color=“#3b5998″ url=“https://www.scm-shop.de/wein-7515598.html?pa=8801005″ target=_blank]SCM Verlag[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: euro“ icon_color=“#3b5998″]19,99[/su_icon_text]

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How to Dad

Wie um alles in der Welt kann ich eigentlich ein guter Papa sein? Und wie kann ich meine Kids im Glauben an Jesus erziehen, so dass sie selbst ihren Glauben leben wollen und nicht darunter leiden, „fromm erzogen zu sein“? (Wie leider so viele junge Menschen!)

Wäre es nicht gut, es gäbe ein Buch, das nicht mit Lösungen um die Ecke kommt, sondern mit Erfahrungen, Erlebnissen, Momenten des Scheiterns und inspirierenden Storys?

An alle Papas: dieses Buch ist wirklich gut! Wieso? Drei einfache Gründe: Erstens ist der Autor, Jerrad Lopes, selbst Papa. Zweitens schreibt er in seinem Buch von jeder Menge peinlicher Momente, in denen du beim Lesen die Augen zukneifst und sagst: „Bitte, bitte, lieber Gott, bitte nicht…..oh er hat es doch getan!“ Und drittens: Jerrad Lopes kommt nicht mit billigen, frommen Floskeln daher oder gar irgendwelcher Patentrezepte.

Kein billiger Ratgeber

„How to Dad“ ist kein Ratgeber mit 101 Fakten und „Must have“. Es ist das Buch eines jungen Vaters, das wirklich inspiriert.

„Warum du nicht perfekt sein musst, um deiner Familie im Glauben voranzugehen“ ist der perfekte Untertitel für dieses Buch. Lopes liefert genug Beispiel! Ich will hier nicht spoilern, ansonsten würde ich euch Szenen aus dem Buch vorstellen, in denen das Wort „Fremdschämen“ oder „Totlachen“ eine ganz neue Bedeutung bekommt. Manchmal habe ich bei Lesen gedacht: „So viel Komik, Tragik, Slapstick und Fettnäpfchen reichen eigentlich für mehrere Väter.“ Lopes aber hat immer „hier“ geschrien.

So lustig das klingt – so sehr ist es die Stärke dieses Buches.

Jerrad Lopes erzählt seine eigenen Geschichten und platziert biblische Personen, biblische Ereignisse oder einzelne Bibelverse wirklich gekonnt und genau am richtigen Platz. Kein einziges Mal dachte ich beim Lesen: „Ach ja, jetzt kommt noch die fromme Keule.“ Vielmehr ist das passiert, was ich mir viel mehr noch von „christlichen Büchern“ wünsche: Die Botschaft der Bibel – egal ob paraphrasieren erzählt oder in Form von Bibelstellen – hat sich vollkommen organisch in das eingefügt, was Lopes schreibt und transportieren möchte.

Reich Gottes ganz praktisch

Lopes gliedert seine neun Kapitel in drei große Bereiche: Teil 1: Das Reich Gottes um dich herum, Teil 2: Das Reich Gottes in dir und Teil 3: Das Reich Gottes durch dich.

Und genau darum geht es ihm in seinem Buch: Reich Gottes. Ich glaube, dass jeder Vater, der sich als Christ bezeichnet, fragt, wie er in dieser Welt einen Unterschied machen und Reich Gottes leben kann. In den letzten Jahren haben wir im deutschsprachigen Raum (vor allem durch die „missionale Theologie“) viel darüber gelesen und hoffentlich auch gelernt, dass Reich Gottes mehr ist als nur Gemeinde – nämlich überall dort, wo wir als Christen hingesandt sind: Unsere Gesellschaft, unser Arbeitsplatz, der Verein, die Nachbarschaft.

Das ist alles korrekt – aber wir haben einen wichtigen Bereich zu wenig thematisiert: Die Familie. Deswegen erscheint Lopes‘ Buch genau zur richtigen Zeit. Es lenkt den Blick darauf, wie christliche Väter und Ehemänner auf eine wirklich gute, ehrliche, authentische und gleichzeitig biblisch fundierte und mit dem Eingreifen Gottes rechnende Art und Weise ihre Identität als Ehemann und Vater leben können.

Lopes schafft es, dieses – zugegeben – große Anliegen auf verständliche Weise in kleine Häppchen aufzuteilen (die drei großen Teile gliedern sich nochmals in jeweils drei Kapitel), kurzweilig zu schreiben und vor allem eines: Den Leser motivieren, das Buch nicht nur zuzuschlagen, sondern nachzudenken, zu beten und Neues auszuprobieren, mag es noch so schräg oder peinlich sein: Bei Jerrad Lopes war es schlimmer – das weiß man nach dem Lesen. Ich sag nur: vermeintliche Autorenlesungen im Schulhof der Schule oder oder ein kleines Kind, das im Supermarkt mal „groß“ muss.

Mehr wird aber nicht verraten! Wenn du Papa bist, kauf dir das Buch unbedingt. Wenn du Mama bist – schenk es dem Vater deiner Kinder. Mich hat es auf jeden Fall sehr inspiriert, mehr „Nein“ zu sagen (zu anderen Dingen) und zu investieren – in meine Ehe und in meine Familie.

Mehr als ein Buch

Wenn du noch mehr über Jerrad Lopes wissen möchtest, empfehle ich dir unbedingt seine Homepage. Er hat mit „Dad Tired“ nicht nur eine Online-Community gegründet, in der sich tausende Väter austauschen (ich bin selbst auch dabei), sondern auch einen eigenen Podcast, Instagram-Account – und somit hast du jede Menge Quellen, um weiter Inspiration zu erhalten.

Wie authentisch und ehrlich Jerrad Lopes an dieses „Thema“ herangeht, habe ich vor wenigen Wochen in einer Zoom-Konferenz (initiiert vom ICF München) selbst erleben können.

www.jerradlopes.com

www.dadtired.com

www.instagram.com/dad.tired/

ZUSAMMENFASSUNG
„How to Dad“ ist genau das richtige Buch für Väter, die ihre Identität als Ehemann und Vater stärken möchten

Einfach geschrieben und dennoch substantiell. Humorvoll und wachrüttelnd zugleich – das ganze Leben als Vater widerspiegelnd erzählt Jerrad Lopes von seinen eigenen Siegen und Niederlagen. Mit biblischen Beispielen und Bibelstellen gestützt ermutigt er den Leser auf unglaubliche Art und Weise. Ein ehrliches, ein authentisches und ein zutiefst hilfreiches Buch!

…und ganz am Ende gibt’s dann doch noch ein paar praktische Beispiele und Ideen.

[su_icon_text icon=“icon: book“ icon_color=“#3b5998″]192 Seiten[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: book“ icon_color=“#3b5998″]ISBN: 9783765521096[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: map-marker“ icon_color=“#3b5998″ url=“https://www.gerth.de/index.php?id=details&sku=192109000″ target=_blank]Gerth Medien[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: euro“ icon_color=“#3b5998″]15,00[/su_icon_text]

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Ankern

„Ich glaube nicht mehr“ ist ein Satz, den ich in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder hörte und las. Der Grund: progressive Theologie. Was verbirgt sich dahinter? Was ist das eigentlich, diese „progressive Theologie“? Wieso ist der Gott progressiver Christen nicht gleichzusetzen mit dem Gott historischer Christen? Was sind überhaupt historische Christen und progressive Christen, historisches Christentum und progressives Christentum? Sind die einen „veraltet“ und die andern „fortschrittlich“?

Auf diese Fragen liefert Alisa Childers profunde und theologisch sauber durchdachte Antworten. Ihr Buch trägt (auf deutsch) zurecht den Untertitel „Eine Verteidigung der biblischen Fundamente in postmodernen Gewässern“. Der englische Originaltitel drückt es vielleicht noch drastischer aus: „Another Gospel?“ („Ein anderes Evangelium?“)

Es geht darum, ob „progressive Theologie“ den Glauben stärkt oder schwächt; ob die Erkenntnisse so genannter „progressiver Theologen“ dazu führen, dass Menschen in ihrem Glauben an Jesus Christus fester verwurzelt oder aus diesem Glauben entwurzelt werden.

Was muss man darunter verstehen?

Heute sind viele populäre christliche Autoren, Blogger und Redner progressiv. Ganze Denominationen sind inzwischen voller Leute, die sich so nennen. Dennoch sitzen viele andere Christen Sonntag für Sonntag in den Kirchenbänken, ohne auch nur zu ahnen, dass ihre Gemeinde sich eine progressive Theologie zu eigen gemacht hat.

Progressive Christen meiden absolute Aussagen und sammeln sich typischerweise nicht um Glaubensbekenntnisse oder Glaubensaussagen. Der progressive Blogger John Pavlovitz etwa schrieb im progressiven Christentum gebe es „keine heiligen Kühe“. Um progressives Gedankengut zu erkennen, mag es deshalb hilfreich sein, den Finger auf gewisse Hinweise, Stimmungen und Haltungen gegenüber Gott und der Bibel zu legen.

So betrachten progressive Christen die Bibel etwa als ein vorwiegend menschliches Buch und betonen das persönliche Gewissen und die persönliche Lebenspraxis gegenüber Gewissheiten und Überzeugungen.

Außerdem neigen sie dazu, wesentliche Glaubenslehren, wie die Jungfrauengeburt, die Göttlichkeit Jesu und seine leibliche Auferstehung, umzudefinieren, neu zu interpretieren oder gar ganz abzulehnen.Alisa Childers: Ankern, S. 18

Sicherlich keine allumfassende Definition von „progressivem Christentum“, aber Childers gibt hierdurch schon einmal ein paar Gedanken mit auf den Weg, wie sie „progressives Christentum“ sieht. Übrigens: Im weiteren Verlauf des Buches zitiert sie immer wieder sehr viele unterschiedliche Vertreter des progressiven Christentums (wie bspw. Brian McLaren, Nadia Bolz-Weber, Rachel Held Evans, Jen Hatmaker, Rob Bell, Brian Zahnd), so dass am Ende des Buches ein weitaus klareres Bild gezeichnet ist, was „progressives Christentum“ bedeutet.

Persönlich betroffen

Childers schreibt nicht distanziert, sondern als direkt Betroffene. Durch das gesamte Buch ziehen sich ihre Notizen und Erinnerungen an einen „theologischen Kurs“ in der Gemeinde, die sie vor einigen Jahren mit ihrem Ehemann besuchte. Der Pastor dieser Gemeinde (ein Agnostiker, wie er sich selbst bezeichnete) bot einen Kurs an, in dem so ziemlich alles hinterfragt wurde, was Childers bis dahin glaubte:

Während dieses Seminars wurden meine Überzeugungen infrage gestellt, mein Glaube erschüttert und mein Innerstes in Aufruhr versetzt. Alisa Childers: Ankern, S. 6

Nicht nur auf einer Meta-Ebene, ihren Glauben als metaphysisches Gedankengebilde betreffend, war diese Erschütterung real, sondern ganz praktisch in ihrem Alltag, dem das Fundament, der Boden unter den Füßen entzogen wurde.

Es war dunkel. Ich saß alles andere als bequem in einem Schaukelstuhl, dessen Armlehnen sich mir unangenehm in die Hüfte drückten. Mein unruhiges Kleinkind in den Armen wiegend, sang ich leise eine Hymne in die Dunkelheit – eine Dunkelheit, die mir so undurchdringlich vorkam, als könne sie meine Schluchzer in dem Moment ersticken, in dem sie meine Kehle verließen.
Ich wandte mich an einen Gott, von dem ich nicht mehr länger wusste, ob es ihn überhaupt gab. „Gott, ich weiß, du bist real“, flüsterte ich. „Bitte lass mich deine Gegenwart spüren. Bitte.“
Nichts.Alisa Childers: Ankern, S. 11

Das gesamte Buch hindurch beschreibt Childers diese ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse – sie sind teilweise nur schwer zu ertragen, wenn man sich vor Augen führt, in welche Zweifel, welche Tiefen und in welche Schwärze sie dadurch hineingeworfen wurde. Zwar ist Childers im christlichen Glauben aufgewachsen und großgeworden – bezeichnet sich aber selbst als schon immer kritisch denkend und hinterfragend, ist also alles andere als das „fromme US-Girl“, das man sich aus dem amerikanischen Bible Belt so vorstellt.

Ja, sie geht mit manchem, was sie in ihrem „christlichen Leben“ so erfahren und was ihr begegnet ist, durchaus kritisch ins Gericht. Sie spricht immer wieder von den Kieselsteinchen in den eigenen Schuhen, die beim Gehen drücken und schmerzen, die man widerwillig in Kauf nimmt und weiß „da stört etwas“ – aber dem keine größere Bedeutung beimisst oder es schnell mal wegdrückt.

So beschreibt Childers auch diverse Erlebnisse, die sie als Teil der Band „ZOEGirl“ hatte, während sie in den USA (und darüber hinaus) auf Tour war. Sie schreibt davon, wie so mancher Bekehrungsaufruf anderer Prediger auf der Bühne so ein Kieselsteinchen im Schuh war. Nicht, weil sie nicht theologisch dahinter gestanden wäre, sondern weil sie sich fragte, wie es wohl mit den (vielen) Teenagern, die in einem besonderen Moment ihr Leben Jesus übergaben, nach diesem Ereignis wohl weiterginge. (vgl. Kapitel 2 „Die Steine in meinen Schuhen“).

Diese lange „Einleitung“ stelle ich deswegen voran, weil sie zwei wichtige Grundlagen verdeutlicht:

  1. Childers schreibt nicht wie ein Blinder von der Farbe sondern als jemand, der in progressive Theologie direkt involviert war und sich intensiv damit auseinandersetzte.
  2. Childers schaut selbstkritisch und selbstoffenbarend auf ihre eigene Glaubensbiografie zurück, erkennt Schwachstellen genauso wie Stärken und glorifiziert nichts von dem, wie sie ihren Glauben lebte, wie sie ihn vermittelt bekam und wie sie darin aufwuchs.

Auf diese Weise kann Childers überzeugend von der Folge progressiver Theologie schreiben, nämlich der Dekonstruktion des Glaubens, während sie hier (wie die meisten progressiven Christen und Theologen) nicht stehen bleibt, sondern im letzten Kapitel ihres Buches von der Rekonstruktion des Glaubens schreibt.

Progressiv vs. Historisch

Auf dieses „Duell“ läuft es im Buch immer wieder – zurecht – hinaus. In den zwölf Kapiteln widmet sich Childers wichtigen theologischen Fragen, welche mal mehr oder weniger von der Peripherie her kommend, das „Grundkorsett“ des christlichen Glaubens ausmachen:

  • Ist Jesus Gott oder nur Mensch?
  • Ist die Bibel göttlich inspiriert oder doch (vor allem) nur ein von Menschen verfasstes Werk?
  • Gibt es Himmel und Hölle – auch in der Ewigkeit, nicht nur als irdische Bildsprache?
  • Welche Bedeutung hat der Tod Jesu am Kreuz?
  • Wie bindend oder inspirierend ist die Bibel im Blick auf ethische Themen von heute wie bspw. die Gender-Frage oder Homosexualität?
  • Beten alle Religionen den gleichen Gott an oder gibt es Unterschiede?

Diesen Fragen geht Childers meist auf dreifache Weise auf den Grund, ohne dabei ein bestimmtes Schema zugrunde zu legen:

  1. Childers lässt Vertreter des „progressiven Christentums“ zu Wort kommen.
  2. Childers beschreibt Gespräche und Treffen des oben genannten Kurses in der Gemeinde.
  3. Childers kontrastiert diese Aussagen mit den Zeugen der ersten Christenheit, also Vertretern der so genannten „Alten Kirche“ (ca. erstes bis drittes Jahrhundert).

Dabei trifft Childers eine grundlegende Entscheidung, die ich vortrefflich finde und für mich der wahre „Knackpunkt“ ist. Sie kontrastiert die Theorien und Theologie des progressiven Christentums nicht mit einer Theologie einer anderen theologischen Strömung der heutigen Zeit.

Vielmehr kontrastiert sie diese Aussagen mit den Aussagen, die wir in den ersten Aufzeichnungen der christlichen Gemeinde, in der Epoche der so genannten „Alten Kirche“, finden. Dieser Zeitraum belegt nämlich (wie es Childers auch immer wieder erwähnt): Die Ideen der „progressiven Theologie“ sind alles andere als „neu“ oder „innovativ“. Sie sind uralt und in der Kirchengeschichte schon längst als Häresie (Irrlehre) verworfen worden.

Demgegenüber ist der Kern des christlichen Glaubens „historisch“ (und nicht „traditionell“ oder „konservativ“), da er sich auf ein historisches Ereignis (das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu) bezieht und in der Geschichte (Historie) der ersten Christen immer wieder auftaucht. Childers schreibt:

Während meine tiefen Überzeugungen von dem progressiven Pastor und meinen Mit-Kursteilnehmern regelmäßig infrage gestellt wurden, war ich bemüht, zu den Wurzeln unsres Glaubens zurückzugelangen – zu dem, was ich „historisches Christentum“ nenne.

Warum habe ich mich für das Wort „historisch“ entschieden statt für „traditionell“ oder „konservativ“? Wahrscheinlich deshalb, weil diese Ausdrücke zu viel Gepäck mit sich herum tragen. Sie können für unterschiedliche Leute sehr verschiedene Bedeutungen haben. Ich nenne es „historisch“, weil es genau darum geht.
Zwischen den Glaubensbekenntnissen aus vor-neutestamentlicher Zeit und den neutestamentlichen Dokumenten definierten die ursprünglichen Glaubenssätze das Christentum, die es einzigartig in der Welt gemacht haben.Alisa Childers: Ankern, S. 54

Childers erwähnt es in „Ankern“ immer wieder: Hinter ihr liegen Jahre der Auseinandersetzung und der Beschäftigung mit historischem Christentum, progressivem Christentum und Apologetik. Und das merkt man. Was Childers schreibt, schreibt kein Mensch einfach mal so. Man spürt sowohl ihre persönliche Betroffenheit, ihre Leidenschaft wie auch die tiefen theologischen Wahrheiten, die sie benennt.

Und hier wird das Buch sicherlich nicht jedem schmecken – schon gar nicht Vertretern progressiver Theologie, denn Childers kommt zu klaren Erkenntnissen und scheut sich nicht, diese auch in Worte zu fassen.

Zum Beispiel über die Frage nach Himmel und Hölle.

Ich sage jetzt etwas Unpopuläres. Wir leben in einer Kultur, in der es als arrogant, ja hasserfüllt gilt, wenn man dogmatische Aussagen über die Realität macht. Aber wenn wir glauben, dass die Bibel wahr ist – wenn wir unserem Herrn Jesus folgen –, dann müssen wir mit ihm dies bejahen: Der Himmel ist real. Die Hölle ist real. Und eines Tages wird die Tür sich schließen.Alisa Childers: Ankern, S. 228

Oder auch im Blick auf die Frage nach dem Sühnetod Jesu im Kapitel „Kosmische Kindesmisshandlung“ (so wird das Kreuzesgeschehen mitunter von progressiven Theologen bezeichnet):

Progressive Christen glauben, sie stellen Gott in einem toleranteren Licht dar, indem sie den stellvertretenden Sühnetod Jesu verneinen. Aber in Wirklichkeit konstruieren sie damit nur einen co-abhängigen und ohnmächtigen Gott, der dem Bösen nichts entgegenzusetzen hat. Dieser Gott ist nicht wirklich gut. Dieser Gott ist nicht der Gott der Bibel. Dieser Gott kann niemanden retten.Alisa Childers: Ankern, S. 252

Fazit

Doch damit möchte ich diese Buchvorstellung nicht enden lassen. Ich will es Childers gleichtun und mit ihren Worten der Hoffnung enden. Denn das macht dieses Buch: Hoffnung.

Man muss weder beim Schaden, den progressive Theologie in den Gemeinden angerichtet hat, stehen bleiben noch beim Schaden, den Menschen persönlich genommen haben. Es gibt Antworten. Oder wie Childers in „Ankern“ ihr persönliches „Umdenken“ beschreibt:

Mir war, als käme ein Rettungsboot auf mich zugeschossen, und der Kapitän rief mir zu: „Es gibt Antworten! Steig ins Boot! Es gibt Antworten!“

Wenn Sie auch das Gefühl haben, Ihr Schiff reißt sich aus der Verankerung aufgrund von tiefen Verletzungen, Zweifeln, oder den überzeugend klingenden Einwänden eines progressiven Christen, dann hören Sie bitte genau hin:
Es.
Gibt.
Antworten.Alisa Childers: Ankern, S. 256

Und diese findest du schon in diesem Buch „Ankern“. Alisa Childers liefert aber nicht nur Antworten. Als US-Amerikanerin schreibt sie über das, was progressive Theologie in den USA und vor allem in christlichen Gemeinden anrichtet. Erfahrungsgemäß schwappt das, was „über dem großen Teich“ geschieht, wenige Jahre auch nach Europa. Insofern ist ihr Buch ein prophetischer Weckruf und ich wünschte, dass viele, viele Christen ihr Buch lesen.

Von Herzen dankbar bin ich Dominik Klenk und dem Fontis-Verlag, die das Buch „Another Gospel?“ in deutscher Sprache mit dem Titel „Ankern“ veröffentlicht haben. Am Ende des Buches findet sich nicht nur eine herausragende Literaturliste und jede Menge Fußnoten, sondern auch weitere Materialien und Ressourcen, um weiter dranzubleiben an diesem Thema.

Darüber hinaus finden sich ein Diskussionsleitfaden mit 14 Fragen sowie ein Nachwort von Dr. Dominik Klenk.

Außerdem empfehle ich dir einen Klick auf www.alisachilders.com. Von hier gelangst du zu vielen weiteren hilfreichen Ressourcen – beispielsweise auch zum Podcast von Alisa Childers.

ZUSAMMENFASSUNG
„Ankern“ von Alisa Childers ist eine prophetisch-mahnende Stimme für den deutschsprachigen Raum.

Klar, verständlich und theologisch begründet zeigt Childers in ihrem Buch auf, welchen Schaden „progressive Theologie“ verursachen kann. Gleichzeitig gibt sie dem Leser das an die Hand, was er benötigt: Gesunde, biblisch und historisch fundierte Theologie, um die Geister zu unterscheiden.

„Ankern“ ist ein Buch, wie ich es bisher noch selten gelesen habe: Es bleibt nicht bei einer schonungslosen Problemanzeige stehen, sondern zeigt Alternativen auf. Oder um im Bild des Buchtitels zu bleiben: „Ankern“ malt keine Drohkulisse theologischer Eisberge, sondern zeigt einen Weg, diese Eisberge unbeschadet zu umschiffen.

[su_icon_text icon=“icon: book“ icon_color=“#3b5998″]304 Seiten[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: book“ icon_color=“#3b5998″]ISBN: 9783038482062[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: map-marker“ icon_color=“#3b5998″ url=“https://www.fontis-shop.de/epages/fontisshop_de.sf/?ObjectPath=/Shops/fontisshop_de/Products/204206″ target=_blank]Fontis-Verlag[/su_icon_text] [su_icon_text icon=“icon: euro“ icon_color=“#3b5998″]20,00[/su_icon_text]

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Immer weiter

Stell dir vor, du hörst ein Album – und es „packt“ dich vom ersten bis zum letzten Song.

Musik. Text. Stimme. Stimmung. Atmosphäre. Abwechslung. Einfach alles nimmt von dir Besitz, das Album ist „durch“ und du kannst gar nicht anders, als es noch mal abzuspielen. Und noch mal. Und noch einmal. Und ein weiteres Mal.

Solch ein Album ist „Immer weiter“ von Lars Peter.

„Immer weiter“ ist das erste Solo-Album von Lars Peter, der manchen bekannter ist als Sänger und Keyboarder von anderen Künstlern und Bands (u.a. Michael Patrick Kelly).

Ich kenne diesen wunderbaren Musiker nicht wirklich persönlich – so ein bisschen flüchtig nur. Vor vielen Jahren sind wir uns immer mal wieder hier und da begegnet, als ich ehrenamtlich als Pseudo-Musikjournalist dem tristen Studienalltag entfloh. Aber „kennen“ – nein, das wäre etwas anderes. Wenn man dieses Album aber hört, dann bekommt man einen ziemlich tiefen Einblick in das, was Lars Peter umtreibt, was ihm Sorgen macht und was ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubert und vor allem: Man bekommt einen ganz tiefen Einblick in seinen Glauben und in sein Gottvertrauen.

Gleichzeitig höre ich das Album und denke: Krass. Der Mann hat Mut. Echt mal! Die Texte sind entweder unmissverständlich klar und eindeutig, wovon er singt – oder aber sie bieten so viel Interpretationsspielraum, dass ich wiederum denke: Chapeau! Diesen Mut musst du erst mal haben.

Leute, das ist erst das zweite Album, zu dem ich auf meinem Blog einen Artikel schreibe – aber das muss einfach sein. Das Album ist der Wahnsinn!

Endlich mal wieder so ein ‚echtes Album‘. So ein Ich-erzähl-Geschichten-mit-richtig-guter-Musik-Album. Ein Album, das einen Künstler ganz authentisch in das Rampenlicht treten lässt und gleichzeitig höre ich die Texte und denke: „Darüber würde ich mich gerne bei einem guten Glas Wein unterhalten. Und darüber auch. Und hierüber.“ Ok, so viel Wein kann man gar nicht trinken, ohne dass die Kommunikation darunter leiden würde.

Liegt es aber vielleicht daran, dass Lars Peter in seinen Songs Themen und Gedanken aufgreift, die mich auch umtreiben? Wer weiß. Kann sein. Aber eines macht er – und ich glaube, das ist textlich gesehen die Stärke des Albums: Er erzählt von sich. Er kommt nicht mit dem Zeigefinger daher noch haut er dir irgendwas dogmatisch um die Ohren. Nein – er erzählt. Er erzählt von seinen Zweifeln, seinen Sorgen, seiner Last („Hilf mir“) und davon, dass er ins kalte Wasser springt und ein wenig neben sich steht („Neue Gleise“).

Überhaupt ist „Neue Gleise“ ein wunderschöner Opener für ein Album. Auf ganz behutsame Weise und wohlbedachter Sprache nimmt Lars Peter den Hörer mit hinein in das Geschehen vor dem Album, in die Monate (vielleicht Jahre?) des Prozesses bis das Album nun endlich da ist, entstanden ist, Melodien sich tief in Gehörgänge graben und Texte das Herz bewegen.

Wo sich das Album musikalisch einordnet? Gute Frage – ich bin ja sonst her der Fan der härteren musikalischen Gangart. Sagen wir mal so: Die Kategorie „Pop“ trifft’s sicherlich ganz gut und wenn du Musik so in Richtung von Mark Forster, Michael Patrick Kelly und Konsorten magst, dann wirst du die Musik von Lars Peter lieben. Aber wie du an mir siehst: Selbst dann, wenn du eigentlich andere Musik hörst, wird dieses Album dich begeistern.

Ach, was bin ich froh, kein Musikjournalist zu sein. So muss ich überhaupt nicht objektiv-kritisch über dieses Album schreiben, sondern kann dir, lieber Leser, sagen: Ein richtig, richtig schönes Album. Es ist ein Genuss, die Texte berühren und es ist schön – einfach schön!

Meine Anspiel-Tipps, in die du unbedingt reinhören solltest: „Neue Gleise“, „Hilf mir“, „Gib mir wieder neue Liebe“ und „Der Mann im Spiegel“.

Kaufen (und reinhören) kannst du das Album bei Gerth Medien – einfach hier klicken.

Homepage von Lars Peter

Lars Peter auf Facebook

Lars Peter auf Instagram

Ein wichtiger Hinweis
Eine kleine Anmerkung (und nein: Ich bekomme keine Provision!): Künstler haben es in der momentanen Situation extrem schwer. Sie können so gut wie keine Konzerte spielen und bei den meisten Künstlern sind gerade Konzerte die Haupteinnahmequelle. Deswegen lege ich es dir sehr ans Herz, dieses Album zu kaufen, um Lars Peter zu unterstützen. Selbst wenn bald wieder Konzerte möglich sind – die Ausfälle des vergangenen Jahres können sie auch nicht kompensieren.

P.S. Vielleicht hast du dich gefragt, welches das andere Album ist, zu dem ich auf meinem Blog einen Artikel geschrieben habe – hier findest du die Antwort.


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5 Dinge, die Prediger unterlassen sollten

Ich predige für mein Leben gern und weiß, dass Gott mich an dieser Stelle begabt hat. Arrogant? Nein – ich weiß um meine Stärken und meine Schwächen. Von letzteren habe ich ’ne Menge.

Ich verrate dir ein Geheimnis: An nichts anderem in meinem Beruf arbeite ich so hart wie am Predigen. Wahrscheinlich in kaum einem anderen Bereich investiere ich Woche für Woche so viele Stunden. Heute predige ich frei – inzwischen ohne Manuskript, das dennoch in stundenlanger Arbeit unterhalb der Woche entstand. Nur mit Bibel und Smartphone, auf dem ich die Präsentation zur Predigt sehe und bediene.


Das war nicht immer so. Es war ein langer, ein mühsamer, manchmal ein steiniger Weg dorthin. Als ich vor wenigen Jahren einen Artikel darüber las, dass auch ich es schaffen könne, frei zu predigen, habe ich innerlich den Kopf geschüttelt. Heute stehe ich selbst dort. Und ich will dir mit diesem Artikel 5 Dinge an die Hand geben, die sich aus zwei Erfahrungen speisen.

Zum einen ist es meine persönliche Erfahrung als Prediger.

Zum zweiten ist es meine persönliche Erfahrung als Mensch, der Gottesdienste besucht und andere predigen hört.


1Die Gemeinde langweilen

Die Gemeinde hat ein Recht darauf, eine gute, eine unterhaltsame, eine herausfordernde, eine wachrüttelnde, eine humorvolle, eine seelsorgerliche, eine emotionale, eine apologetische, eine überzeugende, eine kurzweilige, eine liebevolle Predigt zu hören. Nur auf eines hat Gemeinde absolut kein Recht: auf eine langweilige Predigt!

Das beginnt dort, wo der Prediger mehr auf sein Manuskript als in die Augen seiner Zuhörer schaut. Wieso auch? Weiß er nicht, was er sagen will? Spricht er etwa nicht aus dem Herzen sondern aus dem Zettel? Ganz ehrlich: Wenn ich den Eindruck bekomme, da vorne steht einer, der erst mal ablesen muss, was er überhaupt verkündigen will, dann schalte ich ab. Es scheint nicht aus seinem Herzen zu kommen, sondern er liest etwas ab – und das braucht kein Mensch. Echt nicht. Wirklich nicht!

Wir benötigen Prediger, die vorne stehen, von ihrer Sache überzeugt sind und den Hörer an dem teilhaben lassen, was Gott in der Vorbereitung zu diesem Menschen gesprochen hat und was aus seinem Herzen und Glauben kommen.

Ich verrate dir kein Geheimnis: Wenn ich im Gottesdienst bin und der Typ da vorne langweilt mich, werde ich innerlich aggressiv. Denn das Evangelium hat eines ganz sicher nicht verdient: Langeweile!

Tipp:
Überlege dir, was dir wirklich leichtfällt: Ist es der Humor, die Story oder die Darstellung komplexer Inhalte? Dann nutze für deinen Predigtstil deine ganz persönlichen Stärken – damit wirst du garantiert nicht langweilen.

2Eine schlechte Vorbereitung als Standard

„Boah, die Woche war so voll, ich bin einfach nicht früher dazu gekommen als Samstag Abend!“ Das kann schon mal vorkommen. Keine Frage. Wenn es aber der Standard ist, hinterfrage ich schon deutlich: Wie willst du am Samstag Abend den biblischen Text lesen, auf dich wirken lassen, ihn sauber exegetisieren, Kommentare dazu lesen, Gott sprechen lassen, dir Bilder und „Moves“ überlegen, die Präsentation erstellen, die Konzeption der Predigt entwerfen, überdenken, über den Haufen werfen, neu sortieren, neu ordnen?

Predigen ist nichts, was man einfach mal so aus dem Ärmel schüttelt. Die Gemeinde merkt das. Sehr gut sogar. Meine Erfahrung ist die, dass „die Gemeinde“ (also die Summe der Gottesdienstbesucher am Sonntagmorgen) durchaus ein sehr sensibles Gespür dafür hat, wie viel Vorbereitung in einer Predigt steckt.

Die größte Challenge für mich ist, aus einem Bibeltext das „rauszuziehen“, was jetzt wirklich das ist, was Gott den Zuhörern mitteilen möchte. Denn nach einigen Jahren Predigen hat man so einen gewissen Fundus (auch wenn es meine Predigten nicht mehr in digitaler Schriftform gibt) an Beispielen, Wendungen und Bildern und die Gefahr besteht, von einem Beispiele, einem Bild, einem Vergleich her kommend die Predigt aufzuziehen.

Tipp
Mach dir eine gewisse Predigtvorbereitungs-Routine zu eigen, welche dir ausreichend (mindestens eine Woche) Zeit gibt, dich mit dem Predigttext, dem Thema und allem, was dazu gehört, auseinanderzusetzen. Ich habe in meinem Kalender mehrere fixe Termine, so dass meine Predigtvorbereitung kein Zufallsprodukt ist und auch nicht dann geschieht, wenn im Kalender eben grad mal Luft ist (was viel zu selten der Fall sein wird).

3Lies die Bibel nur zur Predigtvorbereitung

Echt? Machen Pfarrer so was? Ja! Leider! Ich find’s unmöglich, dilettantisch und heuchlerisch. Entweder ist die Bibel Wort Gottes, das mich selbst inspiriert, herausfordert, tröstet und ermutigt – oder es ist es nicht. Aber eines kann’s nicht sein: Etwas anderes für die Gemeinde wie für mich persönlich.

Übrigens hat auch hier die Gemeinde ein sehr, sehr feines Gespür dafür, ob du als Prediger aus der Bibel schöpfst, weil sie Teil deines Lebens und deines Glaubens ist oder weil du halt mal grad über ein paar Verse was erzählen sollst.

Hier kommen wir zum Knackpunkt: Predigen ist doch mehr als einfach nur ’ne Runde zu labern! Predigt ist auch mehr als wohlgeschliffene Rhetorik! Predigen ist Gottes Wort in eine Situation hinein zu verkündigen, um Glauben zu wecken und zu vertiefen. Das kann doch gar nicht funktionieren, wenn die Bibel (Grundlage jeder christlicher Verkündigung) nur dann eine Rolle spielt, wenn ich mich auf eine Predigt vorbereiten muss.

Ganz unabhängig davon hat die persönliche und kontinuierliche Beschäftigung mit Gottes Wort noch einen Nebeneffekt, der nicht Antrieb des persönlichen Bibelstudiums sein darf, aber dennoch ein großartiger Mehrwert ist: Es erschließen sich dir die Gesamtzusammenhänge der Bibel, welche für das Predigen wiederum ein großer Gewinn sind, weil es immer auch um „das große Ganze“ geht, für das schlicht und einfach das Verständnis fehlt, wenn ich die Bibel nur punktuell zur Predigtvorbereitung heranziehe.

Tipp
Nimm dir jeden Tag Zeit, um in Gottes Wort zu lesen, für dich persönlich, ohne „Verzweckung“ und nicht als Predigtvorbereitung.

4Predige mit salbungsvollem Singsang in der Stimme

Kennst du ihn? Dieser besondere, scheinbar klerikale Singsang in der Stimme eines Pfarrers, beginnend mit: „Liebe Gemeinde, der Predigttext für den heutigen Sonntag steht in….“

Es ist der erste Schritt, ganz sicher an Glaubwürdigkeit zu verlieren! Aber 100%! Denn es drückt eines aus: Du bist nicht authentisch! Und das ist das Schlimme „dahinter“. Es geht nicht primär darum, nicht „so und so zu klingen“, sondern vielmehr geht es darum, authentisch zu sein! Nichts ist schlimmer, als ein Prediger, bei dem man den Eindruck gewinnt (obwohl man ihn vielleicht gar nicht kennt): „Der ist gar nicht authentisch!“

Du kennst das aus anderen Bereichen deines Lebens: Menschen, die dir nicht authentisch scheinen, haben sofort an Glaubwürdigkeit verspielt. Und wie schlimm ist das bitteschön, wenn’s um das Predigen geht? Unbezahlbar und unüberwindbar schlimm!

Mach es dir bitte nicht zu eigen, „wie andere predigen“ oder „wie es scheinbar klingen muss“, wenn du predigst. Da gibt’s kein „So muss das klingen“ – und ganz ehrlich: Auf gar keinen Fall klerikal-verklärt salbungsvoll.

Tipp
Nimm deine Predigten auf, bevor du sie hältst – oder zumindest einen Teil. Und dann höre dir deinen Predigt-Podcast vom Sonntag an. Erkennst du Unterschiede? Bist du authentisch (geblieben)?

5Vergleiche dich mit anderen Predigern

Der einfachste Weg, etwas Großartiges zu zerstören, ist: das Vergleichen! Gott hat dich so, wie du bist, einzigartig erschaffen. Du hast auf deine Art und Weise etwas zu geben, wie das sonst niemand anderes kann!

Und wenn Craig Groeschel, Joyce Meyer und Johannes Hartl so predigen, wie sie predigen, dann hast du nicht so zu predigen, sondern auf deine ganz eigene und persönliche Art. Es hat so ein bisschen was mit dem eben schon angesprochenen Punkt der „Authentizität“ zu tun: Sei du selbst! Predige, wie dir der Schnabel gewachsen ist!

Ja, dazu gehört auch, dass du mal „Scheiße“ sagen kannst – wenn du es sonst auch tust, warum nicht? Wenn es nicht OK wäre vor Gott, solltest du es auch in deinem Alltag unterlassen. Natürlich sollten sich in deiner Predigt die Momenten in Grenzen halten, in denen du dieses Wort verwendest.

In unserer heutigen Zeit zählt mehr denn je das „Ich auf der Kanzel“. In meiner Ausbildungszeit war das noch so ein wenig verpönt. Also die Frage: Wie sehr muss/soll/darf ich als Prediger als Person in der Predigt vorkommen oder muss ganz hinter mein Amt zurücktreten?

Mehr denn je leben wir in einer Zeit, in der wir Menschen „scannen“. Ganz schnell schauen wir, ob das, was sie sagen, auch ihrem Tun und Handeln entspricht – es geht also nicht mehr nur um Authentizität sondern auch um Integrität.

Sei du selbst! Predige auf die Art und mit der Wortwahl, die Gott dir gegeben hat – und gleichzeitig arbeite so sehr an dir, wie an niemand anderem, dass du besser wirst und du auf deine Art noch mehr Menschen für Jesus gewinnen kannst.

Aber auf deine Art – nicht auf die Art des anderen.

Tipp
Wo verstellst du dich? Warum? Rede mit jemandem darüber, weshalb du das tust! Du kennst Prediger, die „besser“ predigen als du? Wunderbar – lerne von ihnen, aber kopiere sie nicht, indem du versuchst, so zu predigen wie sie.


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Das Prinzip vom Respekt

Ein heißes Eisen und gleichzeitig ganz wichtiges Kapitel in Maxwells „Die 21 wichtigsten Führungsprinzipien“, wenn wir diese für Gemeindearbeit adaptieren wollen.

Es geht um nichts andere als um die simple Frage:

Wem folgen die Menschen eigentlich?

Stell es dir nur mal praktisch vor. Du hast ein Treffen für ein Gemeindeprojekt und es gibt einen – nominellen – Leiter. Ist dieser automatisch auch der, dem die Menschen folgen? Das muss nicht so sein. Denn Menschen – so Maxwell – folgen automatisch den Menschen, vor denen sie Respekt haben und die im „Leitungslevel“ ein oder mehrere Schritte weiter sind.

Denn machen wir uns (als Leiter) doch nichts vor: Wir haben in der Gemeinde mit vielen Ehrenamtlichen zu tun, diese aber wiederum können bspw. durch ihren Beruf oder im Verein so sehr in leitender Position sein, dass ihr „Leitungsniveau“ wesentlich höher ist als das der angestellen/hauptberuflichen Personen in der Gemeinde.

Ist das schlimm? Ja, wenn der Pfarrer, Pastor, Diakon, Jugendreferent oder wer auch immer die hauptamtliche Person ist, nicht in der Lage ist, sich demütig zu zeigen und diese ehrenamtliche Person auch in eine verantwortungsvollere Ebene (in diesem Projekt / in dem Team / für das Event) zu stellen. Denn eines ist doch klar: Die Menschen folgen so oder so der Person, vor der sie am meisten Respekt haben und die im Leitungsniveau weiter ist.

Menschen folgen anderen nicht aus Zufall. Sie folgen denen, deren Leitung sie respektieren. […] Im Allgemeinen fühlen sich Mitarbeiter aber schlicht zu Menschen hingezogen, die bessere Leiter sind als sie selbst.Maxwell, Die 21 Wichtigsten Führungsprinzipien, S. 80

Ist das schlimm? Nein – im Gegenteil. Es ist großartig, wenn der Pfarrer, Pastor, Diakon, Jugendreferent oder wer auch immer die hauptamtliche Person ist, für die Leitung dieses Teams / Projekts / Events jemanden an die Seite gestellt bekommt, der richtig gut leitet und dem die Menschen auch noch folgen.

Pfarrer als Schlüsselperson

Lass es mich ganz ehrlich sagen: Ich glaube, dass viele Pfarrer und Pastoren genau damit ein Problem haben. Sie können nicht anerkennen, dass andere Personen in ihrem Team besser leiten als sie. (Das begegnet dir übrigens in jedem Setting – nicht nur in der Kirche.) Dummerweise werden sie dadurch zu Schlüsselpersonen. Denn entweder, sie beharren auf ihre Autorität qua Amt (was aber meistens sich negativ auswirkt) oder sie anerkennen, dass das gar nicht sein muss und sie deswegen keine schlechteren Menschen sind.

Wieso sollen Pfarrerinnen und Pfarrer der Landeskirche auch gute Leiter und Führungspersönlichkeiten sein, wenn das in ihrer Ausbildung eine sehr untergeordnete bis marginale Rolle spielt? Studieren dann „zufällig“ Top-Leiter Theologie und werden Pfarrer? Oder studieren Menschen mit durchschnittlicher bis niedriger Leitungsbegabung Theologie und werden dann Pfarrer? Dreimal darfst du raten!

Wenn ich in einem Team „qua Amt“ der Leiter bin und erkenne, dass jemand anderes wesentlich besser begabt und fähiger ist als ich, frage ich ihn noch nicht sofort, ob er die Leitung übernehmen möchte – da schrecke ich manchmal ein wenig zurück, da ich der Ansicht bin, dass Ehrenamtliche heutzutage es noch schwieriger mit einem guten Ressourcenmanagement haben als vor vielen Jahren. Aber ich gehe mit der Person ins Gespräch und wenn ich den Eindruck habe, dass es passen könnte, frage ich sie, ob sie die Leitung übernehmen möchte. Falls ja, ist das super – falls nein, ist das schade, weil dann das Team nicht das Optimum bringen kann, weil es mit mir als Leiter leben muss.

Konkrete Tipps

Am Ende gebe ich dir ein paar Gedanken und Hinweise mit. Diese sind sowohl für dich als „Leitungsperson qua Amt“ (Pfarrer/Pastor) als auch für dich als ehrenamtlicher Mitarbeiter. Warum? Weil es meine Hoffnung ist, dass wir aus den Teams, in denen wir arbeiten, das Beste rausholen.

  • Halte nicht krampfhaft daran fest, dass du das Sagen haben musst, nur weil du „der Pfarrer“ bist.
    • Ermächtige Ehrenamtliche, in denen du sie zum Leiter eines Teams machst.
    • Lass Ehrenamtliche die Teamtreffen leiten.
    • Freue dich darüber, dass andere den ehrenamtlichen Leitern folgen.
    • Gib Ehrenamtlichen größtmöglichen Freiraum und „lass sie einfach mal machen“.
    • Kontrolliere nicht alles, sondern lass Ehrenamtliche ihre Vision und ihre Konzeption entwickeln.
    • Stell es in den Dienst der Gemeinde und mach es für die Gemeinde zum Nutzen, das Menschen anderen Mitarbeitern/Leitern folgen.
    • Frag dich mal: Wie sehr kratzt es an deinem Ego, dass andere in bestimmten Bereichen besser leiten als du?
  • Hab keine Angst, deine beruflich/privat erworbene Führungskompetenz auch in der Gemeinde einzubringen.
    • Lass dich nicht abwimmeln, wenn du denkst, dass du besser leitest.
    • Überzeuge das Leitungsteam der Gemeinde für deine Idee – und unternimm nichts „gegen die Gemeindeleitung“, denn das sorgt nur für Unruhe.
    • Sei mutig und ehrlich und sag deinem Pfarrer, wenn du den Eindruck hast, dass du oder eine andere Person in einem bestimmten Bereich der bessere Leiter bist.
    • Nimm andere mit ins Boot, die dir schon folgen, um das Gespräch mit Pfarrer und Leitung zu suchen. Das ist keine Meuterei, sondern gabenorientiertes und beziehungsorientiertes Leiten.

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Ich predige, also bin ich!

Zuweilen habe ich den Eindruck, dass dieser Satz auf nicht wenige Pfarrerinnen und Pfarrer zutrifft. Wer bin ich eigentlich? Was macht mich aus? Was gibt mir meine Identität? Dass ich predige!

Ursprünglich klingt der Satz anders. Er stammt aus der Feder des Philosophen und Mathematikers René Descartes und lautet:

Ich denke, also bin ich!René Descartes (1596-1650)

Descartes ging es darum, sich seiner eigenen Existenz und Erkenntnisfähigkeit sicher zu sein. Das letzte tragfähige Fundament und Anzeichen dafür ist seiner Meinung nach das Denken. Weil der Mensch denkt, ist er. Weil ich weiß, dass ich denke, bin ich. Das Denken stiftet sozusagen meine Identität und versichert mich meines Daseins und meiner Daseinsberechtigung.

Nun empfinde ich genau diese Frage als eine enorm wichtige: Wer bin ich? Was macht mich aus? Was versichert mich meiner Daseinsberechtigung? Ich habe darüber an anderer Stelle einen wichtigen Beitrag geschrieben: Erkenne deine wahre Identität in Jesus!

Deswegen gehe ich in diesem Beitrag nicht darauf ein, was meine wahre Identität ist und wie ich sie finde, sondern vielmehr werfe ich eine Problemanzeige in den Raum, die vielleicht dem ein oder anderen eine Hilfe zur Selbsterkenntnis ist – oder zur Erkenntnis über seinen Pastor – ob dieser will oder nicht.

Der Drang, sich äußern zu müssen

Pfarrer und Pastoren sind notorische Sprecher. Kurze Anmerkung: „Pastoren“ sind die „Pfarrer“ der Freikirchen sowie der Landeskirchen ab Mitteldeutschland bis in den Norden. Denn auch dort heißen die „Pfarrer der Landeskirche“ Pastoren (vor allen in Norddeutschland) – im Süden werden die „Pfarrer der Landeskirche“ auch Pfarrer genannt – und Pastoren sind die „Pfarrer der Freikirchen“. Verwirrung komplett? Wunderbar. Ich verwende den Begriff „Pastor“ und „Pfarrer“ nicht streng getrennt – mal so, mal so und damit will ich allesamt vereinen und meinen.

Pfarrer und Pastoren können nicht anders als notorisch zu sprechen. Dieser Beruf legt es auch nahe. Gottesdienste, vor allem eben die Predigten, Andachten, Grußworte, Religionsunterricht, Meetings, Sitzungen, Besprechungen aber auch gedruckte Worte wie Gemeindebrief-Artikel, Pressemeldungen, Liturgien und Gottesdienstabläufe, Dienstanweisungen, Geburtstagsgrüße, Emails und Jobbeschreibungen für Mitarbeiter. Das alles spielt sich landauf landab in jedem Pfarrbüro ständig ab. Ein Pfarrer produziert Unmengen an Worten Tag für Tag.

An sich ist das auch nicht das Problem. Zum Problem wird’s nur dann, wenn ich nicht mehr merke, wann ich eigentlich auch mal ruhig sein sollte, nichts sagen sollte, nicht predigen sollte. Der Kabarettist Dieter Nuhr hat es einfach schön auf den Punkt gebracht:

Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal die Fresse halten!Dieter Nuhr

Und genau das gelingt Pfarrern oft nicht. Leider. Ich sage nicht, dass ich es besser kann. In den letzten Jahren hab ich mir aber eine Haltung zu eigen gemacht, durch die ich auch mal „die Fresse halten“ kann. Ich sage dann: „Sorry, da habe ich keine Ahnung! Frag jemanden, der sich damit auskennt – oder wenn du möchtest, mache ich mich schlau und gebe dir dann eine Antwort.“

Was ich aber nicht mehr will: So zu tun, als hätte ich Ahnung und meinen Senf zu allen möglichen Würstchen dazu geben.

Ansonsten äußern sich Pfarrer und Pastoren mit einem großen Schuss Selbstüberzeugung zu Sachverhalten, von denen sie keine Ahnung haben, aber weil man so ein Wortgetriebener (und damit meine ich leider nicht das Wort Gottes) ist, muss man einfach etwas dazu sagen. Man kann nicht anders, es ist wie ein Zwang, der über einem hängt – Fresse halten? Geht nicht.

Ich bin doch darauf getrimmt zu predigen, zu verkündigen, andere (positiv) zu beeinflussen und zu inspirieren, ich muss, ich muss, ich muss einfach predigen, ob der andere es jetzt hören will oder nicht, ist ja sein Problem, nicht meins – also predige ich und predige ich und predige ich.

Es gibt ja so ein Sprichwort, das besagt:

Du kannst dem Deutschen alles nehmen – nur nicht seine Bedenken!Quelle unbekannt

Wir sind nun mal leider nicht nur eine Nation der Dichter und Denker, sondern auch der Nörgler und Motzer. Das scheint also auch zum identitätsstiftenden Merkmal des Deutschen zu gehören – frei nach Descartes:

Ich motze, also bin ich!

Und leider beschleicht mich immer wieder das Gefühl, dass es bei Pfarrerinnen und Pfarrern ganz ähnlich ist. Du darfst ihnen alles nehmen – nur nicht das Predigen! Denn darüber definieren sie sich. Hier äußern sie sich meist politisch, gesellschaftskritisch, geistlich und manchmal sogar theologisch. Viele Predigten aber sind gespickt von „Eisegese“, also Dingen, die dem biblischen Text in den Mund gelegt werden, aber dort gar nicht stehen.

Warum nur?

Ich frage mich das oft – und ehrlich: Ich bin ja nicht besser. Frag mal meine Frau! Ich rede auch viel und schreibe viel – immerhin hast du es bis hierhin geschafft. Aber ich finde es sehr bedenklich, wenn Pfarrerinnen und Pfarrer meinen, sich über das Predigen zu definieren. Nein, klar, logisch – das würde keiner so sagen. Nie im Leben! Genug „Geistliche“, die jetzt diese Zeilen lesen, werden innerlich kochen und denken: „Wie kann er nur? Wie kann er nur…..mich so ertappen?“

Ich glaube, es sind drei Gründe, die dem zugrunde liegen, dass Pfarrer so oft einfach nicht den Mund halten können, weil sie sich über das Predigen (in den unterschiedlichsten oben auch genannten Formen) definieren.

Prioritäten

Der erste Grund ist recht simpel: Wir lernen in unserer Ausbildung, dass die Predigt das Wichtigste ist. Klar – Liturgikdozenten würden das jetzt anders sehen, aber wenn ich sowohl auf Studium als auch Ausbildung (Vikariat) zurückblicke, dann gab es immer diesen Subtext: „Das Wichtigste an deinem Beruf ist das Predigen!“ Eigentlich nur in der Seelsorge lernen wir, auch mal zuzuhören. Ansonsten: predigen! Verkündigen! Mund aufmachen! Im Gottesdienst, im Reliunterricht, im Konfirmandenunterricht, Seniorenkreis, Ältestenkreis, Kindergottesdienst, Dienstbesprechungen, als Vorsitzender des Trägers eines Kindergartens und und und.

Alleine das Lernen der exegetischen Methoden (egal welche man nun präferiert) dient dazu, „später einmal“ einen biblischen Text sauber zu exegetisieren, also das „rauszuholen“ was drinsteckt und nicht reinzulegen, was nicht drinsteckt (das wäre die oben schon erwähnte Eisegese).

Das hat auch seine Berechtigung, denn durch das Predigen geschieht nicht nur Wortverkündigung, sondern dadurch leite ich als Pfarrer auch „meine Gemeinde“. Ich setze Akzente, ich kann mir sicher sein, dass wenigstens hier mir die Leute zuhören und dass ich ohne große Unterbrechungen zwischen 15 bis 45 Minuten reden kann – je nach Gemeinde.

Ich predige leidenschaftlich gerne, deswegen ist es mir vollkommen fremd, nun predigtkritische Töne anzuschlagen, aber ich glaube, dass ein guter Gottesdienst nur dann entsteht, wenn den anderen Elementen des Gottesdienstes ebenso eine hohe Aufmerksakmkeit in der Planung und Vorbereitung zukommt.

Einseitige Ausbildung

Der zweite Grund: Wir können nichts anderes! Das klingt süffisant bis lustig – aber ist so. Ein „normaler Pfarrer“ (in der Landeskirche) hat ein Studium der Theologie – das war’s. Was macht man mit dem Ding? Man wird Pfarrer – oder kann noch in den Religionsunterricht. Aber ansonsten ist es doch eher schwierig, auf Grund der Ausbildung irgendwo zu landen. Handwerksberufe, Dienstleistungssektor, IT-Branche oder Industrie – das alles bleibt einem auf Grund der Ausbildung verschlossen. Ich habe Theologie studiert – damit bewege ich mich in einem sehr, sehr engen Korridor der Berufslandschaft in Deutschland.

Wo andere Berufsausbildungen heutzutage durchlässiger sind für andere Formen des Berufs, da ist der Pfarrer mit seinem Theologiestudium irgendwie so das Männchen im Walde, das pfeift, um seine Angst zu vertreiben. Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Aber seien wir doch bitte mal ehrlich: Auf der einen Seite ist da ein klassisches Theologiestudium mit Fächern wie Kirchengeschichte, Dogmatik, Praktische Theologie und Ethik. Auf der anderen Seite sind da im Pfarrberuf Dinge wie Haushaltsplan, Mitarbeiterführung, Kindergartenträgerschaft und Leitungsposition.

Ich meine – dass das hinkt und stinkt, ist ja jetzt nicht weiter verwunderlich. Ebenso wenig, dass man sich als Pfarrer dann auf das vermeintlich sichere Terrain zurückzieht, ist doch auch klar. Und klar ist auch, dass das Predigen nicht alles ist – es gibt ja weitere Kernkompetenzen wie Seelsorge und Religionspädagogik (Reliunterricht in der Schule sowie Konfirmandenunterricht), die vermeintlich (!) größte Wirkung jedoch meint der Pfarrer im Gottesdienst und hier vor allem in der Predigt zu erzielen.

Hach, es ist einfach zum Davonlaufen. Wir gelangen immer wieder an den Punkt, dass der Gottesdienst – und hier die Predigt – das Nonplusultra zu sein scheinen.

Pfarrer allein zuhause

Der dritte Grund: Einsamkeit. What??? Ja genau. Ich glaube, es ist wie in jedem anderen Beruf auch: Wo du keine Freunde hast, die in dein Leben hineinsprechen, dir auf die Sprünge helfen, dich stärken und ermutigen, aber auch korrigieren und zurechtweisen, da versuchst du über den Beruf deine Identität und Bestätigung zu bekommen. Das ist nun also wirklich nichts Pfarrer-Spezifisches. Das kannst du genauso als Softwareentwickler, Gärtner, Modeschöpfer, Versicherungsfachangestellter, Arzt, Bäckereifachverkäufer oder Lehrer.

Was aber sicherlich so ziemlich spezifisch ist (und in nur wenigen weiteren Berufen vorkommt), ist die Tatsache, dass man als Pfarrer mit recht vielen Menschen Kontakt hat – und das auch noch auf einer eher sozialen und zwischenmenschlichen Ebene – weniger auf einer betriebswirtschaftlichen oder produzierenden Ebene, auf der mein Gegenüber einfach nur mein Arbeitskollege ist. Das führt unweigerlich dazu, dass Ebenen durcheinander geraten bzw. miteinander in Berührung kommen und dadurch Äußerungen von zwischenmenschlichen Beziehungen sich in einem beruflichen Umfeld abspielen. Das ist nicht einfach – und sicherlich ähnlich wie in anderen Berufen, bei denen zwischenmenschliche Beziehungen sich auf einem beruflichen Level abspielen wie bspw. bei Ärzten. Allerdings mit dem Unterschied, dass ich im Normalfall mit meinem Hausarzt nicht auf Grund seines Berufes als Arztes in Meetings, Vorbereitungstreffen und Planungen mich zusammenfinde, aber seine professionelle Arbeit durchaus auch eine sehr persönliche Ebene in meinem Leben anspricht.

Bei Pfarrern ist es durchaus eine Challenge, mit ganz vielen Menschen zu tun zu haben, deren Erwartungen an zwischenmenschliche Beziehung andere sind als die, die ein Pfarrer erfüllen kann oder soll. Soll er denn mit der ganzen Gemeinde befreundet sein? Jeden einzelnen „gleich mögen“? So ein Quatsch! Wer das ernsthaft behauptet, soll sich in seine Höhle zurückziehen und im Mammutfell-Rock um’s Feuer tanzen.

Ich kann ja nur für mich sprechen, aber in meiner Gemeinde gibt es Menschen, die ich mega sympathisch finde; viele andere wiederum finde ich „nur“ sympathisch. Und andere wiederum….lassen wir das. Ich denke, du weißt, was ich meine.

Gleiches gilt aber auch andersrum: Nicht jeder in der Gemeinde mag den Pfarrer, gleichzeitig aber – und jetzt switche ich mal in den freikirchlichen Kontext – ist es die Gemeinde, die den Pastor finanziert (wie gut, dass es in der Landeskirche anders ist – die muss ja auch mal einen Vorteil haben gegenüber den Freikirchen).

Ein Dilemma. Und ich glaube, damit umzugehen, fällt vielen Pfarrern nicht leicht. Du bist die eierlegende Wollmilchsau, aber wirklich befreundet, so richtig tief mit ehrlichen Gesprächen bis tief in die Nacht, bist du mit einer Handvoll – wenn überhaupt.

Für manch einen nagt das dann am Selbstwertgefühl. Und wie bekommt man das noch mal zurück? Ach ja, richtig. Durch’s Predigen! Ein Teufelskreis. Im wahrsten Sinne.

Du liebst mich, also bin ich!

Hans-Joachim Eckstein hat diese Wendung ins Spiel gebracht. Schon vor vielen Jahren hat er Descartes‘ Äußerung umgemünzt im Blick auf Jesus und sagt: „Du liebst mich, also bin ich!“

Ich finde das eine sehr geniale Umwandlung dieser Aussage, die gleichermaßen in die Freiheit und in die Tiefe führt. Kein Mensch muss sich durch irgendetwas definieren, das er tut. Weder ein Fußballprofi, noch eine Lehrerin, weder ein Bäcker noch eine Managerin – und erst recht kein Pfarrer. Denn es geht nicht um das, was ich leiste, sondern um das, was ich bin. Geliebt.

Und daraus nun sollte man diese Gründe angehen. An der Ausbildung arbeiten (gut, ich gebe zu, das ist ein sehr großes Feld), die eigenen Kompetenzen stärken (auch fachübergreifend – es hindert mich niemand daran) sowie echte Freundschaften einzugehen und zu pflegen. Es gibt keinen Grund, weshalb diese drei Gründe für alle Ewigkeit fest zementiert sein sollten. Überhaupt nicht. Packen wir sie doch einfach an!

Und ich glaube fest daran, dass eine geliebte Person bzw. eine Person, die weiß, wie sehr sie von Gott geliebt ist, genau aus diesem Grund einen Unterschied in dieser Welt macht – und nicht auf Grund dessen, was sie leistet. Und mag es noch so fromm sein – und mag es noch so sehr das Predigen sein.


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Die Kunst des Leitens XI: Die Frage nach dem „Warum“

Kennst du den „Goldenen Kreis“? Er ist so simpel wie bahnbrechend. Stell dir drei konzentrische Kreise vor. Der innere Kreis steht für das „Warum“, der nächste Kreis für das „Wie“ und der äußerste der drei Kreise für das „Was“. Das Ganze ist nicht von mir, sondern von Simon Sinek (www.simonsinek.com), seines Zeichens einer der einflussreichsten Denker und Vorreiter der heutigen Zeit – für Menschen, die nicht stehenbleiben wollen.

Organisationen – und damit auch Kirchen und Gemeinden – agieren oft auf dem äußeren (WAS) Kreis, ohne die beiden inneren Kreise (WARUM und WIE) geklärt zu haben. Gemeinden agieren schnell und manchmal schon reflexartig, eine Antwort auf das „Was“ zu finden anstatt sich um das „Wie“ und das „Warum“ zu kümmern.

Dabei ist es viel, viel wichtiger, sich der Frage zu stellen: Warum machen wir, was wir machen? Warum sind wir, wie wir sind? Das „Warum“ fragt nach der eigenen Motivation, dem Antrieb, dem „Dahinter“, dem Grund.

Und ich dachte mir so: Meine Güte, wie wichtig ist das für Kirche – und wie erschreckend, wenn man Simon Sinek ernst nimmt im Blick auf den „Status Quo“ vielerorts.

Sinek verdeutlicht in seinem Buch „Frag immer erst: Warum“ am Beispiel von Apple, was es bedeutet, sich auf das „Warum“ zu fokussieren – und dann erst das „Wie“ und „Was“ anzugehen. Er beschreibt die Frage nach dem „Warum“ als den entscheidenden Erfolgsfaktor – nicht nur bei Apple.

Als Pfarrer und Leiter lerne ich gerne von den Besten – und dazu gehört Sinek. Nein, er ist kein Theologe – und das ist gut so, sonst wären seine Ideen wahrscheinlich auch nicht so gut. Ist einfach so. Das Meiste, was Kirche lernen kann, sagt sie sich nicht systemimmanent, sondern tut gut daran, Menschen zu Wort kommen zu lassen, die nicht „vom Fach“ sind.

Ich werde im Folgenden drei Zitate aus dem Buch „Frage immer erst: Warum“ verwenden, um aufzuzeigen, weshalb diese Frage auch für Gemeinde und Kirche so wichtig ist – und werde diese drei Zitate jeweils mit einer Frage einleiten. Denn wie oben schon gesagt: Ich glaube, dass Sinek „uns“ (also der Summe an Gemeinden, Kirchen, Leitungsebenen) jede Menge sagen kann – wer hören will, der höre!

Spiegelt das Äußere das Innere wider?

„Es ist nicht, was Apple tut, was das Unternehmen vor anderen hervorhebt. Es geht darum, warum es das tut. Seine Produkte sind der sichtbar gewordene Ausdruck des inneren Beweggrunds.“ aus 'Frag immer erst: Warum' von Simon Sinek

Ich liebe diese Formulierung: „Der sichtbar gewordene Ausdruck des inneren Beweggrunds

Drückt das, was in deiner Kirche und Gemeinde stattfindet das aus, was dich tief im Inneren bewegt? Spiegelt also das Äußere das Innere wider? Oder anders formuliert: Wenn Menschen deine Gemeinde „betreten“ – egal ob Gottesdienste, Kleingruppe oder Event – können sie daraus folgerichtig auf das schließen, was ich tief im Inneren bewegt?

Nehmen wir doch mal das Aushängeschild (oder zumindest sollte es dieses sein) einer Gemeinde: den Gottesdienst. Menschen kommen das erste Mal in den Gottesdienst, erleben die Musik, die Predigt, die Moderation genauso wie das Setting, den Raum sowie die Mitarbeitenden vor, während und nach dem Gottesdienst.

Stell dir vor, nun kommt ein Reporter. Dieser Reporter stell den Besuchern, die das erste Mal da sind, folgende Frage:

„Was glauben Sie, warum diese Gemeinde Gottesdienst feiert?“

Die Antworten des Gastes können vielfältig sein – er wird es aber hauptsächlich daran festmachen, was ihm in der vergangenen Stunde so begegnete. Was wäre die Antwort in deiner Gemeinde? Wäre doch mal spannend zu wissen! Auch für meine Gemeinde. Angenommen jemand hat wirklich keine Ahnung von Gottesdienst, „stolpert“ das erste Mal hinein – und bekommt diese Frage gestellt. Meine Vermutung ist, dass sehr oft Achselzucken als Antwort kommt.

Dabei sollte das, was wir tun und wie wir es tun, ein Spiegel dessen sein, warum wir es tun.

Meine Antwort auf die Frage „Warum feiert ihr Gottesdienste in eurer Gemeinde?“ ist schlicht: Damit Menschen Jesus kennenlernen! Also sollten wir auch alles daran setzen, dass das Wie und das Was dem Warum entspricht. Man könnte also anhand der folgenden Elemente erkennen, welches Warum hinter unseren Gottesdiensten steht:

  • Wie ist die Sprache der Lieder?
  • Welcher Musikstil wird gespielt?
  • Wie werden Menschen willkommen geheißen, wenn sie das Gebäude/Gelände betreten?
  • Sprechen wir mit den üblichen Kirchen-Floskeln, die ein normaler Mensch nicht versteht? (Opfer, Worship, Lobpreis, Segen empfangen, Vaterunser, liturgische Texte aller Art)
  • Wie werden „Neue“ nach dem Gottesdienst wahrgenommen und ggf. angesprochen?
  • Wie ist das Setting in der Kirche (Dekoration, kirchliche Gegenstände wie Altar, Kanzel und Taufstein, Bestuhlung, Beleuchtung, Sauberkeit) – fühlen sich „Neue“ wohl?

Natürlich kann man da noch eine Menge anderer Punkte anführen und es muss auch nicht der Gottesdienst sein. Dieser bietet sich einfach an, da er in so gut wie jeder christlichen Gemeinden die wohl regelmäßigste und öffentlichste Veranstaltung ist.

Stellst du Bestehendes infrage und bietest Lösungen an?

„Apple hat sich im Gegensatz zur Konkurrenz über die Frage definiert, warum die Firma etwas tut. Sie ist keine Computerfirma, sondern eine Firma, die das Bestehende infrage stellt und Individuen andere Lösungen anbietet.“aus 'Frag immer erst: Warum' von Simon Sinek

Ich finde diesen Gedanken so stark! „Semper reformanda“ war mal ein Schlagwort in der Kirchengeschichte, das soviel heißt wie: „Kirche muss immer reformiert werden“. So ist es!

Wer konsequent vom „Warum“ her denkt, stellt Bestehendes infrage. Warum? Weil er sich ständig fragt, ob er sich uns einem Auftrag noch treu ist. Aber er hinterfragt nicht nur, sondern bietet Lösungen an. Das ist so wichtig!

In der Realität gibt es nun ganz unterschiedliche Abstufungen, ob und wie Gemeindeleitung Bestehendes infrage stellt und Lösungen anbietet. Denn wohlgemerkt: Es ist kontinuierliche Aufgabe der Leitung einer Gemeinde, Bestehendes zu hinterfragen. Gemeindeglieder und Nicht-Gemeindeglieder tun dies sowieso. Das nehme ich wahr anhand von Gesprächen, Emails, WhatsApp-Nachrichten, Kirchenaustritten und dem, was so hintenrum erzählt wird.

Es ist also nicht ungewöhnlich, Bestehendes infrage zu stellen und nach Lösungen zu suchen. Die Frage ist nur: macht es die Gemeindeleitung oder nicht? Es ist nämlich ihr wesentlicher und eigentlicher Auftrag. Die Abstufungen, die ich in der Realität wahrnehme, sehen so aus:

  1. Du hinterfragst nichts und bietest keine Lösungen an. Die stumpfsinnige Variante „Das haben wir schon immer so gemacht.“
  2. Du hinterfragst nichts aber bietest Lösungen an. Die weltfremde Variante „Ich gebe Antworten auf Fragen, die keiner gestellt hat.“
  3. Du hinterfragst aber bietest keine Lösungen an. Die trotzige Variante „Ich finde alles doof, aber mehr kann ich auch nicht beitragen.“
  4. Du hinterfragst und bietest Lösungen an. Die innovative Variante „Ich sehe Potenzial und bin bereit, adäquate Lösungen zu finden.“

Wir leben in einer Zeit, deren einzige Konstante der kontinuierliche Wandel ist. Es kann nicht funktionieren, wenn Kirche ihr Tun nicht infrage stellt, sondern denkt, einfach weitermachen zu können wie bisher.

Die Frage nach dem „Warum“ wird unweigerlich dazu führen, dass wir Bestehendes infrage stellen. Es geht gar nicht anders. Die Frage nach dem „Warum“ ist die Frage nach der inneren Antriebskraft, nach unserer Motivation, nach dem, was der Motor einer Sache ist. Und wenn dieser ins Stottern kommt, weiß jeder: Hier muss repariert und eine andere Lösung präsentiert werden.

Nimm dir nur mal einen Moment Zeit und frage dich, warum du tust, was du tust. Das muss nicht im Blick auf Kirche und Gemeinde, nicht einmal im Blick auf deinen Beruf sein – das kann das betreffen, was dir momentan in den Sinn kommt. Unweigerlich ist die Frage damit verknüpft, infrage zu stellen, ob das, was du tust, auch wirklich das Richtige ist, ob es „dran ist“, wie man so schön sagt. Diese Frage wird dir auch aufzeigen, wo du nachbessern, justieren, verändern – oder eben: Lösungen anbieten solltest.

Denkst du konsequent anders?

Die Produkte an sich sind nicht der Grund, warum Apple überlegen ist; jedoch dienen die Produkte der Firma – also was Apple macht – als handgreiflicher Beweis dafür, was das Unternehmen glaubt. Es ist diese eindeutige Beziehung zwischen dem, was es tut, und der Antwort auf die Frage, warum es das tut, was Apple so anders macht. Das ist der Grund, warum Apple authentisch erscheint. Alles, was das Unternehmen tut, dient dazu das Warum zu veranschaulichen, das Bestehende infrage zu stellen. Unabhängig von den Produkten, die es herstellt, und der Branche, in der das Unternehmen operiert – es ist immer klar, dass Apple „anders denkt“. aus 'Frag immer erst: Warum' von Simon Sinek

…und ich befürchte, dass hier die meisten aussteigen werden. Aber schön, dass du wenigstens bis hierhin gelesen hast!

Was sagt Sinek da? Das iPhone, der iPod und der iMac an sich sind nicht der Grund dafür, dass Apple so erfolgreich ist, sondern weil diese Produkte zeigen: Appel denkt anders. Apple denkt innovativ. Apple stellt den „Status Quo“ in Frage. Apple ruht sich nicht aus. Apple will Antworten jetzt schon liefern, deren Fragen ich vermutlich erst übermorgen stelle.

Und genau so ist es. Ich bin begeisterter Apple-User. Und sicherlich nicht nur deswegen, wie Sinek es beschreibt – ich finde die Apple-Geräte an sich einfach richtig, richtig gut! Aber in der Tat ist es auch der „Spirit dahinter“, der mich diese Produkte verwenden lässt, weil ich einfach weiß: Apple wird nicht stehen bleiben, sondern sich hinterfragen, sich erneuern (innovieren), wird sich den Problemen stellen und Lösungen finden, die ich heute noch gar nicht sehe, weil ich das Problem noch nicht erkannt habe.

Und Kirche so? „Ach ne, lass mal so weitermachen wie bisher. Gleiche Lieder, gleiches Setting, gleicher Ablauf, gleiche Liturgie, gleicher Talar, gleiches Alles.“ …und sich dann wundern, dass Menschen der Kirche scharenweise den Rücken kehren.

Menschen haben ein Gespür für das „Warum“, für das „Dahinter“. Ich erlebe das immer dann, wenn Menschen bei uns in der Gemeinde neu sind, wenn sie den Gottesdienst besuchen und dann – meistens nach ein paar Besuchen – Sätze äußern wie.

„Man merkt, dass ihr das aus Leidenschaft macht, was ihr macht.“

„Hier fühle ich mich angenommen, hier kann ich sein, wie ich bin.“

„Es ist einfach so schön hier.“

„Ihr seid so wohltuend normal.“

Das alles hat mit dem, was im Gottesdienst geschehen ist, erst mal überhaupt nichts zu tun. Da kam keinerlei Äußerung über die Inhalte der Predigt oder die Liedtexte. Aber Menschen haben einen „Spirit“ gespürt, eine Atmosphäre. Und genau das dürfen wir nicht unterschätzen. Die Frage nach dem „Warum“ ist gleichzeitig auch die Frage nach dem „anders Denken“.

Dieses „anders Denken“ – oder wie ich es immer nenne: „out of the box denken“ – hat keinen Selbstzweck. Es geht nicht darum, sich selbst dafür zu loben, dass man „anders denkt“. Für mich bedeutet dieses „anders Denken“, dass ich mein Gegenüber wertschätze! Ich nehme wahr, dass mein Gegenüber viel mehr interessiert und viel mehr bewegt als das, was sich im Sichtbaren, auf der Oberfläche abspielt. Ich nehme wahr, dass mein Gegenüber Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse hat, denen ich sehr wahrscheinlich nicht adäquat begegnen kann, wenn ich lediglich den „Status Quo“ kultiviere.

Man mag es gut finden, man mag es schlecht finden: Wenn Kirche nicht mit der Zeit lernt, dass „anders Denken“ Wertschätzung des Gegenübers bedeutet, dann geht sie mit der Zeit.

Denn Menschen sind nicht doof. (Was für ein tiefer Satz.) Wer spürt, dass es einer Institution lediglich um den Selbsterhaltungstrieb geht, wird nicht lange dabeibleiben.

Was würde geschehen, wenn wir uns die Frage nach dem „Warum“ radikaler stellen würden?

Und was würde geschehen, wenn unsere Antworten darauf ganz ehrlich sind?


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