In diesem Kapitel geht es vor allem um eines: Vertrauen. Für Maxwell spielt die Vertrauenswürdigkeit eines Leiters ein immens große Rolle. Und ich glaube, er hat Recht. Vertrauen ist das A und O eines guten Führungs- und Leitungsstils, das wie ein Fundament (= „Fester Boden“) allen Dingen zugrunde liegt.
Das „Prinzip vom festen Boden“ ist für Maxwell ein Zusammenspiel von Charakter und Vertrauen:
Charakter ermöglicht Vertrauen. Und Vertrauen macht Führung möglich. Das ist das Prinzip vom Festen Boden.Die 21 wichtigsten Führungsprinzipien, S. 70.
Kompetenz, Kooperation und Charakter
Für Maxwell sind es genau diese drei Eigenschaften, welche eine gute Führungsperson vertritt. Ich denke, dass wir in der Selbstverständlichkeit dieser drei Eigenschaften in dieser Reihenfolge auch keine Probleme hätten, sie sofort zu unterschreiben und sagen: „Natürlich benötigt ein guter Leiter Kompetenz in den Bereichen, die er leitet. Und sicherlich ist es nicht schlecht, wenn er kooperiert und auch gut im Team arbeiten kann. Und ja, ok, von mir aus – auch sein Charakter sollte ok sein.“
Wenn wir so denken, ist das der „Tod im Topf“. Ich bin froh, dass Maxwell, ein international seit Jahrzehnten anerkannter Coach, Redner, Berater, Autor und Pastor diesen Dreischritt fast umdreht und in seinem Kapitel über den „festen Boden“ folgendes Zitat des ehemaligen us-amerikanischen Generals Norman Schwarzkopf anführt:
Führung ist eine mächtige Kombination von Strategie und Charakter. Falls Sie mal eins von beiden fallen lassen müssten, dann lieber die Strategie.“ Die 21 wichtigsten Führungsprinzipien, S. 70
…und wenn das mal ein General sagt.
Natürlich bedeutet das nicht, dass wir unsere Kompetenzen nicht weiter ausbauen sollten. Aber in meinem Beitrag „Wenn der Charakter die Kompetenz frisst“ gehe ich ausführlich darauf ein, wie dieser „Fressvorgang“ geschieht und welche Folgen er hat. An ganz praktischen Beispielen wirst du erkennen: Charakter hat immer (!) das Potenzial, das niederzureißen, was wir mit unseren Kompetenzen (mühsam) aufgebaut haben.
Aber kommen wir noch einmal zurück zum Vertrauen. Maxwell schreibt sehr pointiert, dass Vertrauen Führung möglich macht.
Wie Vertrauen gestärkt wird
Es muss jede Führungsperson interessieren, wie das Vertrauen, das ihre Mitarbeiter in sie setzen, stärker oder tiefer werden kann. Denn je stärker und tiefer das Vertrauen in einen Menschen ist, desto leichter fällt es mir, diesem Menschen zu folgen, seine Meinung zu hören und Kritik von ihm anzunehmen.
Stell dir jetzt eine Person vor, die für dich eine Führungs- oder Leitungsposition besitzt – egal, ob das im Verein, in der Gemeinde oder bei der Arbeit ist. Wie groß ist dein Vertrauen in diese Person? Abhängig davon: Wie dankbar bist du, dass genau diese Person dein(e) Leiter(in) ist? Was würde das Vertrauen in diese Person stärker und tiefer werden lassen?
Vielleicht überrascht es – aber auch Maxwell führt es aus: Fehler erkennen, zugeben und um Vergebung bitten. Oder um es anders zu sagen:
Ihre Mitarbeiter wissen, wann Sie einen Fehler gemacht haben! Es kommt nur darauf an, ob Sie zu ihm stehen oder nicht.Die 21 wichtigsten Führungsprinzipien, S. 68
Ich habe genau das schon erlebt. Also eigentlich alles davon. Fehler habe ich jede Menge gemacht und ich würde sagen, dass ich die meisten auch als solche erkannt habe. Dann ist die Frage: Wie gehe ich damit um? Überspiele ich den Fehler? Versuche ich gar, den Fehler auf andere abzuwälzen oder das Adam-und-Eva-Spielchen zu spielen und zu sagen: „Die anderen sind schuld!“ oder in den Worten meiner Kinder zu sprechen: „Der hat aber angefangen!“ Hoffentlich erkennst du, wie sinnlos ein solches Verhalten ist und wie sehr das Vertrauen darunter leidet – und damit auch deine Möglichkeit, Menschen, Gemeinde, einen Bereich oder eine Organisation zu führen.
Aber, aber, aber…!
Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Leiter und Pastoren das cool finden. Ja – es gibt Schöneres, als eigene Fehler zuzugeben. Das fällt uns zwischenmenschlich schon schwer – wie viel mehr dann erst in der Gemeinde. Und ich rede hier noch nicht einmal davon, dass du dich vor die Gemeinde(versammlung) stellst und einen Fehler zugibst (was ich auch schon gemacht habe und glaub mir: Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig).
Das beginnt dort, wo du im Vier-Augen-Gespräch einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin sagst, dass du einen Fehler gemacht hast und dass es dir leid tut. Das ist auch nicht immer easy – aber unumgänglich. Und nur mal so als Nebenbemerkung: Fehler zu machen, ist menschlich. Theologisch gesprochen ist es in einer von der Sünde beherrschten und nach dem Sündenfall existierenden Welt unumgänglich, dass wir Fehler machen. Es gehört zu unserem nach dem Sündenfall existierenden Wesen dazu – auch wenn es ursprünglich anders gedacht war. Aber:
Wir können nicht Gnade predigen und bei eigenen Fehlern nicht um Vergebung bitten.
Es würde den Rahmen sprengen (und ist auch nicht Inhalt von Maxwells Ausführungen), wie wir damit umgehen, wenn mein Gegenüber diese Entschuldigung a) annimmt und entsprechend mit einem vergebenden Herzen lebt, b) annimmt, aber mit einem bitteren Herzen darauf reagiert, c) nicht annimmt und entsprechend lebt und d) sich selbst nicht entschuldigt für selbst begangene Fehler im gleichen Kontext. Too much für den Moment.
Mir geht es schlicht und einfach darum, dass wir als Pastoren und Leiter nicht so tun, als müsse sich alle Welt bei uns entschuldigen. Nein! Wo wir als Pastoren und Gemeindeleiter Fehler machen, müssen wir uns dafür entschuldigen. Punkt! Und eines ist doch klar: Uns fallen nicht alle Situationen auf und ein, in denen wir uns falsch verhalten oder etwas Falsches gesagt haben. Manchmal empfindet unser Gegenüber auch ganz anders, als wir das meinten. Keine Frage. Es geht mir nicht darum, nun alle Schuld auf Leiterinnen und Leiter zu legen, sondern es geht mir um diese Momente, in denen wir auf unser Herz hören und erkennen, dass wir uns falsch verhalten haben.
Zu guter Letzt
Mein Anliegen für euch, liebe Leiterinnen und Leiter, liebe Pastorinnen und Pastoren, ist recht einfach – die Umsetzung mag schwieriger sein: Welche Person fällt dir just in diesem Moment ein, bei der du dich entschuldigen solltest, damit Vertrauen wieder (mehr) wachsen kann?
Maxwell drückt es am Ende des Kapitels recht drastisch aus – aber ich „befürchte“, er hat Recht:
Man kann als Führungspersönlichkeit einfach nicht das Vertrauen seiner Mitarbeiter verletzen und dennoch erwarten, weiterhin Einfluss auf sie zu nehmen. Vertrauen ist das Fundament aller Führung. Sollten Sie das Prinzip vom festen Boden verletzen, sind Sie als Führungspersönlichkeit unten durch.Die 21 wichtigsten Führungsprinzipien, S. 76
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Auf dieses Buch habe ich wie auf kein anderes gewartet. Craig Groeschel hat es im Original „Hope in the Dark: Believing God is good when life is not“ genannt. Der deutsche Untertitel ist da etwas sperriger, drückt aber genau aus, um was es geht: „Wie wir an Gottes Güte festhalten können, auch wenn das Leben uns etwas anderes sagt“.
Warum habe ich auf dieses Buch gewartet? Weil ich gehofft habe, dass es nicht mit platten Antworten auf die „Warum?“-Frage daherkommt, sondern Gott in seiner Unfassbarkeit genauso wie in seiner grenzenlosen Leibe zu uns Menschen zeichnet. „Warum lässt Gott Leid zu?“, „Wo ist Gott jetzt, wo ich ihn am meisten brauche?“, „Wie kann Gott genau dieses zulassen?“ oder „Wo ist Gott? Ich spüre ihn nicht!“ sind genau die Fragen und Aussagen, die man im Hintergrund des Buches immer mitliest – oder die explizit vorkommen.
Dabei macht Groeschel zu Beginn des Buches eines deutlich:
Ich möchte vorweg allerdings eines klarstellen: Dieses Buch ist nicht für jeden. Wenn Sie gerade ein geistliches Hoch erleben, weil Sie so leben, wie Sie es sich erträumt haben, dann hören Sie an dieser Stelle lieber auf zu lesen und loben und preisen Sie Gott für seine Güte. Ich freue mich mit Ihnen, aber ehrlich gesagt sind Sie dann momentan nicht die Zielgruppe für dieses Buch. Es ist nämlich für Menschen gedacht, die leiden. Es ist für Menschen geschrieben, die Zweifel haben, für Menschen, die Angst haben, dass ihr Glaube vielleicht nicht trägt, für Menschen, deren Welt sich verfinstert hat. Wenn Ihnen das Leben also zunehmend zusetzt, wenn Ihr Glaube in der Zerreißprobe steht, dann ist dieses Buch etwas für Sie.Wenn Gott kein Licht ins Dunkel bringt, S.9-10
Ehrlich gesagt, stimmt es nicht ganz, was Groeschel schreibt. Ich empfehle dieses Buch jedem – egal, ob sein Glaube und Leben gerade Höhen erlebt oder Tiefen durchmacht.
Keine platten Antworten sondern lebensnahe Hilfe
Die Gefahr bei diesem Thema ist, entweder platte Hilfen zu bieten oder so kompliziert und alltagsfremd zu Schreiben, dass ein solches Buch maximal Staubfänger im Regal ist. Deswegen ist „Wenn Gott kein Licht ins Dunkel bringt“ so anders.
Groeschel verdeutlicht, was er sagen möchte, mit vielen, sehr vielen Praxisbeispielen. Er erzählt Geschichten. Geschichten von Freunden, Geschichten von Gemeindemitgliedern, Geschichten von seiner Familie – und: Geschichten von sich selbst. Die Kunst ist, so viele Geschichten erzählen zu können, dass man beim Lesen gerade nicht denkt: „Oh no. Jetzt kommt die nächste Geschichte.“ Groeschel beherrscht diese Kunst, weil er sich auf das Wesentliche der jeweiligen Beispiele begrenzt, gleichzeitig es aber schafft, Emotionen zu wecken und ein Bild vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Sicherlich auch ein großer Verdienst von Übersetzerin Antje Balters. (Schau auch mal auf ihrer Homepage vorbei: www.antjebalters.de)
Diese Geschichten gehen in den seltensten Fällen gut aus. Teilweise sind es brutale Geschichten vom Krankheit, Tod, Trauer und Verlust. Das macht das Buch so lebensnah, so alltagsrelevant – so glaubensrelevant. Groeschel kommt nicht mit schnellen platten Antworten à la „Du musst halt einfach glauben, dann wird das schon wieder“. Im Gegenteil. Man spürt dem Autor ab, dass er selbst jede Menge leidvolle Erfahrungen gemacht hat, die er teilweise auch schildert und damit ganz authentisch wird ohne sich einem Seelen-Striptease zu unterziehen.
Ein kleiner Prophet mit großer Wirkung
Bei seinen Ausführungen dient Groeschel ein so genannter „kleiner Prophet“ aus dem ersten Teil der Bibel als Grundlage. „Kleiner Prophet“ deswegen, weil die zwölf Propheten Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja und Maleachi so genannt werden, da sie gegenüber den „großen Propheten“ (Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Daniel) kleinere Bücher sind. Na – welcher dieser zwölf kleinen Propheten ist es wohl, der als theologische Grundlage dient? Es ist einer, der sonst recht selten Erwähnung findet. Einer, dessen Namensbedeutung paradox ist: „ringen und umarmen“.
Es ist der Prophet Habakuk.
„Wenn Gott kein Licht ins Dunkel bringt“ bekommt dadurch noch mehr Tiefe, dass dieses biblische Buch immer wieder als „Background“ auftaucht. Dabei finde ich es äußerst gelungen und faszinierend, wie Groeschel einzelne Abschnitte dieses Buches interpretiert und für unsere heutige Zeit relevant werden lässt.
Weiterführendes Zusatzmaterial
Das Rundum-Paket wird am Ende des Buches dadurch geschnürt, dass das Buch nicht endet mit Groeschels Ausführungen. Zu jedem Kapitel des Buches gibt es weiterführende Bibelstellen und Fragen an die Hand. Diese Fragen dienen dazu, dem Thema persönlich noch mehr nachzuforschen. Dies kann alleine geschehen. Meines Erachtens eignen sich diese Fragen aber auch für Kleingruppen innerhalb der Gemeinde. So wäre es durchaus auch denkbar, dieses Buch in einer Kleingruppe gemeinsam zu lesen und durchzuarbeiten.
Wie oben schon erwähnt, hat Übersetzerin Antje Balters sicherlich auch einen großen Anteil daran: Das Buch liest sich einfach hervorragend flüssig, weil es in einer einfachen, aber nicht trivialen, Sprache erscheint und ohne unnötige Redundanzen auskommt.
Insofern: Ich kann das Buch – im Gegensatz zu seinem Autor – jedem Menschen empfehlen. Selbst denen, deren Leben gerade aus Höhenflügen besteht, denn: Das nächste Tal kommt. Und durch dieses vorbereitet zu gehen, kann nicht schaden. Dazu ist „Wenn Gott kein Licht ins Dunkel bringt“ eine wunderbare Hilfe. Denn: Am Ende bleibt Groeschel nie beim Zweifel, dem Unrecht und dem Leid stehen, sondern verweist auf einen Gott, der gut ist. Immer.
„Den Bock zum Gärtner machen“ sagen wir, wenn wir jemandem eine Aufgabe übertragen, für die er vollkommen ungeeignet ist. Gib mir die Aufgabe, ein geeignetes Tanzkostüm für meine Tochter herauszusuchen – dann hast du den Bock zum Gärtner gemacht.
Zwar nicht zum Gärtner aber zum Schaf machen wir den ein oder anderen Bock, wenn wir uns anschauen, was es heißt, Gemeinde zu leiten. Auf diesen Gedanken bin ich durch eine Predigt im Abschlussgottesdienst der Pfarrkonferenz unseres Kirchenbezirks gekommen, denn der Prediger nahm genau diesen Gedanken auf.
Das verlorene Schaf
Der Kern des Ganzen liegt in Lukas 15 versteckt. Jesus erzählt folgendes Gleichnis:
„Stellt euch vor, einer von euch hat hundert Schafe und eines davon verläuft sich. Lässt er dann nicht die neunundneunzig allein in der Steppe weitergrasen und sucht das verlorene so lange, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, dann freut er sich, nimmt es auf die Schultern und trägt es nach Hause. Dort ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: ‚Freut euch mit mir, ich habe mein verlorenes Schaf wiedergefunden!‘ Ich sage euch: Genauso ist bei Gott im Himmel mehr Freude über einen Sünder, der ein neues Leben anfängt, als über neunundneunzig andere, die das nicht nötig haben.“ Die Bibel, Lukas 15, 4-7
Ich will das Hauptaugenmerk weder auf die 99 noch auf das Eine legen. Es geht vielmehr darum: Was hat sich hier verlaufen? Ein Schaf. OK, soweit nichts Umwerfendes, magst du denken, aber es ist der Knackpunkt schlechthin. Von diesem Schaf an sich wird nicht viel berichtet. Es verläuft sich, der Hirte findet es und trägt es schließlich auf den Schultern nach Hause.
Würde so etwas von einem Bock hier genauso stehen? Ich glaube nicht. Ein Bock hätte sich nicht verlaufen, sondern verrannt; er hätte sich nicht unbedingt finden lassen wollen und schon gar nicht auf den Schultern nach Hause tragen lassen wollen. Das wäre dann wohl doch schon unter seiner Würde gewesen und er hätte sich gedacht: „Was denken wohl die anderen von mir, wenn sie mich so sehen?“
Das Schaf hingegen wird sich gefreut haben und es werden ihm zentnerweise die Lasten vom Herzen gefallen sein, die Angst, die Furcht, die Ungewissheit – endlich ist der Hirte da und ich komme nach Hause.
Wem laufen wir als Leiter hinterher?
Das ist die Kernfrage und ich will mal ganz provokant fragen: Könnte es sein, dass wir viel zu oft mehr den „trotzigen Böcken“ als den „verlorenen Schafen“ hinterher rennen? Ich meine das natürlich nur im übertragenen Sinne.
Aber wenn Du Pastorin oder Pastor bist, dann stell dir doch einmal ehrlich die Fragen:
Wie viel Zeit investierst du, damit Menschen, die Gott noch nicht kennen, zu hingebungsvollen Nachfolgern Jesu werden?
Wie viel Zeit investierst du in Menschen, die motzen, dass ihnen dieses oder jenes nicht gefalle in der Gemeinde?
Drehen sich deine Gedanken in ruhigen Momenten eher darum, wie du Menschen für Jesus gewinnst. Oder wie du die, die motzen und jammern, bei Laune halten kannst?
Wie viel investierst du darin, Menschen zu gewinnen für Jesus und wie viel darin, Menschen „bei Laune zu halten“?
Ich wähle bewusst den Begiff „bei Laune halten“ und nicht den Begriff „Jüngerschaft“ – das sind nämlich zwei komplett verschiedene Paar Stiefel. Jüngerschaft darf niemals gegen Evangelisation ausgespielt werden. Beides hat seine absolute Berechtigung und Notwendigkeit in der Gemeinde Jesu. Da gibt es kein „Entweder – Oder“ sondern nur ein „UND!“. Jüngerschaft und „Bei Laune halten“ sind sozusagen genau das Unterscheidungsmerkmal dessen, was wir als Gemeinde tun, wenn wir uns fragen, ob wir Böcken oder Schafen nachgehen – das wirst du später merken, wenn es um die Unterscheidung von Schaf und Bock geht.
„Bei Laune halten“ aber ist kein Qualitätsmerkmal von Gemeinde – wir tun es aber sehr oft. Und das ist fatal! Äußerst fatal, denn wir tappen dann in eine Spirale, die manchmal nur noch schwer aufzuhalten ist. Wir versuchen jemanden, bei Laune zu halten in der Hoffnung, dass es uns gelingt – wird es vielleicht auch für den Moment, indem wir eine Entscheidung zurücknehmen oder indem wir manches „langsamer“ angehen oder indem wir uns zum x-ten Mal Zeit für ein Gespräch nehmen.
Es wird aber nicht all zu viel Zeit ins Land gehen, und das „bei-Laune-Halten“ funktioniert nicht mehr so gut, der Bock blökt wieder und ist unzufrieden – das ganze „bei-Laune-Halten“-Spielchen beginnt von vorne. Kräftezehrend. Zeitfressend. Ergebnislos.
Scheinbar laufen wir den Böcken hinterher, weil Jesus das ja auch getan hat. Hat er aber nicht. Er ist den verlorenen Schafen nachgegangen – nicht den sturen Böcken.
Nicht den Bock zum Schaf machen
Natürlich würde ich mich freuen, wenn möglichst alle das „gut finden“, was wir als Gemeinde tun und wofür ich als Leiter stehe. Ist doch logisch. Gleichzeitig ist das sowohl Utopie als auch unbiblisch anzunehmen, dass dieses Anliegen der Realität entspricht. Es gab, gibt und wird immer Menschen geben, die kein Schaf sein wollen sondern Bock. Das ist ihr Recht und dazu haben sie sich selbst entschieden – niemand anderes hat ihnen diese Entscheidung abgenommen. Als Leiter sollte ich sie dann auch als solche wahrnehmen und nicht so tun, als seien es Schafe. Das ist deswegen so wichtig, weil es den weiteren Weg der Gemeinde bzw. der Leitungsaufgaben unmittelbar bestimmen wird.
Warum? Versuchst du, aus einem Bock ein Schaf zu machen, dann versuchst du nichts Geringeres als die Quadratur des Kreises. Aus guter Absicht heraus aber mit falschen Annahmen.
Die gute Absicht besteht darin, dass du niemandem „auf den Schlips treten“ willst. Gut so. Das will ich nämlich auch nicht. Die falsche Annahme besteht darin, es allen recht machen und die „ganze Gemeinde mitnehmen“ zu können. Letzteres will ich dir nicht einmal als „gute Absicht“ unterstellen.
Wenn du die Absicht hast, es allen recht zu machen, solltest du Eisverkäufer werden aber nicht Pastor oder in der Gemeindeleitung tätig sein.
Wenn du erkennst, dass das Reich Gottes wesentlich größer ist als deine Gemeinde und an den Grenzen deiner Weide nicht aufhört – dann wird es dir leichter fallen, Abschied zu nehmen von diesen falschen Absichten. Wieso? Weil du erkennst, dass es auch andernorts tolle Gemeinden gibt. Und in diese können sich die Böcke – und das ist das Faszinierende – wieder als Schafe (und zwar als wirkliche Schafe) einklinken. Ich glaube, dass es nur ganz wenige Böcke gibt, die per se Böcke sind. Die gibt es auch. Die, die an jeder Gemeinde etwas auszusetzen haben und nur sich selbst trauen und im Alleinbesitz der allgemeingültigen Wahrheit sind. Die gibt es. Aber sie sind selten. Sehr selten.
Die Kunst des Leitens besteht darin, die Schafe von den Böcken zu unterscheiden. Dann gilt es, seine Schafherde zu leiten und Böcken im Frieden und ohne Missmut zu erlauben, die Herde zu verlassen – und in einer anderen Herde glücklicher zu werden.
Schaf…
Wie nun unterscheiden sich aber Schafe von Böcken – oder andersrum? Schafe sind dankbar für Leitung, weil sie wissen, dass sie einen Hirten haben, der sich nach bestem Wissen und Gewissen zusammen mit seinem Leitungsgremium um die Herde kümmert. Sie sind dankbar dafür und äußern das immer wieder. Sie wissen darum, dass das Leben in der Schafherde Gemeinde kein Leben auf dem Ponyhof ist, sondern sich immer mal wieder auch Zeiten der Dürre, des Unverständnisses oder des Andersdenken ergeben.
Schafe bleiben loyal – ihrer Herde und ihrem Hirten gegenüber. Sie üben Kritik in einer dankbaren Haltung und wollen nicht Krawall – sie wollen das beste für die Herde. Deswegen setzen sie sich auch für die Herde ein und arbeiten in der Gemeinde mit. Sie wissen um ihre Gaben (im besten Fall) und um ihre Begrenzungen, wissen aber auch, dass eine Herde nur dann funktioniert, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt. Das tun Schafe sehr gerne. In der Regel sind Schafe sehr dankbar für das, was sie vorfinden und jammern nicht ständig über das, was sie nicht haben.
Sie freuen sich an der Gemeinschaft mit den anderen Schafen, auch wenn sie nicht alle zu ihren engsten Freunden zählen und es manchmal ziemlich stinkt in der Herde. Aber sie wissen auch darum, dass sie selbst nicht immer gut riechen und es normal ist, dass man sich nicht immer so gut riechen kann. Sie vertrauen dem Hirten, dass er es gut mit ihnen meint und wenn sie mal vom Weg abkommen, sind sie dankbar für Zurechtweisung, Korrektur und Horizonterweiterung.
…oder Bock?
Böcke haben große Schwierigkeiten damit, den Hirten und sein Leitungsgremium als solchen anzuerkennen. Ständig gibt es etwas auszusetzen. Das tun sie mit Vorliebe innerhalb der Schafherde hinter vorgehaltenem Schaffell aber in den seltensten Fällen gehen sie direkt zum Hirten und seinem Herdenleitungsteam. Sie tummeln sich gerne unter ihresgleichen und sind der Ansicht, dass sie besser riechen und es besser wissen als die anderen Schafe. Sie merken gar nicht, dass sie sich von der eigentlichen Herde absondern und dass ihr Gras nicht unbedingt besser schmeckt und schon gar nicht grüner ist als das der großen Herde.
Böcke gehen nicht verloren, denn sie haben ja immer recht – meinen sie zumindest. Das führt nicht selten dazu, dass sie andere eher anblöken als mit ihnen zu reden, denn sie selbst sind ja im Besitz der Wahrheit. Selbst gutgemeinte Annäherungsversuche anderer Schafe blocken (oder blöken?) sie ab.
Böcke vertrauen lieber sich selbst und ihrer (vermeintlich) eigenen Stärke als dass sie sich auf andere (Schafe) verlassen oder sich ihnen anvertrauen. Wenn sie sich jemandem anvertrauen, dann anderen Böcken, so dass es eine kleine Bockherde neben der Schafherde geben kann.
Vor allem aber unterscheiden sie sich von Schafen in einer Sache: Dankbarkeit kennen sie – aus der Theorie. Oder aus der Vergangenheit, als das Gras noch grüner war, am Baum ein anderer Hirte lehnte und das Herdenleitungsteam noch genau das tat, was sie wollten. Schöne Ereignisse und Erlebnisse innerhalb und mit der Herde kennen sie auch meist nur noch aus der Vergangenheit. Sie können einfach nicht über ihren eigenen Schatten springen, und wieder Teil der Herde werden.
Obwohl in den meisten Fällen alle – sowohl Schafe als auch Hirte – sich freuen würden, wenn sie zurück kämen in die Herde. Denn das ist – meistens – ein großes Dilemma: Sowohl den Hirten, sein Herdenleitungsteam als auch viele der Schafe schmerzt es, wenn Böcke sich von der Herde absondern.
Und der Hirte?
Bei aller netten Analogie mit Schaf und Bock möchte ich diesen Artikel jedoch noch mit einem Gedanken schließen, der mir wichtig erscheint für alle Pastorinnen und Pastoren.
Das Wort „Pastor“ kommt aus dem Lateinischen und heißt auf deutsch „Hirte“. Ich finde das unglücklich, da es nicht selten zu der Annahme führt, dass jeder Pastor ein „Hirte“ sein müsse – und das meine ich nun im Blick auf den fünffältigen Dienst.
Er [Jesus] ist es nun auch, der der Gemeinde Gaben geschenkt hat: Er hat ihr die Apostel gegeben, die Propheten, die Evangelisten, die Hirten und Lehrer. Die Bibel, Epheser 4,11
Innerhalb des fünffältigen Dienstes ist nicht jeder Pastor automatisch ein Hirte – sondern hat eine stärkere Kraft und Vollmacht als Apostel, Lehrer, Prophet oder Evangelist. Und doch meine ich aber, dass es wichtig ist, uns den Hirten aus dem Gleichnis mit dem verlorenen Schaf vor Augen zu führen. Er hat ein barmherziges, weiches und liebevolles Herz für das Schaf.
Das ist es, was jeder Pastor und jede Pastorin braucht – und jetzt sage ich provokant: Auch im Blick auf die Böcke. Nein, nicht um sie dann doch wieder einzufangen, sondern um ihnen in der gleichen Liebe zu begegnen wie den Schafen. Jesus hat uns aufgefordert, sogar für unsere Feinde zu beten und sie zu segnen – dann sollte das im Blick auf Böcke nicht anders sein, denn manch einer begeht einen schwerwiegenden Fehler und meint, Böcke sind Feinde. Sind sie aber nicht. Keineswegs. Deswegen gilt es, dass wir als Leiterinnen und Leiter ein barmherziges, weiches und liebevolles Herz behalten und bewahren und alles daran setzen, dass es nicht unbarmherzig, hart und gehässig wird. Und da habe ich noch viel zu Lernen und zu Verbessern. Ich arbeite daran. Denn das Herz eines Leiters ist das Wichtigste, worauf er zu achten hat. [Dazu empfehle ich dir den Artikel „Ordne dein Leben„.]
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Als Leiter einer Gemeinde sehe ich mich permanent Entscheidungen gegenüber. 80% treffe ich intuitiv – das tun wir Menschen jeden Tag: Wir putzen unsere Zähne und müssen nicht erst ein…
Ruhe in einer unruhigen Welt zu leben, ist eine hohe Kunst. Dessen bin ich mir bewusst, nachdem ich das Buch von Thomas Sjödin gelesen habe. Gleichzeitig ist es aber noch nur eine hohe Kunst – sondern eine absolute Notwendigkeit. Oder wie Sjödin sagen würde:
Die Ruhe ist aber keine Belohnung, nichts, das man sich verdienen muss. Sie ist eine Pflicht.Warum Ruhe unsere Rettung ist, S. 24
Die Frage nach nach dem, was „Ruhe“ wirklich ist, lässt Tomas Sjödin keine Ruhe. Er selbst bezeichnet sich als jemanden, der – wie wir heute gerne sagen – „viel um die Ohren hat“ als Pastor, Schriftsteller, Autor und Sprecher. Er hat ein bewegtes und bewegendes Leben – konfrontiert mit dem Tod: Zwei seiner Söhne sterben auf Grund einer Hirnerkrankung, die nicht genau diagsnotiziert werden kann, aber im Laufe der Krankheit war nur eines sicher: sie wird mit dem Tod enden.
Sjödin schreibt es nicht explizit, aber solch eine Erfahrung lässt einen niemals los – oder wie er sagt: „Die Narbe bleibt.“ Dennoch: In „Warum Ruhe unsere Rettung ist“, steht nicht der Tod, nicht das Leid und auch nicht die Frage nach dem „Warum“ im Mittelpunkt. Es geht wirklich um das eine Thema: Ruhe.
Mehrwert Ruhe
Sjödin schreibt in so wunderschönen Bildern und einer so vereinnahmenden Sprache, dass man zwischenzeitlich den Eindruck hat, der gute Mann tut nichts anderes als zu ruhen. Darum geht es aber gar nicht. Sjödin ruft nicht auf zu einem Lebensstil der Langeweile und Faulheit – sondern er ruft dazu auf, in der Ruhe wirkliche Kraft zu finden oder mit seinen Worten:
Ohne die Ruhe reagieren wir bald nur noch auf alle Anforderungen und Ansprüche, die uns entgegenkommen wie Autos auf einer viel befahrenen Straße. Aber wir schaffen es nicht oder versuchen es vielleicht noch nicht einmal, darüber nachzudenken, wohin wir egentlich unterwegs sind, was wir wollen.Warum Ruhe unsere Rettung ist, S. 48
Es würde den Rahmen sprengen, alle Facetten der Notwendigkeit von Ruhe wiederzugeben in diesem Artikel, aber alleine der Unteritel des Buches sagt schon alles: „Stell dir vor, du tust nichts und die Welt dreht sich weiter“. Für manche mag das ziemlich ernüchternd sein, halten wir uns doch zu sehr für unersetzlich. Dem ist aber nicht so. Wirkliche Kraft in den Dingen, die wir tun – und lassen – entsteht dort, wo wir sie aus einer Ruhe heraus tun. Einer Ruhe, die der Geschäftigkeit unserer heutigen Zeit im Zentrum gegenübersteht – und das macht sie auch so schwierig zu finden und zu leben. Daraus macht Sjödin keinen Hehl. Weder glorifiiziert noch romantisiert er die Ruhe:
Während man rut, könnte man etwas Nützlicheres tun, etwas Wichtigeres. Das ist die eine Seite der Medaille. Während man ruht, entwickelt man aber auch die Fähigkeit – das ist die andere Seite -, das wertzuschätzen, was man im schnellen Tempo gar nicht erleben würde, was eine gewisse Zeit braucht, um zu wachsen.Warum Ruhe unsere Rettung ist, S. 75
Ruhe aus vielen Perspektiven
Das absolut Bereichernde und Inspirierende an diesem Buch sind die vielen PErspektiven, welche Sjödin zum Thema „Ruhe“ zu Wort kommen lässt. Er reist, er experimentiert, er liest, er forscht – und das vorliegende Buch scheint so etwas wie die „Quintessenz“ aus all seinen Erkenntnissen zu sein – ohne, dass sie wie ein Lehrbuch daherkommt. Phasenweise gleicht sie eher einem Tagebuch oder einem Reisebuch, in dem verschiedene Gespräche, Begegnungen oder Zitate aus der Literatzr gesammelt wurden.
Schnell wird deutlich: „Warum Ruhe unsere Rettung ist“ liest sich nicht als Sachbuch oder schlauer Ratgeber. Dieses Buch ist mehr. Für mich ist es lebensnah und pholosophisch zugleich. Viele Gedanken und Erkenntnisse Sjödins sind so tief, dass man sie beim Lesen nicht sofort versteht. Sie müssen sich setzen. Langsam. Nach und nach. Und wenn sie es tun, dann wird die Lebensweisheit und -reife Sjödins so deutlich, dass man das Buch einfach nicht aus der Hand legen kann.
Sjödin versteht es, das Thema aber nicht nur abgefahren philosophisch oder als eine Zusammentsellung netter Lebensweisheiten und Zitaten zu verstehen. Vielmehr gibt er hier und da kleine Tipps, Hinweise, Anregungen oder beschreibt sein eigenes Experimentieren mit der Ruhe. Deutlich wird er, wenn es darum geht, Ruhe zu unterschätzen oder als unnötig abzutun:
Die fehlende Grenze zwischen Arbeit und Ruhe lässt leicht eine Art Niemandsland entstehen, das sich ausbreitet – in beide Richtungen. Es frisst sich in die Arbeit als Unvermögen, sich zu konzentrieren, und dabei stiehlt es die tiefe Freude, die zur Arbeit gehört. Auch in Richtung Ruhe breitet es sich aus: als Stress, der zu allem gehört, das man „irgendwie auch noch“ tun sollte.Warum Ruhe unsere Rettung ist, S. 64
Sabbat als Vorbild
Den größten Teil des Buches (und der Gedankenwelt Sjödins zum Thema Ruhe) nimmt der jüdische Sabbat ein und warum er uns so hilfreich sein kann im Blick auf das Finden und Einhalten von Ruhe. Ich finde gerade diese Gedanken äußerst faszinierend und inspirirend. Denn es geht um mehr als nur um ein paar Sabbatgebote und Sabbatvorschriften. Es geht um Ruhe, das Miteinander mit wertvollen Menschen und Freunden, gemeinesames Essen und Geschichtenerzählen sowie um das Feiern – des Lebens und der Gottesbeziehung und dem Finden von Ruhe mitte in diesen Dingen.
Die Mahlzeit erinnert uns daran, dass wir Teil einer organisch verbundenen Welt sind, einer Schöpfung, die mehr verdient, als einfach konsumiert zu werden. Sie verdient unsere Aufmerksamkeit, unsere Fürsorge und dass wir sie feiern. […] Der Sabbat ist alles andere als eine private religiöse Übung. In seiner ganzen Symbolik geht es darun, etwas zusammenzuführen und zu verketten – mit Gott und mit den Freunden. Man könnte es eine Spiritualität des Zusammenseins nennen. Nicht die für sich selbst gewonnene Zeit ist die Seele des Sabbats, sondern die gemeinsam und mit Gott verbrachte Zeit.Warum Ruhe unsere Rettung ist, S. 94-95
Es mag paradox klingen, aber je tiefer man in das Buch einsteigt und in die Gedankenwelt Sjödins, desto mehr kann man voll und ganz nachvollziehen, welchen Vergleich des Ruhens mit dem menschlichen Körper er bemüht:
Forschungen haben bestätigt, was Eltern aller Generationen schon wussten: dass Kinder und Jugendliche wachsen, während sie schlafen. Das gilt auch für die Muskeln Erwachsener. Sie entwickeln sich nicht, während man Sport treibt, sondern in den Trainingspausen, wenn sie entspannt sind. Und es gilt auch für das seelische Vermögen: Wenn man nicht ruht, verringern sich die Möglichkeiten zur Vertiefung und Reife. Deshalb gehört die Ruhe zu den Dingen, für die wir Verantwortung tragen. Warum Ruhe unsere Rettung ist, S. 113
Kein schlechtes Gewissen
Vielleich geht es dir manchmal auch so, wie Sjödin es als Einstieg in sein Buch beschreibt (alleine deswegen ist es schon lesenswert): Du wirst „ertappt“ beim Ausruhen, Schlafen oder beim Mittagsschläfchen und es ist dir peinlich; du hast ein schlechtes Gewissen. Warum? Weil in unserer Gesellschaft scheinbar nur zählt, dass man arbeitet, leistet und die Zeit ausnutzt für „Produktives“.
„Warum Ruhe unsere Rettung ist“ kann als Plädoyer für das Ruhen miten im Alltag verstanden werden; als Ratgeber für alle, die sich fragen, wie sie Ruhe finden können und als Entlastung für alle, die fälschlicherweise ein schlechtes Gewissen haben.
Oder um ein Zitat aufzunehmen, das Sjödin von einem Kollegen hat und immer wieder inmitten herausfordernder Situationen von ihm hörte – und schließlich selbst verinnerlichte: „Da müssen wir uns durchruhen.“
Es gäbe noch viel zu berichten über das, was Sjödin schreibt: Die notwendige Vollbremsung durch den Sabbat, das „Land der Ruhe“, die ewige Ruhe oder auch die theologische Bedeutung der Ruhe im Schöpfungsbericht und die Tatsache, dass Gott zu Adam und Eva sagte, nachdem sie noch nicht mal einen Finger krumm gemacht haben: „Morgen ist Feiertag!“
Aber ich mach’s einfach und empfehle dir schlicht und einfach, „Warum Ruhe unsere Rettung ist“ zu lesen und das, was für dich passt, mitzunehmen und auszuprobieren. Das werde ich nämlich auch tun.
Christen. Berufen sich auf Jesus Christus. Nennen sich nach ihm. Christen sind einen Gemeinschaft von Menschen, die an Jesus Christus glauben und ihm nachfolgen. Diese Gemeinschaft trifft sich in der Regel sonntags – meist vormittags, aber für die Spätaufsteher gibt es auch abendliche Zusammenkünfte.
Unter der Woche treffen sich die ganz Frommen in kleinen Gruppen, auch „Hauskreise“ genannt, wobei es weder um ein Haus noch um einen Kreis geht. Zumindest sollte es um weit mehr gehen. Um Jesus. Den Christus. Nach dem sie sich ja benennen.
Christen zeichnen sich dadurch aus, dass sie super dankbar sind füreinander. Sie können es sich zwar nicht aussuchen, wer alles zu ihrer Gemeinschaft gehört – denn jeder, der sich nach Christus benennt, gehört dazu. Aber sie sind so offen, so herzlich, so dankbar, so zuvorkommend, so hilfsbereit, so ehrlich, so treu, so zuverlässig – dass es zu schön ist, um wahr zu sein.
Bittere Realität
Tut mir leid. Der letzte Satz stimmt: Es ist zu schön, um wahr zu sein. Ich habe hier ein kleines bisschen ein Zerrbild von Christen gezeichnet. Leider. Es wäre schön, wenn eine christliche Gemeinschaft so positiv darstellen würde. Aber in der Realität sieht es doch eher so aus, dass man so vieles aneinander auszusetzen hat.
Der eine da hinten singt viel zu laut im Gottesdienst.
Im Hauskreis stellt XY immer so doofe Fragen, die kein Mensch interessiert wie „Ist Jesus wirklich der soteriologisch reinkarnierte Gedanke Jahwes und ins Kerygma auferstanden oder müssen wir doch von einem leeren Grab am Ostermorgen ausgehen?“ Oder. „War Jesus nun Rechts- oder Linkshänder?“
Da gibt’s Streit und Zwistigkeiten über Dinge, die noch nichtiger sind als die über den Gartenzaun ragenden Apfelbaumäste des Nachbarn.
Wehe, man wählt die falsche Bibelübersetzung – da wird man maximal schief angeschaut. Wenn überhaupt.
Man kann über vieles streiten – aber wehe, man ist Kreationist. Oder Evolutionist. Oder glaubt eher dem „Intelligent Design“. Da gibt’s keine Gnade. Einig ist man sich nur gegen das fliegende Spaghettimonster.
Zeitgenössischer Worship oder jahrhundertealte Choräle? Da wird diskutiert und sich Worte an den Kopf geworfen, bei denen sich manch einer, der neu dazugehört, wundert, dass sie in christlicher Runde genannt werden.
Orgel oder E-Gitarre? Eine Diskussion zwischen einem fundamentalistischen Veganer und einem von Fleischgenuss überzeugten Grillmeister ist dagegen Kindergeburtstag.
Landeskirche oder Freikirche? Bei manchen hat man den Eindruck, dass sich Dortmund- und Schalke-Fans noch besser verstehen.
Der Pfarrer predigt viel zu lange, zu laut, zu affektiert, zu bibelzentriert, zu liberal, zu leise, zu undeutlich, zu unverständlich – und überhaupt.
Könnte bitte mal jemand die Heizung in der Kirche reparieren? Wenn ich schon schlafe, dann will ich es wohlig warm haben.
Der Kaffee beim Gemeindefest ist nicht aus fairem Handel. Das geht gar nicht!
Die Liste ließe sich noch eine Weile fortsetzen und ich habe sie bewusst etwas humorvoll geschrieben. Wieso? Weil es traurig genug ist, dass es in christlichen Gemeinden so viele Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, Gemotze, Gejammer und Gemecker gibt. Nein, klar, in deiner Gemeinde nicht. Nur in allen anderen. Klar.
Undank richtet den anderen – zugrunde!
Inzwischen ist es ca. 80 Jahre her, da hat ein großer Theologe namens Dietrich Bonhoeffer ein bis heute unübertroffenes Buch über gemeinsames christliches Leben geschrieben. Es trägt den Titel: „Gemeinsames Leben“. Es ist der Versuch, eine Art „christliche Wohn- und Lebensgemeinschaft“ zu beschreiben und Ideen, Gedanken und göttliche Ratschläge weiterzugeben, wie christliches gemeinsames Leben und christliche Gemeinschaft gelingen kann. Bonhoeffer schrieb dieses Buch in der Tat auf Grund „seines“ Predigerseminars, in dem angehende Pfarrer gemeinsam lebten. (Die ganze Story um die Entstehung dieses Buches zu beschreiben – dazu würde hier der Platz fehlen, aber ich empfehle dir einfach: Lies das Buch! Es lohnt sich!)
Ich glaube aber, dass seine Gedanken und Erkenntnisse kein 24/7 gemeinsames Leben benötigen, sondern es reicht schon, diese Gedanken auf unsere christlichen Gemeinden und unsere Gemeinschaft als Christen zu übertragen.
So schreibt Bonhoeffer zum Beispiel:
Wer seinen Traum von einer christlichen Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder christlichen Gemeinschaft, und ob er es persönlich noch so ehrlich, so so ernsthaft und hingebend meinte. […] Er tritt als Fordernder in die Gemeinschaft der Christen, richtet ein eigenes Gesetz auf und richtet danach die Brüder und Gott selbst.Gemeinsames Leben, S. 24
Das ist starker Tobak. Aber wenn ich mir die Liste oben anschaue, dann trifft das voll zu, was Bonhoeffer hier in drastischen Worten beschreibt: Wer seinen Traum, seine Wunschvorstellung von christlicher Gemeinschaft (oder: Gemeinde vor Ort) mehr liebt als die real existierende Gemeinde, wie sie nun mal so gerade ist am Ort – der zerstört sie. Unweigerlich und unbewusst hat er ein inneres Bild von Gemeinde. Und diesem Bild hat die reale Gemeinde zu entsprechen. Tut sie das nicht – ist die Gemeinde doof. Ganz einfach – so einfach, wie der Mensch nun manchmal eben gestrickt ist. Und dadurch überfordere ich die Menschen und richte sie zugrunde und in meinem Herzen durchaus auch Gott. Wieso Gott? Nun – er sorgt ja nicht dafür, dass es hier eine bessere Gemeinde gibt. Eine Gemeinde, die meinen Vorstellungen entspricht. Auf die Idee, dass womöglich mein Wunschbild falsch sein könnte, kommt man in der Regel nicht.
Ich kann verstehen, wenn du jetzt erst mal durchatmen musst. Bonhoeffer ist für mich ein brillanter Theologe, der in seinen Schriften seine Erkenntnisse grad mal so raushaut – für den Leser bleibt aber erst mal ein kurzer Atemstillstand und das Entwirren der Gehirnwindungen.
Die Lösung: Dankbarkeit
Bonhoeffer wäre nicht Bonhoeffer, wenn er nun bei dieser doch etwas depressiv stimmenden Analyse von Gemeinde stehen bleiben würde. Vielmehr schreibt er den nächsten Satz, den man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen muss:
Wir beschweren uns nicht über das, was Gott uns nicht gibt, sondern wir danken Gott für das, was er uns täglich gibt.Gemeinsames Leben, S. 24
Na wenn das mal nicht gesessen hat. Wenn ich ehrlich bin: Mir fällt es schon im ganz Alltäglichen nicht so ganz leicht, immer erst mal das Positive zu sehen und dankbar dafür zu sein. Und das, wo ich durchaus von mir sagen würde, dass ich ein optimistischer Mensch bin. Wie viel schwieriger ist es aber dann im Blick auf die Gemeinde und die Gemeinschaft mit anderen Christen?
Aber Bonhoeffer hat doch recht. Ohne zu wissen, was deine Gemeinde vor Ort so alles bietet, zähle ich einfach mal ein paar Punkte auf, für die ich heute als Christ dankbar sein kann. Ich bin mir sicher: Nicht wenige davon treffen auch auf deine Gemeinde zu:
Jeden Sonntag gibt es einen Gottesdienst, in dem aus der Bibel gelesen wird, dem unwandelbaren und lebendigen Wort Gottes.
Sonntag für Sonntag werden Lieder gesungen, die eine Sprache finden um das auszudrücken, was du mit eigenen Worten nicht so einfach sagen kannst.
Nach dem Gottesdienst findest du noch die ein oder andere Person, mit der du ein paar ermutigende Sätze wechselst.
Es gibt leckeren Kaffee nach dem Gottesdienst.
Unter der Woche gibt es Kleingruppen, in denen du dich über das austauschen kannst, was dir auf dem Herzen liegt.
In diesen Kleingruppen betet ihr füreinander – wie cool ist das denn!?
Es gibt einen Pastor oder Pastorin, die alles gibt, um die Gemeinde zu leiten und gute Predigten zu halten.
Ein – meist aus Ehrenamtlichen bestehend – Leitungsteam leitet die Gemeinde nach bestem Wissen und Gewissen und reißt sich den Allerwertesten auf – auch für dich.
Es gibt die Predigten online zum Nachhören, Nachschauen oder in diversen Podcast-Apps auch unterwegs zum Hören.
Du hast die Möglichkeit, dich deinen Gaben und Interessen gemäß in der Gemeinde einzubringen und mitzuarbeiten.
Es finden Taufen statt, in denen Menschen, die zu Jesus gefunden haben, sich taufen lassen.
Du kannst es nicht erklären – aber immer wieder erlebst du Gottes übernatürliches Eingreifen und Reden in Gemeindeveranstaltungen.
Menschen bekommen neue Hoffnung, weil andere Menschen ihnen zur Seite stehen.
Im Abendmahl kommst du Jesus auf besondere Weise sehr nahe.
Durch prophetisches Reden hörst du Gottes Stimme und seine Absichten – für dich und für deine Gemeinde.
Deine Kinder haben in der Gemeinde jahrelang die Möglichkeit, diverse Gruppen und Veranstaltungen zu besuchen und sich selbst einzubringen.
In deiner Gemeinde wird armen Menschen auf besondere Weise liebevoll gedient.
Nächstenliebe ist nicht nur eine fromme Floskel sondern prägt das Leben in deiner Gemeinde.
Die Sound- und Lichtanlage der Gemeinde ist wertvoller als dein Auto.
Die Predigten und verschiedenen Verkündigungen ermutigen, trösten, fordern heraus und sind lehrreich.
Deine Gemeinde nagt nicht am Hungertuch.
Und? War was dabei? Ich glaube, ich habe von Bonhoeffer einiges gelernt – in meinem Studium aber auch danach. Und eines hoffe ich, werde ich nicht vergessen: Dankbar zu sein für das, was ich habe – anstatt über das zu meckern, was ich nicht habe.
Ich will dankbar sein für die christliche Gemeinschaft und Gemeinde vor Ort. Für die Menschen mit ihren Ecken und Kanten, für die schrägen Predigten (ups, das sind ja meine), die Musik, die mal mehr, mal weniger meinem persönlichen Geschmack entspricht (ich höre von Herzen gerne Hardcore und (Nu) Metal; kommt bei kirchens aber leider seltener vor) und für vieles mehr.
Wie würde sich das Erscheinungsbild von Gemeinde und christlicher Gemeinschaft verändern, wenn wir dankbarer wären für das, was wir (schon) haben und weniger undankbar und motzig im Blick auf das, was uns (scheinbar) fehlt.
In diesem Sinne, liebe Christen – seid dankbarer!
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Ein Klassiker auf dem christlichen Buchmarkt ist „Ordne dein Leben“ von Gordon MacDonald. Der Untertitel ist dabei allerdings ein wenig zu kurz gegriffen: „Perspektiven für den Umgang mit dem Leben und der Zeit“. Dabei wird vielleicht zu schnell vermittelt, dass es hier nur um ein Zeitmanagement-Buch geht. Dem ist zum Glück überhaupt nicht so. Es geht um viel mehr als nur um Zeit.
MacDonald nennt dieses „mehr“ die „verborgene Welt“. Wir nennen es auch „den Geist“ oder „die Seele“. Er spricht von dem, was unser Leben von innen heraus bestimmt. Eben genau nicht das, was wir an der Oberfläche sehen und was nach außen hin sichtbar ist, sondern das, was tief in uns ist. Und das gehört geordnet.
Ich habe dieses Buch im Urlaub gelesen und regelrecht durchgearbeitet, weil es ein großer Schatz ist und das Potenzial in sich trägt, nicht mit oberflächlichen Ratschlägen daherzukommen sondern mit Lebensweisheiten – auch wenn dieser Begriff abgedroschen klingt.
Was wir vergessen haben
Ich glaube, wir leben in einer Zeit, die sehr auf das Äußere und Sichtbare fixiert ist. Es zählt der schnelle Erfolg und das gute Äußere. Das beginnt beim Aussehen, geht weiter dorthin, wie man sich gibt, wie man auftritt, welche Erfolge man vorzuweisen hat, wie viel Einfluss man hat. Dieses Denken bleibt leider nicht vor der Kirchentür stehen. Es geht hindurch. Es betritt und betrifft die Gemeinde Jesu. Leider.
Und leider haben wir genau das vergessen. Weder die Gemeinde Jesu als Gruppe noch der individuelle Christ lebt auf einer frommen Insel – vollkommen losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungen und Zwängen. Wir kennen den Slogan „in der Welt aber nicht von der Welt“ in Anlehnung an das, was Jesus seinen Jügern zum Abschied mitgab bzw. was er von seinem himmlischen Vater erbat:
Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hasst sie; denn sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Die Bibel, Johannes 17,14-16
Das bedeutet aber schlicht und einfach: Auch als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu leben wir mitten in dieser wunderschönen und zugleich zerbrochenen Welt. Dagegen können und sollen (!) wir nichts haben. Es bedeutet aber, dass der äußere und äußerliche Einfluss, den die Gesellschaft auf den Menschen nimmt, uns immer mehr davon abhalten wird, unseren „inneren Menschen“, unsere verborgene Welt, zu achten, ihre Bedrüfnisse wahrzunehmen und ihnen zu entsprechen. Paulus drückt es so aus:
Er gebe euch aufgrund des Reichtums seiner Herrlichkeit, dass ihr in Bezug auf den inneren Menschen durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt. Die Bibel, Epheser 3,16
Jeder ist betroffen
Ich glaube, es ist wichtig zu erkennen: Jeder ist betroffen. Es gibt keine Ausnahmen. Natürlich kann man jetzt die Klassiker wie Schönheit, Geld, Sex, Macht, Bestz, Einfluss und so weiter bemühen, um mal wieder das Böse genau zu kennzeichnen, das über unseren „äußeren Menschen“ definiert wird.
Es ist aber wichtig, dass wir verstehen: Die Gemeinde Jesu und jeder einzelne als Christ ist nicht nur davon betroffen, in die äußerliche Falle reinzutappen. Es gibt sogar eine fromme Variante davon. Eine fromme Variante, die vorgaukelt, dass wir nur schön auf das Äußere schauen sollen und wir werden erkennen, „wie Gott segnet“.
Da gilt es, besonders hohe Zahlen vorzuweisen: Die Zahl der Gottesdienstbesucher, die Zahl der Bekehrungen und Taufen, die Zahl der Spenden usw. Nichts gegen Zahlen (es stimmt: Hinter jeder Zahl steht ein Mensch!) – sie sind aber äußerlich. Über eine innere Stärke sagen sie noch wenig aus.
Da gilt es, ein besonders krasses und ausgefallenes Bühnendesign zu haben: Viele Strahler, das neuste Design, am besten eine große LED-Wand und und und. Keine Frage: Ein cooles Bühnendesign hat was. Aber eine oberflächliche Predigt gewinnt durch ein tolles Bühnendesign auch nicht an Tiefe.
Da gilt es, Hochglanz-Fotos auf Instagram zu posten, was das Zeug hält. Ganz ehrlich? Mich langweilt das über die Maßen. Eines Tages bin ich mal so durch meinen Instagram-Account gescrollt und es erschienen jede Menge Fotos von „hippen Gemeinden“ nacheinander. Mein erster Gedanke. „Meine Güte, das sind ja nur Kopien voneinander.“ Ein „Setting“ der Kirchen sah aus wie das andere. Da ich keine Lust auf Kopien habe, sondern Originale möchte, zu denen Gott uns alle geschaffen hat, bin ich einigen Accouns „entfolgt“.
Da gilt es, exakt die Worship-Songs zu singen, die Gemeinde XY auch singt, weil: Die Gemeinde ist cool. Also müssen wir die Songs auch singen. „Um was geht’s in den Songs?“ „Keine Ahnung. Das ist Englisch. Das verstehe ich nicht so. Aber es ist hipp und klingt trendy.“ Ok, ok, der Dialog war gestellt – aber ich glaube, er ist sinnbildlich dafür, dass das „Äußere“ über „die verborgene Welt“ gewonnen hat – in einer frommen Ausgabe des Ganzen.
Die Kraft der „verborgenen Welt“
Mich interessieren Entwicklungen, Dynamiken und Prozesse der Gemeindelandschaft. Ich nehme momentan wahr, dass viele „den Erfolg“ der großen Gemeinden und deren Leiter-Ikonen auch gerne hätten und denken, es würde reichen, wenn man nur mal so ein bisschen das Äußere kopiert. Das wird kurzfristig sogar funktionieren – langfristig aber zu ganz viel Frust und Enttäuschung führen. Wieso? Weil „die verborgene Welt“, „der innere Mensch“ (wie Paulus schreibt), dabei nicht ausreichend beachtet und genährt wird. Dann werden die Dinge, die wir tun, oberflächlich und es ist, als ob wir – und die, die wir nähren sollen – geistlich verdursten.
Ich liebe es, inspiriert zu werden von Gemeinden und Pastoren, die x Schritte dem voraus sind, wo ich oder meine Gemeinde gerade stehe. Ich mag es total, diesen Menschen, Leitern und Pastoren zuzuhören, von ihrer Weisheit zu profitieren und dabei selbst zu wachsen. Mit meiner Frau bin ich im Coaching bei genau solch einem Pastorenehepaar und was wir alleine durch dieses Coaching gelernt haben, hat unsere „verborgene Welt“ sehr, sehr bereichert und wir würden an unserem „inneren Menschen“ sehr wachsen, wenn wir diese Gedanken und Ratschläge, diese Weisheit und Lebensreife, die wir von diesem Ehepaar empfangen, auch nur ansatzweise umsetzen. Wir beginnen damit. Und lernen. Denn mir geht es an erster Stelle nicht um einnen Beruf oder das, was du leistest, sondern es geht um dich und mich als Mensch, als Kind Gottes.
Ich habe aufgehört, vom Äußeren auf das Innere zu schließen. Zu glauben, dass „alles in Ordnung“ sei, wenn eine Gemeinde viele Gottesdienstbesucher hat, ein Pastor überall als Sprecher eingeladen ist – ist ein Trugschluss. Vom Äußeren kann nur bedingt auf das Innere geschlossen werden.
Manchmal erwische ich mich aber dabei, dass ich es dennoch tue, das gebe ich zu. Dann muss ich mich an die eigene Nase fassen und wieder genauer hinschauen, um was es wirklich geht: die Kraft der verborgenen Welt. Die Kraft, die uns mutige Gebete sprechen lässt, die nächsten Glaubensschritte gehen lässt und uns die Gewissheit gibt, mit Gott über Mauern zu springen. Es ist der Ort, an dem wir schonungslos ehrlich zu uns selbst sind und wahrnehmen, welche wirklichen Bedürfnisse es zu stillen gilt.
Ich mag den Ausdruck „verborgene Welt“ (=Geist, Seele, innerer Mensch) deswegwen, weil er etwas Mystisches, etwas Faszinierendes an sicht hat. Eine „verborgene Welt“ will entdeckt und erkundet werden. Sie will verstanden und ans Licht gebracht werden. Und genau darum geht es in „Ordne dein Leben“. Ich nehme an dieser Stelle einfach nicht zu viel vorweg. Denn logischerweise fragt man sich: Wie kann ich auf meine verborgene Welt mehr achten? Woraus besteht diese verborgene Welt im Detail? Was bringt es mir und meinem Umfeld, wenn meine verborgene Welt „in Ordnung“ ist?
Genau darum geht es in „Ordne dein Leben“ von Gordon MacDonald. Er beschreibt die „verborgene Welt“ in fünf Dimensionen.
Weil mich das Buch unglaublich inspiriert hat, habe ich es zusammengefasst bzw. die für mich wichtigsten Aussagen der jeweiligen Kapitel herausgeschrieben. Da ich das ohnehin getan habe, dachte ich mir, dass ich dir das auch gerne zur Verfügung stellen kann. Vielleicht hilft es dir, deine verborgene Welt mehr und mehr zu entdecken und ihr die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie benötigt.
Die Seitenzahlen beziehen sich auf die vierte, 2013 im Verlag „Gerth Medien“ erschienene Ausgabe.
1 Das Aushöhlungs-Syndrom
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deswegen, weil ich davon überzeugt bin, dass mein „innerliches“ Seelenleben die Vorherrschaft über meine „äußerliche“ Geschäftigkeit haben muss.“
2 Der Blick von der Brücke
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann nur deshalb, weil ich täglich die Entscheidung treffe, ihren Stand der Ordnung zu überprüfen.“
I Motivation
3 Im goldenen Käfig gefangen
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich mir meinen chaotischen Lebensstil bewusst vor Augen geführt und entschieden habe, ihn rigoros zu ändern.“
Ein getriebener Mensch findet häufig nur Befriedigung, wenn er sein Ziel erreicht
Ein getriebener Mensch beschäftigt sich vorwiegend mit den Symbolen der Selbstbestätigung
Ein getriebener Mensch ist meist dem unkontrollierten Drang zur Größe verfallen
Getriebene Menschen kümmern sich meist wenig um moralische Integrität
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass getriebene Menschen sich damit abgeben, die Fähigkeiten anderer zu fördern
Getriebene Menschen neigen dazu, Positionskämpfe auszutragen
In einem getriebenen Menschen brodelt oft ein Vukan namens Wut
Getriebene Menschen sind in der Regel maßlos beschäftigt, lehnen Spiele jeglicher Art ab und vermeiden geistliche Anbetung
4 Die tragische Geschichte eines erfolgreichen Taugenichts
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich das Problem, das mich treibt, angehe und still auf Jesu Berufung warte.“
5 Leben als Berufener
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich mich als Gottes Haushalter sehe, und nicht als Herr meiner Absichten, meiner Rolle und meiner Persönichkeit.“
Johanes 3, 27-30: „Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. [geistliche Verwalterschaft] Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich bin nicht der Christus, sondern vor ihm hergesandt. [wahre Identität] Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. [klare Vorstellung über die eigene Aufgabe] Diese meine Freude ist nun erfüllt. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ [unentwegte Hingabe]
Johannes, der Berufene, ist ein deutlicher Gegensatz zu Saul, dem Getriebenen. (91)
Wenn getriebene Menschen etwas verlieren, ist es eine Katastrophe. Wenn berufene Menschen etwas verlieren, ändert sich nichts. (94)
Selbst wenn der Beifall des Volkes zu einem Tosen anschwoll, war die Stimme Gottes in Johannes noch lauter. (96)
Die Aufgabe des Trauzeugen ist es, beim Bräutigam zu stehen und nur darauf zu achten, dass alle Aufmerksamkeit auf diesen gerichtet ist. (97)
Wie sehr unterscheiden sich doch die Lebensweisen von König Saul und Johannes dem Täufer! Der eine verteidigte mit aller Kraft seinen goldenen Käfig und verlor den Kampf. Der andere war zufrieden mit seinem Platz in der Wüste und der Möglichkeit zu dienen und gewann. (101-102)
Warum gerade die Wüste? (105ff)
Weil man in der Wüste leichter auf etwas hören kann oder über etwas brüten kann, als in einer lauten, geschäftigen Stadt, wo man gewöhnlich viel vorhat, vom Lärm umgeben ist und sich selbst so wichtig nimmt. (105)
In der Wüste kann man etwas über Trockenheit lernen. (106)
In der Wüste lernt man auch, in der Abhängigkeit Gottes zu leben. (106)
In der Wildnis findet man einen Ort, an dem man frei ist zum Denken, Planen und Vorbereiten. (107)
In der Wüste kann ein Mensch berufen werden. (107)
II Zeiteinteilung
6 Hat jemand meine Zeit gesehen?
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich meine Zeit täglich neu als ein Geschenk Gottes betrachte, mit dem man sorgfältig umgehen muss.“
Symptome von Desorganisation (113ff)
Mein Schreibtisch, auf dem sich die Papierstapel nur so häufen
Der Zustand meines Autos
Plötzlich schrumpfendes Selbstbewusstsein
Eine Reihe von Verabredungen wird veschwitzt, telefonische Nachrichten bleiben unbeantwortet und Fristen werden verschlafen
Unzufriedenheit mit eigener Arbeit
Vertrautheit mit Gott wird selten
geringe Intensität persönlicher Beziehungen
Wir können uns selbst, unsere Arbeit und alles andere um uns herum nicht mehr leiden.
Zeitmanagement von Jesus lernen (120ff)
Klares Verständnis der eigenen Mission
Zeiteinteilung richtet sich nach der Aufgabe, die zu erfüllen ist
die eigenen Grenzen kennen
Jesus nahm sich Zeit, um seine zwölf Jünger zu schulen
Jesus nahm sich Zeit für den einzelnen.
Jesus erklärte seinen Jüngern die tiefere Bedeutung seiner Worte an die Menschenmenge.
Er ließ sich von seinen Jüngern berichten.
Er wies seine Jünger zurecht.
Er lobte seine Jünger.
7 Wie ich meine Zeit zurückgewinnen kann
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich begonnen habe, meine „Zeitlöcher“ zu stopfen und meine produktiven Stunden im Licht meiner Fähigkeiten, meiner Grenzen und meiner Prioritäten einzuteilen.“
MacDonalds Gesetze, wie man mit der Zeit nicht zurechtkommt
Regel Nr. 1: Schlechte Zeitplanung fördert meine Schwächen!
Regel Nr. 2: Schlechte Zeitplanung fördert den Einfluss dominierender Meschen in meiner Umgebung!
Menschen, die keinen eigenen Zeitplan aufgestellt haben und diese Regel nicht einhalten, merken, wie andere in ihr Leben eindringen und ihnen Termine und Prioritäten aufzwingen.
Regel Nr. 3: Schlecht geplante Zeit fällt jeder Notlage zum Opfer!
Das, was am lautesten schreit, ist eben nicht immer das Wichtigste. (132)
„Eine Person des öffentlichen Lebens, die häufig der Öffentlichkeit verfügbar sein muss, muss lernen, sich zu verbergen. […] Wir müssen die Zeit, die uns gegeben ist, nutzen, denn es gibt nie genug davon.“ (Elton Trueblood, 132)
Regel Nr. 4: Durch schlechte Zeiteinteilung wird man in Dinge verwickelt, die öffentlichen Beifall finden.
Wir werden Zeit für Dinge verwenden, die uns aller Wahrscheinlichkeit nach den schnellsten und meisten Beifall bringen. (133)
Wie man Zeit zurückgewinnen kann
Ich muss wissen, wann ich am effektivsten arbeiten kann.
Ich brauche gute Kriterien für meinen Zeiteinteilung.
„Weil wir unsere Zeit richtig managen müssen, bleibt uns nichts anderes übrig, als in den saurem Apfel zu beißen und ein höflichs, aber festes Nein zu Möglichkeiten zu sagen, die gut, aber nicht die besten sind.“ (139-140)
Ich bin Herr über meine Zeit, wenn ich sie weit im Voraus plane
Hier wird die Schlacht entweder gewonnen oder verloren. (141)
Vorrangige Termine müssen acht Wochen vor dem tatsächlichen Ereignis im Kalender eingetragen sein.
Je näher die betreffenden Termine rücken, desto mehr stehen die Leute vor der Tür, die meine Zeit in Anspruch nehmen wollen.
Planen und Einteilen – und zwar Wochen im Voraus – ist der Schlüssel. (143)
Die unwichtigen Dinge stehen reihenweise in unserem Kalender, bevor die wichtigen überhaupt hineinkommen. Das bringt uns auf Dauer große Probleme. (143)
III Weisheit und Erkenntnis
8 Der Bessere unterlag
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich beschlossen habe, dass jeder Tag für mich ein Tag des Wachstums an Wissen und Weisheit sein soll.“
Wir können unsere verborgene Welt nicht ohne starke geistige Ausdauer ordnen, nicht ohne das intellektuelle Wachstum, das daraus hervorgeht. (149)
Achtsamkeit ist das Ergebnis von Disziplin und harter Arbeit, während Gedankenlosigkeit das Resultat von Faulheit und Angst ist. (149-150)
Natürliches Talent bringt einen Menschen nur eine bestimmte Strecke weit und lässt ihn dann, weit vor der Ziellinie, im Stich. (153)
„Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an. Lasst euch vielmehr von Gott umwandeln, damit euer ganzes Denken erneuert wird.“ (Römer 12,2)
Derjenige, der (durch den Geist Christi) umgewandelt wurde, wird eifrig denken und überprüfen und schließlich eigene Schlüsse über den Sinn des Lebens und die Realität ziehen. (154)
„Die Gegenwart gehört dem Mann der Tat aber der Denker lenkt von seinem Studierzimmer aus die Zukunft.“ (156. Oliver Wendell Holmes)
Ich habe Männer und Frauen beobachtet, die enorme Mengen von Informationen über die Bibel in ihren Kopf gepresst haben. Sie haben gelernt, ein reiches Vokabular christlichen Jargons zu gebrauchen. Ihr Gebetsfluss ist so beeindruckend, dass jeder um sie herum ehrfürchtig zuhört. Wir glauben, dass diese Menschen geistlich sind. Aber in anderen Situationen merken wir, dass sie steif und unflexibel sind, ja unfähig, sich verändern und erneuern zu lassen. Die Antwort auf jede ernsthafte Herausforderung an ihre Gedanken ist ein Zornesausbruch oder eine Anklage. (156-157)
Ist es nicht so, dass die Männer und Frauen, die mit Jesus unterwegs sein wollen, dem Schöpfer verpflichtet sind, auch im Bereich des Denkens das Beste zu geben? (160)
Ein Christ, der seinen Verstand nicht immer wieder herausfordert, kann sich das vielleicht nicht vorstellen, aber es besteht die Gefahr, dass er von der Kultur aufgesagut wird, in der er lebt. Weil sein Denkvermögen untrainiert ist, fehlt ihm die Fähigkeit, bohrende Fragen, mit der die Gesellschaft herausgefordert werden muss, zu stellen. In einer säkularen Gesellschaft ist der moderne Christ dazu herausgefordert, zunächst einmal prophetische Fragen zu stellen, bevor sich eine Möglichkeit ergibt, jesusorientierte Antworten zu liefern. (163)
9 Der traurige Anblick eines nie gelesenen Buches
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich danach strebe, alles zu verwenden, was ich im Dienst an anderen lerne, so wie Jesus es tat.“
Ein Christ, der auf intellektuellem Gebiet stagniert, ist genau wie ein Buch, dessen Seiten ungeöffnet und ungelesen bleiben.
3 Richtungen, in die man die intellektuelle Seite seiner verborgenen Welt entwickeln kann
Rat Nr. 1: Man muss seinen Geist dazu erziehen, christlich zu denken
Christlich zu denken heißt erkennen, dass unsere Welt von Gott geschaffen ist und ihm gehört, dass wir Rechenschaft für das ablegen müssen, was wir aus der Schöpfung machen, und dass es wichtig ist, Entscheidungen auf der Grundlage von Gottes Geboten zu treffen. Das bezeichnet die Bibel als „Haushalterschaft“. Das christliche Denken sieht alle Lösungen und Ideen aus dem Blickwinkel, was Gott wünscht und was ihm Ehre geben kann. (171-172)
Nur christlich zu denken, ohne danach zu handeln, hat wenig Wert. (172)
Ohne regelmäßige Erneuerung unserer Hingabe an Jesus führ christliches Denken zu einer toten Religion, einem langweiligen Glauben und zu einem uneffektiven Zeugnis von Gott. (173)
Rat Nr. 2: Wir müssen lernen, auf die Botschaft, die Gott in die Schöpfung hineingelegt hat, zu achten und sie zu schätzen
„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes!“ (Psalm 19,1)
Dort wo der Mensch die Schöpfung nicht durcheinanderbringen konnte, verbreitet diese weiter ihre Botschaft: Gott der Schöpfer sei gepriesen! (174)
Das befähigt uns, dieses Schöpfungsmaterial zu nehmen und zu erkennen, es zu formen, es zu verpacken oder auf eine andere Art so zu gebrauchen, dass Gott dadurch neu verherrlicht wird. Der Zimmermann arbeitet mit Holz; der Azt befasst sich mit dem Körper; der Musiker „formt“ Klänge; der Geschäftsführer leitet Menschen; der Erzieher schult Jugendliche; der Forscher analysiert, erfindet und gebraucht dazu die Elemente des Universums. (174)
Rat Nr. 3: Der Verstand muss traininert werden, damit er Informationen, Ideen und Einsichten erlangt, mit denen er den Menschen in seinem Umfeld dienen kann
Wir entwickeln unseren Verstand nicht allein dazu, um persönlich weiterzukommen, sondern um unsere Denkfähigkeit in den Dienst für andere zu stellen. (175)
Wenn mein Verstand wächst, kann er vielleicht zum Wachstum anderer beitragen. (176)
Wie kann man nun in diesen Prozess der intellektuellen Organisation unserer verborgenen Welt einsteigen? (177)
Wir wachsen, indem wir Zuhörer werden
Lernen, Fragen zu stellen
Die richtige Fragestellung bringt uns wertvolle Informationen, die uns wiederum beim Wachsen helfen.
Wir müssen lernen, besonders ältere Menschen und Kindern zuzuhören. Sie alle haben Geschichten zu erzählen, die den Verstand und das Herz nur bereichern können. Kinder vereinfachen oft Dinge mit einer brutalen Ehrlichkeit. Alte Menschen können durch ihre langjährige Erfahrung häufig Probleme lösen. Leidende Menschen helfen uns zu verstehen, was im Leben wirklich zählt. (178-179)
Leute an ihrem Arbeitsplatz aufsuchen
Auf unsere Seelsorger hören
Auf unsere Kritiker hören
Dawson Trotman (Begründer der Navigatoren): „Herr, bitte zeig mir das Körnchen Wahrheit, das in dieser Kritik verborgen ist.“ (180)
Wir wachsen durch Lesen
Paulus schreibt an Timotheus die Bitte, ihm Pergamente und Bücher zukommen zu lassen (2. Tim 4,13)
Ich kann beinahe voraussagen, dass ein Pastor, der in seinem Dienst versagt, auch unfähig dazu ist, auch nur einen Buchtitel oder Autor zu nennen, den er in der letzten Zeit gelesen hat. (183)
Wir wachsen durch disziplinierte Weiterbildung
Prediger sind gezwungen, sich weiterzubilden, wenn sie die nötige Kanzelnahrung verteilen wollen.
defensive Weiterbildung: krampfhafte Weiterbildung zu einem Thema wegen eines Gesprächs oder einer Predigt darüber
offensive Weiterbildung: Forschen, Wahrheit und Verständnis herausfinden aus vielen verschiedenen Quellen
Wir entwickeln uns weiter, indem wir uns offensiv weiterbilden. (185)
Auch wir als Ehemänner müssen uns fragen, ob wir unseren Frauen Zeiten ermöglichen oder nicht, in denen sie die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln. (189)
Ein Christ, der sich weiterentwickeln möchte, macht sich am besten bei Predigten oder in Bibelstunden immer Notizen. Sie liefern den praktischen Beweis: Gott gibt demjenigen, der zuhört, etwas, das später einmal anderen dienen kann. (190)
„Denn Esra richtet sein Herz daruf, dass Gesetz des Herrn zu erforschen und danach zu tun und Gebote und Rechte in Israel zu lehren.“ (Esra 7,10)
Man beachte die Reihenfolge: studieren, umsetzen, weitergeben
Wenn wir geistiges Wachstum und Forbildung ernst nehmen, geschieht etwas Wundervolles: Wir lernen Gott besser kennen, können anderen ungleich mehr dienen und so dem eigentlichen Sinn der Schöpfung gerecht werden, indem wir mit unseren geschärften Sinnen ebenfalls die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln.
IV Geistliche Stärke
10 Ordnung im Garten
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann desalb, weil ich mich dazu entschließe, regelmäßig das geistliche Zentrum meines Lebens zu erweitern.“
Die verborgene Welt hat ein Zentrum. „Dieses Zentrum möchte ich den „Geist des Menschen“ nennen.“ (195)
Unordnung in der Seele ist oft darauf zurückzuführen, dass der Mensch keine innere Ruhe hat. Statt einer tiefen Ruhe stellt sich bei einigen Menschen Starrheit und Leere ein. Manche leiden an Rastlosigkeit, denn sie glauben, dass sie niemals den Erwartungen, die Gott an sie stellt, entsprechen können. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Unfähigkeit, geistliche Impulse auch wirklich in die Tat umzusetzen. (196)
Auch die dramatischen Erfahrungen anderer würden uns nicht genügen. Sollten wir jemals geistliches Leben entwickeln, das uns tiefen Frieden schenkt, dann erreichen wir das nur, wenn wir geistlich diszipliniert leben, so wie ein Athlet seinen Körper zum Wettkampf trainiert. (198)
Ich vergleiche das innere geistliche Zentrum am liebsten mit einem Garten, an dem Frieden und Ruhe möglich sind. Dieser Garten ist ein Ort, an dem sich der Geist Gottes entfaltet und seine Weisheit kundtut, Bestätigung oder Zurechtweisung erteilen und Mut machen, Weisung und Führung vermitteln kann. Wird dieser Garten in Ordnung gehalten, dann ist er ein ruhiger Platz, und alles geschäftige und laute Treiben, jegliches Durcheinander sind ausgeschlossen. (200)
Unser innerer Garten ist ein zarter und empfindlicher Platz, und wenn er nicht gut gepflegt ist, wird er bald von Unkraut überwuchert werden. Gott wandelt nicht oft in unordentlichen Gärten. Wenn wir unseren inneren Garten vernachlässigen, empfinden wir dort oft eine große Leere. (200)
Privilegien, die wir verlieren können (202ff)
Freude an der Tatsache, dass wir für die Ewigkeit geschaffen sind
Die lebendige und Leben spendende Freundschaft mit Jesus
Die Furcht, vor Gott für unser Handeln Rechenschaft ablegen zu müssen
Wir sind wertvoll und besonders für Gott, weil wir seine Söhne und Töchter sind
Reserve und Kraft zur Bewältigung von Krisen
Früchte des Gartens: Mut, Hoffnung, Liebe, Ausdauer, Freude und viel Frieden (204)
„Denn Weisheit wird in dein Herz eingehen und Erkenntnis wird deiner Seele lieblich sein; Besonnenheit wird dich bewahren und Einsicht dich behüten, dass du nicht geratest auf den Weg der Bösen noct unter die Leute, die Falsches reden.“ (Sprüche 2,10+11)
„Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse. Ich kämpfe mit der Faust; nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und bezähme ihn, damit ich nicht anderen predige und selbst verwerflich werde. (1. Korinther 9,26+27)
Sind wir uns überhaupt bewusst, wie wichtig geistliche Übungen, die Kultivierung des inneren Gartens sind? (206)
Wenn jemand seine innere geistliche Welt ordnet, gibt er Gott damit den Raum, den er einnehmen und in dem er sprechen kann.
11 Keine weiteren Hilfsmittel nötig
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich keine Angst davor habe, allein und still vor Jesus zu stehen.“
4 geistliche Übungen von grundlegender Bedeutung: Einsamkeit und Stille (1), regelmäßigs Hören auf Gott (2), die Erfahrung von Nachdenken und Meditation (3), das Anbetungs- und Fürbittengebet (4)
(1) Stille und Einsamkeit
Man könnte beinahe glauben, dass Gottes Erzfeind geplant hat, uns an jedem erdenklichen Punkt unseres Lebens mit den störenden Geräuschen der Zivilisation zu umgeben, die, wenn sie nicht gedämpft werden, normalerweise Gottes Stimme übertönen. […] Gott flüstert eher im Garten unserer verborgenen Welt. (212)
Mutter Teresa: „Gott ist ein Freund der Ruhe. Sie nur, wie die Natur – Bäume, Blumen, Gras – in Ruhe wächst. Sachau dir die Sterne an, Mond und Sonne, wie sie sich in der Stille fortbewegen. […] Wir brauchen Stille, um Seelen zu berühren. […] All unsere Werke werden nutzlos sein, es sei denn, sie kommen von innen. Worte, die nicht das Licht Jesu Christi widerspiegeln, machen die Dunkelheit größer.“ (213)
Wir sind so an Lärm gewöhnt, dass wir ganz unruhig werden, wenn es um uns herum ruhig ist. (213)
Es muss aber regelmäßig Zeiten geben, in denen wir uns zurückziehen. Es muss diese Momente geben, in denen wir die Routine durchbrechen, wo wir uns von Beziehungen oder von den Anforderungen der äußeren Welt zurückziehen, um Jesus im Garten unserer verborgenen Welt zu treffen. (214)
Wenn man von Natur aus ein aktiver Mensch ist, ist es harte Arbeit, sich zurückzuziehen. Diese Arbeit ist aber unbedingt notwendig.
Jeder, der Ordnung in den geistlichen Bereich seiner verborgenen Welt bringen will, muss den Platz und die Zeit finden, die seinem persönlichen Temperament entsprechen. (217)
(2) Auf Gott hören
Mose hatte auf Gott gehört. Sein Bruder Aaron, der Hohepriester des ganzen Volkes, hat währenddessen [als Mose auf dem Berg die 10 Gebote empfing] auf die Menschen gehört. Die Botschaften, die die beiden empfingen, waren völlig unterschiedlich. Als Mose zuhörte, empfing er Gottes Offenbarung vom Gesetz der Gerechtigkeit. Als Aaron zuhörte, vernahm er Beschwerden, Wünsche, Forderungen. Mose brachte kompromisslose Gesetze vom Himmel mit. Aaron fiel auf die Launen der Menschen herein. Es lag am Hören. (218)
Das Gebtetstagebuch – eine Hilfe, wie ich auf Gott hören kann
Ich war beeindruckt von der Tatsache, dass jahrhundertelang Frauen und Männer Tagebuch geführt hatten, und ich fragte mich, ob sie dadurch wohl ihr geistliches Wachstum beschleunigt hatten. (220)
Ich beschrieb meine Gefühle, Ängste, Schwächen, Hoffnungen und auch meine Entdeckungen, wohin Jesus mich führen wollte. Wenn ich mich leer fühlte oder das Gefühl hatte, am Boden zu liegen, dann schrieb ich auch das auf. (220)
Ängste und Kämpfe konnte nicht länger in mir bleiben, ohne klar definiert zu werden. Sie wurden an die Oberfläche gebracht und ich setzte mich damit auseinander. (220)
Ich schreibe beinahe jeden Tag in mein Tagebuch, dabei ist es aber auch nicht allzu schlimm, wenn einmal ein Tag ausfällt. (224)
Ich habe mir zur Gewohnheit gemacht, am Anfang meiner Stillen Zeit hineinzuschreiben, das heißt, es ist das Erste, was ich morgens tue. (224)
Was steht denn nun eigentlich darin? (224f)
All das, was ich am Vortag getan, wen ich getroffen und was ich gelernt habe, Gefühle, die in mir hochkamen und Eindrücke, die ich, meiner Meinung nach, von Gott erhalten habe.
Früher schrieb ich über unsere Kinder […], vertrauten Gespräche, meine Träume und Sorgen […], Freude […], Enkelkinder […], gelegentlich sogar Gebete oder Erkenntnisse aus der Bibellese oder anderer geistlicher Literatur.
Während ich schreibe, weiß ich, dass das, was ich schreibe, vielleicht sogar das ist, was Gott mir sagen will. Ich wage es einmal anzunehmen, dass sein Heiliger Geist sich oft mit den Dingen befasst, über die ich nachdenken will und die ich aufzeichne. (225)
Das Führen eines Tagebuchs wird den meisten Menschen zur Gewohnheit, wenn sie es mehr als ein halbes Jahr lang durchhalten. Viele geben es zu schnell wieder auf, sodass es ihnen gar nicht erst zur Gewohnheit werden kann, und das ist schade.
12 Man muss immer erst eintreten
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich die Worte Jesu in meine Haltung und mein Handeln aufnehme.“
(3) Nachdenken und Meditation
Meditieren bedeutet, seinen Geist auf die himmlischen Frequenzen einzustellen. Man nimmt sich einen Teil der Bibel vor und erlaubt ihm, in die tiefsten Winkel der Seele einzudringen. Die Ergebnisse fallen oft sehr unterschiedlich aus: Reinigung, Bestätigung, das Verlangen danach, Gott zu preisen und ihm Dank zu sagen. Manchmal führt Meditation über einen Wesenszug Gottes oder sein Handeln dazu, dass man wieder ganz neu willens ist, sich seiner Leitung zu unterstellen oder das, was Gott uns sagen möchte, neu zu begreifen. (238)
Natürlich können wir nur dann meditieren, wenn wir eine Umgebung gefunden haben, die uns genügend Zeit, Ruhe und Zurückgezogenheit bietet. (239)
Unerlässlich ist auch das Lesen klassischer Bücher für geistliches Wachstum. (240)
Nachdenken und Meditieren erfordern ein gewisses Quantum an Vorstellungskraft (MacDonald macht dies deutlich anhand von Psalm 1, dem Wirken Jesu oder auch den Worten von Propheten und ihrem jeweiligen (kulturellen) Kontext).
Aus derartigen Übungen kommen neue und wunderbare Erkenntnisse. Gottes Wort betritt unsere verborgene Welt. Und weil wir unsere Aufmerksamkeit auf sein Wort gelenkt haben, können wir sicher sein, dass der Heilige Geist uns in der Meditation führen wird. (240)
Augustin: „Gott schenkt, wo er leere Hände vorfindet.“ (241)
C.S. Lewis: „Was übrigens häufig meine eigenen Gebete unterbricht, sind nicht großartige Zerstreuungen, sondern eher die kleinen Dinge, die ich in der nächsten Stunde noch zu erledigen habe oder sein lassen muss.“ (241-242)
13 Mit himmlischen Augen sehen
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich mich dazu zwinge, Ereignisse und Menschen mit den Augen Christi zu sehen, sodass meine Gebete das Verlangen widerspiegeln mit seinen Vorstellungen und Zusagen in Einklang zu sein.“
(4) Lobpreis und Fürbittengebet
Täglich diszipliniertes Gebet ist eine der schwierigsten Übungen der Christen. (245)
Anbetung und Fürbitte stehen an oberster Stelle auf der Liste der geistlichen Kämpfe. (245)
Warum uns das Beten so schwer fällt
I Lobpreis und Fürbitte scheinen zu den unnatürlichen Dingen zu zählen.
Mann und Frau waren von Anfang an dazu erschaffen, sich nach Gemeinschaft mit dem Vater zu sehnen. Die Auswirkungen der Sünde zerstören jedoch den größten Teil dieser menschlichen Sehnsucht. Die Sünde verwandelt eine natürliche Aktivität in eine unnatürliche Funktion. (246)
Meine Vermutung ist, dass die Sünde den Menschen so angriff, dass sie am meisten seine geistlichen Dimensionen beeinträchtigte. Die körperlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte jedoch blieben unvermindert groß. (246)
Der geistliche Hunger, der einst zweifelsohne sehr mächtig war, wurde durch die Macht der Sünde schrecklich eingeschränkt. So sind Anbetung und Fürbitte für uns eine schwierige Herausforderung geworden. (246)
Erst wenn wir glauben, dass das Gebet wirklich echtes und äußerst bedeutungsvolles Handeln ist, dass es in Wahrheit Raum und Zeit durchdringt, um den Gott zu erreichen, den es wirklich gibt, werden Abetung und Fürbitte zu einer Gewohnheit werden. (247)
II Anbetung und Fürbitte bedeuten, stillschweigend zuzugeben, dass man schwach ist.
Tief in uns verbirgt sich der Widerwille, das anzuerkennen. Es liegt etwas tief in uns, das diese Abhängigkeit ständig leugnet. (247)
Das Gebet selbst ist in seiner ureigensten Form eine Anerkennung dessen, dass wir schwach und von unserem Gott abhängig sind. (248)
Es ist ein gutes Zeichen für geistliches Wachstum, wenn jemand zugeben kann, dass er eine Beziehung mit Gott braucht, um der Mensch zu sein, zu dem er geschaffen wurde. Es liegt eine enorme Befreiung in dieser Erfahrung.
III Die Erhörung eines Gebetes scheint manchmal lange auf sich warten zu lassen
Wir leben in einer Gesellschaft, die relativ gut organisiert ist. (Brief in Briefkasten => kommt zum Empfänger; Artikel aus Katalog bestellen => Artikel kommt an; jemanden um einen Dienst bitten => er tut diesen Dienst) (250)
Wir sind daran gewöhnt, dass die Resultate unseren Vorgaben entsprechen. (250)
Aber die Wahrheit ist, dass mein Gebetsleben keinesfalls an die Resultate, die ich erwarte oder fordere, gebunden werden kann. (251)
Ich habe gelernt, dass Anbetung und Fürbitte weitaus mehr dazu gedacht sind, mich mit Gottes Absichten in Einklang zu bringen, anstatt ihn zu bitten, mit den meinen in Einklang zu kommen. (251)
Oft habe ich angefangen zu beten, und dabei waren die Ergebnisse bereits in meinem Hinterkopf festgelegt. Ich wollte Kontrolle über die Menschen und Aktivitäten, für die ich betete, ausüben, indem ich dem Vater vorschrieb, wie sich alles abspielen sollte. Wenn ich das tue, sehe ich Menschen und Ereignisse durch eine weltliche Brille und nicht durch eine himmlische. Ich bete dann so, als säße ich an Gottes Stelle und wüsste, was am besten sei. (251-252)
Thomas Kelly: „Vater, sei du Herr über meinen Willen.“ (252)
Ja, Beten ist in der Tat für den natürlichen Menschen unnatürlich. (252)
Ja, ich gebe es zu: Die Antworten auf meine Gebete entsprechen nicht immer meinen Erwartungen. Aber das Problem liegt in meinen Erwartungen, nicht in den Möglicheiten oder dem Feingefühl Gottes. (252-253)
Gemeinschaft mit Gott
Jeder von uns wird im Laufe des Tages die Zeit finden, die für ihn am besten für das Praktizieren der geistlichen Übungen geeignet ist. (253)
Gibt es eine bevorzugte äußere Haltung für das Gebet? Vermutlich nicht – obwohl es einige Menschen gibt, die fest davon überzeugt sind. (254)
Wofür sollen wir beten? Was ist der Inhalt des Gebetes (255ff)
Samuel Logan Brengles: „O Herr, bewahre mich davor, geistig und geistlich eine Niete und ein Narr zu werden. Hilf mir dabei, ein körperlicher, geistiger und geistlicher Athlet zu bleiben, der sich täglich verleugnet, sein Kreuz auf sich nimmt und dir nachfolgt. Gib mir guten Erfolg in meiner Arbeit, aber bewahre mich vor Stolz. Bewahre mich auch vor der Selbstzufriedenheit, die so oft eine Begleiterscheinung des Erfolgs und Reichtums ist. Bewahre meinen Geist vor Trägheit, vor Selbstgefälligkeit, da physische Schwächen sowie Altersschwäche in meinem Leben zunehmen.“ (255-256)
Anbetung
Zuerst sollten wir uns auf Gott konzentrieren und ihm für die Dinge danken, die er uns über sich selbst offenbart hat. Anbetung im Gebet bedeutet, unserem Geist zu erlauben, ihn für das zu feiern, was Gott uns über seine Taten in der Vergangenheit offenbart und was er uns von sich gezeigt hat. Wenn wir diese Dinge in einer Haltung der Danksagung und Anerkennung an uns vorüberziehen lassen, merken wir, dass wir allmählich geistlich weiter sehen: die Wahrheit, Gottes Anwesenheit und sein „Sein“ in größerem Zusammenhang erkennen. (256-257)
Wenn wir in die Anbetung hineinkommen, erinnern wir uns selbst daran, wie groß er ist. (257)
Bekenntnis
als zweiter Aspekt der Anbetung
Im Licht von Gottes Majestät sind wir zur Ehrlichkeit uns selbst gegenüber aufgerufen. (257)
„Gott sei mir Sünder gnädig“, ist eine verkürzte Version unseres Beichtgebetes. (257)
Mit meiner Sündhaftigkeit ist das genauso. Sie besteht aus Felsbrocken, Kieselsteinen und Geröll, die nach und nach an die Oberfläche kommen. Und der Mensch, der die tägliche Erfahrung des Bekenntnisses oder der geistlichen Übungen vernachlässigt, wird bald davon erdrückt werden. (259)
Der Dienst der Fürbitte
Die großen Beter sind sich alle darüber einig, dass sie erst dann Fürbitte leisten können, wenn sie Gott genügend angebetet haben. (261)
Fürbitte bedeutet, anstelle eines anderen zu beten. Meiner Meinung nach ist Fürbitte der größte Dienst, den ein Christ ausüben darf, vielleicht aber auch der schwierigste. (262)
Je größer die geistliche Autorität und Verantwortung eines Menschen ist, desto wichtiger ist es, dass er Fürbittekapazitäten entwicklet. Das braucht Zeit. Und es braucht die Disziplin, mit der sich so viele von uns schwer tun. (263)
Fürbitte bedeutet im eigentlichen Sinn des Wortes, zwischen zwei Parteien zu stehen und dem einen den Fall des anderen vorzutragen. (263)
Für wen leisten wir denn normalerweise Fürbitte? Ehepartner, Kinder, Freunde, Männer und Frauen, mit denen wir zusammenarbeiten oder die unsere Gemeindekreise besuchen, Nachbarn, deren persönliche Nöte wir kennen, christliche Leiter und Organisationen, Weltevangelisation, unsere eigenen Bitten und Gebete (263-264)
Ordnung in unsere verborgene Welt zu bringen bedeutet, den Garten zu kultivieren. (267)
„Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus quillt das Leben.“ (Sprüche 4,23)
V Regeneration
14 Ausruhen – mehr als Freizeit
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich in der Hetze und der Routine meines täglichen Lebens dem Sabbatfrieden Platz einräume, um die Ruhe zu finden, die Gott sich selbst und der ganzen Menschheit verordnet hat.“
In Ihrer verborgenen Welt kann nur wenig Ordnung herrschen, wenn Sie nicht die Bedeutuung und die Verwirklichung echter Ruhe kennenlernen – eine Unterbrechung, wie Wilberforce es nennt, der Routine unserer heutigen Zeit. (273)
Ich habe das Gefühl, dass wir eine müde Generation sind. (273)
Merkwürdig an dieser allgemeinen Müdigkeit in unserem Land ist die Tatsache, dass wir gleichzeitig eine so freizeitorientierte Gesellschaft sind. (274)
Es gibt eine biblische Betrachtungsweise von Ruhe, die wir entdecken und untersuchen müssen. (274)
„Denn in sechs Tagen machte der Herr Himmel und Erde, aber am siebten Tag ruhte er und erquickte sich.“ (2. Mose 31,7)
Braucht Gott wirklich Ruhe? Selbstverständlich nicht! Aber: Wollte Gott Ruhe? Ja! Warum? Weil Gott seine Schöpfung einem Rhythmus von Ruhe und Arbeit unterwarf, den er dadurch offenbarte, dass er selbst diesen Rhythmus einhielt, sozusagen als Vorreiter für jeden, der ihm nachfolgte. (275)
Ruhe sollte kein Luxus sein, sondern eher eine Notwendigkeit für diejenigen, die Wachstum und Reife erlangen wollen. (275)
Da wir nicht verstanden haben, dass Ruhen eine Notwendigkeit ist, haben wir ihre Bedeutung verfälscht und die Ruhe, die Gott uns zuerst vorlebte, durch Dinge ersetzt, die eher in den Bereich „Freizeit“ und „Unterhaltung“ gehören. Derartige Dinge bringen natürlich keinesfalls Ordnung in unsere verborgene Welt. (275)
Die Bedeutung der Sonntagsruhe
I Der Kreis schließt sich
„Und Gott sah, dass es sehr gut war.“
Gott gab seiner Arbeit eine Bedeutung und erkannte die Fertigstellung an. (276)
Wir betrachten unsere Arbeit und stellen Fragen wie:
Was bedeutet meine Arbeit?
Für wen arbeite ich überhaupt?
Wie gut ist die Arbeit gemacht?
Warum habe ich das getan?
Welche Resultate habe ich erwartet und was habe ich tatsächlich bekommen?
Die von Gott eingesetzte Ruhe wurde zuerst und vor allem dazu bestimmt, damit wir unsere Arbeit interpretieren, die Bedeutung herauslesen und sicherstellen, dass wir genau wissen, zu wessen Ehre wir sie tun. (277)
Ein ruhe-loser Arbeitsstil macht den Arbeiter selbst ruhelos. (279)
II Rückkehr zu den ewigen Warheiten
Wirkliche Ruhe entsteht dann, wenn wir regelmäßig inmitten unserer täglichen Routine innehalten, um uns die Wahrheiten und Ziele, durch die wir leben, wieder einmal vor Augen zu führen. (280)
Es ist notwendig, die für unser Leben zentralen Wahrheiten herauszufinden. (281)
Wir sind immer für Wahrheitsverdrehungen empfänglich und lassen uns überreden, dass das Wahre in Wirklichkeit falsch und das Falsche in Wirklichkiet wahr sei. (281)
Ich schlage vor, dass wir folgende Fragen beantworten, und zwar für uns persönlich, aber auch als Gemeinde: Bekommen wir diese Art Ruhe, die die Wahrheit bestätigt, oder bekommen wir sie nicht? (283)
So ist die Ruhe nicht nur ein Zurückblicken auf die Bedeutung meiner Arbeit und auf die Schritte, die ich zuletzt in meinem Leben gegangen bin, sondern sie frischt auch meinen Glauben und meine Hingabe an Jesus auf. (283)
III Definition unseres Auftrags
Wenn wir im biblischen Sinn Ruhepausen einlegen, bestätigen wir unsere Absichten, ein christuszentriertes „Morgen“ zu leben. (284)
„Was ist heute meine Aufgabe?“ Wenn ich mir diese Frage nicht regelmäßig stelle, dann bleibe ich offen für Fehlentscheidungen und Irrwege. (284)
Jesus zog sich häufig in die Einsamkeit zurück […] zog es zu der Ruhe, aus der an Kraft und Richtungsanweisung für die nächste Phase des Auftrags ziehen kann. (285)
Ohne diese Art von Ruhe wird unsere verborgene Welt immer in Spannung und Unordnung bleiben. (285)
IV Entscheide dich dazu, Ruhe zu halten
Sabbat ist mehr als nur ein Tag. (288)
Was würde geschehen, wenn wir diesen Sabbat zur Ruhe anstelle zum Ausleben weltlicher Freizeit nutzten? (289)
Zunächst bedeutet Sabbat Anbetung, gemeinsam mit der Familie. (289)
Zweitens bedeutet der Sabbat, die Notwendigkeit anzuerkennen, dass man sich ausruhen und im eigenen Leben Zeiten der Ruhe haben muss. Sabbat bedeutet Ruhe, die Frieden in das Innenleben bringt. […] Dazu ist aber nötig, dass wir diesen Frieden als Geschenk annehmen und uns Zeit reservieren, dieses Geschenk zu empfangen. (289)
Deshalb entschieden wir uns, den Sabbat an einem Wochentag zu feiern. Wir wollten Gottes Geschenk nicht verpassen! Am Sonntag würden wir versuchen, anderen zu helfen, ihren Sabbat zu feiern, aber der Frieden, der normalerweise an diesem Tag auch auch uns reserviert wäre, würde auf einen anderen Tag verschoben werden, das war dann gut so. (291)
Wir lernten, dass das für unsere Mitarbeiter, die Kinder und für die Gemeinde nur von Nutzen ist und dass wir uns diese Möglichkeit geistlichen Aufbaus nicht entgehen lassen dürfen. Das hat nichts mit Gesetzlichkeit zu tun. Es geht eher um die Freiheit, ein Geschenk anzunehmen. (292)
Ich staunte: Durch diese friedvolle Ordnung in meiner verborgenen Welt, die ich durch das Respektieren des Sabbats erhielt, war ich fähig, alles um mich herum in den folgenden Tagen mit viel größerer Weisheit und Entscheidungskraft zu ordnen. (293)
Wir ruhen uns nicht aus, weil wir die Arbeit getan haben, sondern weil es ein Gebot Gottes ist und er uns so schuf, dass wir Ruhe brauchen. (293)
Die meisten von uns denken, dass wir erst ruhen können, nachdem unsere Arbeit getan ist. Aber Sabbat ist nicht etwas, das man danach hält. Er sollte, im Gegenteil, als Erstes angestrebt werden. (293)
Die Welt ebenso wie die Kirche brauchen wirklich ausgeruhte Christen, Christen, die regelmäßig durch echte Sabbatruhe neue Kraft schöpfen und nicht nur durch Freizeit oder Pausen. Wenn man diese göttliche Ruhe gefunden hat, wird man entdecken, wie viel Power und Durchschlagskraft Christen haben können.(295)
Nachwort: Das Spinnrad
„Wenn meine verborgene Welt in Ordnung ist, dann deshalb, weil ich mich bewusst dafür entschieden habe, mit dem Ordnen anzufangen, und zwar jetzt gleich.“
John Wesley: „Obwohl ich immer in Eile bin, bin ich niemals in Hetze, weil ich nur so viel Arbeit auf mich lade, wie ich ruhigen Herzens bewältigen kann.“ (300)
Wir können uns nur dann in diesen Raum der verborgenen Welt zurückziehen, wenn wir uns dazu entschließen, sie als das Allerwichtigste anzusehen. (301)
An dieser zentralen Stellen beginnen wir, Jesus Christus in seiner ganzen Majestät zu entdecken. Dort ist er mehr als das, was einige festgefahrene Behauptungen über ihn sagen. […] Im Zentrum fordert er unsere Aufmerksamkeit als der auferstandene Herr des Lebens, und das bewegt uns, ihm nachzufolgen und von der Stärke seines Charakters und Erbarmens zu schöpfen. (301)
Im Zentrum sind wir völlig überwältigt von dem Glanz und der Majestät Gottes als dem himmlischen Vater. Dort herrscht feierliche, aber fröhliche Anbetung. Es kommt zum Bekenntnis und zum Zerbruch. Und dort gibt es Vergebung, Wiederherstellung und Bestätigung. (301)
Schließlich werden wir im Zentrum mit der Macht und Kraft des Heiligen Geistes erfüllt. Dort leben Vertrauen und Erwartung auf. Wir bekommen Einsicht und Weisheit. Ein Glaube, der Berge versetzt, blüht auf, und eine Liebe für andere, sogar für die Unliebsamen, beginnt zu wachsen. (301-302)
Beziehungen zu Familie und Freunden, Geschäftspartner, Kollegen und Nachbarn und sogar zu Feinden bekommen eine neue und viel gesündere Perspektive. Es wird uns möglich, zu vergeben, zu dienen, nicht nach Rache zu streben, großzügig zu sein. (302)
Alles, was wir tun, wird sich verändern, wenn wir an unserem Zentrum beginnen. Es wird eine neue Bedeutung und ein höheres Maß an Effekivität gewinnen. Integrität und Ehrlichkeit werden uns wichiger werden. Wir werden weniger ängstlich sein und dafür viel nachsichtiger. (302)
Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:
Spontan sagst du wahrscheinlich „Ja!“, denn wenn du das hier liest, hast du Zugang zum World Wide Web, kannst lesen und hast irgendein elektronisches Gerät vor deiner Nase. Dir geht’s im Prinzip ganz gut und du lebst wahrscheinlich recht frei.
Ich stelle dir die Frage aber noch mal: „Bist du frei?“
Deine Antwort wird nun nicht mehr so einfach ein „Ja“ sein, darauf könnte ich wetten. Mir ging es so, als ich mir diese Frage zum wiederholten Mal stellte.
Frei. Was heißt das? Wann bin ich das? Wovon bin ich frei?
Was bedeutet „frei sein“?
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr festigt sich in mir der Eindruck, dass wir oft viel mehr innerlich unfrei sind als äußerlich. In unserer westeuropäischen Kultur und Gesellschaft sowieso. In diktatorischen Staaten mag das anders sein.
Frei zu sein bedeutet nicht, tun und lassen, was ich will. Das ist Grenzenlosigkeit – aber keine Freiheit.
Frei zu sein heißt: Tun und lassen, was Gott will. Das ist wirkliche Freiheit – warum? Darauf komme ich am Ende es Artikels.
Ich erinnere mich noch an ein Gespräch, das ich im Studium führte. Mein Gesprächspartner hatte aus meiner Sicht Ansichten, die sich mit meinen Ansichten nicht unbedingt vereinbaren ließen – genauer gesagt: gar nicht. Es war ein intensives und anregendes Gespräch. Als ich in einem Nebensatz fallen ließ, dass die Bibel als Wort Gottes für mich Richtschnur in meiner ethischen Urteilsfindung ist, meinte mein Gegenüber: „Du bist nicht frei! Du bist Sklave der Bibel!“
Ich entgegnete, dass wir bei einer solchen Sichtweise, alle Sklaven einer übergeordneten Instanz sind – und wenn es eine linke Ideologie ist, wie es bei meinem Gesprächspartner der Fall war.
Ich selbst betrachtete mich freilich nicht als Sklaven – sondern als frei. Warum? Weil ich nicht tun, lassen und denken konnte, was ich wollte, sondern ich wusste: Gottes Wille für mein Leben ist wesentlich besser als mein eigener Wille. Also war ich (und bin es heute noch) dankbar, frei zu sein in dem, dass mir Gott heilsame Begrenzungen gibt, in denen ich mich bewegen kann.
Ich weiß, dass dies für atheistisch und agnostisch denkende Menschen äußerst schwierig nachzuvollziehen ist. Aber eines ist doch klar: Selbst eine propagierte Grenzenlosigkeit wird zur Grenze des eigenen Lebens und ethischen Denkens. Da wähle ich doch lieber eine Begrenzung, von der ich weiß, dass dessen „Erfinder“ Jesus sagt:
Ich lebe und ihr sollt auch leben.Die Bibel, Johannes 14,19
Frei zu sein bedeutet für mich also, Tag für Tag wieder neu den Versuch zu unternehmen, dem Willen Gottes zu folgen und so zu leben, dass mein Denken, Tun und Handeln möglichst kongruent zu diesem Willen ist.
Wovon bin ich befreit?
In erster Linie: von mir selbst. Am Anfang der Bibel wird vom so genannten „Sündenfall“ berichtet. Der Mensch lebt im Paradies, in ungetrübter Nähe zu Gott, genießt sein Leben, seine Freiheit (Gott hat ihm gesagt, was er essen darf und was nicht, er hatte also Grenzen gesetzt) und alles, was um ihn herum ist. Da kommt der Teufel in Gestalt einer Schlange und verführt den Menschen dazu, von der Frucht zu essen, von der es ihm verboten ist, zu essen. Mit welchem Argument tut er das?
Gott weiß, dass eure Augen geöffnet werden, wenn ihr davon esst. Ihr werdet sein wie Gott und das Gute vom Bösen unterscheiden können.Die Bibel, 1. Mose 3,5
„Ihr werdet sein wie Gott!“ Das ist es, was uns heute immer und immer wieder im Weg steht, frei zu sein. Wir wollen selbst über uns bestimmen und möglichst alles selbst entscheiden. Wir glauben, dass wir selbst am Besten wissen, was gut und böse ist für unser Leben.
Das geschieht natürlich vollkommen subtil und automatisch: Wir vergessen Gott einfach! That’s it. Klingt hart, aber so ist doch die Realität. Wir haben Tag für Tag so viele Entscheidungen zu treffen, da treffen wir sie lieber alleine, als noch einen Ratgeber mit an Bord zu holen. Und ich rede jetzt nicht von den trivialen Entscheidungen, was wir anziehen und was wir kochen sollen. Es sind eher die großen Entscheidungen, unseren Beruf, unsere Partnerschaft, unsere Familie, unsere Zukunft und unsere Finanzen betreffend. Schnell treffen wir Entscheidungen aus uns selbst heraus, anstatt uns in die Freiheit zu begeben und Gott zu fragen, was er wohl tun würde. So paradox es klingt: Mich von Gott abhängig zu machen ist der erste Schritt in wahre Freiheit!
Zur Freiheit befreit
Der Grund dafür liegt schlicht und einfach darin, dass Gottes Wesen Liebe ist! Wäre Gott ein diktatorischer Despot, wie wir sie auf Erden zu Genüge haben, wäre es der Ritt in den Untergang, mich von ihm abhängig zu machen. Das wäre keine Freiheit – das wäre Sklaverei. Und der Gesprächspartner in meinem Studium hätte absolut recht. Nun ist es aber gerade so, dass ich als Christ an einen Gott glaube, dessen Wesen Liebe ist – unbeschreibliche, unendliche, unglaubliche und bedingungslose Liebe. Das habe ich in verschiedenen Artikeln immer wieder zum Ausdruck gebracht – zum Beispiel hier („Erkenne deine wahre Identität in Jesus„), hier („Gott ist gut„) oder hier („Gott als Vater – sein eigentliches Wesen„).
Einer der am meisten zitierten Bibelverse drückt das auf knappe aber so zielsichere Weise aus:
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat. Die Bibel, Johannes 3,16
Gott ist Liebe (steht so übrigens auch in der Bibel in 1. Johannes 4,16) und aus dieser Liebe heraus schenkt er uns wahre Freiheit. Eine Freiheit, die nicht durch Grenzenlosigkeit besticht, sondern eine Freiheit, die durch den Tod seines Sohnes Jesus am Kreuz für uns erst ermöglicht wurde.
Deswegen schreibt Paulus im Galaterbrief einen Gedanken, der mich schon seit langer Zeit begeistert, der aber nur Sinn ergibt, wenn wir die Güte und Liebe Gottes als Freiheit erkennen – auch wenn wir dadurch „gebunden“ sind an seinen Willen – aber lieber lasse ich mich an seinen Willen binden als an mein menschliches, selbstsüchtiges und „durch die Schlange verdorbenen“ Willen.
Durch Christus sind wir frei geworden, damit wir als Befreite leben. Jetzt kommt es darauf an, dass ihr euch nicht wieder vom Gesetz versklaven lasst. Die Bibel, Galater 5,1
Wer Jesus glaubt und ihm vertraut, der ist nicht nur frei geworden von dem, was ihn knechten will. Vielmehr noch: Er und sie darf als Befreite(r) leben! Und das heißt auch: Sich nicht wieder neu „versklaven“ lassen von menschlichen oder dämonischen Kräften und Gesetzen.
Das klingt in der Theorie ganz nett, ich weiß. Viel schwieriger ist es, das auch zu leben.
Folgende Fragen können dir dabei behilflich sein, mehr und mehr in der Freiheit zu leben, zu der Jesus dich befreit hat:
Habe ich mein Leben Jesus anvertraut?
Was hindert mich daran, ihm ganz zu vertrauen?
Welche Bereiche meines Lebens sind von dieser Freiheit noch unberührt, weil ich meinen eigenen Willen durchsetzen möchte?
Welche Bereiche meines Lebens sind besonders anfällig dafür, meinen eigenen Kopf durchzusetzen anstatt Gott zu fragen?
Wer kann mir dabei helfen, mehr und mehr in Freiheit zu leben?
Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:
[Eine kleine Vorbemerkung: Ich weiß, es gibt Phasen im Leben, da ist uns überhaupt nicht nach Lachen zumute. Solltest Du Dich in solch einer Phase befinden, verstehe diesen Artikel nicht als Angriff. Ich schreibe ihn vor allem deswegen, weil ich Glaube, dass Christen großartige Gründe haben, zu lachen – und das leider im Allgemeinen vergessen oder gar verboten bekommen. Es geht mir nicht darum, Leid, Not oder Schwierigkeiten „wegzulachen“ – dafür gibt’s genug komische Seminar-Angebote auf dieser so skurrilen Welt.]
Du musst kein Optimist sein, um zu lachen! Es reicht, wenn du Christ bist! Leider aber habe ich den Eindruck, dass vor lauter „Kampf gegen die Spaßgesellschaft“ wir Christen das Lachen oft vergessen. Oder in den Keller dazu gehen – natürlich in den Kirchenkeller. Logisch.
Lachen – auch in Bedrängnis
Ich las in einem Leseplan in der youversion-App (eine absolut empfehlenswerte App: www.bible.com/de/) vor wenigen Tagen folgende Sätze:
„Unabhängig von allem, was Sie heute vielleicht durchmachen: Freuen Sie sich! Liebe Freunde, bewahren Sie sich Ihren Humor. Er wird Ihnen helfen, Ihre Prüfungen zu bestehen.„
Um welche Bibelstelle ging es? (Ich wette, dass einige jetzt auf die falsche Stelle, nämlich auf Philipper 4 tippen.) Um diese hier:
Es ist die Hoffnung auf ein ewiges, von keiner Sünde beschmutztes und unzerstörbares Erbe, das Gott im Himmel für euch bereithält.
Bis dahin wird euch Gott durch seine Kraft bewahren, weil ihr ihm vertraut. Und so erfahrt ihr schließlich seine Rettung, die am Ende der Zeit für alle sichtbar werden wird.
Darüber freut ihr euch von ganzem Herzen, auch wenn ihr jetzt noch für eine kurze Zeit auf manche Proben gestellt werdet und viel erleiden müsst.Die Bibel, 1. Petrus 1, 4-6
Der erste Petrusbrief richtet sich an Christen, die unter Verfolgung durch den römischen Kaiser leben. Wenige Jahre und Jahrzehnte nachdem Jesus gestorben und auferstanden ist, formten sich die ersten christlichen Gemeinden. Zunächst in Jerusalem und später auch darüber hinaus, verstreut im Römischen Reich. Petrus schreibt an Christen, deren Leben also alles andere als gechillt ist. Ich finde das bemerkenswert. Der Kontext ist wichtig, damit wir verstehen, dass Petrus hier nicht Christen adressiert, deren Leben ohnehin ganz einfach ist.
Lachen ist gesund
Das sagt der Volksmund – aber auch die Medizin. Denn Lachen senkt den Blutdruck und regt das Immunsystem an. Durch Ausschüttung bestimmter Hormone kann zeitweise sogar das Schmerzempfinden beeinträchtigt werden – alles natürlich von Mensch zu Mensch verschieden.
Und denken wir beim momentanen Fitness-Hype nur mal daran, dass beim Lachen mindestens 17 Gesichtsmuskeln aktiviert werden, dann kannst du dir deine Dauerkarte im Fitness-Center sparen. Wobei – so ein Sixpack im Gesicht ist vielleicht gar nicht mal so lustig.
Wir wissen aber eins: Lachen ist nicht nur gesund, sondern auch ansteckend und beziehungsfördernd. Ich bin gerne mit Menschen zusammen, die gerne und viel lachen oder sich so verhalten, dass ich selbst lachen muss. Natürlich lache ich nicht über die Menschen, sondern über deren Witze oder sonst etwas. Ganz banal. Ganz simpel. Ganz einfach. Wir sollten öfters wieder dahin zurück kehren, die kleinen Dinge im Leben zu feiern.
Also schon „rein menschlich“ betrachtet (und es gäbe sicher noch jede Menge mehr zu sagen) ist Lachen wichtig, weil es auch in schwierigen Situationen uns immer wieder Kraft gibt und uns – zumindest phasenweise – aus einem Tief herausholt.
Das Lachen Gottes
Vielleicht überrascht dich die Überschrift ein wenig, aber auch Gott lacht. Wir lesen davon in der Bibel. Zugegeben: Es ist weniger, weil ihm Petrus einen Witz erzählt hat, eher ist es ein sieghaftes Lachen.
Warum geraten die Völker in Aufruhr? Weshalb schmieden sie Pläne, die doch zu nichts führen? Die Mächtigen dieser Welt rebellieren: Sie verschwören sich gegen Gott und den König, den er auserwählt und eingesetzt hat .
„Kommt, wir wollen uns befreien“, sagen sie, „wir schütteln ihre Herrschaft ab!“
Aber Gott im Himmel kann darüber nur lachen, nichts als Spott hat er für sie übrig.Die Bibel, Psalm 2, 1-4
Ok, nicht die einfachste Stelle. Aber ich möchte mal die Perspektive dahingehend einnehmen: Wenn Gott lacht bzw. über etwas „nur lachen kann“. Dann bedeutet das, er steht über den Dingen, er thront über den Dingen. Das tun wir nicht. Aber Gott. Und als Christ kann ich mich an seine Seite Stellen und ebenfalls lachen – aber aufgepasst, hier wird’s heikel: Niemals über Menschen. Never ever! Ich kann aber der Gefahr, der Angst, dem Scheitern oder was auch immer „ins Gesicht lachen“ – weil Gott an meiner Seite ist. Nur leider schaffen wir das nicht immer so.
Das hat auch schon Martin Luther erkannt und schreibt in seiner Auslegung der Psalmen:
„Denn wenn der Heilige Geist sagt, Gott lache und spotte den Gottlosen, so tut er es um unsertwillen, damit auch wir mit Gott lachen und nicht zittern und zagen. Wer das immer und überall kann, der ist ein wahrer Doktor der Theologie, aber weder Petrus, noch Paulus, noch die anderen Apostel haben es gekonnt, darum müssen auch wir bekennen, dass wir in dieser Kunst noch Schüler und noch keine Doktoren sindMartin Luther
Im Alten Testament bekommen Sarah und Abraham als hochbetagte Menschen noch ein Kind von Gott verheißen (nachzulesen in 1. Mose 17). Ihre Reaktion: Sie lachen. Dieses Lachen ist eher ein ungläubiges, ja vielleicht sogar verächtliches Lachen – und das auch noch Gott gegenüber. Ihr Sohn kommt zur Welt und trägt den Namen „Isaak“ – was bedeutet: Gott lacht.
Hier ist aber kein verächtliches, ungläubiges Lachen gemeint, sondern ein fröhliches, ein von Herzen kommendes Lachen. Gott handelt, Gott lässt ein Wunder geschehen – und das alleine ist Anlass zum Lachen.
Die Freude am Herrn ist meine Stärke
Aber wir können doch nicht einfach so lachen und lustig sein als Christen? DOCH! Unbedingt! Ich wünschte mir manchmal, wir würden noch mehr lachen über die ganz alltäglichen, banalen Dinge, über Situationskomik und Wortwitz. Wer aber noch eine fromme Begründung braucht, der findet sie in Nehemia 8:
Die Freude am Herrn gibt euch Kraft.Die Bibel, Nehemia 8,10
Auch hier ist der Kontext interessant – und der Rest des Verses, den ich gleich noch zitieren werde. Wir sind zur Zeit des Alten Testamentes. Das Volk Israel hat seine wohl bis heute dramatischste Phase erlebt: Das babylonische Exil. Jerusalem und der Tempel wurden von der damaligen babylonischen Weltmacht zerstört und große Teile des Volkes wurden in das ferne babylonische Reich deportiert. Im Buch Nehemia wird geschildert, wie die Aufbauarbeiten nach diesem Exil vonstatten gingen. Und nach erfolgreicher Arbeit sollen die Israeliten etwas Bestimmtes tun. Das steht in diesem Vers 8, wenn man ihn nämlich mal ganz liest und nicht nur auf den letzten Teil beschränkt.
Und nun geht nach Hause, esst und trinkt! Bereitet euch ein Festmahl zu und feiert! Gebt auch denen etwas, die sich ein solches Mahl nicht leisten können! Dieser Tag gehört unserem Gott. Lasst den Mut nicht sinken, denn die Freude am Herrn gibt euch Kraft!Die Bibel, Nehemia 8,10
Was? Um Himmels Willen! Die Israeliten werden aufgefordert, eine Party zu feiern? Korrekt! So ist Gott. Er weiß nämlich, was uns Menschen gut tut: das Lachen, das Feiern, das Fröhlichsein. Nicht umsonst habe ich einen Beitrag geschrieben mit dem Titel „Christen – feiert mehr!„.
Natürlich kann man das Lachen nicht verschreiben oder gar vorschreiben. Dennoch glaube ich aber, dass wir als Christen auch dafür bekannt sein sollten, dass wir lachen; dass wir fröhlich sind – und dass wir das auch zum Ausdruck bringen.
Warum? Weil wir einen Gott an unserer Seite haben, der aller Gefahr, allem Zweifel, aller Trauer, allem Leid ins Gesicht lachen kann, weil er größer und stärker als alles ist. Das wiederum lässt uns natürlich im tiefsten Leid nicht immer sofort laut loslachen, das ist mir durchaus bewusst.
Ich finde es aber dennoch interessant und ehrlich gesagt eine ziemliche Provokation, dass Petrus gerade an Christen in großer Not und Verfolgung geschrieben hat: „Darüber freut ihr euch von ganzem Herzen, auch wenn ihr jetzt noch für eine kurze Zeit auf manche Proben gestellt werdet und viel erleiden müsst.„
Worüber? Dass auf Christen ein unglaublich großartiges und wunderbares ewiges Leben wartet, dessen Kraft und Schönheit schon hier auf der Erde immer wieder durchblitzt und erfahrbar ist, weil Gott uns bewahren wird in seiner Kraft und Liebe.
Und wenn dir noch nicht zum Lachen zumute ist, ist das alles kein Problem. Dann lass dir aber eines sagen: Schämen musst du dich nicht für dein Lachen – und in den Kirchenkeller musst du nicht gehen. Der ist nämlich schon besetzt von denen, die nicht verstanden haben, wie sehr Gott will, dass wir das Leben lieben und das zum Ausdruck bringen. Überirdisch – weil wir übernatürlich gesegnet sind.
Und weil ich glaube: Wenn wir unser Lachen und unseren Humor dauerhaft verlieren, hat der Teufel einen Teilsieg errungen.