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Wenn nicht jetzt – wann dann?

Es ist höchste Zeit für Experimente. Richtig gehört. Experimente. No risk, no fun!

Not macht erfinderisch, sagt man. Und in gewisser Weise bewahrheitet sich das gerade an allen Ecken und Enden unserer Gesellschaft. Wir basteln Nase-Mund-Masken aus allen möglichen Materialien, wir werden kreativ und erfinderisch wenn es darum geht, anderen Menschen etwas Gutes zu tun und es werden Mittel und Wege gefunden, um sich mit Freunden nach wie vor zu „treffen“ – und wenn es zunächst virtuell und digital geschieht.

Auch für die Kirch bietet diese Zeit der „Corona-Krise“ eine wahnsinnig geniale Gelegenheit, zu experimentieren, Risiken einzugehen, Neues zu wagen.

Hier und jetzt und heute wird absolut konkret, was der us-amerikanische Pastor Craig Groeschel als die „Vier Notwendigkeiten für Innovation“ benennt. In diesem Artikel kannst du ein bisschen mehr darüber lesen – ich zähle sie hier nur mal schnell auf

  • Ein zu lösendes Problem
  • Begrenzte Ressourcen
  • Die Bereitschaft, Fehler zu machen
  • Eine verrückte Idee

Erstaunlich, aber nicht überraschend, wie diese vier Notwendigkeiten für Innovation nun auf einen Nährboden treffen, der seinesgleichen sucht: Die „Corona-Krise“.

Alle in einem Boot

Wir sitzen alle im gleichen Boot, die wir als Leiterinnen und Leiter nun herausgefordert sind, Gemeinde und Kirche relevant zu halten. Unser zu lösendes Problem besteht darin, wie wir nun in diesen herausfordernden Zeiten Gemeinde bleiben und leben. Vieles geht nicht mehr so, wie noch vor vielen Wochen. Gemeinden stehen vor der Herausforderung und der Frage: Was macht uns als Gemeinde aus? Wie leben wir den Glauben an Jesus konkret?

Die begrenzten Ressourcen nehmen wir jetzt noch mehr gemeinsam wahr als „vor der Corona-Krise“. Da gab es natürlich auch die „armen“ und „reichen“ Gemeinden im Blick auf die Kern-Ressourcen Personal, Finanzen und Gebäude. Nun aber sind unsere Ressourcen dahingehend begrenzt, dass bspw. das größte und schönste Gebäude nichts bringt, da es momentan nicht mit Leben „gefüllt werden darf“. Wir sehen uns also alle doch irgendwie im gleichen Boot sitzen.

Was die verrückte Idee und die Bereitschaft, Fehler zu machen betrifft, sieht es nun individuell komplett anders aus. Da sind Gemeinden ganz unterschiedlich betroffen und haben natürlich unterschiedliche Erfahrungen mit „Mut zum Fehler“ und „Out of the box denken“ gemacht.

Viele Strukturen, viele Veranstaltungsformate, viele „Normalitäten“ greifen momentan einfach überhaupt nicht und so führen uns das „zu lösende Problem“ und „die begrenzten Ressourcen“ zu einer ganz entscheidenden Frage:

Fehler? Ja, bitte!

Knackpunkt! Für uns Deutsche! Wir hätten gerne immer alles fertig. Fertige Konzepte. Fertige Prozessformulierungen. Fertige Follow Ups. Fertige Programme. Fertige Nerven.

Große Angst haben wir offensichtlich davor, Fehler zu machen. Das ist nicht nur schade und traurig – das ist elementar problematisch, wenn wir innovativ sein wollen und auf Probleme adäquat reagieren möchten.

Nein, liebe Leserin und lieber Leser, es muss noch lange nicht alles fertig sein, bevor du mit etwas startest. Lass doch den Dingen Spielraum. Lass Kreativität freien Raum.

Nehmen wir als Beispiel die momentane Gottesdienst-Situation – eignet sich ja hervorragend, wenn ich betrachte, wie dieser Artikel hier in den letzten Tagen viral gegangen ist. Du überlegst dir als Leiter gemeinsam mit deinem Leitungsteam, wie ihr Gottesdienste streamen könnt im Internet. (Am Ende des Artikels findest du ein paar sehr hilfreiche Links zu dem Thema.)

Gottesdienst streamen. Da gibt es viel zu bedenken:

Haben wir die Technik?

Was braucht es an Kamera und Beleuchtung?

Wie sieht es mit der Mikrofonierung aus?

Passt die bisherige Dekoration oder muss eine andere her?

Übernehmen wir den bisherigen Gottesdienstablauf oder erstellen wir etwas Neues?

Wie können wir die Personen vom Zuschauer zum Mitfeiernden werden lassen? Wie also ist Interaktion möglich?

Wie kommt Musik im Gottesdienst vor?

Und. Und. Und. Und. Und.

So viele Fragen.

Wenn du auf alles eine Antwort möchtest, ehe du loslegst, wirst du nie loslegen.

Entscheide dich für die wichtigsten Fragen – lege los. Und den Rest? Den bearbeitest du im laufenden Prozess und deine Gottesdienste werden von Mal zu Mal besser.

Entstehen dabei Fehler? Jede Menge! Ist das schlimm? Nein!

Natürlich gibt es einen Grundpegel an Qualität, der erreicht werden sollte, aber das gebietet dir der gesunde Menschenverstand und das ästhetische Empfinden aber nicht dein Innovationsempfinden oder Mut zum Wagnis.

Wir haben in unserer Gemeinde zum Beispiel erst nach einigen Gottesdiensten etwas Neues gewagt und so die Grund-Dekoration komplett verändert: Wir haben den Altar entfernt und stattdessen eine wunderschöne Deko zur Predigtreihe passend angebracht.

Nun musst du als Nicht-Landeskirchler wissen: Der Altar ist so etwas wie eine heilige Kuh. Aufstand? Empörung? Kirchenaustritte? Nichts dergleichen. Stattdessen Rückmeldungen wie „Die Deko ist super!“ oder „Es sieht alles viel schöner und aufgeräumter aus!“

Experimentieren. Wagen. Jetzt!

Wir machen einen kleinen Zeitsprung. Es ist die Zeit, in der die Dinge zwar nicht so sind wie zuvor – aber doch recht normal. Es finden Gottesdienste statt, Veranstaltungen in den Gemeinden sind wieder relativ „normal“, Hauskreise treffen sich, selbst Gemeindefeste sind wieder erlaubt und der Mindestabstand von 1,5 Metern gilt schon lange nicht mehr.

Pastor Toni Annovi sitzt abends bei einem Glas Wein resümierend auf dem Balkon, lässt seinen Blick über die Landschaft schweifen. Sein Herz ist erfüllt mit Dankbarkeit über das, was in dieser Krise an neuen Dingen entstand und was sich von den „gewohnten Dingen“ als gut und sinnvoll bewahrheitet hat. Ja, einiges wurde wieder verworfen, weil es für die Krise gut war – aber nicht darüber hinaus.

Anderes aber ist auf so nachhaltige Beine gestellt worden, dass seine Gemeinde mehr denn je wächst, mehr Menschen als zuvor zum Glauben an Jesus kommen, die Gemeinde mehr und mehr relevant für ihre Umgebung und Kultur geworden ist und manche Dinge, die eigentlich „schon lange nicht mehr liefen“, nicht mehr existieren, was aber niemanden stört, da die neu gewonnene Kreativität ganz viel Freude und Leidenschaft freisetzt. Nach wie vor und immer noch.

Pastor Arno Ditit lässt seinen Blick ebenfalls schweifen – aber eher wehmütig. Er erkennt die verpassten Chancen. Er bedauert, nicht noch mehr Risiko eingegangen zu sein und Neues gewagt zu haben. Die Angst vor Fehlern raubte ihm so oft die Energie, Dinge anzupacken. Er wollte einfach nicht scheitern. Das Aufrechterhalten manch bestehender Dinge hat so viel Zeit und Kraft gebündelt, dass an Neues auch gar nicht groß zu denken war.

Im Großen und Ganzen hat sich nicht viel verändert – weil die meisten (er auch) bemüht waren, den Laden irgendwie mit dem bisher Bewährtem „am Laufen“ zu halten.

Eine kleine Form dieses „Wagens“ sind die „F.A.Q.-Abende“ in unserer Kirchengemeinde, die wir jetzt angehen. Drei Abende. Drei Fragen. Drei Themen. Für Neulinge, Quereinsteiger, Fragende und Suchende.

Das Ganze: Als Videokonferenz.

Wie es wird? Keine Ahnung. Aber: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Ich mache dir Mut: Wage etwas! Lass etwas anderes dafür! Probier etwas aus.

Weder muss es „fertig“ sein, noch muss du jetzt schon wissen, wie es wird. Ich weiß, das kostet Überwindung und erfordert jede Menge Vertrauen in Gott.

Aber: Wenn nicht jetzt – wann dann?

Wenn du zum Thema „Gottesdienst streamen“ viele gute und wichtige Informationen gebündelt haben möchtest, empfehle ich dir den „Leiterblog“ (www.der-leiterblog.de) von Lothar Krauss. Den empfehle ich dir generell sehr, weil er mega ermutigend und inspirierend ist – im konkreten Fall meine ich aber diese Artikel:

Technische Tipps – Gottesdienste digital

Überzeugend vor der Kamera: Wie geht das?


Weitere Artikel im Blick auf die „Corona-Krise“:


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Kommt alle her, die ihr stark und gesund seid!

So und nicht anders kann Kirche momentan einladen zu Gottesdiensten. Auf Grund der Vorschriften im Blick auf die „Corona-Krise“ ist es anders nicht möglich. Nicht einmal zwei Monate ist es her, dass keine Gottesdienste mehr stattfinden können auf Grund des Versammlungsverbotes und für manche Geistliche, Pastoren und Theologen scheint sich das Ende des christlichen Abendlandes abzuzeichnen – scheinbar unabhängig davon, dass es weltweit Christen gibt, für die das, was wir nicht einmal in einem Zeitraum von knapp zwei Monaten erleben, ein Leben lang Normalität ist: Keine öffentlichen Gottesdienste.

Es geht mir um eine Absurdität, von der ich nach wie vor nicht verstehen kann, wie manche sie nicht nachvollziehen oder zumindest erkennen können. Denn krasser könnte der Kontrast zu einer Kernaussage Jesu nicht sein.

Was hat Jesus nochmal gesagt?

Jesus hat einmal gesagt:

Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!“ (Matthäus 11,28)

Nun dürfen unter bestimmten hygienischen Vorschriften und Regeln in einigen Bundesländern wieder Gottesdienste stattfinden. Nimmt man diese Vorschriften ernst, muss man die Aussage Jesu komplett umdrehen und kann vereinfacht ausgedrückt zu den Gottesdiensten einladen unter dem Slogan:

Kommt alle her, die ihr stark und gesund seid!

Personen, die vorerkrankt sind, die zu einer Risikogruppe gehören, die sich momentan krank fühlen – sie dürfen alle nicht kommen oder sollen es nicht. Sie sollen zuhause bleiben – und das aus nachvollziehbaren Gründen. Ganz großes Kino. Absurder geht’s nicht.

Hier wird ein Grundwert christlichen Glaubens auf dem Altar der scheinbar beschnittenen Ausübung von Religionsfreiheit geopfert.

„Mach mal halblang“, höre ich die ersten rufen. „Die Leute kommen ja zur Kirche, nicht zu Jesus.“

Ok, schauen wir uns diesen Pappkamerad an.

Die lauten Unkenrufe, jetzt endlich wieder „richtig Gottesdienst feiern“ zu können, kommen doch gerade da her, dass Menschen sich in einem Gotteshaus Gott wesentlich näher zu fühlen scheinen als vor dem Bildschirm bei einem Livestream-Gottesdienst. In gewisser Weise wird also angenommen, dass Gottes Gegenwart in Kirchen besser zu erleben wäre als zuhause vor dem Bildschirm. Interessant.

Jesus hat gesagt: „Ich bin bei euch an allen Tagen bis an das Ende der Welt.“ (Matthäus 28,20)

Er hat nicht gesagt: „Ich bin bei euch in der Kirche bis an das Ende der Welt.“

Ich wünsche mir sehnlichst, dass wir wieder Gottesdienste als versammelte Menschen feiern. Das ist Wesensäußerung von Kirche seit annähernd 2000 Jahren. Ich wünsche mir das wirklich sehr! Mit vielen. In einem Raum. Mit Liedern (die dürfen nicht gesungen werden momentan), mit Umarmungen und Begrüßungen (bei 1,5-2 Meter Abstand geht das nicht) und mit der Möglichkeit, das Lächeln auf dem Gesicht des anderen wahrzunehmen (was durch eine Gesichtsmaske extrem erschwert ist).

Solange das nicht möglich ist, sollten wir keine Scheingefechte austragen, sondern uns darauf konzentrieren, wie die neu gewonnene Kreativität und innovative Kraft in der Kirche weiterentwickelt werden kann, um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, zu trösten, zu stärken.

Ich habe es an anderer Stelle schon geschrieben, dass ich tief bewegt davon bin, welche Kreativität und Innovationskraft sich nun Bahn bricht in dieser alten, oft so schwerfälligen und rückwärts gewandt wirkenden Kirche. Sie lebt! Sie lebt immer noch!

Ein unguter Reflex und Glaubwürdigkeitsverlust

Dass nun landauf landab von einigen gefordert wird, unbedingt wieder Gottesdienst zu feiern, ist für mich ein unguter Reflex und hat mit der Ausübung meiner Religionsfreiheit gar nichts zu tun. Ich kann meinen Glauben auch ohne Kirchengebäude und Gottesdienst leben – natürlich ist es aber mit Gottesdienst wesentlich schöner.

Da wird doch in der Kirche immer wieder betont, dass Gott auf Seiten der Schwachen und der Kranken sei. Warum verabschiedet sich die Kirche aber von genau dieser Gruppe, wenn nun vehement Gottesdienste gefordert werden, obwohl die Rahmenbedingungen es kaum möglich machen oder gar zulassen, dass Schwache und Kranke daran teilnehmen? Wohlgemerkt: Wir reden hier von einem nicht einmal zwei Monate langen Zeitraum im Rahmen einer annähernd 2.000 Jahre langen Kirchengeschichte.

Mir treibt es jede Menge Fragezeichen in mein Hirn, wenn ich gerade von denen, die genau dieses Mitleiden Gottes mit den Armen, Kranken und Schwachen immer wieder betonen, jetzt lautstarke Forderungen nach Gottesdiensten höre. Für wen? Für die, die bedenkenlos kommen können – und das sind nicht die Kranken und Schwachen. Absurd.

Zwei Meter Abstand zwischen den Stühlen – also nicht nur nach rechts und links, sondern auch nach vorne und nach hinten. Wow. Was für eine krasse Gemeinschaft. Wenn das so toll ist, dass es jetzt vehement gefordert wird – wieso haben wir es vorher nicht schon so gemacht? Falls es noch immer nicht angekommen ist: Auch ich will unbedingt wieder Gottesdienste feiern. So richtig. Mit Umarmungen und Handschlag, mit fröhlichem Worship und Abendmahl mit Brot und Saft oder Wein. Ja, unbedingt will ich das.

Oh Kirche, wach endlich auf!

Dein Zentrum ist keine Veranstaltung sondern eine Person: Jesus Christus. Und dem ging’s immer um Beziehung – vor allem um ganz nahe Beziehungen. Enge Beziehungen. Wahrhaftige Beziehungen. Keine halben Sachen.

Wir werden bis Jesus wiederkommt noch eine ganze Menge Gottesdienste feiern. Dessen könnt ihr euch sicher sein. Da kommt es auf ein paar Gottesdienste mehr oder weniger nicht an – und nicht auszudenken, wenn ausgerechnet durch eine verfrühte Öffnung von Kirchen einer zweiten Infektionswelle der Boden bereitet wird oder wir einer Einteilung in „Schwach und Krank“ vs. „Gesund und Stark“ noch mehr Raum geben.

Lasst uns diese Krise lieber nutzen, um Menschen zu dienen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und vor allem: Lasst uns weiterhin Menschlichkeit, Liebe, Kreativität und Innovation ganz viel Raum geben – denn davon habe ich in den letzten Wochen jede Menge gesehen und bin begeistert!

Lasst uns Online-Glaubenskurse starten, Telefonandachten einspielen, Menschen anrufen, Briefe und Karten schreiben, Gottesdienste und Andachten streamen (die danach auch noch verfügbar sind zum Anschauen als Ermutigung), lasst uns „Jesus ist auferstanden“ auf die Straßen schreiben und Segenskarten an Kirchen abholen, lasst uns mit Kids gemeinsam online Kindergottesdienst und Jungschar zelebrieren, lasst uns der Einsamkeit der Menschen persönlich und direkt begegnen, lasst uns virtuell Kleingruppen haben und Abendmahl feiern, lasst uns Predigen ausdrucken und verteilen, lasst uns Predigten auf CD aufnehmen und verteilen mit Begleitheft (in der Gemeinde meiner Dekanin wird das gemacht – mega!), lasst uns diese Situation einfach noch weiter aushalten.

Lasst uns das alles tun. Lasst es uns weiterhin tun. Und lasst uns nicht Gottesdienste einfordern, denn eines ist ziemlich sicher: Es wird eine ganze Menge Kraft, Zeit und weitere Ressourcen benötigen, um diese Form von Gottesdiensten zu feiern. Das alles fehlt dann wieder, um die innovativen und kreativen Ideen der letzten Wochen auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen.

P.S.

Ja, ich bin Pfarrer. Ja, ich liebe meine Gemeinde – aber nicht mehr als meine Familie, keine Sorge. Ja, ich liebe meinen Beruf. Ja, ich will unbedingt wieder Gottesdienste feiern – bald, so richtig; ich glaube, ich erwähnte es oben bereits.

Nein, Kirche wird jetzt nicht zugrunde gehen ohne Gottesdienste. Nein, Gottesdienste sind nicht das Zentrum christlichen Glaubens. Nein, ich will nicht provozieren, sondern lediglich meine Meinung auf meinem Blog kundtun.

Ja, ich bin begeistert von dem, was an Gutem in den letzten Wochen entstand. Ja, ich bin mir bewusst, dass das hier nicht allen passt – das ist ok. Wir betonen in der evangelischen Kirche doch immer die tolerante Weite protestantischer Theologie. Just do it! Halte es aus, dass ich eine andere Meinung habe als du – ich halte deine Meinung auch aus. Nein, ich erwarte nicht, dass du alles so siehst wie ich. Nein, ich habe nicht die Weisheit mit den Löffeln gefressen und nein, versprochen: Ich möchte niemandem zu nahe treten.

Aber ja: Ich kämpfe leidenschaftlich für eine innovative und zeitgemäße Form von Kirche, die sich mehr auf ihren Inhalt als auf ihre Form stürzt oder wie es unsere anglikanischen Geschwister sagen würden: Lieber eine „mission shaped church“ als eine „church shaped mission“.


Weitere Artikel im Blick auf die „Corona-Krise“:


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5 Dinge, die es auch nach der „Corona-Krise“ braucht

„Meine Güte, wieso haben wir das nicht schon früher so gemacht?“ Ich habe mir diese Frage selbst öfters gestellt – oder habe sie gestellt bekommen. Es scheint in der Tat so, dass Krisen nicht nur negativ sind. Sie fordern unsere Kreativität heraus und ein „Um-die-Ecke-Denken“, wie wir es sonst wenig tun.

Für mich ist es unglaublich faszinierend, was an Gutem in den letzten Wochen entstanden ist. Ja, diese „Corona-Krise“ ist verbunden mit viel Schrecklichem, mit Leid, mit Todesfällen, mit Krankheit, mit Isolation, mit wirtschaftlichen Einbußen und existenzbedrohenden Situationen. Das ist mir bewusst. Und das kann ich und will ich überhaupt nicht kleinreden.

Nur ist das nicht die ganze Wahrheit. Zum Gesamtbild gehören für mich mindestens fünf weitere Aspekte, von denen ich hoffe, dass sie unser Leben nachhaltig prägen werden. In der Überschrift schreibe ich von „…nach der Corona-Krise“. Mir ist klar, dass das noch niemand absehen kann, wann das ist, wie das ist und unter welchen Umständen. Vielleicht wird es nie ein richtiges „nach Corona“ geben, da manche Veränderungen, die jetzt eingeleitet wurden, auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beibehalten werden – ähnlich wie nach dem 11. September 2001.

Gleichzeitig aber wird der Zeitpunkt sein (wobei es wohl ein sehr langer Prozess sein wird), an dem in den Medien mehrheitlich auch wieder über anderes berichtet wird und wir sagen werden: „Weißt du noch, damals, in der „Corona-Krise“, da….“

Und genau darüber mache ich mir Gedanken und hoffe, dass folgende fünf Haltungen unser Leben und vor allem auch unser Gemeindeleben prägen werden.

1Dankbarkeit

Der größte Feind deiner Sorgen ist die Dankbarkeit. Man sagt ja, dass es unmöglich ist, gleichzeitig einen Pinguin anzuschauen und dabei wütend zu sein. Das geht nicht. Stimmt. Genauso wenig ist es möglich, gleichzeitig dankbar und voller Sorgen zu sein.

Es mag schwierig sein – mitunter unmöglich – wirkliche „Sorgenfresser“, wie sie kleine Kinder kennen, zu entwickeln. Schon gar nicht haben wir ein Medikament gegen Sorgen. Das wäre zu schön, um wahr zu sein.

Was aber immer möglich ist: Dankbar zu sein. Dankbar zu sein für die ganz alltäglichen Dinge bis hin zu den außergewöhnlichen Dingen.

Jeder Mensch kommt nackt auf diese Welt und sein letztes Hemd hat keine Taschen. Alles, was wir dazwischen „haben“, ist Geschenk. Sollte uns das nicht zu mehr Dankbarkeit anreizen? Das beginnt mit der Tatsache, dass du lebst; dass du lesen kannst, dass du Menschen hast, die dich lieben und die du liebst.

Es geht weiter über die Schulbildung, Berfusausbildung, deinen Job, deine Mitmenschen, Vereine, Kirchengemeinde.

Es gibt vieles, das du richtig gut kannst, wofür andere Menschen wiederum dankbar sind.

Jeden Tag begegnest du in der Natur so vielem, wofür du dankbar sein kannst: Die wärmenden Sonnenstrahlen, der faszinierende Sonnenuntergang, das Zwitschern der Vögel und die wohltuende Abkühlung durch den Regen.

Das Lachen von Kindern, das vertrauensvolle In-die-Arme-Werfen deiner Kinder, die Umarmung deines Partners und das Wissen um viele Menschen, die für dich da sind.

Die Möglichkeiten moderner Kommunikationsmittel, durch die du rund um den Globus kommunizieren kannst.

Und nicht zu vergessen: der Grill. Im Garten. Auf dem Balkon. Der Duft von Gegrilltem.

Ich glaube, du hast den Punkt verstanden.

Ich selbst erlebe es bei mir. Ich bin dankbarer für viele Kleinigkeiten als ich es noch vor einigen Wochen war, als diese Welt so „normal“ (war sie das?) war.

2Mut

Nach wie vor ist es nicht möglich, in „physischer Gemeinschaft“ Gottesdienst zu feiern. Wir bieten als Evangelische Kirchengemeinde Wutachtal deswegen über unseren YouTube-Kanal Gottesdienste via Livestream an.

Mich faszinieren zwei Dinge: Zum einen die Offenheit von vielen, vielen Menschen, die vorher gar nicht in den Gottesdienst gegangen sind, in diesen herausfordernden Zeiten aber genau spüren: Da muss es mehr geben als das, was ich sehe. Da muss es doch etwas (oder besser: jemanden) geben, der mich trägt und hält. Sie klicken sich rein und besuchen unseren Gottesdienst – ist ja auch cool: Vollkommen unbeobachtet kann man mal „in die Kirche reinschauen“, ohne dass es jemand merkt.

Das korreliert aber mit dem Mut, den ich meine. Denn so viele aus unserer Gemeinde entdecken nun die Möglichkeit, Menschen in unseren Gottesdienst einzuladen, wie sie es vorher nicht getan haben.

Das geht jetzt natürlich auch ganz einfach: die Grafik und den Link in den WhatsApp-Status gepackt, den Link zum Livestream via Nachricht verschickt, auf Facebook geteilt – aber: Auch in persönlichen Gesprächen bis hin zu: Ich richte meinem Nachbarn auf dem iPad alles ein, dass er am Sonntag zuschauen kann.

Oder. Ostern. „Der Herr ist auferstanden“ tönt es normalerweise in den vollen Kirchen an Ostern. Die Kirchen hatten dieses Jahr an Ostern etwas gemeinsam mit dem Grab von Jesus am Ostermorgen: Leere. Keiner da.

Also wurde dieser knapp 2000 Jahre alte Ostergruß mit bunten Kreiden auf die Straße gemalt: „JESUS IST AUFERSTANDEN!“ Wie cool ist das denn bitteschön? Noch Tage und Wochen später ist das auf den Wegen und Straßen in den Orten zu lesen. Menschen, die spazieren gehen, einkaufen gehen oder joggen lesen auch jetzt noch, dass Jesus auferstanden ist.

Wieso? Weil Menschen den Mut hatten, das auf die Straßen zu schreiben – und ich weiß, was es manche gekostet hat, das zu tun.

Oder der wiederentdeckte Mut zur (Mit-)Menschlickeit. Ich bin sehr, sehr positiv überrascht, wie viel Schönes, Liebevolles und Helfendes in den letzten Wochen entstanden ist. Da werden Masken genäht, füreinander eingekauft, zum Arzt begleitet und und und. So schön, wozu der Mensch im Positiven in der Lage ist. Sicherlich erfordert das ein oder andere Mut – zumindest, um über seinen eigenen Schatten zu springen.

Es wäre so genial, wenn diese „neu entdeckte Menschlichkeit“ auch weiterhin Bestand hat.

So viel Mut an vielen Ecken und Enden und ich wünsche mir, dass dieser Mut bleibt!

3Weitsicht

Mich lehrt diese momentane Krise eines: Weitsicht!

Ja, Kirche ist kreativ und geht neue Wege. Gleichzeitig aber ist nicht mehr alles möglich und erlaubt. Nicht nur Gottesdienste finden nicht in physischer Gemeinschaft statt – auch andere Treffen gibt es nicht oder werden auf Grund mangelnder Notwendigkeit abgesagt. Und ich denke mir: Ist das nicht auch gut? Zeigt uns diese Herausforderung nicht auch, worauf es wirklich ankommt?

Nicht jedes Treffen muss sein! Nicht jedes Meeting muss physisch sein!

Gemeindearbeit ist ein Marathon – kein 100 Meter-Lauf. Deswegen sollten wir uns auch über diese Zeit hinaus fragen, was wirklich notwendig ist.

Als Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter, als Führungskraft ist es unser Job, mit den uns anvertrauten Ressourcen verantwortungsbewusst umzugehen. Eine der wichtigsten Ressourcen ist die Zeit. Auch in Zukunft schaue ich genauer hin, was notwendig ist und was nicht. Denn die Zeit, die andere in einem von mir anberaumten Meeting sind, sind sie nicht dort, wo sie auch gebraucht werden: in ihrer Familie, im Verein, für sich alleine im Sessel beim Atemholen für die Seele.

Es wird eine große Herausforderung sein, dem Druck der „Jetzt müssen wir alles nachholen“-Mentalität standzuhalten, wenn wieder mehr möglich ist als jetzt.

Aber auch und erst recht dann gilt:

Nicht alles, was wieder erlaubt ist, ist gut.

Nicht alles, was wieder möglich ist, ist auch notwendig.

4Raum für Kreativität

Kreativität als solche ist immer vorhanden – die Frage ist: Ist Raum für sie?

In diesen Wochen ist in unserer Kirchengemeinde etwas Wunderbares geschehen. Auf die Herausforderung, dass wir nicht mehr „normal“ Gottesdienst feiern können traf die Kreativität und Leidenschaft von einer Handvoll Mitarbeitern im Bereich von Videotechnik.

Wir hatten keine große Ahnung wie man streamt, aber wir hatten begeisterte Mitarbeiter, die auf gut deutsch einfach Bock drauf hatten, ihre Kreativität und Leidenschaft im Bereich der Videotechnik einzubringen.

Diese beiden Jungs haben ihre Leidenschaft und Kreativität so sehr eingebracht (und tun es immer noch), dass sie nicht nur am Sonntag mehrere Stunden im Einsatz sind, sondern auch unter der Woche noch ein Vielfaches an Stunden aufbringen, um Videos aufzunehmen, Kameras und Software einzurichten, weitere Hardware anschließen, Videos schneiden, meine Wünsche & Ideen, die manchmal auch etwas extravagant (bspw. ein Live-Greenscreen während einer Predigt) sind, umzusetzen – und und und.

Natürlich war hier eine Not (keine normalen Gottesdienste) vorhanden, aber als Gemeindeleitung haben wir uns entschieden, das Projekt Live-Stream anzugehen und haben so der Kreativität der beiden Jungs Raum gegeben.

Du findest sie übrigens hier: www.brunner-wardin-studio.de (weder verwandt noch verschwägert 😉 )

Ich wünsche mir für Kirche und Gemeinde, dass auch nach diesen Wochen ganz, ganz viel Raum für Kreativität da sein wird.

Ich hoffe, dass wir den Satz „Das haben wir schon immer so gemacht“ endlich aus dem Kontext von Kirche und Gemeinde streichen, denn eines ist klar: Gemeinden, die nach diesem Paradigma leben, werden in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Ich erwarte, dass wir auch weiterhin „out of the box“ denken, dass wir kreativ und innovativ sind, dass wir neue Wege gehen als Kirchengemeinde und dass Gemeindeleitungen Ermöglicher von solchen neuen Wegen sind und keine Spaßbremsen!

Spätestens jetzt sollte doch allen klar sein, dass Kirche nicht Kirche bleiben kann, wie sie „schon immer war“. Wir müssen weiterhin dieser großartigen Kreativität Raum geben, die sich in den letzten wenigen Wochen gezeigt hat. Das erfordert Mut – aber darüber habe ich oben ja schon geschrieben. Es erfordert aber noch ein zweites – und das ist mein letzter Punkt für heute.

5Fokus

Neben „Das haben wir schon immer so gemacht“ gibt es ja noch so einen Kirchenkiller: „Wir müssen alle mitnehmen und es ihnen recht machen.“ Äh – nein! Musst du nicht. Wieso sollst du etwas schaffen, das nicht einmal Jesus vergönnt war? Und woran misst du, ob du „alle mitgenommen“ hast? Manche Vorstellungen bei Kirche sind so hartnäckig wie utopisch.

Was diese herausfordernden Zeiten mich lehrt, ist: Fokus! Wir brauchen Gemeinden, die einen Fokus haben!

Ein geistlicher Fokus ist uns als Gemeinde schon immer gegeben: Menschen zu Nachfolgern von Jesus zu machen. Das ist Zentrum, das ist Fokus. Den haben viele Gemeinden schon vor der „Corona-Krise“ nicht gehabt – hoffentlich haben sie ihn jetzt, weil nur Jesus den Menschen helfen kann.

Wenn wir nach der „Corona-Krise“ als Gemeinden nicht den klaren Fokus haben, Menschen zu Nachfolgern von Jesus zu machen, wozu Jesus uns in Matthäus 28,18-20 auffordert, dann haben wir als Gemeinden nichts aus der Krise gelernt.

Allerdings bedeutet selbst diesen Fokus zu haben noch lange nicht, dass man auch das Richtige macht. „Wir wollen, dass Menschen zum Glauben an Jesus kommen“ ist ein toller Satz – aber für die Gemeindeentwicklung in der Hinsicht unbrauchbar, weil er komplett beliebig gefüllt werden kann. Das wiederum führt zur allseits gehassten „Verzettelung“.

Mir zeigt diese Krise, dass es unbedingt einen Fokus benötigt um nicht alles zu tun, aber das, was man tut, exzellent zu tun.

Warum zeigt mir diese Krise das? Die Antwort ist irgendwie ernüchternd-einfach: Vieles, das „vor Corona“ ganz normal zum Alltag der Kirchengemeinde gehörte, findet nun nicht statt – und der Knackpunkt ist: Lange nicht alles wird von den Menschen vermisst. Ist das nicht verrückt? Merken wir, dass wir Dinge tun und getan haben, die eigentlich gar nicht notwendig waren? Braucht es diese krasse Krise, um zu erkennen, was wirklich mit Sinn erfüllt ist – und was wir getrost bleiben lassen können?

Das mag ernüchternd sein, aber gleichzeitig auch ein sehr, sehr wertvoller und reinigender Prozess sein, durch den wir als Kirchengemeinde und vor allem als Leitungsgremium gehen können – und sollten.

Diese Krise bietet eine vielleicht einmalige Chance, das Gemeindeleben auf den Prüfstein zu stellen. Natürlich muss man nicht das Kind mit dem Bad ausschütten – logisch. Aber wer in diesen Zeiten sich nicht die Frage stellt, was bleiben soll und was bleiben gelassen werden soll – der verpasst womöglich eine große Chance! Und manchmal muss man sich gar nicht hinsetzen und sich diese Frage stellen. Es reicht einfach, einen Blick in das Gemeindeleben zu werfen und zu erkennen, was den Menschen fehlt – und was nicht.

…und nicht zu vergessen:

Ein „weiter so wie vorher“ wird schon alleine auf Grund der Finanzen nicht gehen. Ich erwarte einen drastischen Rückgang der Finanzen, die Gemeinden mindestens dieses und nächstes Jahr zur Verfügung stehen werden.

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Die Bibel – faszinierend, einzigartig und voller Geheimnisse

Er hat es wieder getan. Einmal mehr. Ein Buch hat er geschrieben, das inspiriert und fasziniert, das wachrüttelt, das Widerspruch erzeugt, das mit Vorsicht zu genießen ist. Rob Bell – spricht man seinen Namen etwas genuschelt aus, wird daraus „Rebell“ – und das beschreibt seine Grundhaltung gegenüber theologisch konservativen Überzeugungen, die er einst auch vertrat, ganz gut. Wobei. Ich habe den Eindruck, dass uns in diesem Buch ein Rob Bell begegnet, der ein wenig auf die Bremse tritt und irgendwie ein wenig ausgewogener daherkommt als noch vor wenigen Jahren.

Ein Begeisterter begeistert

So würde ich zweifelsohne das beschreiben, was Rob Bell in diesem Buch tut. Er ist so dermaßen fasziniert von der Bibel, dass er es wirklich schafft, den Leser und die Leserin für dieses „uralte Buch“, wie es im Untertitel heißt, zu begeistern. Das fasziniert. Das inspiriert. Das lässt einen das Buch schier nicht aus der Hand legen. Hinzu kommt natürlich Bells Schreibstil, der wunderbar übersetzt worden ist und dazu beiträgt, dass man ein Kapitel nach dem anderen liest.

Was macht Bell in diesem Buch? Nun, eigentlich nichts anderes als biblische Geschichten auszulegen. Auf seine Art und Weise. Das heißt: Er kommt von A nach B nach C nach B nach D nach E nach A noch mal nach D nach E und zurück zu A. Welche Themen und Dimensionen Rob Bell anhand einer – manchmal unscheinbaren – Bibelstelle streift, sucht seinesgleichen.

Seine große Stärke ist die bildhafte Sprache. Vergleiche und Bilder, die Bell zur Illustration eines biblischen Sachverhaltes heranzieht, suchen wirklich ihresgleichen. Durch sehr alltagsnahe und jedermann verständliche Bilder versteht er es, biblische Zusammenhänge in unsere heutige Zeit zu setzen.

Vier Teile und Konfusion

Rob Bell gliedert sein Buch in vier große Bereiche:

Teil 1: Es steckt mehr dahinter

Teil 2: Das Wesen dieses Mehr

Teil 3: Wohin uns dieses Mehr führt

Teil 4: Die Fragen, die immer gestellt werden

Innerhalb dieser vier Bereiche macht Bell im Prinzip nichts anderes, als biblische Geschichten anzuschauen. Und zwar ganz genau. Er schaut zwischen die Zeilen. Er schaut auf das, was eben nicht geschrieben steht. Er entführt den Leser in die Kultur und Welt der damaligen Zeit, in das Denken und Leben der Menschen zur Zeit der Bibel sowie auch religionswissenschaftlich in die Kulte und Religionen der umliegenden Völker.

Vielleicht hast du dich immer auch schon ein wenig (zumindest!) an der (scheinbaren) Opferung Isaaks durch Abraham im 1. Buch Mose Kapitel 22 gestoßen. Gott will ein Menschenopfer? Echt jetzt? Nein! Will er nicht. Aber selbst wenn – was wäre so schlimm daran, denn für die Menschen der damaligen Zeit waren Menschenopfer durch die Kulte und Religionen der umliegenden Völker zwar nichts Schönes, aber zumindest nichts Extravagantes.

Das ist nur ein Beispiel, wie Bell es schafft, selbst schwierige biblische Geschichten so einigermaßen nachvollziehbar zu machen. Einigermaßen.

Aber ganz ehrlich: Rob Bell wäre nicht Rob Bell, wenn er nicht auch ein wenig konfus daherkommt. Aber das ist dieses „konfus“, das einem immer dort begegnet, wo jemand begeistert ist von einer Sache, ohne Punkt und Komma redet und in einem Moment auf den anderen plötzlich „ganz woanders ist“. Das ist Bell – und das ist faszinierend!

Nach wie vor fragwürdige Theologie

So weit so gut – ich empfehle das Buch dennoch nicht uneingeschränkt und bin ehrlich gesagt auch ein wenig verwundert, weshalb es bei Gerth Medien im Programm ist.

Der Grund erschließt sich, wenn man das Buch im Ganzen gelesen hat und feststellt, dass diese vier Teile, in die Bell sein Werk gliedert, nicht ganz zufällig gewählt sind. Im Prinzip spiegeln sie nämlich Bells geistliche/theologische Reise und Entwicklung der letzten Jahre wider. Und die würde ich schlicht so beschreiben, dass sich ein konservativ geprägter Pastor zu einem progressiven Theologen entwickelt hat, der nicht nur konservative Wertvorstellungen und theologische Einsichten abgelegt hat, sondern andere Menschen regelrecht ermutigt, das auch zu tun und sich nicht zu wundern, wenn andere Menschen sie dafür nicht verstehen.

Manche Stimmen, die einmal hilfreich für Sie waren, werden Sie in Ihrem Wachstum behindern, wenn Sie noch länger darauf hören. Es kann sich sogar anfühlen wie ein Rückschritt – weil es das auch ist. Die Bibel - faszinierend, einzigartig und voller Geheimnisse, S. 310.

Das ist nur eine von vielen Aussagen, die mich nach der Lektüre dieses Buches nicht nur fragend zurücklassen, sondern regelrecht verwirrt. Bell präsentiert liberal-progressive Theologie (was sich bspw. in seiner Annahme der Datierung einiger biblischer Schriften zeigt), deren großes Dilemma sich gerade in Teil 4 zeigt.

Bells Problem: Er gibt keine Antworten

Hier versucht Bell, häufig gestellten Fragen auf den Grund zu gehen. Sein Problem nur ist: Er gibt keine Antworten. Die kann er nämlich auch nicht geben, weil auf so existenzielle Fragen wie „Musste Jesus sterben“ oder „Was ist Sünde“ seinen seichten Bilder und Aussagen schlichtweg die Substanz fehlt. Seine Stärke wird hier zur Schwäche: Die Flucht in Bilder und Vergleiche, die noch hilfreich sind, wenn es um die Auslegung biblischer Texte geht, werden zum Verhängnis, wenn es um die Glaubwürdigkeit und Gültigkeit der Bibel als Wort Gottes geht.

Auf die Frage (im letzten Teil des Buches), ob die Bibel das Wort Gottes sei, antwortet Bell:

Ist die Bibel dann also das Wort Gottes? Ja. So wie viele andere Dinge auch.

Und wie würden Sie dann definieren, was Wort Gottes ist? Der kreative Akt, durch den Gott in und durch diese Welt spricht und so eine neue Schöpfung und neues Leben ins Dasein bringt.

Was meinen die Leute dann, wenn sie behaupten, dass diese Sammlung von Büchern, die von Menschen geschrieben wurden, Gottes Wort ist? Sie. betonen damit, dass sie diese Sammlung von Büchern für ein verlässliches Zeugnis darüber halten, wie das dauernde, sich entfaltende Wirken Gottes in der Welt aussieht.

Aber kann man das nicht auch durch jede Menge anderer Bücher, jede Menge anderer Worte, jede Menge anderer Erfahrungen erleben? Natürlich. Die Verfasser der Bibel reden davon sogar recht oft. Es ist, als ob sie ständig wiederholten: Mach die Augen auf, sieh dich um, lausche, sei aufmerksam. Gott spricht ständig – alles ist ein einziges Wort.

Dann ist also eine Hauptaussage dieser Büchersammlung die, dass es jede Menge von Worten Gottes gibt und wir auf sie alle hören können und auch sollten? Ganz genau.Die Bibel - faszinierend, einzigartig und voller Geheimnisse, S. 272+273.

Insofern ist dieses Buch leider nicht mehr als ein weiteres Werk eines Theologen, der eine geistlich-theologische Reise durchgemacht hat (oder immer noch dabei ist), die ihn von vielen biblischen Wahrheiten entfernt hat, er selbst dies natürlich als progressiv (ohne das Wort in den Mund oder in die Feder zu nehmen) sieht und diejenigen als ewig gestrig und nicht wohltuend abstempelt, welche diese Reise nicht mitgehen.

Schade. Es gibt so viele gute und schöne Absätze und Ansätze in diesem Buch – aber das Fundament ist verstörend. Leider.

Fazit

Empfehlen kann ich dieses Buch jedem, der sich selbst hinterfragen möchte und es aushalten kann, dass theologische Grundwahrheiten angezweifelt werden. Definitiv ist es keine leichte Kost und nicht geeignet für jemanden, der neu im Glauben ist. Es bedarf ebenso einer gewissen theologischen Grundbildung oder Grunderfahrung, um Bells teilweise fragwürdigen Aussagen einordnen zu können.

Ebenfalls ertragen muss man ein teilweise recht unsachliches „Bashing“ theologisch konservativer Positionen, das teilweise als Projektionsfläche seiner Thesen dient. Wer sich momentan in der theologischen Debatte bewegt, wird darüber aber nicht verwundert sein, da dieses Muster auch im deutschsprachigen Kontext bei manchen „progressiven Theologen“ immer wieder vorkommt.

Nachdem sich in der Vergangenheit einige Thesen Bells als unwahr herausgestellt haben (bspw. der Ausdruck „Im Staub des Rabbi laufen“, worüber es einige Ausführungen im Internet gibt), gilt es darüber hinaus, auch dieses Buch mit Vorsicht zu genießen.

Die Bibel - faszinierend, einzigartig und voller Geheimnisse
320 Seiten
ISBN: 9783957345165
Verlag: Gerth Medien
Preis: 18,00 EUR

Ohne Auferstehung ist alles sinnlos

Und damit meine ich die leibliche Auferstehung von Jesus. Also das, was Christen seit annähernd zwei Jahrtausenden glauben und eigentlich nur von Atheisten und liberalen Theologen angezweifelt wird. Nehmen wir nur mal an, das Grab sein am Ostermorgen nicht leer gewesen, sondern Jesus ist verwest und lediglich „in Gedanken, Herzen und Verkündigung“ der Jesus-Nachfolger auferstanden.

Gebrauchsanweisung eines Nasenhaartrimmers

Dann? Ja dann kannst du auch die Gebrauchsanleitung deines Nasenhaartrimmers lesen. Diese wird genauso viel Wahrheit über das Leben, den Tod und das ewige Leben beinhalten wie das, was wir in der Bibel über Jesus lesen. Mit einem Unterschied: den Part mit dem ewigen Leben kannst du streichen. Den gibt’s ja nicht. Jesus ist ja im Grab verwest.

Wenn Jesus nicht leiblich auferstanden ist, dann würden ja die Berichte in der Bibel nicht stimmen. Damit meine ich nicht nur die Evangelien, sondern auch das, was später dann der Apostel Paulus den Gemeinden in Kleinasien (und darüber hinaus) zur Ermutigung in Zeiten der Verfolgung geschrieben hat. Er hätte sie dann ja angelogen, der alte Gauner. Unglaublich. Und das inmitten von Zeiten größter Not.

Oder nehmen wir nur mal die (frühe) Kirchengeschichte, die „Alte Kirche“ mit ihren großartigen Theologen und Kirchenvätern. Für sie war die Auferstehung von Jesus nicht nur ein netter Gedanke. Für sie lebte Jesus nicht einfach nur in unseren Herzen und Gedanken weiter, wie das Elvis und die Beatles auch heute noch bei vielen Menschen tun. Für sie war Fakt: Jesus ist auferstanden. Bums, aus, Nikolaus, wie der große Philosoph Bernd Stromberg sagen würde.

Nehmen wir nur mal an, das Grab sei am Ostermorgen voll gewesen. Also Jesus wäre gestorben und eben nicht auferstanden. Dann müsste ich meinen Job an den Nagel hängen, denn ich bin schließlich auf die Bibel und die Bekenntnisschriften der protestantischen Kirche ordiniert und verpflichtet. Und in all diesen Dokumenten steht nun mal drin, dass Jesus auferstanden ist – und zwar nicht nur in den Gedanken und in die Verkündigung. Wie andere Kolleginnen und Kollegen damit umgehen, die das nicht glaube (können oder wollen), ist nicht mein Bier.

Liebe Leserin, lieber Leser: Jesus ist auferstanden! Das bezeugen so viele biblische Autoren, dass es keinen Zweifel daran gibt. So unvorstellbar das ist. Und auch der oben schon erwähnte Apostel Paulus hat sehr drastische Worte dafür gefunden, was wäre, wenn das mit der leiblichen Auferstehung Jesu nur Humbug wäre:

Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. 

Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

(Die Bibel – 1. Korinther 15,14.17.19-20)

Weil das nun wahr ist, sind auch Jesu Verheißungen an uns heute noch gültig!

Die Auferstehung gibt den Verheißungen Jesu einen festen Grund

Jesus hat seinen Nachfolgern damals und auch uns heute so viele wunderbare Verheißungen gegeben. Was bringen sie uns heute? Wieso geben sie uns heute Kraft? Warum sind sie auch heute noch gültig? Die Antwort lautet: Weil Jesus auferstanden ist, haben diese Verheißungen auch heute noch Kraft!

Wäre Jesus nicht auferstanden, wären auch diese Verheißungen sinnlos – so wie Paulus es eben schreibt. Aber weil Jesus wirklich und leiblich auferstanden ist von den Toten, haben diese Verheißungen auch heute noch Gültigkeit.

NIEMALS ALLEIN

Jesus verheißt: Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt. (Matthäus 28,20)

SUCHEN & FINDEN

Jesus verheißt: „Bittet Gott, und er wird euch geben! Sucht, und ihr werdet finden! Klopft an, und euch wird die Tür geöffnet!“ (Matthäus 7,7)

SORGENFRESSER

Jesus verheißt: „Macht das Reich Gottes zu eurem wichtigsten Anliegen, lebt in Gottes Gerechtigkeit, und er wird euch all das geben, 
was ihr braucht.“ (Matthäus 6,33)

ECHTES LEBEN

Jesus verheißt:
Weil ich lebe, werdet auch ihr leben. (Johannes 14,19)

FRIEDE IM HERZ

Jesus verheißt:
“Ich gebe euch einen Frieden, wie die Welt ihn nicht geben kann. Lasst euch nicht in Verwirrung bringen, habt keine Angst.“ (Johannes 14,27)

Diese Verheißungen sind großartig und kraftvoll. Nimm sie dir zu Herzen (deswegen auch die Herzen), weil sie wahr sind. Es ist so gut, was an Ostern geschehen ist. Der Tod hat nicht das letzte Wort! Jesus ist Sieger. In einem alten Jungscharschlager heißt es:

Jesus Christus ist der Sieger über Hölle, Tod und Teufel – darum wähl‘ ich ihn. Er gab meinem Leben Sinn und ew’ges neues Leben darum sing ich froh von ihm. Jesus Christus gestern und auch heute und derselbe auch in Ewigkeiten. Fasse seine Hand! Er will dich leiten heute und für alle Zeiten!

Das Lied drückt sehr komprimiert aus, um was an Ostern geht. Und ja, ich stehe dazu, auch wenn Teile der eingangs erwähnten Berufsgruppe, zu der ich auch gehöre, das mit einem Lächeln abtun werden und wider besseres Wissen meinen, es besser zu wissen als die Zeugen des Neuen Testamentes. Der Glaube steht und fällt mit dem urchristlichen Ostergruß:

„DER HERR IST AUFERSTANDEN!

ER IST WAHRHAFTIG AUFERSTANDEN!“

Genau darüber habe ich am Ostersonntag 2020 gepredigt. Die Predigt kannst du dir hier anschauen:

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Abendmahl zuhause feiern

„It’s Corona Time“ heißt auf der Plattform TikTok ein Song, der rauf und runter läuft. Um den geht’s mir aber gar nicht. Vielmehr geht’s mir darum, dass wir in außergewöhnlichen Zeiten leben. Und außergewöhnliche Zeiten benötigen außergewöhnliche Antworten und Maßnahmen auf Fragen und Herausforderungen, die vor wenigen Wochen noch kein Mensch für möglich gehalten hätte.

Außergewöhnliche Zeiten – außergewöhnliche Antworten

Ausgangssperre. Versammlungsverbot. Kontaktsperre. Quarantäne. Grenzschließung. Kurzarbeit. Epidemie. Pandemie. Das alles sind nicht nur Begriffe. Das sind Beschreibungen unseres Alltags momentan, die absolut verrückt sind. Und das mitten in der Karwoche. Mitten in der Woche, in der sich Christen daran erinnern, was Jesus amKreuz und durch seine Auferstehung vollbracht hat.

Elementar für viele Christen dabei ist das Abendmahl. Kaum ein anderer „Vollzug christlichen Lebens“ spiegelt so sehr wieder, wer Jesus für mich ist und was er getan hat. Und nun fällt das Abendmahl aus. Tja. Pech gehabt! Wirklich? Nein! Die Abendmahlsfeier darf uns durch Kontaktverbote nicht genommen werden. Wir feiern Abendmahl einfach zuhause!

Ich glaube, dass es nun dran ist, neue Formen für das Abendmahl zu finden und – da spreche ich jetzt nur für meine Kirche und nicht für andere – nicht nur aus der Not eine Tugend zu machen, sondern zur Erkenntnis zu kommen: Abendmahl ist weder an kirchliche Gebäude noch an kirchliche Amt- und Würdenträger gebunden. Wenn wir das „Priestertum aller Getauften“ ernst nehmen, wie es in der Kirche ja immer schön propagiert wird, spricht nichts dagegen, in solchen herausfordernden Zeiten mit außergewöhnlichen Maßnahmen zu antworten.

Ein neuer Bund

Die Beziehung des Menschen mit Gott bzw. eines ganzen Volkes mit Gott macht sich fest in einem Bund. Gott ist der „Bundesgott“ – mehr als nur ein Vertragspartner. Er bindet sich an sein Volk, seine Zusagen stehen auf einem festen Grund und er „verbündet“ sich mit seinem Volk und den von ihm geliebten Menschen.

Durch das gesamte Altes Testament hindurch wird der „Bund Gottes“ immer und immer wieder betont – vor allem in den fünf Bücher Mose. Gott schließt einen Bund zunächst mit Noah (Genesis 6+9), dann mit Abraham (Genesis 17) und schließlich mit Mose am Sinai (Exodus 20).

Wenn wir uns dessen bewusst sind, wird die Tiefe dessen, was Jesus sagt, noch größer: „Dieser Kelch ist der neue Bund.“ Erkennst du, was hier im Abendmahl geschieht? Jesus schließt einen neuen Bund mit uns Menschen. Er “verbündet uns mit Gott” – durch seinen Tod am Kreuz.

Das Abendmahl ist dafür das Zeichen. Es ist mehr als nur ein Erinnerungsgeschehen. Im Abendmahl nehmen wir diesen neuen Bundesschluss Jesu für uns in Anspruch und drücken damit aus, dass wir diesen Bund mit Gott schließen möchten.
Wichtig dabei ist aber: Es kommt nicht auf unseren Glauben an – denn Gott selbst hat diesen Bund aufgerichtet – wir “schlagen nur ein”.

Schlicht und einfach feiern

Als Pfarrer kann ich „meinen Gemeindegliedern“ nicht vorenthalten, diese innige Nähe zu Jesus zu suchen – und by the way: In Hauskreisen wird auch schon Abendmahl gefeiert. Das ist also nichts Neues. Ich habe Sorge zu tragen als Pfarrer, dass „meine Gemeindeglieder“ in Zeiten äußerer und geistlicher Not selbst Formen finden, in denen sie ihren Glauben leben können. Das nennt man Reife und Mündigkeit. Manchmal braucht’s dafür noch ein wenig Hilfestellung – das ist ok, denn die braucht es ein Leben lang.

Für das Abendmahl speziell nun haben wir als Kirchengemeinde einen kleinen Ablauf erstellt, der helfen soll, Abendmahl zuhause zu feiern. Gerne darf er verwendet, geteilt und vor allem: gefeiert werden!

Zu finden ist er auf www.wutachblick.de/ostern/. Viel Freude und viel Segen damit!

Krisenzeiten als Chance begreifen

Du hast zwei Möglichkeiten: Kopf in den Sand stecken oder das Beste draus machen. Wofür entscheidest du dich? Leider entscheiden sich viele Menschen viel zu oft und viel zu sehr für „Kopf in den Sand“.

Ich mache dir an einem für mich, mein Leben und meinen Beruf sehr wichtigen Teil deutlich, was ich meine: der Gottesdienst am Sonntagmorgen.

Er ist nicht Zentrum christlichen Lebens, aber wenn man Kirchengemeinde – egal welcher Konfession oder Denomination – fragt, welche Veranstaltung wohl nie ausfällt und um die sich immer gekümmert wird, dann wird das der Gottesdienst am Sonntagmorgen sein.

Auf Grund der Corona-Situation ist es aber untersagt, Gottesdienste zu feiern. Und jetzt? Jammern? Heulen? Lamentieren? Traurig sein?

Oder: Neue Wege gehen! Experimentieren! Innovation Raum geben! Risiko eingehen! Als Kirchengemeinde haben wir uns für Letzteres entschieden und sind das Wagnis eingegangen, unseren Gottesdienst aufzunehmen und LIVE via YouTube zu streamen. Das Ergebnis kannst du dir hier anschauen:

Einige Gedanken und Tipps, wie du Krisenzeiten als Chance ergreifen kannst. Dabei muss es nicht um das Streamen eines Gottesdienstes gehen. Das kann in deinem privaten Umfeld oder deinem beruflichen Umfeld etwas ganz anderes sein. Die Prinzipien aber sind die gleichen.

1Du bist nicht allein

Sehr wahrscheinlich bist du nicht der einzige, der vor einer Herausforderung steht. Schau dich um, mach dich schlau, suche im Netz oder rede mit Leuten! Das kratzt bei Leitern vor allem an einem: dem Stolz. Der ist aber sowieso zu nichts zu gebrauchen! Also sei nicht so stolz und mach dich auf die Suche nach Menschen, die Krisenzeiten ebenso als Chance sehen wollen.

Ich habe von manchen technischen Dingen einfach keine Ahnung. Aber ich habe mich sofort auf den Weg gemacht und habe Leute aus meiner Gemeinde gefragt, von denen ich wusste, dass sie Ahnung haben – und Bock, so was Ausgefallenes zu machen.

Wir haben geschrieben, uns getroffen, experimentiert – jeder hat seinen Teil dazu beigetragen. Das war ziemlich cool und am Ende hat’s dann geklappt.

Wenn du also Krisenzeiten als Chance ergreifen willst, dann sei dir bewusst: Du bist nicht allein! Um dich herum gibt es jede Menge „Know How auf zwei Beinen“ – du musst nicht alles wissen, du musst nur wissen, wen du fragen kannst – und es dann auch tun!

Ich hätte mich verkriechen und heulen können: „Buuuhuuu, ich kann das alles nicht!“ Ja, klar, hätte ich machen können. Habe ich aber nicht. Meine Techniker bekommen von mir immer mal wieder den Satz zu hören: „Ich hab‘ davon keine Ahnung!“ So what? Ist doch nicht schlimm.

2Schau nach vorne

Die Gefahr ist, dass man in Krisenzeiten nur nach hinten schaut bzw. den Fokus darauf richtet, was man nun alles verliert: Kein Gottesdienst mehr, keine physischen Treffen, kein Kaffee nach dem Gottesdienst, kein Kindergottesdienst. Es ist alles so schlimm, so tragisch, so…..die Welt geht unter! Wenn sie es nicht schon längst ist!

Oh man! WACH AUF! Schau nach vorne! Es bringt nichts, zu lamentieren. Eine gute Führungskraft zeichnet es aus, dass sie nach vorne schaut und Lösungen für Probleme und Herausforderungen finden möchte.

Ich finde es so genial, wie viele Kolleginnen und Kollegen im landes- wie freikirchlichen Bereich vergangenen Sonntag mit den unterschiedlichsten Formaten „online“ gegangen ist. Way to go, liebe Kollegen! Weiter so! Weiter nach vorne schauen!

3Bewerte die Vergangenheit realistisch

„Ich freue mich, wenn wieder alles normal wird nach dieser Corona-Krise!“ Hast du den Satz auch schon gehört? Ich ja – und ich muss ehrlich sagen: Ich finde ihn grausam! Wieso soll denn das normal sein, wenn es wieder so wird, wie es war? Leiter bewerten die Vergangenheit realistisch. Gerade in Krisenzeiten, in denen innovative und neue Wege notwendig sind, wird man unweigerlich vor die Frage gestellt: „War das, was wir in der Vergangenheit taten, eigentlich das Richtige? War das „Normal“ also das „Richtige“?“

Ich glaube jetzt schon sagen zu können: Nein, war es nicht! Einfach wieder zurück zu kehren zum Status vor der Krise – das wird in den meisten Fällen ohnehin nicht möglich sein. Zum anderen ist es aber auch nichts anderes als ein Ausdruck von mangelnder Vision. Denn zurückzukehren zum „Normal“ ist nichts anderes als zurück zu kehren in die Komfortzone.

Einfach wieder Gottesdienst feiern wie bisher? Für mich nicht möglich. Ich habe gestern meinem Team schon gesagt, dass ich gerne auch dann, wenn wir wieder mit Menschen Gottesdienst feiern, den Live-Stream aufrecht erhalten möchte.

….und ich habe ein wunderbares Team, denn die Jungs machen sich da jetzt schon Gedanken.

4Was ist jetzt möglich?

Wie können wir einen Gottesdienst produzieren, wenn nur eine handvoll Menschen da sein können?

Wie soll das gehen mit unserem nicht gerade superschnellen Internet vor Ort?

Wir sind keine der Megachurch-Hochglanz-Gemeinden, sondern eine – zugegeben nicht ganz normale – landeskirchliche Gemeinde.

Ich sag dir was, das du dir bitte hinter die Ohren schreibst, weil es für alle Bereiche unseres Lebens gilt:

Vergleichen ist der Tod im Topf und eine Beleidigung der Liebe Gottes!

Es ist doch vollkommen egal, was andere Gemeinden machen, wie andere Gemeinden es machen – vielleicht tust du dich ja zusammen mit anderen Gemeinden, mit anderen Personen, die in der gleichen Krise stecken, mit anderen Führungskräften – whatever!

Was definitiv nichts bringt, ist das Vergleichen! Denn Gott hat dich einzigartig gemacht und es hat einen Sinn, weshalb deine Gemeinde, dein Unternehmen, dein Start-Up oder was auch immer gerade jetzt „am Start“ ist.

Als Kirchengemeinde haben wir sechs Werte (www.wutachblick.de/werte/). Einer dieser Werte ist „exzellent„:

Wir haben ihn folgendermaßen definiert:

Gott gibt sein Bestes für uns. Das sehen wir in der Natur und in unserem Leben. Er ist unser Vorbild. Darum wollen wir ihm nacheifern und für ihn, für die Menschen und für seine Gemeinde mit gleicher Einstellung da sein. Wir lieben Qualität.

Dabei geben wir unser Bestes mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln (Gaben, Zeit, Finanzen, Material,…). Dies nennen wir “exzellent”. Denn wer über seine Möglichkeiten hinaus gibt oder geben will, verfällt in Perfektion. Er bringt dadurch sich und andere unter Druck. Das lehnen wir ab. Perfektion überfordert und stellt sich selbst in den Mittelpunkt – Exzellenz ermutigt gelassen sein Bestes zu geben und ehrt den Schöpfer.

Tu das, was möglich ist! Nimm die Mittel, die dir zur Verfügung stehen und mach das Beste draus!

5Achtung Falle: Welches Bedürfnis ist da?

Als wir als Kirchengemeinde überlegt hatten, die Gottesdienste zu streamen, habe ich auf Instagram eine Umfrage gemacht, wer denn überhaupt Interesse daran hat. Daraufhin schrieb mir ein befreundeter Jugendpastor aus Bremen „Ich sehe das anders“.

Schnell stellte sich heraus, was er anders sah bzw. wie er es anders sah: Es kommt nicht nur darauf an, was ich als Antworten bekam (auch wenn diese überschwänglich positiv waren). Und das ist die Falle. Schnell fragen wir „Welches Bedürfnis ist da? Was müssen wir jetzt abdecken?“

Das ist einerseits auch gut und richtig – wir wollen als Leiterinnen und Leiter ja nicht an den Menschen vorbei leiten. Aber wenn wir uns nur nach dem Bedürfnis der Menschen richten – wo bleibt dann der Raum für viel Größeres?

Also: Schau, welches Bedürfnis da ist – aber lass dich davon nicht blenden, sondern überlege, ob nicht darüber hinaus noch eine viel größere Chance und viel mehr Potenzial in der Sache steckt.

Wenn einfach nur die Leute, die zu uns in den Gottesdienst kommen, den Gottesdienst gestern live auf YouTube gesehen hätten, dann wären wir jetzt bei ca. 200 Klicks. Stand jetzt hat der Gottesdienst aber über 1.600 Klicks.

Tu dir, deiner Gemeinde, deinem Unternehmen und einfach den Menschen um dich herum einen Gefallen: Begreife und ergreife Krisenzeiten als Chance!

5 Tipps, zur Gestaltung der „Corona-Zeit“

Wir leben in ganz spannenden Zeiten. Das Corona-Virus wirft viele Fragen auf und bringt so manches ans Licht. Darauf bin ich in meinem letzten Beitrag ausführlich eingegangen:

„Was die Corona-Situation ans Licht bringt“

Heute gebe ich dir – kurz und knapp – fünf Gedanken, fünf Tipps mit an die Hand, wie du mit dieser herausfordernden Situation in den kommenden Wochen gut umgehen kannst!

1Gib deinem Tag eine Struktur

Die nächsten Wochen sind ja ganz komisch. Es ist zwar schulfrei, aber es sind keine Ferien. Viele müssen arbeiten, machen aber Home Office. Es ist nicht frei aber es ist auch nicht „Business as usual“. Es ist so eine ganz komische „Zwischenzeit“. Viele werden nicht so recht wissen, was und wie sie den Tag gestalten sollen und sich fragen: Ja wie kann ich denn diese Zeit gut gestalten?

Meine Antwort zunächst: Gib deinem Tag eine Struktur! Gib dem Tag einen festen Ablauf, denn das wird dich davor bewahren am Ende des Tages zurückzuschauen und dich zu fragen: „Was habe ich heute eigentlich den lieben langen Tag gemacht?“

Wir haben das mit unseren Kindern auch gemacht und Zeiten festgelegt: Zeiten, in denen gelernt wird; Zeiten, in denen gespielt wird; Zeiten, die wir als Familie haben, Zeiten des Gebets und des „Chillens“.

Gib deinem Tag eine Struktur! Das wird dir helfen, nicht nur in den Tag reinzuleben, sondern die Zeit auszukosten. Carpe diem!

2Lies in der Bibel

Nähre dich durch Gottes Wort. Lass Gottes Wort deine tägliche Nahrung und Speise werden, weil sie dir helfen wird. Davon bin ich fest überzeugt. Und tu das, bevor du dich verrückt machen lässt von den neusten Meldungen in den Nachrichten. Im Hebräerbrief im vierten Kapitel steht Folgendes:

Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.Die Bibel - Hebräer 4,12

Das bedeutet: Gottes Wort wird dir unterscheiden helfen, was deiner Seele entspringt und was deinem Geist bzw. dem Geist Gottes entspringt – oder anders ausgedrückt: Du wirst durch Gottes Wort Weisung empfangen, „was für dich dran ist“. Mach davon Gebrauch! Denn nicht selten würden wir gerade in diesen kommenden Wochen wohl nach dem entscheiden, was wir so „fühlen“ – aber ob das immer das Richtige ist?

3Nimm dir freie Zeit

Bewusste Zeiten, die frei sind, in denen du nichts anderes tust als das, was dir gut tut. Und wenn du dir diese freie Zeit nimmst, dann „daddel“ nicht nur einfach irgendwie rum, sondern tu etwas, das dir gut tut: Geh spazieren solange es noch geht, trink einen Kaffee, setz dich auf den Balkon, lies ein gutes Buch. Aber „verdaddel“ die Zeit nicht nur einfach – das passiert ja ganz schnell: Smartphone in die Hand genommen, Instagram geöffnet, Facebook, Twitter, ein kleines Spielchen, Emails gecheckt, Wettervorhersage nachgeschaut, nochmals in den Mails geschaut, noch mal zu Instagram (in den letzten drei Minuten könnte ja etwas Weltbewegendes gepostet worden sein…..ach ne, doch nur Selfies), die kicker-App öffnen und denken „Was will ich hier eigentlich? Spielt ja grad eh keiner Fußball!“ und Fotos durchgescrollt.

Das Ende vom Lied? Nichts Sinnvolles ist rausgekommen, aber deine Seele ist echt mal durcheinander gekommen. Deswegen: Tu dir und deiner Seele ganz bewusst etwas Gutes!

4Tu anderen etwas Gutes

Schau nicht nur auf dich, nicht nur auf deine kleine Welt, sondern richte den Blick, heb den Blick und weite deinen Horizont. Es gibt andere Menschen, die können Hilfe gebrauchen. Also überlege dir, was du tun kannst, um anderen eine Hilfe zu sein.

Natürlich gibt es die älteren Menschen und vorerkrankten Personen, denen du helfen kannst. Aber das kann auch einfach deine Ehefrau sein, deine Kinder, der Nachbar – wer auch immer. Ich glaube, dass du in den nächsten Wochen auf ganz viele Weisen vielen anderen Menschen helfen kannst. Das tut dann übrigens nicht nur ihnen gut, sondern auch dir, weil du mal wegschaust von dir selbst.

5Kein Seelenstriptease auf „social media“

Die Gefahr besteht oft und ich erlebe es immer wieder, dass Leute in ihrer WhatsApp-Statusmeldung oder auf Facebook, auf Twitter oder Instagram schreiben, wie es ihnen gerade so persönlich geht. Meistens schreiben sie es dann, wenn es ihnen nicht gut geht. Und weißt du was?

Ich finde das überhaupt nicht gut! Denn in diesen Momenten erwartest du und hoffst du, dass es dir besser geht – aber diese Besserung tritt nicht ein, weil dein medialer Hilfeschrei in den Weiten der Server verhallt und dir kaum jemand wirklich ernsthaft zuhört.

Deswegen such dir viel lieber jemanden, den du anrufen kannst, dem du direkt schreiben oder den du besuchen kannst und von dem du weißt: Er hört mir zu, mit ihm habe ich Gemeinschaft und er wird mir helfen – und wenn es nur das Wissen ist, dass er mich begleitet.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du diese nächsten Wochen gestaltest. Wir können es bei allen Einschränkungen, die da sind. Wir können gestalten! Und ich wünsche dir, dass du das tust und bin gespannt, wie du das tust. Schreib mir gerne oder kommentiere hier, was dir hilft, die nächsten Wochen zu gestalten!

Und sei dir in allem bewusst: Gott geht mit! Gott stärkt dich und Gott segnet dich!

Dieser Artikel ist die etwas erweiterte Transkription eines kurzen Impuls-Videos, das ich gestern veröffentlicht habe:


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