Wow, geht’s nicht ein bisschen dünner? Nein! Es ist Karfreitag und nicht Faschingsdienstag. Je länger ich Christ bin, je öfters ich mich theologisch mit Karfreitag auseinandersetze und je mehr Predigten ich zu Karfreitag schreibe – desto mehr passen für mich diese drei Begriffe immer mehr.

Grausam

Wer meint, dass Karfreitag “easy going” ist, der irrt. Das beginnt schon damit, dass das, was Jesus an Karfreitag erleiden musste, jenseits dessen liegt, was ein Normalsterblicher in seinem Leben erlebt – geschweige denn aushalten kann. Ich verkneife mir jetzt bewusst irgendwelche blutrünstigen Vergleiche und Schilderungen. Nur so viel: Vor vielen Jahren kam der Film “The Passion of Christ” (“Die Passion Christi”) in den Kinos und der Aufschrei war riesengroß. Zu blutrünstig, gewaltverherrlichend, grausam soll der Film sein. Nun – ich nenne ihn zumindest im Blick auf die Folterungs- und Kreuzigungsdarstellungen eines: realistisch!

Karfreitag war kein Kindergeburtstag. Was Jesus an Karfreitag erlitt, prophezeite Jesaja schon viele hundert Jahre zuvor sehr, sehr treffend so, als ob er Jesus vor seinem inneren Auge oder in einer Vision sah:

Er wurde verachtet, von allen gemieden. Von Krankheit und Schmerzen war er gezeichnet. Man konnte seinen Anblick kaum ertragen. Wir wollten nichts von ihm wissen, ja, wir haben ihn sogar verachtet. Dabei war es unsere Krankheit, die er auf sich nahm; er erlitt die Schmerzen, die wir hätten ertragen müssen. Wir aber dachten, diese Leiden seien Gottes gerechte Strafe für ihn. Wir glaubten, dass Gott ihn schlug und leiden ließ, weil er es verdient hatte. Doch er wurde blutig geschlagen, weil wir Gott die Treue gebrochen hatten; wegen unserer Sünden wurde er durchbohrt. Er wurde für uns bestraft – und wir? Wir haben nun Frieden mit Gott! Durch seine Wunden sind wir geheilt.Jesaja 53, 3-5

Nicht nur deswegen ist Karfreitag grausam. Ich kann ja verstehen, wenn man sich diesen Schilderungen ein wenig verschließen möchte. Ok. Geschenkt.

Wessen man sich aber nicht verschließen kann, ist die Tatsache, dass jeder Mensch, der über diesen Planeten geht, von diesem Kreuzesgeschehen auf Golgatha betroffen ist. Paulus fasst es in seinem 2. Brief an die Gemeinde in Korinth folgendermaßen zusammen:

Den, der ohne jede Sünde war, hat Gott für uns zur Sünde gemacht, damit wir durch die Verbindung mit ihm die Gerechtigkeit bekommen, mit der wir vor Gott bestehen können.2. Korinther 5,21

Das ist der Grund für Golgatha – Martin Luther nannte es auch “den fröhlichen Wechsel”. Jesus stirbt stellvertretend für mich, damit ich vor Gott gerecht sein kann. Das schreibt sich so leicht daher, vielleicht liest es sich schon einen Tick schwieriger – verstehen aber kann man das rein rational nicht.

Gott gibt sich selbst in den Tod, damit ich leben kann. Jesus stirbt stellvertretend den Sühnetod am Kreuz – damit geschehen kann, was ich aus Werken und Taten niemals leisten kann: gerechtfertigt vor Gott zu sein. Das macht aber nur Sinn, wenn wir uns einer Sache zuwenden, die in der westeuropäischen Kultur und in den protestantischen Kirchen sowieso in den letzten Jahrzehnten so gut wie keinen Niederschlag gefunden hat: der Zorn Gottes.

Zornig

Zugegeben: Es war die Beschäftigung mit dem Buch “Das Kreuz” von John Stott, auf das ich über diesen wunderbaren Artikel von Markus Till gestoßen bin – überhaupt empfehle ich dir seinen Blog wärmstens.

In diesem Buch geht Stott sehr ausführlich auf den Zorn Gottes ein und beschreibt ihn auf ehrliche, aber auch realistische Weise derart, dass Gottes Zorn und menschlicher Zorn so weit auseinander liegen, wie es weiter nicht sein kann. Was wir an Konnotationen und Assoziationen mit “Zorn” haben (Wut, Angst, Hass, Vergeltung) wird nicht im mindesten dem gerecht, was die Bibel über den Zorn Gottes darlegt.

Auf den Punkt bringt es Stott mit folgender Aussage:

Zwischen dem Zorn Gottes und unserem Zorn liegen Welten. Das, was unseren Zorn hervorruft (verletzte Eitelkeit) ruft niemals seinen hervor; das, was seinen Zorn hervorruft (das Böse) ruft nur selten unseren hervor.John Stott, Das Kreuz, S.220

Gottes Zorn zielt auf die Sünde, das Böse, das Schlechte, das Niederträchtige, das Gottfeindliche – aber niemals auf den Menschen, den Gott so sehr liebt. Aber nur weil er den Menschen liebt, kann er auch so etwas wie Zorn empfinden (auch wenn es zugegebenermaßen nicht einfach ist, über “göttliche Emotionen” zu schreiben). Und doch vergleiche ich es mit Eltern und ihren Kindern: Die schlimmste Form des Umgangs wäre die Ignoranz, das Nicht-Beachten des anderen, weil die Liebe erkaltet ist.

Zorn aber setzt Liebe voraus – ohne Liebe, kein Zorn; keine Liebe ohne Zorn. Und so kommt an Karfreitag etwas zusammen, was unserem postmodern-aufklärerischem Harmoniebedürfnis und der Tendenz, alles Kantige abzuschleifen, alles Nicht-ins-Schema-Passende zur Seite zu drängen, diametral entgegen steht:

Im Kreuz vereinen sich Gottes Zorn, Gottes Liebe, Gottes Heiligkeit und Gottes Gerechtigkeit auf eine Art, die sich unserem menschlichen Verstand insofern entzieht, als dass wir das, was am Kreuz von Golgatha geschah, niemals ganz erfassen können. Nicht mit unserem Verstand – nur mit dem Glauben aus Gnade.

Gnadenvoll

Was für ein Gott ist das, der sich für uns Menschen in den Tod gibt? Und zwar dann, als wir noch gar nichts von ihm wissen wollten.

Gott aber beweist uns seine große Liebe gerade dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren. Die Bibel, Römer 5,8

Was ist das für ein Gott, der so etwas tut? Es ist ein Gott voller Gnade und Liebe für jeden einzelnen Menschen. Ein Gott, der aus Liebe zu den Menschen diese vor sich selbst rettet und zum Äußersten greift, um die Beziehung Gott – Mensch nicht abreißen zu lassen sondern sie immer wieder neu aufzubauen.

Wenn du meinen Blog schon länger liest, wirst du feststellen: Ich schreibe heute nichts wirklich Neues. Ich schreibe nichts, was du nicht schon hättest wissen können, wenn du den ein oder anderen Artikel von mir gelesen hast. Aber was sollte ich auch Neues schreiben? Das Evangelium ist nun knapp 2000 Jahre alt und ist immer noch die gleiche Botschaft heute – wie damals. Was also sollte es Neues unter der Sonne geben, das den Menschen erlöst und mit Gott versöhnt?

Es ist und bleibt das stellvertretende Sterben Jesu am Kreuz auf Golgatha, wodurch er Gottes Zorn gesühnt, uns aus der Knechtschaft der Sünde erlöst, vor Gott rechtfertigt und mit ihm versöhnt hat.

Das alles ist kein Zufall gewesen. Wenn du das “Alte Testament” (den ersten Teil der Bibel, der von den Ereignissen berichtet, die vor Jesu Geburt stattgefunden haben) aufmerksam liest, wirst du eines feststellen: Auf vielen, vielen Seiten wird von Jesus berichtet. Prophetisch. Vorausblickend. Verheißungsvoll.

Karfreitag war kein Unfall. Karfreitag war gewollt. Karfreitag war nötig. Weil Gott es einfach nicht aushält ohne uns Menschen (was schon schwierig zu verstehen ist manchmal) war ihm schon immer klar: Er muss diesen Weg gehen. Und er ist ihn gegangen. Er hat seinen Sohn Jesus in diese Welt gesandt – oder wie Paulus es sagt:

Als aber die von Gott festgesetzte Zeit kam, sandte er seinen Sohn zu uns. Christus wurde wie wir als Mensch geboren und den Forderungen des Gesetzes unterstellt. Er sollte uns befreien, die wir Gefangene des Gesetzes waren, damit wir zu Kindern Gottes werden und alle damit verbundenen Rechte empfangen konnten. Die Bibel, Galater 4,4+5

Es begann nicht erst mit der Karwoche. Das ganze Leben von Jesus stand unter diesem Vorzeichen, dass er sich selbst “versklavt” hat, einer von uns wurde – um uns zu erlösen. Und wir reden hier nicht von irgendjemandem. Wir reden von dem Sohn Gottes, von dem, der Menschen bedingungslos liebt, Menschen heilt, von Dämonen befreit, neue Perspektive schenkt und ausnahmslos und bedingungslos jeden Menschen annimmt. Dieser Jesus ist es, der sein Leben und sein Sterben auf sich nahm, um uns Menschen Freiheit zu ermöglichen.

Und unser Job? Mein Job? Dein Job?

Danken. Anbeten. Empfangen. Weitergeben. Vertrauen. Danken. Anbeten. Empfangen. Weitergeben. Vertrauen…

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