Wir schreiben den 6. bis 8. März 2020 und befinden uns auf Klausur des Gemeindeleitungsteams inmitten des Hotzenwaldes. Zivilisation und mobiles Netz finden so gut wie nicht statt. Umso besser, denn so sind wir für ein Wochenende – wie jedes Frühjahr – ganz auf uns alleine gestellt, haben viel Zeit, sind ungestört und genießen die Zeit zusammen und mit Gott.
Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht ahnten: Nur eine Woche später sollte die Welt sich verändern und vieles von dem, was wir überlegt hatten, nicht möglich sein. Stattdessen fanden wir uns inmitten einer Pandemie, Lockdowns und Kontaktbeschränkungen wider. Und das war – zumindest für die Gemeindeentwicklung und das, was wir überlegten – nicht das Schlechteste.
GROW – Was ist das?
An diesem Wochenende beschäftigten wir uns intensiv mit dem “GROW”-Modell der “Church of the Highlands“. Da ich auf diesem Blog immer wieder über die Entwicklung dieses GROW-Modells in unserer Gemeinde schreiben werde, will ich an dieser Stelle nur den Grundgedanken erläutern.
GROW ist mehr als ein Modell. GROW bildet vier “Stationen” ab, die jeder Mensch, der Jesus nachfolgt, im Laufe seines Lebens auf seinem Glaubensweg nicht nur passiert, sondern seinen Glaubensweg maßgeblich bestimmt:
- Gott kennen
- Freiheit erleben
- Bestimmung entdecken
- Einen Unterschied machen
So “einfach” es erscheint, so grundlegend wahr ist es. Eine Person lernt Gott kenne (später dazu mehr, was das wirklich heißt) und entscheidet sich für ein Leben mit Jesus. Dann erfährt er Freiheit von Dingen, die ihn daran hindern, die nächsten Glaubensschritte zu gehen. Nach und nach entdeckt er seine Bestimmung, den “Sinn hinter allem”, wofür er auf dieser Erde ist und schließlich beginnt er, einen Unterschied in seinem Umfeld, in seiner Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der Schule zu machen.
Diese vier Schritte haben im Gemeindeleben ganz konkrete Auswirkungen bzw. Momente, wo sie gelebt werden und es für uns als Kirchengemeinde (große) Veränderung bedeutet.
Wie gesagt: Später mehr dazu.
Geschenkte Zeit dankbar nutzen
Nach der Rückkehr in die Zivilisation Mitte März letzten Jahres waren wir natürlich zunächst geschockt. So ein Mist. Kann das echt sein? Nichts von dem, was wir uns da vorgenommen haben, können wir nun in die Tat umsetzen? Der Alltag bestand nun aus spontanen Entscheidungen, Schreiben von Hygienekonzepten, Bestellen von Desinfektionsmitteln und den andauernden Überlegungen, was man nun machen darf und was nicht.
Nach und nach arrangierte man sich mit den ständig neuen Verordnungen und “Corona-Infomails” aus dem Oberkirchenrat und dann nahm ich ein großartiges Geschenk wahr im Blick auf die Gemeindeentwicklung: Geschenkte Zeit!
Viele Veranstaltungen konnten nicht stattfinden oder wurden in den digitalen Raum verlegt, zu dem der Anfahrtsweg wesentlich kürzer ist als zu “physischen Treffpunkten” in unserer Flächengemeinde und in unserem Flächenbezirk.
Auch ist ein spontanes Zoom-Meeting schneller einberufen als ein “real life Treffen”. Und dann nahm ich wahr, wie ich gemeinsam mit meinen beiden Kollegen und dem Leitungsteam der Gemeinde die Zeit nutzte, um dieses “GROW-Modell” noch besser zu verstehen.
- Kontakte zu anderen Gemeinden knüpfen
- Telefonate
- Emails
- Dokumente durcharbeiten
- Training-Videos anschauen
- Predigten von Gemeinden hören, die dieses Modell leben
- die Growleader-Community kennenlernen
- Material downloaden, bearbeiten, übersetzen und in unseren Kontext transferieren
- Rücksprache mit den Kollegen
- stetiges Updaten im Leitungsteam der Gemeinde in unseren 14tägigen Meetings
- erste konkrete Überlegungen für uns als Kirchengemeinde
- die Frage klären, wie “GROW” im landeskirchlichen Kontext gelebt werden kann
Du siehst: Jede Menge zu tun – und es war möglich, weil uns Zeit geschenkt wurde.
Grundsatzentscheidung eines Leiters
Natürlich hätten wir uns auch beschweren können über das was nicht geht. Logisch. Haben ja viele gemacht – und ganz ehrlich: Auch ich habe innerlich immer wieder gehadert mit dem, was nicht geht. Ich leite bspw. dienstags den Kinderclub in Stühlingen und es schmerzt mich, dass wir letztes Jahr erst in der Salamischeibchentaktik den Kinderclub stattfinden lassen konnten, dann wieder nicht, dann wieder doch, dann wieder nicht. Das nervt. Und dafür mussten wir dann andere Wege finden.
Gleichzeitig aber ist es die Grundsatzentscheidung eines jeden Leiters, was er nun mit den Umständen macht. Ich habe mich dazu entschieden, die geschenkte Zeit sinnvoll zu nutzen, nicht unnötig zu jammern, sondern zumindest das schon einmal auf die Beine zu stellen, was möglich ist. Und gerade zu Beginn einer Art “Umstrukturierung” oder wenn du neue Wege gehst, gibt es zwei Dinge, die du als Leiter tun musst (neben dem Gebet, logisch, das ist ein No-Brainer).
Zum einen musst du manche Dinge in ein Konzept packen und in der Theorie gestalten. Zum zweiten musst du Dinge aber auch ganz praktisch tun, weil – und da stehen wir Deutschen besonders in der Gefahr – du sonst bis zum Sankt Nimmerleinstag wartest, dass das Konzept ausgereift ist – dann legst du nämlich nie los.
Pandemie bedeutet nicht Stillstand
Eines haben wir in dieser Zeit gemerkt: Gemeinde steht nicht still. Gemeindeentwicklung ist möglich. Und damit meine ich nicht nur Digitalisierung, sondern grundsätzliche, konzeptionelle Entscheidungen, welche das Gemeindeleben der nächsten Jahre bestimmen werden.
Am 17. Januar starteten wir die erste Predigt in unserer “GROW”-Predigtreihe und wir sind sehr gespannt, wie der weitere Prozess anlaufen wird. Wir als Leitungsteam aber sind vollkommen davon überzeugt, dass das Potenzial von “GROW enorm ist und unsere Gemeinde tiefgreifend verändern kann und wird.
Wenn du das hier liest und selbst Leiter oder Pastor bist, lass dich ermutigen (oder heb’ deine vier Buchstaben von der Couch, je nachdem, wie du es brauchst): Gemeinde steht nicht still. Gemeinde steht nie still. Gemeinde ist das Werk des Heiligen Geistes – und der ist immer am Wirken! Immer!
Es ist im letzten Jahr zu einer bequemen Ausrede geworden: “Jetzt lass erst mal Corona rumgehen, dann schauen wir weiter!” Wenn du auch so denkst oder das gesagt hast – vergiss es! Die Realität zeigt uns, dass das nicht so ohne weiteres geht und zum anderen solltest du als Leiter und Pastor deine Gemeindearbeit nicht von einem Virus, sondern von Gottes Geist abhängig machen. Und der wirkt – immer!