Start Blog Seite 32

Erkenne deine wahre Identität in Jesus

Unsere Predigtreihe „Aufstehen. Hinfallen. Krone richten. Weitergehen.“ ist intensiv, geht tief und fordert die Hörerinnen und Hörer auf positive Weise heraus. Das haben mir schon einige Feedbacks gezeigt. Mich freut es deswegen so besonders, weil ich glaube, dass wir Menschen leicht in der Gefahr stehen, als Kopien und Falschgeld durch die Welt zu laufen – und nicht als das Original, als das Gott uns geschaffen hat. Wir machen uns abhängig von der Meinung anderer, von den Fragen und Zweifeln, die wir selbst über uns haben und vergessen dabei, was Gott über uns sagt. Und das ist sozusagen das Fundament, der Grund dieser Predigtreihe.

„Krone richten“ bedeutet: Erkenne deine wahre Identität in Jesus! Und da gibt es fünf Eigenschaften, die Gott dir zuschreibt, die wir leider aber oft vergessen. Ich bin überzeugt: Wären wir uns dieser Identität immer bewusst, würden wir unser Leben ziemlich anders gestalten.

Die DNA dieser wahren Identität besteht für mich aus folgenden 5 Bausteinen.

1Du bist geliebt

Liebe ist mehr als ein Gefühl. Liebe verändert die Realität. Sie schafft einen Zustand des „Angenommenseins“, des „Sichwohlfühlens“ und des „Zuhauseseins“. Ein Zustand, in dem ich so sein darf, wie ich wirklich bin. Eine Realität, in der ich mich erkennen kann, wer und wie ich wirklich bin, mich nicht verstellen muss und keine Masken aufziehen muss. Das schafft Liebe.

Uns Menschen fällt’s relativ leicht, die zu lieben, die uns lieben und die wir mögen. Gott dagegen wählte einen ziemlich krassen Schritt. Er liebt uns immer – auch dann, wenn er uns egal ist oder wir sogar noch seine „Feinde“ waren, wie es der Apostel Paulus in Römer 5 schreibt:

Als wir Gott noch feindlich gegenüberstanden, hat er uns durch den Tod seines Sohnes mit sich selbst versöhnt. Wie viel mehr werden wir, da wir jetzt Frieden mit Gott haben, am Tag des Gerichts bewahrt bleiben, nachdem ja Christus auferstanden ist und lebt.Die Bibel, Römer 5,10

Im Neuen Testament gibt es einen Abschnitt, der die Liebe Gottes sehr treffend beschreibt. Genauer gesagt beschreibt dieser Abschnitt, wie Gott uns liebt. Die Aussage „Du bist geliebt“ kann schnell zu einer Floskel verkommen, wenn ich mir nichts darunter vorstellen kann oder diese Aussage keinen Bezug in der Realität bekommt. Deswegen – es ist wieder mal der Apostel Paulus – gibt uns die Bibel klare Hinweise darauf, wie Gott uns liebt. Im 1. Korintherbrief schreibt Paulus einige wunderbare Zeilen über die Liebe Gottes – und darin steht unter anderem das hier:

Liebe ist geduldig und freundlich. Sie ist nicht verbissen, sie prahlt nicht und schaut nicht auf andere herab. Liebe verletzt nicht den Anstand und sucht nicht den eigenen Vorteil, sie lässt sich nicht reizen und ist nicht nachtragend. Sie freut sich nicht am Unrecht, sondern freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Liebe nimmt alles auf sich, sie verliert nie den Glauben oder die Hoffnung und hält durch bis zum Ende. Die Liebe wird niemals vergehen. Die Bibel, 1. Korinther 13, 4.8

Wenn Gott „die Liebe ist“ (1. Johannes 4,16), dann kannst du in diesem Abschnitt „die Liebe“ durch „Gott“ ersetzen und bekommst einen Eindruck darüber, wie Gott dich liebt.

Wir sollten nicht das Staunen darüber verlieren, dass der Schöpfer dieses Universum, der eine und einzige, wahre und heilige Gott uns Menschen liebt – und zwar vollkommen unabhängig davon, wie wir zu ihm stehen, was wir tun, was wir lassen, was wir sagen – was wir glauben.

2Du bist ein Kind Gottes

Mich begeistert und fasziniert es nach wie vor, dass es unter den momentan 7.500.000.000 Menschen auf dieser Erde exakt zwei Personen gibt, die „Papa“ zu mir sagen. Faszinierend. Absolut faszinierend. Und unter diesen 7.500.000.000 Menschen dieser Erde, bin ich für exakt zwei Personen dieser „Papa“. Wow. Darüber staune ich und finde es irgendwie nicht so ganz fassbar.

Staunen wir noch darüber, dass wir uns durch Jesus „Kind Gottes“ nennen dürfen? Der Jünger Johannes schreibt in den ersten Zeilen seines Evangeliums, wer Jesus ist und stellt ihn dabei in einen großen Weltzusammenhang. Darin schreibt er auch, was mit den Menschen „passiert“, die an Jesus glauben und ihm vertrauen:

Die ihn aber aufnahmen und an ihn glaubten, denen gab er die Vollmacht, Kinder Gottes zu werden.Die Bibel, Johannes 1,12

Wow! Als Christen sprechen wir oft davon, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Das ist korrekt. Und das ist ein großer Grund zur Freude, weil wir an Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, glauben. Gleichzeitig sollten wir uns aber auch darüber im Klaren sein, dass „ein Kind Gottes zu sein“ uns Vollmacht verleiht. Vollmacht über die Dinge, die uns immer wieder zum „Hinfallen“ in unserer Identität bringen: unsere Selbstzweifel, unsere Selbstanklage, unsere Unzulänglichkeiten, die Worte anderer, unser Denken, was andere wohl von uns denken, unsere Schuld, unser Kleingläubige. Whatever.

Du hast Vollmacht darüber, dass diese Dinge dich nicht mehr als „gescheiterte Person“ dastehen lassen dürfen. Du magst hinfallen, ja. Aber diese Dinge können und dürfen keine Macht mehr über dich haben, weil du ein Kind Gottes bist, wenn du Jesus vertraust. An anderer Stelle habe ich darüber geschrieben, was es bedeutet ein „Kind des Höchsten“ zu sein.

Es gibt Phasen unseres Lebens, da freuen wir uns, wenn andere sagen: „Du bis ganz der Papa.“ oder „Du kommst ganz nach der Mama.“ In Zeiten der Gehirnentzündung (Pubertät) freu(t)en wir uns meistens nicht so sehr darüber. Aber genau das ist die Folge, wenn wir ein Kind Gottes sind: Wir können ihm immer ähnlicher werden. Das klingt mit den Worten des Jüngers Petrus dann so:

Jesus Christus hat uns in seiner göttlichen Macht alles geschenkt, was wir brauchen, um so zu leben, wie es ihm gefällt. Denn wir haben ihn kennen gelernt; er hat uns durch seine Kraft und Herrlichkeit zu einem neuen Leben berufen. Durch sie hat er uns das Größte und Wertvollste überhaupt geschenkt: Er hat euch zugesagt, dass ihr an seinem ewigen Wesen und Leben Anteil habt. Denn ihr seid dem Verderben entronnen, das durch die menschlichen Leidenschaften und Begierden in die Welt gekommen ist.Die Bibel, 2. Petrus 1, 3+4

„Ok“, denkst du vielleicht, „Gott ist treu, gerecht, barmherzig, liebevoll, gütig und jede Menge mehr. Ich dagegen bin das nicht.“

Falsch! Du bist es auch! Zumindest ist das deine wahre Identität in Jesus – dass du oft anders bist: Klar! Das sind die Momente, in denen wir das „Hinfallen“ wahrnehmen und wieder einmal recht deutlich vor Augen geführt bekommen: Wir leben in einer gefallenen Welt, in einer Welt, in der die Sünde (auch strukturell) Einzug gehalten hat. Aber die wahre Identität ist anders. Das ist das Verrückte: Du bekommst – so schreibst es Petrus – „Anteil an Gottes ewigem Wesen und Leben“. Stell dir nur mal für einen Moment vor, du würdest so leben. Dein Leben, dein Alltag, dein Umfeld, diese Gesellschaft – alles würde eine richtig positive Wendung bekommen.

3Du bist gerettet

Wenn wir an „gerettet“ im Kontext des christlichen Glaubens denken, schauen wir meistens nur eine Seite der Medaille an. Und das ist die „Wovor bin ich gerettet?“-Seite der Medaille, während wir die „Wozu bin ich gerettet?“-Seite der Medaille oft vernachlässigen.

Paulus schreibt an die Christen in Ephesus:

Denn nur durch seine unverdiente Güte seid ihr vom Tod gerettet worden. Das ist geschehen, weil ihr an Jesus Christus glaubt. Es ist ein Geschenk Gottes und nicht euer eigenes Werk. Durch eigene Leistungen kann ein Mensch nichts dazu beitragen. Deshalb kann sich niemand etwas auf seine guten Taten einbilden. Was wir jetzt sind, ist allein Gottes Werk. Er hat uns durch Jesus Christus neu geschaffen, um Gutes zu tun. Damit erfüllen wir nun, was Gott schon im Voraus für uns vorbereitet hat.Die Bibel, Epheser 2,8-10

Es bleibt Gnade und kein Verdienst: Dass ich die Ewigkeit mit Gott verbringen darf, ist ein Wunder und Ausdruck göttlicher Liebe, Güte und Gnade. Und das ist die „Wovor“-Seite der Medaille: Jeder, der an Jesus glaubt und ihm vertraut, ist davor gerettet, die Ewigkeit ohne Gott in der Hölle, der Gottverlassenheit, der Verdammnis, der nenn-es-wie-du-willst-ohne-Gott-Realität zu verbringen. Das ist unverdiente Gnade, ein großartiges Geschenk und Grund zu unglaublicher Freude (sollte sie dir abhanden gekommen sein, geh bitte mal in dich und mach dir neu bewusst, welch wunderbares Geschehen am Kreuz auf Golgatha vonstatten ging).

Gleichzeitig gibt es aber noch diese „Wozu“-Seite der Medaille und ich habe manchmal den Eindruck, dass sie in Vergessenheit gerät. Ich habe den Eindruck, dass manche meinen, es reicht schon, wenn ich die „Wovor“-Seite der Medaille mir vor Augen führe und „Hauptsache die Eintrittskarte in den Himmel ist gelöst“. Weit gefehlt. Dann würde dich Gott im Moment deiner Bekehrung von dieser Erde entrücken. Also hat er noch etwas mit dir vor – und das ist die „Wozu“-Seite der Medaille.

Paulus schreib: „Er hat uns durch Jesus Christus neu geschaffen, um Gutes zu tun.“ Also doch Werkgerechtigkeit? Quatsch! Davon wendet sich Paulus ja in den Versen davor direkt ab. Paulus geht es vielmehr darum, dass Christen dazu gerettet wurden, anderen Menschen Gutes zu tun. Und das beste Gut, das Christen haben, sind nicht Programme, Ideen, Konzepte, eigene Stärken oder Gemeindeverfassungen. Das Beste, das Christen anderen Menschen geben können, ist die „gute Nachricht“ (Evangelium ist griechisch und heißt auf deutsch „gute Nachricht“), dass es einen Gott gibt, der sie liebt und mit ihnen leben möchte. Dafür hat er alles getan, nämlich seinen einzigen Sohn hingegeben und sterben lassen – nicht weil er ein Opfer braucht, sondern weil wir Menschen aus eigener Kraft niemals „zu Gott kommen können“ – das würde man sonst „Religion“ nennen.

Also lass uns die „Wozu“-Seite nicht vergessen der Medaille und Menschen einladen, ein Leben im Vertrauen auf Jesus Christus zu führen. Christen, die diesen Auftrag wahrnehmen, leben ihre wahre Identität. Sie sind nicht komisch. Sie leben nur das, was Gott in sie gelegt hat.

4Du bist frei

An dieser Stelle könnte es durchaus sein, dass wir aneinandergeraten – weil ich mit einem Sündeverständnis aufräumen möchte, das nicht biblisch ist. Sünde ist im biblischen Sinn keine Tat und Sünden sind keine Abfolge und Mehrzahl von aneinandergereihten Dingen, die unmoralisch, widergöttlich, unbiblisch oder unwahr sind. Sünde im biblischen Sinn ist eine Macht, die uns Menschen knechtet. Die Dinge, die wir schnell mal als Sünde bezeichnen, sind Auswirkungen dieser Macht.

Dieses falsche Sündenverständnis hat aber leider dazu geführt, dass es hier und da eine „fromme Subkultur“ gibt, weil (manche!) Christen meinen, man müsse sich nun „vor der bösen Welt“ abschotten, denn diese verleitet ja nur dazu die oben genannten Dinge zu tun. Wer das behauptet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass der dadurch den stellvertretenden Tod Jesu für den Menschen ad absurdum führt, denn dann müsste Jesus immer wieder neu gekreuzigt werden für jede einzelne „Sündentat“. Weil Jesus am Kreuz von Golgatha aber die Macht der Sünde zerbrochen hat, führt unsere Freiheit viel tiefer. Genauer gesagt: Sie führt uns in unsere wahre Identität.

Paulus beschreibt das im Kolosserbrief so:

Gott hat den Schuldschein, der uns mit seinen Forderungen so schwer belastete, für ungültig erklärt. Ja, er hat ihn zusammen mit Jesus ans Kreuz genagelt und somit auf ewig vernichtet.Die Bibel, Kolosses 2,14

Erinnere dich an die Vollmacht, die dir durch Jesus geschenkt ist. Sie kommt hier zum Tragen und ist Folge der Freiheit, die Gott dir schenkt!

Die Gedanken anderer über dich – sie haben nur so viel Macht, wie du es zulässt, da du als Christ ein für alle mal in die Freiheit geführt wurdest.

Deine Selbstanklage kann dich nur so weit anklagen, wie du es selbst zulässt. Sie hat keine Macht (mehr) über dich.

Selbst deine Schuld kann dich nicht mehr verdammen, denn du bist frei durch Jesus und zur Freiheit berufen, was wiederum bedeutet, ein entsprechendes Leben zu führen und diese Berufung zur Freiheit nicht als Freibrief zu verwenden, alles Mögliche und Unmögliche zu tun.

Du magst dich manchmal als „unfrei“ und „geknechtet“ wahrnehmen – ja, das stimmt. Das geht mir auch so. Nicht immer leben wir und empfinden wir diese Freiheit – weil wir (siehe oben) in einer Welt leben, in der die Sünde (noch) da ist. Also waren wir diese Freiheit nie in Fülle leben können in dieser Welt. Aber alles, was Dich runterzieht, von Gott wegführt, was dich unfrei macht – es hat keine Macht mehr über dich, mag es auch noch so sehr an dir ziehen.

5Du bist eine neue Schöpfung

Das bist du – das wirst du nicht erst. Das ist keine Verheißung und kein Wunsch – das ist Realität!

Gehört also jemand zu Christus, dann ist er ein neuer Mensch. Was vorher war, ist vergangen, etwas völlig Neues hat begonnen.Die Bibel, 2. Korinther 5,17

Erinnere dich an die Zeit, als du begonnen hast, Jesus zu vertrauen. Oder denke an Freunde und Bekannte, die „plötzlich“ oder durch einen längeren Prozess Christen wurden: Ihr Denken, ihr Handeln, ihr Verhalten hat sich verändert. Es wurden Dinge wichtig, die zuvor unwichtig waren – und Dinge, die vorher wichtig waren, wurden weniger wichtig. Das heißt es, „eine neue Schöpfung“ oder „ein neuer Mensch“ zu sein. Du bleibst dennoch die Person, die du bist, aber dein Wesen verändert sich.

Das bedeutet aber noch etwas: Es bedeutet, dass du „genug bist“. Du musst nicht noch mehr, besser, anders werden. Du bist, wie du bist, genug. Viel zu viele Menschen haben in ihrem Leben Sätze gehört wie „Du bist nicht gut genug“ oder „Du genügst nicht“ oder „Du bist nicht ausreichend“ oder „Du bist nicht gewollt“. Das ist fatal und schlecht und verheerend. Ganz anders, was uns Gott sagt: Du bist ein neuer Mensch. Und das ist ausreichend und gut – weißt du warum? Wir schauen mal schnell auf die erste Seite der Bibel, in den Schöpfungsbericht rein:

Und Gott sah, dass das Licht gut war. […] Und Gott sah, dass es gut war. […] Und Gott sah, dass es gut war. […] Und Gott sah, dass es gut war. […] Und Gott sah, dass es gut war. […] Und Gott sah, dass es gut war. […] Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.Die Bibel, 1. Mose 1, 4.10.12.18.21.25.31

Fällt dir etwas auf? Alles, was Gott erschafft, alle Neu-Schöpfung, ist gut – und sogar „sehr gut“. Also bist du es auch.

Du bist geliebt.

Du bist ein Kind Gottes.

Du bist gerettet.

Du bist frei.

Du bist eine neue Schöpfung.

Das kann dir niemand nehmen – „außer du selbst“, wäre ich fast gezwungen zu schreiben, aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich weiß, dass es in der Theorie oft sehr einfach ist, das zu glauben. Aber in der Praxis leben wir dann doch in einer gefallenen Welt und mit anderen Menschen zusammen, die nicht immer das Beste für uns wollen. Ja, das ist alles nicht so einfach zu leben.

Aber mir ist eines wichtig: Dir zu sagen, was aus biblischer Sicht deine wahre Identität ist. Sie ist eben nicht das, was andere oder du selbst über dich sagen, sondern was der Schöpfer dieses Universums, der Heilige und Ewige, der Vater von Jesus Christus über dich sagt und denkt. Das ist deine wahre Identität – nichts anderes.


Noch mehr inspirierenden Content bekommst du in meinem Podcast „Einfach glauben“. In einer immer komplexer werdenden Welt, helfe ich dir genau dabei: einfach glauben!

In diesem Podcast bekommst du Anregungen und Inspiration wie „einfach glauben“ mitten im 21. Jahrhundert, mitten im Alltag, mitten in deinem Leben geht.

Meinen Podcast „Einfach glauben“ findest du auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Anklicken, anhören, abonnieren.

Apple Podcasts | Deezer | Spotify | www.david-brunner.de/podcast/


Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:

5 Wenden, welche die Landeskirche einleiten muss

Ich gebe es zu: Ich bin nicht immer „amused“ über den Zustand unserer Volkskirche. Da ich mich im Süden Deutschlands befinde, sind meine Überlegungen und Gedanken natürlich besonders geprägt von „meiner“ Landeskirche – die evangelische Landeskirche in Baden (www.ekiba.de). Ich liebe und schätze es, in dieser Kirche zu arbeiten und zu wirken – gleichwohl muss ich nicht zu allem „Ja und Amen“ sagen und sind kritische Töne erlaubt. Aber weil ich es liebe, in dieser evangelischen Landeskirche in Baden zu arbeiten, ist mir ihr „Zustand“ alles andere als egal. Sie hat ein riesengroßes Potenzial, das sie noch mehr ausschöpfen könnte, wenn ihr diese fünf Wenden gelingen.

Ich schreibe bewusst von Wenden und nicht von Krisen oder Abgründen, weil ich glaube, dass Wenden immer etwas Positives beinhalten – nämlich den Turnaround, die Umkehr, den Blick auf das Bessere. Und ich bin der festen Überzeugung: Wenn die Volkskirche (ich werde den Begriff „Landeskirche“ in diesem Artikel synonym verwenden) diesen Turnaround schafft, wird sie zurückfinden in die Fülle göttlicher Verheißungen. Sie kann es – wenn sie will.

Ebenso will ich den Blick nach vorne richten. Ich hoffe und bete, dass die Landeskirche diese Wenden wirklich packt. Es wäre mein großer Wunsch! Ja, ich höre viele Menschen rufen, dass die Landeskirche doch böse sei und dass sie ohnehin keine Zukunft hat. Schreit weiter, liebe Leute – ihr habt Unrecht! Ich kann euch verstehen, dass euch Dinge auf die Nerven gehen und dass ihr gerne eine veränderte Kirche sehen wollt. Ja. Das will ich auch. Ich will aber nicht nur motzen und jammern.

Ich möchte nicht beim Negativen stehenbleiben, ich möchte nach vorne schauen. Ich möchte nicht „draufhauen“, sondern bei aller Kritik auch Handlungsoptionen zeigen, welche die Wende einleiten oder bedeuten könnten. Ich möchte selbst Teil sein einer großen Veränderung innerhalb der Landeskirche – und sehe sie hier und da schon klein aber fein aufblitzen.

1Von liberaler Intoleranz zu wirklicher Toleranz

Wer meinen Blog verfolgt, wer meine Predigten (iTunes | Spotify) hört, wer mich kennt, der weiß: Ich bin nicht liberal. Ich bin theologisch recht konservativ, bemühe mich aber, keine Kampfbegriffe zu verwenden oder Schubladendenken zu forcieren. Ich habe das jahrelang (noch im Studium beginnend) getan und dabei rückblickend festgestellt: Das bringt nichts.

Wenn ich meinen Blick so über die kirchliche Landschaft schweifen lasse, stelle ich eine zunehmende Liberalität fest. Allerdings ist es keine gesunde Liberalität im Sinne einer pluralistischen Weltoffenheit, sondern eher eine liberale Intoleranz. Was ich meine, will ich dir an einer konkreten Begebenheit verdeutlichen, das sinnbildlich für mich für das steht, was ich mit „liberaler Intoleranz“ meine:

Als sich die Synode meiner Landeskirche dafür aussprach, die „Ehe für alle“ auch kirchlich zu vollziehen, wurden die Pfarrkonvente (Zusammenkunft aller Pfarrerinnen und Pfarrer eines Kirchenbezirks) unserer Landeskirche von Vertretern des Oberkirchenrates besucht. In diesen Gesprächen ging es um die Konsequenzen dieses Beschlusses auf unterschiedlichen Ebenen: liturgisch, pastoraltheologisch und kirchenrechtlich. Was ich feststellte: Wer eine theologisch konservative Meinung einnahm und diesem Synodal-Beschluss nicht positiv gegenüberstand, wurde als „ewiggestrig“ und „fortschrittsfeindlich“, ja sogar als „menschenfeindlich“ bezeichnet.

Ich gab dem Vertreter des Oberkirchenrats auf seine Bitte, was er denn mitnehmen solle, meine Wahrnehmung mit auf den Weg: Wer theologisch konservativ ist, kann sachlich ausgewogen argumentieren – er wird sehr oft unsachlich in eine Ecke gedrängt, die nicht wirklich angenehm ist. Er wird abgestempelt und spürt recht wenig vom „toleranten Geist“ unserer Gesellschaft. Er wird belächelt, verachtet und abgestempelt.

Ich weiß nicht, was der Vertreter des Oberkirchenrates aus meiner Wortmeldung gemacht hat und ob er meine Meinung an irgendeiner Stelle eingespielt hat.

Die Landeskirche gibt sich immer sehr tolerant – ist es aber bei weitem nicht so sehr, wie sie es sich selbst auf die Fahnen schreibt. Ja, ich weiß, es gibt „theologisch Konservative“ in unserer Kirche, die es auch nicht gelernt haben, sich sachlich auszudrücken und Diskussionen anständig zu führen. Das gibt Kirche aber noch lange nicht das Recht, mit theologisch Konservativen generell intolerant umzugehen. Wenn die Landeskirche es nicht lernt, wirklich tolerant zu sein, dann wird sie nicht zukunftsfähig sein, weil sie selbst immer wieder auf Menschen stoßen wird, die anderer Meinung sind als sie.

Die oft postulierte Toleranz muss allen theologischen Richtungen gelten – oder sie ist eine Schein-Toleranz. Da der postmoderne Mensch jedoch eine sehr feinfühlige Wahrnehmung dafür hat, ob es seinem Gegenüber wirklich ernst ist mit der Toleranz oder nicht, wird Kirche nur dazu gewinnen, wenn sie eine wirkliche Toleranz lebt. Eine Toleranz, die den anderen ohne Geringschätzung stehen lässt – mag seine Meinung noch so anders sein als die eigene.

Mir fällt das manchmal selbst sehr schwer. Ist doch klar, dass das keiner von Geburt an hervorragend beherrscht. Aber es wäre ein Versuch wert, sich darin zu üben, den anderen stehen zu lassen, in meinem Gegenüber einen wunderbaren Menschen zu sehen, den Gott nicht weniger liebt als mich – und der nicht zwangsläufig falsch liegen muss, nur weil er eine andere Meinung hat als ich.

Eine gesunde Streit- und Debattenkultur beginnt doch dort, wo ich den anderen nicht von vornherein wegen seiner „andersartigen Meinung“ ablehne, sondern ihn annehme, stehen lasse, diskutiere und wir Gemeinsamkeiten suchen. Immer dann, wenn das in „kirchlichen Gremien“ geschieht, freue ich mich. Und ich habe schon in unterschiedlichsten Konstellationen mit anderen zusammengearbeitet. Immer dann, wo eine wirkliche Toleranz gelebt wird, ist es bereichernd. Für alle.

2Von historisch-kritischer Engführung zu hermeneutischer Vielfalt

Wenn Kirche nicht versteht, dass es mehr Auslegungsmöglichkeiten gibt, als die historisch-kritische Methode, die unsäglichen Schaden angerichtet hat, wird sie nicht zukunftsfähig sein. Zu viele Theologinnen und Theologen unterschiedlichster theologischer Ausrichtung kommen zu vielen relevanten theologischen Aussagen – ohne die historisch-kritische Methode zu verwenden. Und jetzt? Sind sie schlechte Theologen? Sind ihre Aussagen nicht gültig?

Leider erlebe ich es sehr oft, dass andere hermeneutische Konzepte als das der historisch-kritischen Methode mit einem Lächeln abgetan werden, als sei es ansteckend wie eine Krankheit oder gar tödlich.

Dabei reicht doch ein Blick in unsere kirchliche Landschaft: Landauf landab gibt es unzählige Gemeinden und Gottesdienste innerhalb der evangelischen Landeskirche. Würde die historisch-kritische Methode einen solchen Ertrag bringen, wie ihre Vertreter immer meinen, hätten wir nicht unbedingt volle Kirchen, müssten aber mit Mitglieder- und Gottesdienstbesucherwachstum rechnen. Das Gegenteil ist der Fall. Seit Jahren schrumpfen die Mitgliederzahlen der Landeskirchen und die Zahl der Gottesdienstbesucher hält sich penetrant bei 3 bis 4 Prozent ihrer Mitglieder, die ja zurückgehen – weswegen auch der absolute Gottesdienstbesuch zurückgeht.

Nein, die historisch-kritische Methode hat nicht das Zeug dazu, für eine Erweckung in unserer Kirche zu sorgen. Vielmehr hat sie dazu geführt, dass Sonntag für Sonntag noch jede Menge leere Plätze in den Kirchen zu finden sind, die gefüllt werden könnten. Klar: Kaum ein Theologe vertritt die historisch-kritische Methode in Reinform und gleichzeitig gibt es Arbeitsschritte innerhalb dieser Methode, die einen großen Wert haben. Mir geht es um die Vorherrschaft dieser Methode in der Ausbildung und im Schriftverständnis.

Eine Hermeneutik muss dem unverfügbaren Wirken des Heiligen Geistes offen gegenüber stehen und mit wirklichen Wundern rechnen, wenn sie der Kirche einen Weg in die Zukunft ebnen will. Eine Hermeneutik, die dem Diktat der Rationalität unterworfen ist, wird dem Menschen auch nur so viel Gewinn bringen, wie der menschliche Verstand zu fassen vermag. Gottes Wirken jedoch wird dann beim besten Willen kaum damit verbunden sein, da dieses sich unserem menschlichen Verstand oft entzieht und diesen bei weitem übersteigt.

Darüber hinaus wird es die Kirche wieder dorthin bringen, wo alles begann und was – besser: wer – immer Zentrum von Kirche ist: Jesus Christus selbst. Ich glaube, dass eine hermeneutische Vielfalt uns nicht nur aus der Enge der historisch-kritischen Methode befreit sondern auch aus der Vergessenheit darüber, dass Jesus Christus Anfänger und Vollender ist (Hebräer 12,2), der selbe gestern, heute und in alle Ewigkeit (Hebräer 13,8) und dass es um ihn geht als dem einzigen Weg zum Vater im Himmel (Johannes 14,6).

Konkret niederschlagen würde sich diese Wende in der Anerkennung anderer theologischer Abschlüsse als die, die an einer Universität oder „evangelischen Hochschule“ erworben wurden. An vielen theologischen Seminaren und „Bibelschulen“ wird (inzwischen) so sauber theologisch gearbeitet, dass es nicht intolerant ist, solche Abschlüsse nicht anzuerkennen, sondern schlicht und einfach arrogant. Im besten Fall geschieht dies aus Unwissenheit darüber, was an diesen theologischen Hochschulen gelehrt wird. Dauerhaft ist dieses Verhalten jedoch nicht förderlich und schon gar nicht zukunftsfähig. Denn auch der evangelischen Kirche geht das Personal aus – und obendrein noch das Geld. Da ist es schon rein strukturell nur gut, wenn sie sich anderen hermeneutischen Konzepten öffnet. Wobei ich es vor allem aus inhaltlicher Sicht natürlich einen maximalen Gewinn finde, wenn sich die Landeskirche dahingehend weiterentwickelt und eine Wende einleitet, dass sie auch Absolventen von theologischen Seminaren und Bibelschulen als kirchliche Mitarbeiter anerkennt.

3Von liturgischen Absurditäten zu gottesdienstlicher Relevanz

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ihr nun eure Fingernägel wetzt, um mir an die Gurgel zu springen, gebt mir die Chance, zu erklären, was ich meine – und was nicht.

Ich sage nicht, dass die liturgische Form an sich weltfremd wäre. Ich will damit auch nicht sagen, dass eine traditionell-liturgische Form für den Gottesdienst keine Daseinsberechtigung mehr hat.

Ich glaube, das Problem liegt viel tiefer: Ein Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen hat in ihrer Ausbildung nie gelernt, wie man Gottesdienste auch anders als mit Orgel, Wechselgesang und jahrhundertealten Ausdrucksweisen feiern kann. Auch das wäre noch nicht ganz so tragisch, wenn nicht obendrauf dann etwas viel Schlimmeres geschieht: Die Ansicht, neue Gottesdienstformen seien nicht nötig, sie seien eine Zeiterscheinung und man müsse die Gemeinde nur so weit erziehen und das ein oder andere liturgische Element erklären, so dass die liturgische Form des Gottesdienstes als Alleinstellungsmerkmal akzeptiert wird.

Ja, liebe Leserin, lieber Leser, falls du dir nun die Augen verwundert reibst: Diese Auffassung von Gottesdienstgestaltung gibt es – leider. Und sie hat überhaupt nichts damit zu tun, dass die Landeskirche gemeinhin auch „Volkskirche“ genannt wird, da sie mit dieser klassischen Form Untersuchungen zu Folge nur zwei, maximal drei Milieus von zehn innerhalb unserer Gesellschaft erreicht. Aber wie soll sie auch zur Volkskirche werden, wenn ihre Mitarbeitenden niemals darin geschult und unterrichtet werden, das gesamte Volk im Blick zu haben, sondern lediglich die zwei bis drei Milieus, zu denen Kirche ohnehin schon einen relativ positiven Kontakt hat? Ein Teufelskreis – wenn dieses Wort im kirchlichen Kontext nicht so unangebracht erschiene.

Wieso um alles in der Welt lernen Theologinnen und Theologen in ihrer Ausbildung (Vikariat) nicht auch, wie man Gottesdienste in zeitgemäßer Form feiert mit zeitgemäßen Instrumenten und einer zeitgemäßen Sprache? Mit Elementen und Medien, die der Mensch von heute kennt und (ge-)braucht? Und damit meine ich nicht, dass man sich „die Sache mal anschaut“ und das gleiche als ein nettes „Add-On“ dargestellt wird, sondern dass in gleicher Intensität auch das Feiern von Gottesdiensten in anderer als in klassisch-liturgischer Form eine Rolle spielt.

Wieso diese Vorrangstellung des traditionell-liturgischen Gottesdienstes? Für mich gibt es auf diese Frage nur zwei Antworten, die mich aber nicht zufriedenstellen. Die eine Antwort ist der Satz, der bei Kirchen-Bingo dir den Sieg sichert: „Das war schon immer so!“ Die zweite Antwort ist noch beunruhigender: Es fehlt schlicht und einfach an entsprechender Kompetenz auf Seiten der Lehrenden und Lernenden.

Also begnügt man sich damit, den Gottesdienst in seiner liturgischen Form weiterzufeiern, hier und da ein bisschen zu pimpen und für die Unverbesserlichen installiert man dann ein „zweites Programm“, einen „anderen Gottesdienst“, etwas „für Gäste“ – als ob es weniger Wert wäre als das „erste Programm“ – zumindest ist es hierarchisch abgestuft und nur das zweite, nicht das erste Programm.

„Aber die Bibel ist doch auch ein uraltes Buch und dennoch zeitgemäß“, höre ich dann immer wieder andere sagen. Das stimmt. Aber ich bin nicht so vermessen, meine Form des Gottesdienstes mit dem ewig gültigen Wort Gottes gleichzusetzen.

Ich komme beim letzten Punkt noch ausführlicher darauf zu sprechen. Aber wieder treibt mich eine Frage um: Wieso lernt man nicht von Freikirchen? Wieso schaut man nicht in die FEGs, in die ICFs und in andere freie Gemeinden? Ist man sich selbst genug? Hält man die anderen für zu fromm, abgefahren oder modern?

Und wieso müssen Pfarrerinnen und Pfarrer dabei selbst auf die Idee kommen, mal über den eigenen Tellerrand zu schauen, anstatt dass dies auch „von oben“ gefördert und gewünscht wird und man so wirkliche Ökumene (und nicht nur evangelisch-katholische Ko-Existenz) feiert?

Oh wie schön wäre das doch, wenn kreative und innovative Theologinnen und Theologen, Pastorinnen und Pastoren mehr Gehör finden würden und nicht immer als Exoten dastünden.

Unsere Gesellschaft respiritualisiert sich gerade selbst und auch die „Generation Y“ hat nur bedingt Vorbehalte gegen das (institutionelle) Religiöse. Der Mensch fragt nicht unbedingt nach dem großen Ganzen und dem letzten Sinn – aber erstaunlicherweise ist eine Sehnsucht in unserer Gesellschaft wahrzunehmen, welche die Moderne versucht hat, zu unterdrücken: eine Sehnsucht nach „Mehr“. Eine Sehnsucht danach, dass es noch mehr geben muss als das, was wir mit unseren Technologien und unserem Know-How selbst erschaffen können. Etwas, das sich unserem rationalisierten Weltbild entzieht, ein Stück weit mystisch und mythisch bleibt – et voilà: Willkommen in der geistlichen Realität.

Die Ampeln stehen nicht mehr auf Rot und der postmoderne Mensch bekommt nicht gleich die Krätze, wenn er von „Religion“ liest oder hört. Nein. Er findet darin selbst etwas Heilsames und Sehnsuchtsstillendes. Bitte, bitte, liebe Kirche, lass dich auf die Wende ein und gib diesen Menschen ein Zuhause, ihrer Sehnsucht einen Ort und ihrer Spiritualität etwas, das sie wirklich erfüllt: das lebendige Wort Gottes in einem zeitgemäßen Gewand – nicht als Ergänzung, sondern als gleichberechtigte Form neben den klassischen und traditionellen Formen von Kirche.

4Von einem fragwürdigen Taufverständnis zu einer Vielfalt der Mitgliedschaftsmöglichkeiten

Ich glaube, die Säuglingstaufe ist maximal die zweitbeste Form, wie man mit der Taufe umgehen kann. Biblisch betrachtet gibt es keine einzige explizite Erwähnung der Taufe von Säuglingen. „Er und sein ganzes Haus ließen sich taufen“, wie es im Neuen Testament immer wieder heißt, reichen für eine Legitimierung der Säuglingstaufe nicht aus. Nur weil etwas nicht negativ genannt wird, können wir nicht davon ausgehen, dass es positiv konnotiert ist. Jesus, Paulus oder andere großartige Personen und Verfasser neutestamentlicher Schriften haben sich auch über andere Dinge nicht negativ geäußert, die wir dann plötzlich positiv bewerten.

Also braucht es eine theologische Legitimierung der Säuglingstaufe, die volkskirchlich meist dadurch geschieht, dass sie die „gratia praeveniens“, also die „vorauseilende Gnade“ Gottes zum Ausdruck bringen soll oder sie soll zum Ausdruck bringen, dass Gott durch die Taufe den Menschen annimmt.

Beides greift jedoch viel zu kurz – dazu reicht schon die Lektüre von Psalm 139, in dem König David Gott dafür dankt, dass er ihn wunderbar gemacht hat und ihn schon kannte und alle Tage seines Lebens schon aufgeschrieben wurden bei Gott, ehe auch nur der erste Tag schon begann. Ich weiß, dass diese wenigen Zeilen einer profunden Auseinandersetzung mit der Frage nach der Säuglingstaufe nicht gerecht wird – wer mehr wissen will, dem empfehle ich gerne meine ausführlichen Gedanken zu „Taufe in der Apostelgeschichte„.

Zurück zur Wende: Ich bin der festen Überzeugung, dass alternative Modelle der Mitgliedschaft, wie sie beispielsweise in der anglikanischen Kirche schon gelebt werden, nur förderlich und nicht hinderlich sein könnten – auch wenn man über das Problem der Taufe hinwegsieht. Konkretes Beispiel: Da wir im Normalfall in der evangelischen Landeskirche die so genannten parochiale Struktur haben (kurz gesagt: dort, wo ich wohne, gehöre ich der Gemeinde an), ist es für uns als „Grenzgemeinde“ unmöglich, dass Personen aus der Schweiz Mitglied unserer Kirchengemeinde werden können, auch wenn sie jeden Sonntag zu uns kommen, unsere Hauskreise besuchen und in der Gemeinde mitarbeiten.

Aber auch was die Praxis der Taufe betrifft, muss sich die Volkskirche einer Wende öffnen, denn immer weniger Eltern lassen ihr Kind überhaupt noch Taufen im Alter von wenigen Monaten (oder Jahren). Der im kirchlichen Sprachgebrauch so unsäglich klingende „Taufaufschub“ kommt immer mehr in der Praxis vor, was bedeutet: Immer weniger Menschen werden als Säuglinge getauft. Da aber das gesamte Kirchensteuersystem darauf aufbaut, dass Menschen schon Mitglied sind, bevor sie Kirchensteuer bezahlen, da es unwahrscheinlicher ist, auszutreten, wenn man schon dabei ist, als einzutreten, um seine Mitgliedschaft kundzutun, wird die Volkskirche mittelfristig große finanzielle Probleme bekommen.

Paradox an sich ist es ohnehin, Taufe und Kirchensteuer miteinander zu verknüpfen – aber meine Idee war es nicht… Im Ernst: Taufe soll und muss Ausdruck meines Bekenntnisses zu Jesus Christus bleiben. Finanzierung der kirchlichen Arbeit jedoch darf nicht mit der Taufe verknüpft werden. Hier brauchen wir eine komplette Veränderung und Öffnung zu alternativen Konzepten – oder kurz: eine Wende.

Wieso nicht ein ergänzendes Modell wählen, bei dem aus „dem großen Topf“ alle Gemeinden bedacht werden, gleichzeitig die Menschen jedoch nicht allgemeine Kirchensteuer bezahlen, sondern einen Beitrag, das ihrer Kirchengemeinde direkt zugute kommt. Natürlich – das wäre für manche Gemeinden zwar nicht das Aus, aber sie müssten sich nach der Decke strecken. Leider. Bedeutet aber wiederum, dass sie zur Zeit ohnehin auf einer Scheinsicherheit ihre Finanzen aufbauen.

Dann wäre es auch nicht mehr von Bedeutung, ob ein Baby getauft oder gesegnet wird – im Blick auf die Mitgliedschaft.

5Von einer trägen Inspirationslosigkeit zu einem leidenschaftlichen Verständnis von Kirche

Ja, ok. Ein wenig pointiert formuliert, ich weiß. Aber ganz ehrlich: Vieles, was in unserer Landeskirche geschieht, inspiriert mich nicht. Das ist so „old school“ und für mich (für andere mag das anders sein) lebensfremd, dass mir schlicht und einfach die Leidenschaft und Lebendigkeit fehlt und fast schon abhanden kommt, wenn ich mich zu sehr damit auseinandersetze.

Ich glaube, dass es manchmal stimmt: Die Theologie will Antworten auf Fragen geben, die kein Mensch gestellt hat. Aber auf die wirklichen Fragen der Menschen, findet die Theologie oft keine Antwort oder auch nur einen Ansatz dazu. Das finde ich extrem schade, denn Theologie kann so was von inspirierend und leidenschaftlich betrieben werden, dass sie gar nicht anders kann, als die Glaubens- und Lebensfragen der Menschen aufzunehmen. Hier finde ich immer wieder Inspiration bei Theologen wie Tim Keller, Carey Nieuwhof oder Johannes Hartl.

Und hier fällt dir auf: Das sind keine klassischen landeskirchlichen Theologen, wo wir bei dem oben schon erwähnten Punkt der Inspiration durch andere Kirchen, dem Blick über den Tellerrand oder das Netzwerken im besten Sinne der Ökumene angekommen sind.

Ich lasse mich liebend gerne von anderen Kirchen und Gemeinden, von Theologinnen und Theologen, von Leiterinnen und Leitern, Pastorinnen und Pastoren anderer Gemeinden inspirieren. Dabei ist mir nicht wichtig, welches „Label“ sie tragen, sprich: Zu welcher Kirche sie gehören. Ich will lernen. Schlicht und einfach lernen. Lernen, wie wir noch besser, noch zeitgemäßer, noch ansprechender das Evangelium verkündigen und Gemeinde leiten können, damit Menschen, die Gott noch nicht kennen, zu leidenschaftlichen Nachfolgern Jesu werden.

Diese Haltung benötigt die Volkskirche im großen Stil, um zukunftsfähig zu bleiben. Über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen bewahrt nicht nur davor, nur den Blick auf sich selbst zu richten, sondern lässt mich andere Perspektiven einnehmen, Inspiration empfangen und mit neuer Leidenschaft an die wunderbare Aufgabe der Gemeindeleitung herangehen.

Die Zukunft der Kirche wird kooperativ im besten Sinn sein: Ko-Operare, miteinander/gemeinsam agieren. Nicht jeder für sich in seinem Sumpf und Umfeld, sondern in einer großen Freundschaft und Verbundenheit mit anderen Gemeinden und Kirchen, die jenseits der eigenen Kirchengrenzen zu finden sind. Ich selbst profitiere sehr, sehr viel vom ICF Network oder auch von Willow Creek. Genauso ist „Der Leiterblog“ ein wunderbarer Fundus, über den eigenen Tellerrand hinaus Inspiration und Leidenschaft zu bekommen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Lothar Krauss, der diesen Blog initiiert hat und betreibt.

Die Zukunft der Kirche wird nicht nur kooperativ sein – sie wird leidenschaftlich sein, oder sie wird gar nicht sein.

Ich spreche niemandem seine Leidenschaft ab. Im Gegenteil. Ich sage es sehr deutlich und mit großer Freude, weil es die Pluralität und Vielfältigkeit unserer Kirche deutlich macht: Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die von Herzen gerne, mit großer Leidenschaft und ausgezeichneter Kompetenz liturgisch-traditionelle Gottesdienste feiern. Dabei predigen sie Gottes Wort voller Liebe und Vollmacht und Menschen wachsen im Glauben. Ja, ja, liebe Freikirchler: Es gibt Wachstum auch innerhalb der Landeskirche!

Aber noch nicht genug. Und hier wünsche ich mir mehr Leidenschaft, mehr Begeisterung. Ich bin Fußballfan. Ich war früher viel im Stadion. Die Menschen dort leben ihre Begeisterung, ihre Leidenschaft. Diese beiden Gefühlsäußerungen sind an sich nichts Negatives. Aber bei Kirchens sind sie leider oft außen vor. Das ist schade. Ich wünsche mir mehr Unkonventionelles und Unvorhersehbares, mehr Innovation und Mut zum Risiko.

Kooperation mit dem Heiligen Geist

Ich habe Hoffnung für die Landeskirche und schaue selbst voller Leidenschaft und Freude in die Zukunft. Warum? Weil nicht ich, nicht ein Oberkirchenrat, Landeskirchenamt oder sonst jemand der Boss ist – sondern Jesus selbst. Er ist und bleibt der Herr der Kirche. In Kooperation mit seinem, dem Heiligen Geist, wird unabhängig von unseren Fähigkeiten und unserem Können Gott selbst seine Güte und Größe zeigen.

In der Homiletik ist mir Rudolf Bohrens Aussage von der „theonomen Reziprozität“ begegnet, die aber nicht nur auf die Predigtlehre, sondern generell für das Tun und Lassen bei Kirchens anzuwenden ist. Theonome Reziprozität bedeutet: eine von Gott gesetzte Wechselseitigkeit.

Gott selbst ist der Ursprung allen kirchlichen Handelns, damit es nicht in menschlichem Aktivismus verfällt. Dies aber bedeutet, konkret nach seinem Willen zu fragen und mit dem Heiligen Geist zu kooperieren. Das heißt: Ihn bitten, sich zu offenbaren, zu zeigen, in Situationen hineinzuwirken, wie wir Menschen es nicht tun können. Das heißt auch: Vertrauen darauf, dass der Heilige Geist übernatürlich und unseren Verstand übersteigend wirken kann zum Aufbau des Reiches Gottes. Ich glaube, wenn wir das verstärkt tun, werden wir Aufbrüche und Erneuerung in der Landeskirche erleben. Let’s go!

Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:


Pergamente und Papyri

Dieses Buch liest sich phasenweise wie ein Krimi. Es beschreibt die Entstehungsgeschichte des biblischen Textes, wie wir ihn heute vorliegen haben. Weil die Bibel nicht einfach vom Himmel gefallen ist, sondern von vielen menschlichen Autoren verfasst wurde, gab (und gibt) es einen langen, langen Weg der Überlieferung. Auf welchen hebräischen oder griechischen Grundtext geht eigentlich die Lutherbibel, die „Hoffnung für alle“ oder die „Neue Genfer Übersetzung“ zurück? Gibt es diesen einen „Grundtext“ überhaupt?

Unglaublich, welche Geschichte(n) hinter dem Text des Buches aller Bücher steht. Der norwegische Theologe und Schriftsteller Hans Johan Sagrusten schafft es, dieses vermeintlich trockene Thema wirklich sehr, sehr lebendig zu schildern.

Ihm gelingt es, sachlich-wissenschaftlich klingende Dinge wie „Codex Alexandrinus“, „Masoreten“ oder „Majuskel 0220“ mit Leben zu füllen.

Wie die Bibel überliefert wurde

Ohne eine lange Geschichte der Textkritik und Überlieferungsgeschichte hier vornehmen zu können, will ich dennoch kurz skizzieren, weshalb „Pergamente und Papyri“ in meinen Augen auch für theologische Laien äußerst wichtig und relevant sein kann.

Die Bibel, wie wir sie heute lesen, ist nicht als gesamtes Werk entstanden, das von einem menschlichen Autor verfasst wurde, unzählige Male kopiert wurde und seitdem das meistverkaufte Buch der Erde ist.

Der hebräische, griechische (und lateinische) Grundtext, auf dem die Bibelübersetzungen unserer Zeit beruhen, ist wiederum ein Text, der zusammengesetzt ist aus vielen, vielen einzelnen „Pergamenten und Papyri“. Das heißt: Ein großer Text (der biblische Text) entstand aus vielen, vielen kleinen Texten, die über die Jahrhunderte und Jahrtausende geschrieben wurden, verloren gegangen sind, wiedergefunden wurden, teilweise zerstört sind und schließlich wie ein großes Puzzleteil zusammengesetzt wurden. Ja, man könnte sagen, dass die Bibel wie ein großes Puzzle ist, das aus vielen kleinen Teilen besteht. Und nur nebenbei bemerkt: Umso faszinierender ist es, dass sich durch die Bibel ein heilsgeschichtlicher roter Faden zieht, der die Überlieferung nicht nur überlebt, sondern auch bestimmt hat.

Nun kann man sich vorstellen, dass dieses „Suchen und Zusammensetzen“ der einzelnen Puzzleteile (Pergamente und Papyri) eine in höchstem Maß akribische, spannende, atemberaubende und verantwortungsvolle Arbeit ist, die sich über Jahrhunderte erstreckte. Und genau diese Arbeit skizziert Sagrusten in seinem Buch „Pergamente und Papyri“.

Von verschollenen Pergamenten und raffinierten Mönchen

Ich will hier nicht spoilern, deswegen führe ich die Überschrift nicht weiter aus – aber vielleicht macht sie Lust auf mehr von dem, was Sagrusten wirklich beherrscht: Geschichten erzählen. Wie oben erwähnt, liest sich dieses Buch phasenweise wie ein Kriminalroman. Sagrusten beschreibt eben nicht nur trocken die wissenschaftliche Materie, sondern nimmt den Leser mit hinein in die Überlieferungsgeschichte, in die Zeit der Antike und des Mittelalters und mitten hinein in die Orte, die wichtig sind für die Überlieferung der Bibel.

Mal befinden wir uns in einem Kloster, in dem es irgendwie nicht mit rechten Dingen zugeht oder aber der Wissenschaftler, der sich in diesem Klostern befand, nicht ganz die Wahrheit sagt.

Dann wieder macht der Leser einen Ausflug an den See Genezareth, wo es um die Entsethungsgeschichte der „Krone von Aleppo“ geht oder aber wir befinden uns in den Höhlen von Qumran.

Diese Anekdoten, Geschichten und Hintergrundereignisse machen dieses Buch so unglaublich lesenswert und spannend.

Eine inspirierende Tiefe und Weite

„Pergamente und Papyri“ ist aber kein reiner Roman, sondern liefert sehr viel Faktenwissen über die Entstehung der Bibel als dem „Buch der Bücher“.

Dieses Wissen vermittelt Sagrusten aus seinem reichen Fundus an eigener Überzeugung und Kompetenz. Gleichzeitig aber lässt er unzählig viele Textwissenschaftler und Theologen zu Wort kommen, welche dem Buch eine inspirierende Tiefe und Weite geben.

Darüber hinaus widmet sich Sagrusten im letzten Teil seines Buches einigen „Fragwürdigkeiten“ rund um die Überlieferungsgeschichte der Bibel. Er untersucht die wichtigsten Unterschiede der einzelnen Manuskripte nachdem er zunächst deren Tragweite und Bedeutung beschreibt.

Und nicht zuletzt geht er auf einige äußerst „brenzlige Fälle“ der Überlieferungsgeschichte ein:

Was ist mit dem Ende des Markusevangelium passiert? Denn die letzten Verse (ab Vers 9 im 16. Kapitel) dieses Evangeliums finden sich in vielen alten Handschriften (Pergamente und Papyri) nicht. Ist es also erfunden worden oder über die Jahrzehnte und Jahrhunderte lediglich verschollen und erst später wider aufgetaucht?

Wie verhält es sich mit der Johannes 8,1-11, wo von der Begegnung einer Ehebrecherin mit Jesus geschrieben wird? („Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“) Auch diese Geschichte findet sich in alten Überlieferungen nicht – schon gar nicht an dieser Stelle im Johannesevangelium, sondern teilweise sogar in anderen biblischen Büchern.

Sagrusten schreibt voller Leidenschaft über die Überlieferungsgeschichte des biblischen Textes. Gerade die Mischung aus Wissensvermittlung, spannender Schilderung und dem Klären brenzlige Fragen macht dieses Buch so lesenswert und lohnenswert.

Infos:
200 Seiten
20,00 EUR
ISBN: 978-3-417-26861-4
SCM Verlag

Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:


5 Gründe, warum Christsein ohne Gemeinde nicht funktioniert

„Ich glaube schon an Gott – aber dazu brauche ich keine Gemeinde.“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon gehört habe – aber es war sehr, sehr oft. Jedes Mal denke ich „Das ist so ein Quatsch“ und jedes Mal versuche ich es dann, meinem Gegenüber liebevoll zu sagen.

„Klar, der ist Pfarrer, der muss das schreiben!“ Vielleicht denkst du so. Dann lass mich dir eines sagen: Auch das ist Quatsch. Ich meine das liebevoll.

Diese 5 Gründe haben nichts mit meinem Beruf oder meiner Zukunftssicherung zu tun. Diese 5 Gründe sind auch nicht meine Idee, sondern es sind göttliche Prinzipien, wie wir sie in der Bibel finden. Als Christ habe ich das wunderbare Privileg, aus der Bibel zu erkennen, was Gottes Wille und Absicht mit mir und meinem Leben ist. Wie cool ist das denn! Aber wie blöd wäre ich, wenn ich diese Prinzipien nicht anwenden würde – was leider viel zu oft vorkommt.

Eben deswegen sind diese 5 Gründe keine Idee, kein Hirngespinst von mir und auch kein letzter Hilferuf an diese Menschheit, die Gemeinden zu füllen, damit der Berufsstand „Pfarrer/Pastor/Gemeindeleiter“ gesichert ist. Diese 5 Gründe sollen dir helfen, selbst zu erkennen, wieso Christsein ohne Gemeinde nicht geht – weil Gott sich schon was bei „Gemeinde“ gedacht hat.

Wenn ich von „funktionieren“ schreibe, dann meine ich das bewusst so. Es ist wie mit einem technischen Gerät, das ohne bestimmte Komponenten nicht „funktioniert“, also nicht seiner Bestimmung nachkommen kann, nicht das tun kann und soll, wozu du es dir angelegt hast – oder um es hochtrabend zu sagen: wozu es geschaffen wurde! So verhält es sich auch mit dem Christsein: Wenn ich zum Glauben an Jesus Christus finde, dann bin ich dazu berufen, Teil seiner Gemeinde zu sein, weil mein Glaube ansonsten nicht „funktionieren“, also nicht zu seiner Berufung und Bestimmung kommen würde.

Deswegen sind diese 5 Gründe auch nicht nur ein „nice to have“ – sondern eher ein „musst have“.

1Alleine gehst du ein

Im Alten Testament gibt es ein wunderbares Bild dafür, was der Unterschied ist, das Leben alleine oder mit anderen zu führen.

Ein Einzelner kann leicht von hinten angegriffen und niedergeschlagen werden; zwei, die zusammenhalten, wehren den Überfall ab. Und: Ein dreifaches Seil kann man kaum zerreißen.Die Bibel, Prediger 4,12

Ein tolles Bild. Ich mag es, auf die Nuancen zu achten. Es steht hier nicht, dass ein dreifaches Seil nie zerreißen kann. Es steht hier, dass es „kaum“ zerreißen kann. Das heißt auch: die Gemeinde ist nicht das Allheilmittel und auch trotz dessen, dass du Teil einer Gemeinde bist, wird nicht alles gut gehen in deinem Leben. Gleichzeitig aber ist die Schilderung zu Beginn des Verses eindeutig: „Ein Einzelner kann leicht von hinten angegriffen und niedergeschlagen werden.“ Ok, das ist krass. Aber ich hoffe, du steigst mit ins Bild ein.

Alleine durchs Leben zu gehen sorgt dafür, dass du vielen Angriffen und Anfechtungen ausgesetzt bist. Überlege doch nur mal, wie sehr sich Satan freut, wenn Christen alleine durchs Leben gehen wollen. Das ist wie mit einem Stück Holz, das aus dem Feuer heraus genommen wird: Es mag eine Weile noch brennen und glimmen, aber es verlöscht. So ist dein Glaube, dein Christsein auch wesentlich anfälliger für Versuchungen und Anfechtungen, für Momente des „Niedergeschlagenseins“, wenn du meinst, du kannst dein Christsein schon alleine mit dir ausmachen.

Was Gott schon bei der Schaffung des Menschen sagte, das hört bis heute nicht auf, wo wir uns fragen: Muss ich als Christ Teil einer Gemeinde sein oder nicht? Du musst nicht, aber schau dir mal an, was Gott von Anbeginn der Welt über dem Menschen ausgesprochen hat:

Gott, der HERR, sagte: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm jemanden zur Seite stellen, der zu ihm passt!“Die Bibel, 1. Mose 2,18

Nicht allein sein. Der Mensch ist als Individuum geschaffen, aber nicht für ein egozentrisches Leben. Er ist dafür geschaffen, als Christ Teil einer Gemeinschaft zu sein, „die zu ihm passt“. Und das ist natürlich Voraussetzung, damit das Ganze funktioniert: Es sollte eine „echte Gemeinschaft von Heiligen“, wie es im Glaubensbekenntnis so schön heißt, sein. Nicht nur ein zusammengewürfelter Haufen, die in ihren Unterlagen bei Konfession eine bestimmte (oder eben keine) Bezeichnung drinstehen haben.

Dann – aber auch nur dann – wirst du erfahren, wie gut und wichtig es für dich ist, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die wie du auch an Jesus glaubt, die wie du auch immer wieder hinfällt und aufsteht und die wie du auch von der Gnade Gottes lebt.

2Der Christus im Wort des Bruders und der Schwester

Hä? Was soll das heißen? Das ganze Zitat als Überschrift wäre etwas zu lang gewesen. Aber es geht um diese Aussage von Dietrich Bonhoeffer:

Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders; jener ist ungewiss, dieser ist gewiss.Dietrich Bonhoeffer

Was Bonhoeffer in seinem Buch „Gemeinsames Leben“ damit ausdrücken will, ist so wichtig und grundlegend dafür, dass du verstehst: Christsein ohne Gemeinde geht nicht.

Dein eigener Glaube mag stark und fest sein – und doch wird es Momente geben, in denen du den Zuspruch anderer brauchst. Und wie dieser geschieht, sieht ganz unterschiedlich aus:

  • Das mag die Predigt sein, die dir neue Gedanken aufzeigt.
  • Es kann das Gespräch mit einem anderen Christen nach dem Gottesdienst sein.
  • Im Lobpreis erkennst du neu die Größe Gottes.
  • Nach dem Gottesdienst betet jemand für dich persönlich und segnet dich.

Das alles ist nur möglich, weil es andere Menschen sind, die – so sagt es Bonhoeffer weiter – „Bringer der Heilsbotschaft“ sind. Das kannst du nicht alleine für dich „machen“. Du brauchst „Brüder und Schwestern“, wie es im christlichen Jargon so schön heißt, die dir Gottes Größe vor Augen führen, dich inspirieren, dich auf neue Gedanken bringen, dich herausfordern oder einfach: dich trösten, ermutigen und stärken.

Das alles ist im Neuen Testament im Kolosserbrief wunderbar vom Apostel Paulus – der wie kein anderer „Gemeindeexperte“ ist – zusammengefasst, als er der Gemeinde in Kolossä schreibt:

Lasst die Botschaft von Christus ihren ganzen Reichtum bei euch entfalten. Unterweist und ermahnt euch gegenseitig mit aller Weisheit und dankt Gott von ganzem Herzen mit Psalmen, Lobgesängen und Liedern, die euch Gottes Geist schenkt. Ihr habt doch Gottes Gnade erfahren! All euer Tun – euer Reden wie euer Handeln – soll zeigen, dass Jesus euer Herr ist. Weil ihr mit ihm verbunden seid, könnt ihr Gott, dem Vater, für alles danken.Die Bibel, Kolosser 3,16-17

Ich möchte es nicht nur defizitär denken, dass dir etwas „fehlt“, wenn du deinen christlichen Glauben nicht in der Gemeinde lebst. Positiv ausgedrückt ist es ein unglaublich großer Schatz und ein riesengroßes Potenzial, das in der Gemeinde Jesu vorhanden ist. Mir ist es überhaupt nicht verständlich, wie man sich dagegen regelrecht wehren kann und meint, man könne sein Christsein auch ohne dieses Potenzial und ohne diesen Schatz leben. Kannst du schon – aber dann ist es halt schlecht. Deine Wahl.

3Der Segen göttlicher Verheißungen

Die meisten Verheißungen im Neuen Testament sind keine Verheißungen an einzelne Personen, sondern es sind Verheißungen für die gesamte Gemeinde. Das beginnt schon zu Lebzeiten Jesu. In Matthäus 16 wird berichtet, wie sich Jesus mit einem seiner Jünger, nämlich Petrus, unterhält. Jesus fragt seine Jünger, was die Menschen glauben, wer er sei. Daraufhin antwortet ihm Petrus, dass er doch der „Christus“, der Gesalbte, der Messias, der von Gott Gesandte ist.

In diesem ganzen Dialog geht es um Jesus und Petrus – und dann kommen sie auf die Gemeinde zu sprechen. Jesus sagt, dass „auf diesen Fels“, also auf dieses kräftige Bekenntnis hin, er seine Gemeinde errichten wollte, Petrus wird ihr vorstehen und dann kommt der entscheidende Satz.

Deshalb sage ich dir jetzt: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und das Totenreich mit seiner ganzen Macht wird nicht stärker sein als sie. Die Bibel, Matthäus 16,18

Jesus verheißt nicht Petrus eine unglaubliche Macht und Stärke, sondern der Gemeinde. Die Verheißung, dass nicht einmal die Mächte der Hölle (das ist mit dem „Totenreich“ gemeint) stärker sein werden bezieht sich nicht auf Petrus, sondern auf die Gemeinde.

Wow! Was ist das für eine krasse Aussage! Auf gut deutsch: Nichts (!) ist stärker als die Gemeinde Jesu. Sie hat eine so unglaubliche Kraft, dass sich ihr zwar vieles in den Weg stellen mag, sie aber niemand überwinden wird. Wohlgemerkt: Nicht von einzelnen ist hier die Rede, sondern von der Gemeinde Jesu als Gesamtheit.

Wenn du deinen Glauben nun innerhalb einer christlichen Gemeinde lebst, dann lebst du ihn innerhalb dieser Gemeinschaft, die nichts und niemand zu Fall bringen wird, weil es die Kirche und Gemeinde Jesu ist und nicht einmal die Mächte der Hölle sie überwinden können.

Diese Verheißung, diese unglaublich kraftvolle Segnung wirst du dann empfangen, wenn du Teil einer Gemeinde bist. Und so gibt es im Neuen Testament sehr, sehr viele Verheißungen, die überwiegend für die Gemeinde gelten, in der ja wiederum Individuen wie du und ich sind – aber sie sind nicht speziell an einzelne Personen gerichtet, sondern dadurch, dass du Teil einer Gemeinde bist, wirst du diese Verheißungen, diese Segnungen erlangen.

Die Verheißung, dass Gott treu ist und Kraft gibt, im Glauben „dranzubleiben“ und auch das ein oder andere auszuhalten, das sonst unsere Kräfte übersteigen würde, wenn wir Gottes Hilfe nicht hätten.

Gott wird euch die Kraft geben, im Glauben festzubleiben, bis das Ziel erreicht ist, damit an jenem großen Tag, dem Tag unseres Herrn Jesus Christus, keine Anklage gegen euch erhoben werden kann. Ja, Gott ist treu; er wird euch ans Ziel bringen. Denn er hat euch dazu berufen, jetzt und für immer mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, verbunden zu sein.Die Bibel, 1. Korinther 1, 8+9

Die Verheißung von geistlichen Gaben, von göttlichen Fähigkeiten, die nicht egoistisch sondern zum Wohl der Gemeinde geschenkt und gebraucht werden.

Es gibt viele verschiedene Gaben, aber es ist ein und derselbe Geist, der sie uns zuteilt. Es gibt viele verschiedene Dienste, aber es ist ein und derselbe Herr, der uns damit beauftragt. Es gibt viele verschiedene Kräfte, aber es ist ein und derselbe Gott, durch den sie alle in uns allen wirksam werden. Bei jedem zeigt sich das Wirken des Geistes auf eine andere Weise, aber immer geht es um den Nutzen der ganzen Gemeinde. Die Bibel, 1. Korinther 12, 4-7

Die Verheißung eines Geistes der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Einer meiner Lieblingsverse im neuen Testament, der in einem Brief steht, den Paulus zwar an eine einzelne Person (Timotheus) geschrieben hat, aber dennoch von „uns“, also der Gemeinschaft der an Jesus Glaubenden, redet:

Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Die Bibel, 2. Timotheus 1,7

Um diesen Artikel nicht noch länger zu machen, als er ohnehin schon ist, will ich es bei dieser exemplarischen Nennung einiger Bibelstellen belassen. Es gäbe aber noch jede Menge, die zeigen: Gottes Segnungen und Verheißungen werden dich und dein Leben erfüllen, wenn du dein Christsein nicht als Single, sondern als Teil seiner Gemeinde lebst.

4Die Gemeinde braucht dich

Stell dir vor, etwas stimmt mit deinem Körper nicht. Du bist krank, verletzt oder spürst einfach hier und da ein „Ziehen“ oder einen Schmerz. Wenn du nicht masochistisch veranlagt bist, wird es dein Wunsch sein, dass die Dinge wieder in ihre göttliche Ordnung kommen und es dir wieder gut geht, weil der Zustand so auf Dauer kein guter Zustand ist.

Was wäre nun, wenn dein Fernbleiben von einer Gemeinde genau dafür sorgen würde, dass die Gemeinde nicht in ihrer göttlichen Ordnung und Bestimmung lebt und auf eine gewisse Art „krank“ ist?

„Mir doch egal“, kannst du denken. Ja. Das kannst du. Aber das ist nicht nett. Viel besser wäre es, deinen Platz einzunehmen innerhalb dieser christlichen Gemeinde und dafür zu sorgen, dass sie wieder „gesund“ wird, oder sagen wir: gesünder als sie es ohne dich ist.

Zwei Abschnitte aus dem Neuen Testament will ich dir dafür nennen. Beide haben in der Tat auch etwas mit dem „Körper“ zu tun, weil Gemeinde damit verglichen wird. Oben habe ich schon aus 1. Korinther 12 zitiert und will dir noch ein paar weitere Verse nennen.

Der menschliche Körper hat viele Glieder und Organe, doch nur gemeinsam machen die vielen Teile den einen Körper aus. So ist es auch bei Christus und seinem Leib. Einige von uns sind Juden, andere Nichtjuden; einige sind Sklaven, andere frei. Aber wir haben alle denselben Geist empfangen und gehören durch die Taufe zum Leib Christi. Auch der Körper besteht aus vielen verschiedenen Teilen, nicht nur aus einem. Die Bibel, 1. Korinther 12,12-14

Der Heilige Geist begabt Christinnen und Christen vollkommen unabhängig von ihrem Alter, ihrem Geschlecht, ihrer Nationalität oder Herkunft. Er begabt einfach. Wozu? Das wird an einer anderen Stelle noch deutlicher, in der es weniger um die Gaben des Geistes geht, sondern um verschiedene „Dienste“ oder „Rollen“, die es in der Gemeinde gibt.

Er hat die einen als Apostel, die anderen als Propheten, wieder andere als Prediger und schließlich einige als Hirten und Lehrer eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, die Gläubigen für ihren Dienst vorzubereiten und die Gemeinde – den Leib Christi – zu stärken.Die Bibel, Epheser 4,11+12

Jetzt ist das allerletzte Wort dieses Abschnittes leider etwas unscharf gewählt. „Stärken“ – dafür steht im Urtext ein Wort, das man besser mit „einrenken“ übersetzen sollte. Um beim Bild mit dem Körper zu bleiben: Ohne diese fünf Dienste oder Rollen (Apostel, Lehrer, Hirte, Prophet und Evangelist) scheint der die Gemeinde (der Körper) an irgendeiner Stelle „ausgerenkt“ zu sein – deswegen gibt es diese Rollen, damit wieder alles „an Ort und Stelle“ kommt und der die Gemeinde Jesu (der Leib) seine volle Bestimmung und Berufung leben kann.

Jede Christin und jeder Christ ist Teil dieser Bestimmung, hat solch eine Rolle inne – und es fehlt schlicht und einfach etwas, wenn du nicht Teil einer Gemeinde bist.

5Gemeinde als Trainingsplatz

Diesen Abschnitt schreibe ich mit einer großen Leidenschaft – und Traurigkeit. Leidenschaft deswegen, weil Gemeinde so etwas wie ein „Ausprobieren in vertrauter Runde“ bietet. Das heißt: Wenn du dir (noch) nicht sicher bist, womit Gott dich begabt hat, dann ist die Gemeinde ein wunderbarer Ort, es einfach einmal auszuprobieren. Manches wird sich recht schnell herausstellen – beispielsweise im musikalischen Bereich wird schnell klar sein, ob du singen kannst, ob du Gitarre oder Schlagzeug spielen kannst oder eine Band leiten kannst.

Aber es gibt Bereiche, in denen ist es vielleicht nicht so schnell klar und es braucht ein wenig Übung. Kann ich vor Menschen reden? Kann ich anderen Menschen das Wort Gottes auslegen? Bin ich ein guter Seelsorger? Kann ich andere Menschen im Glauben begleiten? Bin ich vielleicht ein Kleingruppenleiter?

Um das herauszufinden, ist die Gemeinde ein sehr, sehr schöner Trainingsplatz und deswegen schreibe ich das mit großer Leidenschaft. Gemeinde muss immer ein Ort sein, an dem sich ihre Mitglieder „ausprobieren“ dürfen, wo Fehler gemacht werden sollen – denn aus diesen lernen wir.

Ich schreibe es aber auch mit einer gewissen Traurigkeit, weil ich immer wieder erlebe, dass Menschen meinen: „Ich benötige diesen Trainingsplatz nicht. Ich bin zu Höherem berufen.“ Und das sieht dann sehr unterschiedlich aus: Sie „evangelisieren“ auf sehr unsensible Weise, sie lehren andere Menschen recht gesetzlich, Christus nachzufolgen oder sie sind davon überzeugt, eine gewisse Gabe zu haben – sind aber die einzigen, die davon überzeugt sind.

Deswegen gibt es – hoffentlich – keinen besseren Trainingsplatz als die Gemeinde (und hier konkret: Veranstaltungen/Angebote innerhalb der Gemeinde), in denen du dich „ausprobieren“ kannst. Wichtig ist natürlich: Auf das Feedback anderer, die schon einen Schritt weiter sind als du, zu hören und an dir zu arbeiten.

Aber genau hier schreibe ich wieder aus voller Leidenschaft, weil meine Biografie ohne diesen Trainingsplatz komplett anders verlaufen wäre. Ich habe als Jugendlicher begonnen, in der Gemeinde mitzuarbeiten. An vielen unterschiedlichen Stellen. Jungschar, Jugendarbeit, Konfiarbeit. Später im Studium kam dann die Leitung einer Jugendgruppe hinzu, der Lobpreis (Klavier) und das Predigen und Gestalten von Gottesdiensten. Ich hatte zum Glück immer Menschen an meiner Seite, die für mich wie „Mentoren“ fungierten, mich kritisch hinterfragten, mich ermutigten, mich motivierten. Und: sie ließen mich Fehler machen. Und ich weiß nicht wie oft sie innerlich den Kopf geschüttelt haben… Ich bin ihnen zutiefst dankbar und wünsche dir eine Gemeinde, in der du dich „ausprobieren“ und trainieren darfst.

Im Neuen Testament klingt das schlicht und ergreifend so:

Gott hat jedem von euch Gaben geschenkt, mit denen ihr einander dienen sollt. Setzt sie gut ein, damit sichtbar wird, wie vielfältig Gottes Gnade ist.Die Bibel, 1. Petrus 4,10

Grillen ohne Fleisch

Christsein ohne Gemeinde? Das ist wie ein Fisch ohne Wasser, Fußball ohne Ball oder Grillen ohne Fleisch. Du kannst es versuchen, du kannst sogar meinen, dass es gut ist – aber das ist es nicht. Deswegen ermutige ich dich: Schließ dich einer Gemeinde an oder bleib deiner Gemeinde treu! Auch wenn nicht alles so ist, wie du es gerne hättest. Das ist es für andere auch nicht. Das ist es für niemanden. Selbst für mich als Pfarrer ist es das nicht.

Aber so what? Gott hat uns als Gemeinschaft gewollt und ich glaube, dass nicht ich es bin, der entscheidet, was gut oder schlecht für mich ist. Gottes Gedanken über mich und über dich, die sind wesentlich besser als unsere eigenen. Und dazu gehört, dass Christsein ohne Gemeinde nicht funktioniert.


Noch mehr inspirierenden Content bekommst du in meinem Podcast „Einfach glauben“. In einer immer komplexer werdenden Welt, helfe ich dir genau dabei: einfach glauben!

In diesem Podcast bekommst du Anregungen und Inspiration wie „einfach glauben“ mitten im 21. Jahrhundert, mitten im Alltag, mitten in deinem Leben geht.

Meinen Podcast „Einfach glauben“ findest du auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Anklicken, anhören, abonnieren.

Apple Podcasts | Deezer | Spotify | www.david-brunner.de/podcast/


Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:

Hinfallen. Aufstehen. Krone richten. Weitergehen.

Gestern also ist sie gestartet. Die Predigtreihe „Hinfallen. Aufstehen. Krone richten. Weitergehen.“ in unserer Gemeinde (www.wutachblick.de). Der Titel ist geklaut, ja. Aber wir saßen nicht da, hatten den Titel und uns dann überlegt, was wir wohl predigen könnten. Es war andersrum.

Uns ging es im Programming Team, in dem die Predigtreihen angedacht und konzipiert werden, um ein anderes großes Thema: Identität. Dieses Thema war die letzten Wochen und Monate omnipräsent und ich hatte den Eindruck, dass wir darüber mal „richtig“ predigen sollten und nicht nur immer mal wieder was „einfließen lassen“.

Irgendwann im Meeting kam einem Mitarbeiter dann die Idee, die Predigtreihe so zu nennen. Und wir hätten es nicht besser wählen können für das, was uns geistlich auf dem Herzen liegt – und mir mit diesem Artikel. Identität. Ein großes Wort – was steckt dahinter?

Wer bin ich eigentlich?

Diese Frage ist so simpel und gleichzeitig so kompliziert. Was mir auffällt: Immer mehr Menschen laufen nur als Kopie durch die Gegend. Provokant – ich weiß. Aber gerade wenn ich in die Gemeinde-Landschaft in Deutschland schaue, bekomme ich diesen Eindruck. Man nimmt sich Vorbilder und „kopiert“ diese. Es wird vieles versucht, 1:1 umzusetzen: Von den Predigtreihen und Layouts der Homepages, über die Worshipsongs und sogar die Arrangements der Songs bis hin zu den Posts auf Instagram und Co.

Das ist nicht Identität – das ist Kopie. In der ganzen Hochglanzgesellschaft der so genannten „sozialen“ Netzwerke vermisse ich eines: das Hinfallen! Zugeben, eingestehen, deutlich machen: Das Leben ist nicht nur hip und Hochglanz – das Leben ist mitunter so richtig besch…

Und das können wir nur akzeptieren, wenn wir lernen, dass unsere Identität nicht in uns selbst gründet, sondern wir bekommen sie zugesprochen. In keinem anderen Wort oder Zitat kommt das so schön zum Ausdruck, wie in Hans-Joachim Ecksteins Abwandlung des descarteschen „Cogito, erg sum“ (Ich denke, also bin ich) wenn er sagt:

Du liebst mich, also bin ich.Hans-Joachim Eckstein

Ich bin – weil Gott mich liebt, weil er mich gewollt hat und erschaffen hat. Diese Wahrheit ist so einfach zu merken, dass sie scheinbar umso schwieriger ist, im Alltag zu befolgen und sie zu leben.

Zum Ausdruck kommt das für mich auf ganz besondere Weise in Psalm 139. Worte, die König David betet, die für jeden einzelnen Menschen wahr sind.

Du hast mich mit meinem Innersten geschaffen, im Leib meiner Mutter hast du mich gebildet. Herr, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast! Großartig ist alles, was du geschaffen hast – das erkenne ich!

Schon als ich im Verborgenen Gestalt annahm, unsichtbar noch, kunstvoll gebildet im Leib meiner Mutter, da war ich dir dennoch nicht verborgen. Als ich gerade erst entstand, hast du mich schon gesehen. Alle Tage meines Lebens hast du in dein Buch geschrieben – noch bevor einer von ihnen begann! Psalm 139, 13-16

Wow! Das muss man sich schon mal ein wenig auf der Zunge zergehen lassen. Und in der Theorie ist das auch alles superschön. Der Haken kommt dann, wenn wir morgens aufwachen und unser Tag beginnt, wir also über unser Leben mehr und mehr selbst entscheiden als wir das im Schlaf tun. Dann ist alles plötzlich nicht mehr ganz so easy. Dann merken wir: Ich muss nicht mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden sein, um an diesem Tag einige Male hinzufallen.

Hinfallen ist das neue „Normal“

Es kann gut sein, dass ich jetzt einige Leser verliere. Aber das nehme ich gerne in Kauf. Denn ich will eines vorweg sagen:

Das Evangelium ist keine „Alles wird gut“-Utopie sondern eine „Hinfallen ist normal“-Realität.

Nicht alle Gebete werden erhört, wie wir es wünschen.

Nicht alle Krankheiten werden geheilt.

Menschen werden sterben.

Meine Finanzen werden nicht zwingend durch die Decke gehen.

Die Beziehungen, in denen ich stecke, sind nicht alle heilvoll.

Manche Schicksalsschläge schlagen ein wie Bomben.

Nicht jede Durststrecke ist der Vorbote eines geistlichen Durchbruchs.

Es kann auch gar nicht anders sein, denn wir leben in einer Welt, in der Sünde als Rebellion gegen Gott auf der Tagesordnung steht. Wie kann da „alles gut“ werden, bevor diese Welt in ein neues, ewiges Zeitalter übergeht? Solange wir auf der Erde sind, müssen wir die Einschränkungen durch die alles Seiende durchziehende Sünde als Rebellion gegen Gott akzeptieren.

Und jetzt? Resignieren? Hoffnung aufgeben? Im Selbstmitleid ertrinken? Auf keinen Fall! Erst einmal sollten wir erkennen, dass Hinfallen das neue „Normal“ ist. Du musst dich nicht schlechter fühlen, als es sich ohnehin schon anfühlt, weil du deine eigene Identität als gebrochen, scherzhaft, schuldhaft oder krumm und schief wahrnimmst. Das ist alles nicht schön – aber „normal“, weil es anders eben gar nicht geht. Also: Entspann dich und lass dir den Druck nehmen.

Deswegen bin ich auch so froh, dass unsere Predigtreihe mit „Hinfallen“ beginnt. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir auch und gerade als Christinnen und Christen ehrlich zu uns selbst sind und ehrlich zu unserem Gegenüber und akzeptieren: Das Leben besteht aus sehr, sehr vielen „Hinfallen“-Momenten.

Frei werden durch Jesus

Gleichzeitig aber – und das ist für mich die unglaublich große Kraft des Evangeliums – thront die Macht der Sünde, die Realität des Hinfallens nicht wie ein Damoklesschwert über unserem Leben. Sie hat schon gar nicht das letzte Wort. Nein – es gibt die Möglichkeit, frei zu werden.

Wen der Sohn Gottes frei macht, der ist wirklich frei!Johannes 8,36

Das ist die gute Nachricht, die ewig gilt und ewig wahr ist. Warum? Weil Jesus immer derselbe ist und es bei ihm keine Wesensveränderung gibt. Er ist und bleibt der Garant dafür, dass es einen Gott gibt, der dich liebt, der dich erlöst und der dein Leben erfüllt!

Im Blick auf die Frage „Wer bin ich?“ ist es deswegen so befreiend, weil wir sehr praktisch und sehr alltäglich diese Freiheit leben und sozusagen „anziehen“ können. Irgendwie nervt es ja, wenn gerade bei diesem so vermeintlich abstrakten Thema „Identität“ alles in der Theorie bleibt. Weil das aber alles andere als abstrakt ist, kann es sehr, sehr praktisch werden.

Dabei ist es hilfreich, wenn wir Folgendes im Blick haben:

Freiheit ist nicht Grenzenlosigkeit, sondern die Kunst, richtige Grenzen zu setzen.

Die wirksamste Art und Weise, Grenzen zu setzen – und dann auf noch die richtigen – ist „Nein“ zu sagen. Deswegen meine Ermutigung an dich:

Sei ein Neinsager!

Sage zu drei Dingen nein, die es dir wohl mit am schwersten machen, deine eigene Identität zu finden und zu leben.

Nein zu Selbstverurteilung

Schau noch einmal die Verse aus Psalm 139 oben an. Sie verdeutlichen, wie sehr Gott dich liebt, wie sehr er dich wollte und dich deswegen erschaffen hat. Du bist weder Unfall noch Zufall – du bist ein Glücksfall! Verbanne jeden Satz und jeden Gedanken aus deinem Leben, der dem widerspricht. Das geschieht nicht von jetzt auf nachher. Schon gar nicht, wenn solche antigöttlichen Sätze und Gedanke von anderen Menschen über deinem Leben ausgesprochen wurden. Mach dich auf den Weg und verurteile dich nicht selbst!

Nein zu Schubladendenken

Lass andere Menschen genau das auch erleben! Wo du dich selbst nicht verurteilst, verurteile bitte auch nicht deinen Nächsten. Mag er noch so komisch rüberkommen, merkwürdig aussehen oder sich nicht so verhalten, wie du es cool fändest. Kennst du seine Geschichte? Kennst du seine Identität? Weißt du, was er alles schon erlebt hat? Lass ihn raus! Raus aus der Schublade, mach sie zu – und nicht mehr auf! Das wird auch für dich befreiend sein, weil du feststellen wirst: Es verändert auch dein Denken über dich selbst.

Nein zu Perfektion

Sie ist der größte Feind bei der Bejahung unserer eigenen Identität. Perfektion knechtet dich unter eine Messlatte, die andere, die Gesellschaft oder sogar du selbst an dich anlegen – und der du niemals gerecht werden kannst. Perfektion ist unbarmherzig und gnadenlos, weil sie auf einem einzigen Fuß steht. Und der heißt: Fehlerlosigkeit. Niemals kannst du dem gerecht werden. Dagegen ist die Exzellenz etwas ganz anderes. Exzellenz lässt dich das Beste aus dir selbst und aus deinen Aufgaben machen, weil du es aus einer bestimmten Haltung heraus tust: Deinem Schöpfer alle Ehre zu geben. Und da darfst du Fehler machen.

Ich bin gespannt

Diese Predigtreihe wird uns in den nächsten Wochen beschäftigen – und ich hoffe und bete: auch weit, weit darüber hinaus. Never ever kann dieses Thema an sieben Sonntagen erschöpfend behandelt werden. Vielmehr ist es eine Lebensaufgabe.

Mein Wunsch, mein Gebet, meine Hoffnung aber ist es, dass wir dadurch ehrlicher werden – zu uns selbst, zu einander. Und dass wir eine Kultur leben, in der „Hinfallen“ als normal angesehen wird – und wir aus der Kraft der Freiheit in Jesus leben.


Noch mehr inspirierenden Content bekommst du in meinem Podcast „Einfach glauben“. In einer immer komplexer werdenden Welt, helfe ich dir genau dabei: einfach glauben!

In diesem Podcast bekommst du Anregungen und Inspiration wie „einfach glauben“ mitten im 21. Jahrhundert, mitten im Alltag, mitten in deinem Leben geht.

Meinen Podcast „Einfach glauben“ findest du auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Anklicken, anhören, abonnieren.

Apple Podcasts | Deezer | Spotify | www.david-brunner.de/podcast/


Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:

Anita Dittmann: Geborgen im Schatten deiner Flügel

Dieses Buch hat mich zum Staunen und zum Weinen gebracht. Es hat mich gefesselt und mir die Augen geöffnet. Es hat mich fasziniert und begeistert. Und immer wieder saß ich kopfschüttelnd da, konnte das Buch nicht aus der Hand legen und habe es letzten Endes an zwei Tagen gelesen.

Vielleicht sagt vielen der Name „Anita Dittmann“ nicht sonderlich viel. Das sollte sich ändern, denn dieses Buch möchte ich Dir wärmstens empfehlen. Es beschreibt die atemberaubende Geschichte einer jungen Judenchristin, die durch ihren Glauben, ihre Tapferkeit und ihre Entschlossenheit durch die Hölle gehen konnte und dabei nicht verbitterte.

Eine unglaubliche Mission

Anita Dittmann – Autorin und Protagonistin – wächst im Breslau des Zweiten Weltkrieges und zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes auf. Sie wird in ein Arbeitslager verschleppt und wagt sich auf eine unglaubliche Mission: Ihre Mutter wiederzufinden, die in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Dabei wird der Leser mit hineingenommen in die Lebens- und Gefühlswelt von Juden der damaligen Zeit – wenn die Gestapo an der Tür von Nachbarn und Freunden klopft und nach und nach immer mehr Menschen „verschwinden“ – bis das Klopfen an der eigenen Tür ertönt.

Mit Co-Autorin Jan Markell (www.olivetreeviews.org/contact/about/) ist es Anita Dittmann gelungen, authentisch aber niemals voyeuristisch von ihrem Leben zu berichten. Ein Leben, das schon in jungen Jahren unter dem Terror des Hitler-Regimes leiden musste. So erzählt Dittmann lebensnah, wie sie in der Schule gemobbt wurde und was das für sie als Familie bedeutete, jüdischer Abstammung zu sein. Dem folgt ein Leben voller Entbehrung, Qualen, unmenschlicher Strapazen und unter einem gnadenlosen Regime als „unmenschlich“ gebrandmarkt zu sein.

Keine Sensationsgier

Was mich besonders fasziniert und wahrscheinlich der Grund ist, weshalb dieses Buch so unglaublich berührt: Dittmann und Markell verzichten auf eine „sensationslüsterne“ Schilderung der Gräueltaten und Misshandlungen. Es geht ihnen um etwas ganz anderes: Nämlich darum, wie ein Mensch durch den Glauben an Jesus Christus diese Hölle durchstehen und sogar für andere noch eine große Ermutigung in hoffnungsloser Situation sein kann.

Alleine die Darstellung ihres Lebens im Arbeitslager ist ein Zeugnis für Gottes Größe und Gnade, die seinesgleichen sucht. Inmitten unmenschlicher Bedingungen und „Lebens“-Verhältnisse wächst ein kleiner Bibel- und Gebetskreis von Frauen. Dittmann beschreibt, wie sie ihre bald schon zerfledderte Bibel wie eine Kostbarkeit schützte, weil sie aus ihren Worten so viel Kraft bekommt. Darüber hinaus bekommt man als Leserin und Leser einen tiefen Einblick in den Lebensalltag in solch einem Arbeitslager. Und was man da zu lesen bekommt, ist beklemmend, verstörend und erschütternd. In eisiger Kälte morgens um fünf zur „Arbeitsstätte“ marschieren, eine Scheibe Brot als Essensration und eine offene Grube als Latrine. Krankheiten, Leid und Tränen. Das ist „Alltag“ in Anita Dittmanns Leben.

Die Willkür der Lageraufseher, Hoffnungen und Träume, die zerplatzen und immer wieder die Ungewissheit, wie lange der Krieg noch gehen wird. Gleichzeitig aber auch kleine Hoffnungsschimmer, weil Bauern aus den umliegenden Dörfern sie bei der Arbeit heimlich mit Nahrung versorgen aber nach und nach auch mit den ermutigenden Nachrichten, dass „die Deutschen“ am Ende sind und die Alliierten nach und nach die Oberhand gewinnen.

Gleichzeitig aber ist nur durch die Schilderung und das Wahrnehmen dieser menschenunwürdigen Verhältnisse erkennbar, dass Anita Dittmann selbst ein großer Hoffnungsschimmer und eine ermutigende Persönlichkeit für andere ist.

Eine faszinierende Lebenseinstellung

Für mich spiegelt folgender Dialog mit Christian Risel, mit dem sie eine romantische Liebe im Arbeitslager verband, ihre Haltung und Lebenseinstellung auf besondere Weise wider:

„Eines Tages werden wir frei und glücklich sein, Anita“, sagte Christian, als er seine Axt in eine stämmige Kiefer schlug. „Wir werden Geld und Essen haben, und wir werden Menschen um uns haben, die wir lieben. Wie werden keine Angst davor haben, dass an an unserer Tür hämmert. Glaubst du das, Anita?“

Ja, Gott bestätigt es mir jeden Tag. Doch ich bin lieber eingesperrt und habe Jesus im Herzen als so zu sein wie meine Schwester Hella, die sicher und frei ist, aber den Einen ablehnt, der ihr wahre Freiheit gab.S. 183

Ich muss gestehen: Bevor ich das Buch las, kannte ich Anita Dittmann nicht. Jetzt bin ich umso dankbarer, dass ich dieses Buch gelesen habe – vielmehr: Dass dieses wunderbare Zeugnis von Gottes Liebe und der Kraft des Glaubens an Jesus Christus mich erreicht hat. Mir scheint, als sei es Anita Dittmann ein besonderes Anliegen, dass durch ihre Lebensgeschichte Menschen zum Glauben an Jesus Christus ermutigt werden. Sie selbst hat von anderen Christinnen und Christen profitiert. Besonders deutlich wird dies an ihrer besonderen Beziehung zu Pfarrer (und Bischof) Ernst Hornig und der St. Barbara-Gemeinde in Breslau.

„Geborgen im Schatten deiner Flügel“ ist mehr als ein Zeitzeugenbericht. Es ist eine unbeschreiblich großartige Geschichte einer mutigen Frau, die im Vertrauen auf Jesus und in der Kraft ihres Glaubens durch die Hölle ging und für viele andere Menschen eine große Ermutigung war. Das Buch ist nicht einfach „gut lesbar“. Es fesselt ungemein, man will es nicht aus der Hand legen und lebt in der packend geschriebenen Lebensgeschichte schlicht und einfach mit.

Geborgen im Schatten deiner Flügel
256 Seiten

ISBN: 9783957344977

Verlag: Gerth Medien

Preis: 18,00 EUR

Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:

Friede, Freude, Eierkuchen – oder doch mehr?

Wie jedes Jahr gibt es eine Jahreslosung. Ein Bibelwort, das von der Herrnhuter Brüdergemeine gelost wird und einen – wenn man möchte – durch das Jahr begleitet. Für das Jahr 2019 lautet diese Losung:

Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15)

Klingt doch erst mal nicht schlecht – oder besser: Das klingt erstrebenswert und gut.

Nicht nur ein frommer Wunsch

Interessant: Es ist ein Imperativ, nicht nur „ein frommer Wunsch“. König David, der diesen Psalm schrieb, fordert auf: „Suche Frieden und jage ihm regelrecht nach!“ Anders übersetzt: „Gib nicht auf, diesen Frieden zu suchen, bis du ihn gefunden hast!“

Und das ist dieser Friede, der weit mehr ist als nur Waffenstillstand und äußere Ruhe. Es ist ein Friede, der „viel mehr“ ist. Es ist göttlicher Friede. Ganzheitlicher Friede. Es ist ein Friede, der unser gesamtes Leben betrifft. Mit Frieden verbinden wir schnell mal „nur“ den Waffenstillstand oder eben die Ruhe nach dem Sturm. Und das ist sicherlich ein Aspekt von Frieden.

Genauso ist ein Aspekt von Friede auch der Wunsch und das Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Frieden als Zustand beendeter (oder zumindest minimierter) sozialer Ungerechtigkeit. Ja, auch das ist Friede. Und ist mit inbegriffen in dem, was die Bibel unter „Frieden“ versteht.

Das Ganze wird noch getoppt, wenn man sich anschaut, welche Grundbedeutung das biblische Worte „Frieden“ hat.

Frieden. Schalom. Heilsein. Ganzsein.

Psalm 34 ist ursprünglich in hebräischer Sprache verfasst. Das hebräische Wort für Friede heißt „Schalom“ und drückt aus: „Meine Seele, mein Geist, mein Körper ruht sicher und geborgen in den Händen meines himmlischen Vaters.“ Wie ein Kind, das sich in den Armen seiner Mutter geborgen weiß, drückt dieses Wort „Schalom“ aus, was wirklicher Friede ist, der unser ganzes Sein, unser gesamtes Wesen umfasst – mit den schönen Momenten und Seiten unseres Lebens, aber auch mit den weniger schönen, schuldhaften und schmerzhaften Momenten.

Der Wunsch, dass unser gesamtes Leben in den Händen eines liebenden und gnädigen Gottes ruht – dieser Wunsch ist nicht nur ein frommer Wunsch, sondern wird durch den Zustand dieses Friedens erfüllt. Und dieser Friede ist dann eben kein „Faktum“, der etwas abschließt, sondern vielmehr ein Zustand, der etwas aufschließt. Er beschreibt unser Leben als ein sicheres und gewisses Geborgensein in Gott, das uns Türen aufschließt, mutig und entschlossen für Frieden in dieser Welt einzutreten.

Wo sollen wir nach diesem Frieden suchen?

Wenn uns König David auffordert, diesen Frieden zu suchen, ihm nachzujagen, alles dafür zu geben – dann ist es doch logisch zu fragen: „Wo sollen wir nach diesem Frieden suchen?“ Wo gibt es ihn? Muss ich etwas dafür tun? Was kostet mich dieser Friede?

Einen ganz heißen Tipp gibt uns die Bibel. Im Neuen Testament steht:

Jesus ist unser Friede.“ (Epheser 2,14)

In Zeiten, in denen wir uns wohl mehr nach Frieden sehnen, als jemals zuvor, weil diese Welt so zerstritten, zerstört und voller Krieg ist, muss doch ein Hinweis erlaubt sein: Solange der Mensch mit seinem Schöpfer auf Kriegsfuß lebt und an diesem Zustand nichts geändert wird, bleibt jeder fromme Wunsch nach Frieden nicht mehr als ziellose Utopie. Was nicht heißt, dass man sich nicht nach Frieden sehnen dürfe, gewiss nicht. Nur: Wir sollen uns – auch als Kirche – im Klaren darüber sein, was wirklich dem Frieden dient. Und das ist als erster und einziger erster Schritt, Frieden mit Gott zu finden.

Und deswegen ist mit dieser Jahreslosung in einem Atemzug eine andere wunderbare Bibelstelle zu nennen und zwar Kolosser 1,20, wo der Apostel Paulus über Gott schreibt:

Durch Jesus hat Gott alles mit sich selbst versöhnt. Durch sein Blut am Kreuz schloss er Frieden mit allem, was im Himmel und auf der Erde ist.

Wo das Geschöpf dieses Friedensangebot seines Schöpfers annimmt, wird er befähigt und bekräftigt, Frieden in dieser Welt zu stiften, der nachhaltig ist. Alles andere ist „Kratzen an der Oberfläche“, aber keine Symptombehandlung. Wann verstehen wir das endlich?

Frieden, der seinesgleichen sucht

Bevor Jesus am Kreuz starb und nach drei Tagen wieder auferstand, sagte er:

Ich lasse euch ein Geschenk zurück – meinen Frieden. Und der Friede, den ich schenke, ist nicht wie der Friede, den die Welt gibt. Deshalb sorgt euch nicht und habt keine Angst.“ (Johannes 14,27)

Irgendwie logisch: Wer durch seinen Tod am Kreuz Frieden zwischen Gott und Mensch machen kann – der kann erst recht auch Frieden zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Natur schaffen. Wer seinen Frieden mit Gott gefunden hat, der kann und will nicht anders, als diesen Frieden auch anderen Menschen anzubieten, mit anderen Menschen und mit seiner Umwelt (und damit auch der Natur) im Frieden zu leben.

Für mich ist das ein Frieden, der seinesgleichen sucht. Wer die Jahreslosung 2019 auf einen pazifistischen Friedensappell minimiert wird dieser ebenso wenig gerecht wie der, der die Jahreslosung rein individualistisch versteht.

Das Kreuz spiegelt es doch wunderbar wider: Die Horizontale (Mensch und Mensch; Mensch und Natur) und die Vertikale (Mensch und Gott) schließen Frieden. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Aber der erste Schritt kann nur die Vertikale sein, ansonsten hat man Gnade nicht verstanden und bleibt in einer Werkgerechtigkeit verhaftet. Aber gerade aus dieser befreit uns das Kreuz.

Gleichzeitig haben wir Gnade aber auch nicht verstanden, wenn wir sie nur für uns in Anspruch nehmen oder gar behalten (ok, Letzteres geht nicht). In diesem Sinne: ein gutes, gesegnetes 2019!

Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:


Die TOP 5 Beiträge in 2018

Das Jahr 2018 neigt sich dem Ende entgegen. Welche Beiträge wurden 2018 auf www.david-brunner.de am meisten angeklickt und gelesen? Hier kommt die Antwort.

Zunächst die Artikel, die 2018 nicht nur am meisten gelesen wurden, sondern gleichzeitig auch erschienen sind.

Meist gelesene Beiträge aus dem Jahr 2018

10 Dinge, die ein Pastor nicht tun kann

Irgendwie dachte ich mir: Das hat doch was. „10 Dinge, die ein Pastor nicht tun kann.“ Pastoren (und hier sind sowohl die Pastorinnen, Pfarrer und Pfarrerinnen ebenso gemeint) sollen jede Menge können. Sollen! In den Augen anderer – vor allem in den Augen ihrer „Schäfchen“ und anderem Bodenpersonal Gottes. Manchmal gibt es kaum etwas Schlimmeres […]

0 Kommentare

Ein Offenbarungseid der evangelischen Kirche (im Rheinland)

Umgangssprachlich leistet einen Offenbarungseid, wer schonungslos die ganze Wahrheit ans Licht bringt – wobei das nicht immer gewollt sein muss. So geschehen zu Beginn dieses Jahres, als die Synode der evangelischen Kirche im Rheinland tagte. Auf der Tagesordnung stand auch die Frage nach dem Zusammenleben und dem Dialog zwischen Christen und Muslimen. Ein wichtiges Thema. […]

0 Kommentare

Meine TOP 5 Apps als Leiter

Es gibt eine Sache, die ich nicht wirklich verstehe. Sie ereignet sich immer dann, wenn Menschen voller Überraschung mich entweder mit dem iPhone etwas Dienstliches erledigen sehen oder wenn sie die Homepage unserer Gemeinde (www.wutachblick.de) aufsuchen. Die Kommentare, die ich dann zu hören bekomme, wiederholen sich in unregelmäßigem Abstand und lauten ungefähr: „Sie Sind Pfarrer […]

2 comments

Das Leben in der Sackgasse

Sackgasse. Es geht nicht vorwärts, es geht nicht rückwärts. Du steckst fest. So kommt uns unser Leben manchmal vor. Und dann? Was Gott mit dir vorhat Wusstest du schon, dass der Gott, der Himmel und Erde gemacht hat dich unendlich liebt? Ok, wenn du es schon wusstest, schadet es nicht, das wieder zu hören. Egal, […]

0 Kommentare

K5-Leitertraining – Gott übertrifft alle Erwartungen!

Unglaublich. Großartig. Unbeschreiblich. So könnte man etwas bezeichnen, was ich mir vor wenigen Monaten noch nicht einmal hätte träumen lassen. Man kann aber auch ein Wort dafür verwenden, wie es jemand extra dafür mal in die Runde warf (Danke, Lena!): Erwartungssprengend! Erwarte mehr von Gott! Letzten Herbst bin ich auf das K5-Leitertraining aufmerksam geworden. Es […]

4 comments

Die Liste der absolut meist gelesenen Beiträge – nicht nur aus diesem Jahr – sieht so aus:

Meist gelesene Beiträge überhaupt

10 Dinge, die du als Christ nicht glauben solltest

Es gibt vieles, das du als Christ nicht glauben solltest. Ich liste hier nur mal 10 Dinge auf (in Anlehnung an die bekannte Serie „10 Dinge, die Sie nicht tun sollten…“), die mir ganz spontan kommen. Die Reihenfolge ist willkürlich. Und wahrscheinlich müsste es eher „99 Dinge…“ heißen – aber das würde ja kein Mensch […]

41 comments

Wie erkenne ich Gottes Willen?

Für viele Christen ist das die Masterfrage. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass man sich auch ganz gut dahinter verstecken kann. „Ich weiß nicht, was Gott von mir will. Also mach ich mal nichts.“ Schlechte Lösung. Als Führungskraft und Pfarrer stehe ich immer wieder vor dieser Frage. Und da ich der festen Überzeugung bin, […]

Ein Kommentar

Danke, ICF!

Wenn 1.000 Menschen in leitenden Positionen in ihrer Kirchengemeinde zusammen kommen, gemeinsam Gott anbeten, in unterschiedlichen Workshops dazulernen und durch zwei geniale Messages von Nicolas Legler und Leo Bigger herausgefordert, inspiriert und gesegnet werden – dann, ja dann, liegt ein genialer Tag hinter mir. Zum ersten Mal finden in Zürich in der neuen Samsung Hall […]

3 comments

Der unsichtbare Dienst einer Pastorenfrau

Dieser Artikel ist meiner Frau gewidmet, denn sie leistet Grandioses und hat sich bewusst für ihr Schicksal entschieden, als wir geheiratet haben. Und dieses Schicksal heißt: Pastorenfrau zu sein. Dieser Artikel ist keine Abrechnung und er ist auch nicht polemisch gemeint. Er stellt lediglich Tatsachen dar und soll die wahren Heldinnen der Gemeindearbeit ehren: Pastorenfrauen. […]

4 comments

15 skurrile Ausreden, nicht in den Gottesdienst zu gehen

Dieser Artikel ist die Übersetzung des englischen Originals 15 bizarre excuses real people made for missing church. Thom Rainer ist CEO von „LifeWay Christian Resources“. Er hat Pastoren und Gottesdienstbesucher befragt, was die Gründe sind, nicht in den Gottesdienst zu gehen. Diese 15 Gründe (besser gesagt: Ausreden) sind eigentlich unglaublich – aber wahr. Wir hatten […]

0 Kommentare

An dieser Stelle ein großes DANKESCHÖN an Dich, liebe Leserin und lieber Leser. Ein Blog macht nur Sinn, wenn er gelesen wird und die Beiträge andere inspirieren.

Es ist jedes Mal ein „besonderes Gefühl“, wenn ich einen Artikel veröffentliche. Aber diverse Rückmeldungen zeigen mir, dass die Beiträge andere inspirieren, herausfordern, trösten, stärken, ermutigen, provozieren, auf Zustimmung stoßen aber auch auf Ablehnung. Die ganze Palette – und das ist gut so.

Gerne kannst du über die Kontakt-Seite oder in der Kommentarfunktion Rückmeldung geben – oder mir schreiben, zu welchem Thema du gerne einen Beitrag in 2019 auf meinem Blog lesen würdest.

Bleib auf dem Laufenden und abonniere meinen Newsletter:


Beliebteste Beiträge der letzten Woche

Beiträge zum Thema "Leitung"

Medien, die ich empfehle

Glaube = Risiko

Der Wettlauf des Glaubens

Die Essenz des Seins

Auslöschung

Reaktivität überwinden